An den Vorstand von ICOM Österreich
Wien am 13. April 2011
Sehr geehrte Damen und Herren!
Gestern wurde mir die Stellungnahme des Vorstandes von ICOM Österreich
bezüglich des Schreibens des Präsidenten von ICOM Österreich an die
Direktorin des Jüdischen Museums Wien übermittelt. Ich muss gestehen, dass
mich diese Stellungnahme einigermaßen irritiert.
Der Präsident und nunmehr auch ICOM Österreich unterstellen den
Unterzeichnern des Schreibens an die Direktion des Jüdischen Museums (Brief
der Direktoren und Wissenschafter) Unkenntnis über die Dauerausstellung im
Jüdischen Museum Wien, oder wie es im Brief des Präsidenten Dr. Wilfried
Seipel heißt: „Dabei kann man wohl davon ausgehen, dass keineswegs alle
schreibenden und unterschreibenden Kollegen die Corpora Delicti jemals zu
Gesicht bekommen haben.“ Dies obwohl die betreffenden Kollegen und
Kolleginnen immer wieder zu Gast im Jüdischen Museum Wien waren und unter
anderem auch von mir persönlich mit ihren Gästen durch das Haus geführt
wurden und selbstverständlich auch die Hologramme besichtigten.
Das Schreiben des Präsidenten von ICOM Österreich und nunmehr auch des
Vorstandes von ICOM Österreich unterstellt allen Unterzeichnern, ihre
Betroffenheit über die Zerstörung der Hologramme sei sachfremden und
persönlichen Motiven geschuldet und sie würden die ICOM Richtlinien dafür
instrumentalisieren. Mit keinem Wort wird darauf eingegangen, dass die
Hologramme tatsächlich „Originalobjekte“ mit einem hohen und international
anerkannten innovativen Potential waren. Eine Installation die immer wieder
für Irritationen, aber vor allem für hohe Anerkennung in der Fachwelt
sorgte. Völlig ignoriert werden die tatsächlichen Diskussionspunkte, nämlich
die Frage nach dem Umgang mit Geschichte in jüdischen Museen und ob wir als
Museumsleute den zivilisatorischen Bruch durch die Schoa als Herausforderung
ernst nehmen. Somit aber auch die Frage was ist bewahrenswert in unseren
Sammlungen, wie gehen wir mit den eigenen Ausstellungsmaterialien um.
(Fragen die in meinen Augen nicht nur für Jüdische Museen relevant sind.)
Die Hologramme sind gerade in diesen Zusammenhang im Laufe der Jahre, und
durch die Diskussion über sie, tatsächlich zu Ausstellungsobjekten geworden.
Also genau zu jenen Dingen, die wir zu bewahren und zu erhalten verpflichtet
sind.
Zu keinem Zeitpunkt der Diskussion ging es um die Frage ob die Hologramme
Teil einer neuen Dauerausstellung sein sollten oder nicht. Es war allen
Beteiligten klar, dass dies nicht der Fall sein würde. Allerdings war auch
allen Beteiligten klar, dass ein Konzept für eine neue Dauerausstellung
nicht hinter die Errungenschaften der alten zurückfallen dürfe, damit
stellte sich auch die Frage nach dem Umgang mit Elementen der alten
Dauerausstellung wie z. B. der Installation von Nancy Spero (die ebenfalls
viel Raum einnimmt) und eben den Hologrammen. Die Argumentation des
Präsidenten, die Hologramme wären einer Neugestaltung im Wege gestanden
läuft ins Leere. Umso mehr erschreckt die Ignoranz gegenüber der Zerstörung
einer bahnbrechenden musealen Innovation, die noch dazu, wie wir
mittlerweile wissen, nicht notwendig gewesen wäre.
Weiters wird behauptet, dass die Hologramme „zuletzt einen erbärmlichen,
weil ungepflegten und verstaubten Eindruck“ hinterlassen hätten. Ich war bis
Ende Dezember 2010 Mitarbeiter im Jüdischen Museum Wien und verwahre mich
entschieden gegen diese unwahre Behauptung und somit der unausgesprochenen
Unterstellung, die MitarbeiterInnen des Jüdischen Museum Wien hätten die
Dauerstellung dem „Verfall“ preisgegeben. Es ist auch unrichtig, dass es zu
einem Verfall der optischen Qualität gekommen wäre. Diese Behauptung ist
ganz einfach sachlich nicht gerechtfertigt.
Zuletzt noch ein Wort zur sich wohl selbst richtenden Behauptung die
Chefkuratorin des Jüdischen Museums hätte eine Kampagne gesteuert und die
nationale und internationale Kollegenschaft instrumentalisiert. Ich bin
wirklich verblüfft und entsetzt, dass der Vorstand von ICOM Österreich
glaubt, dass Direktoren, Wissenschafter und Kuratoren wie ferngesteuert auf
Zuruf reagieren und sich für eine persönliche Kampagne einspannen lassen.
Welche Vorstellung über die professionelle und ethische Einstellung ihrer
KollegInnen liegt dieser befremdlichen Behauptung zu Grunde?
Vom Vorstand von ICOM Österreich hätte ich mir einen differenzierteren
Zugang zur Diskussion erwartet. Vor allem aber auch, dass der Vorstand den
Unterstellungen und Diffamierungen gegenüber Kollegen und Kolleginnen
entgegentritt.
Mit kollegialen Grüßen
Mag. Gerhard Milchram
Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass mit der Behauptung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses hätten die Hologramme dem Verfll preisgegeben ist eine glatte, bewusst lancierte Lüge (wie so vieles, was mittlerweile an die Öffentlichkeit gebracht wurde).
AntwortenLöschenWie kann die ICOM eine solche Diffamierung engagierter und bis 07-2010 von ihrer Arbeit begeisterter Kolleginnen und Kollegen dulden?