Posts mit dem Label Privatmuseum werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Privatmuseum werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 4. Februar 2023

Museum der verlorenen Generation (Ein Museum)

Vor fünf Jahren wurden am 6. Oktober 2017 die erste Ausstellung „Wir haben uns lange nicht gesehen. Die Sammlung Böhme“ und damit das derzeit jüngste Privatmuseum - Museum der verlorenen Generation - in Salzburg feierlich eröffnet. Mit seiner außergewöhnlichen Sammlung abseits des Kanons hat der Museumsgründer Prof. Dr. Heinz R. Böhme Impulse gesetzt, sich mit aus dem Blick geratener Kunst zu beschäftigen. Als einziges auf diese Thematik spezialisierte Museum im deutschsprachigen Raum erfüllt es die Aufgabe, lange Zeit verkannte, verhöhnte oder verbotene Kunst und Ihre Künstler aufzuarbeiten sowie zu präsentieren. Mit seiner inzwischen auf 600 Werke gewachsenen Sammlung betreibt das Museum bei vielen Namen Pionierforschung. Träger ist seit März 2020 die gemeinnützige Stiftung des Museumsgründers. (Quelle: Die Salzburgerin)


Anliegen

Meine über die Jahre gewachsene Sammlung von Kunstwerken der Verlorenen Generation sollte nicht länger nur im eigenen Wohnzimmer einigen wenigen Gästen vorbehalten bleiben. Mit dem Wachsen meiner Sammlung mache ich mir Gedanken: „Wohin mit den Bildern?“

Die Idee, meine Privatsammlung in einem Museum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen wird von mehreren Gründen getragen. Ich möchte die bewegende Geschichte der Menschen hinter diesen Bildern erzählen. Im Vordergrund stehen daher die Biografien der Künstler. Diese Künstler der Verlorenen Generation, die „Entarteten“ und „Verfemten“ sollen die Anerkennung erhalten, die ihnen zu Lebzeiten verwehrt wurde. Außerdem soll auch deren hohe künstlerische Qualität Beachtung finden. Mit diesem Museum möchte ich einen Raum schaffen, der zum Wohlfühlen einlädt, sowohl für die verloren gegangenen Künstler als auch für die Besucher. Das Museum soll nicht nur ein Ort der Erinnerung sein und zum Nachdenken anregen. Es soll ein Museum sein, das von Leben erfüllt wird, ein Raum für Zusammentreffen, Lesungen, Veranstaltungen, und Diskussionen.

Darüber hinaus soll der private Charakter der Sammlung und des Museums erhalten und weitergeführt werden. Schrittweise und in eigenen Ausstellungen werden in etwa einjährigem Abstand die Gemälde aus dem Bestand der Sammlung der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit wird die Thematik der Verlorenen Generation über längere Zeit erhalten und in eine Dauerausstellung eingebunden. Die meisten Gemälde wurden noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt.

Sowohl in der Kunstgeschichte als auch in der zeitgenössischen Geschichte finden die Künstler der Verlorenen Generation bisher noch wenig Beachtung. Erst in den letzten Jahren beginnen Historiker und Kunsthistoriker, sich mit dieser Generation von Künstlern als Kollektiv zu beschäftigen. Diese Lücke in der Kunstgeschichte zu schließen, die Biographien im kunsthistorischen und zeitgeschichtlichen Zusammenhang aufzuzeigen und wissenschaftlich einzuordnen gehört zu den Aufgaben meines Museums.

Die Lebensgeschichte dieser Menschen soll im Gedächtnis der Gesellschaft auch für die Zukunft erhalten bleiben. Diese Geschichte zu kennen, damit respektvoll umzugehen und im Bewusstsein zu tragen, schafft erst die Grundlage für eine unbeschwerte Betrachtung der Zukunft. Es geht mir vor allem darum, zu erreichen, dass die Form des damaligen Umgangs der Menschen miteinander keine Wiederholung findet. Wenn Zeitzeugen nicht mehr sprechen und ihre Erlebnisse nicht mehr weitergegeben werden können, braucht es eine Brücke zur Gegenwart und in die Zukunft. Diese Brücke sind die Biographien der Verlorenen Generation. Prof. Dr. Heinz R. Böhme (Quelle: Webseite des Museums)

Beschreibung

Das Museum Kunst der Verlorenen Generation ist ein gemeinnütziges Privatmuseum in der Altstadt Salzburgs. Träger ist die Prof. Dr. Heinz R. Böhme gemeinnützige Stiftung Salzburg.

Das Privatmuseum von Prof. Dr. Heinz Böhme zeigt eine außergewöhnliche Sammlung von Künstlern der Verlorenen Generation. Es befindet sich im ersten Stock der Sigmund-Haffner-Gasse 12. Die Sammlung Böhme erzählt Geschichten über Künstler, die durch die historischen Umstände zweier Weltkriege geprägt wurden und heute neue Aufmerksamkeit finden. Die Ablehnung ihrer Kunst als „entartet“ zeigt, dass ihre Kunst nicht der Norm der Akademien und später des Nationalsozialismus entsprachen. Die meisten der wiederentdeckten Werke entstanden zwischen 1920 und 1945. Die Künstlerinnen und Künstlern lernten unter anderem bei Max Beckmann, Henri Matisse, Lovis Corinth, Paul Klee oder Oskar Kokoschka und waren Mitglieder avantgardistischer Künstlervereinigungen. Diesen spannende Stilpluralismus trägt die Sammlung Böhme zusammen und stellt die neu aufgefundenen Werke in den großzügigen historischen Räumlichkeiten der Salzburg Altstadt vor.

Wenn das Museum geöffnet hat, ist der Museumsgründer Prof. Dr. Heinz R. Böhme meist vor Ort und begleitet Kunstinteressierte auf Wunsch durch die Ausstellung. Der Stil der präsentierten Künstler ist so vielfältig wie auch ihre Lebensgeschichten und der Kontext der Entstehung.

Im Juli 2020 ist der erste Sammlungskatalog "Wir haben uns lange nicht gesehen. Kunst der Verlorenen Generation. Sammlung Böhme" im Hirmer Verlag erschienen. Dieser kann im Museumsshop vor Ort und im Online Shop[1] des Museums erworben werden. (Quelle: Salzburg-Wiki)


Zur Person

Prof. Dr. Heinz Böhme ist Gründer des Museums Kunst der Verlorenen Generation in der Stadt Salzburg

Ein Beitrag von Sigrid Scharf in den Flachgauer Nachrichten vom 14. November 2019

Prof. Dr. Heinz R. Böhme ist pensionierter Mediziner mit sächsischem Vater und Wiener Mutter und lebt heute in der Stadt Salzburg. Er sammelt seit Jahrzehnten Gemälden von Künstlern, deren Leben von zwei Weltkriegen geprägt wurde und unter dem nationalsozialistischen Regime als „entartet“ galten. Sie wurden im Dritten Reich verfolgt, erhielten Berufsverbot, wurden ermordet oder ins Exil getrieben.

Er möchte dieser Lücke in der Kunstgeschichte neue Aufmerksamkeit zukommen lassen: „Die Künstler und ihre Werke sollen die verdiente Wertschätzung erhalten, die ihnen so lange verwehrt geblieben ist“, formuliert es Böhme. (Quelle: Salzburg-Wiki)


Webseite: https://verlorene-generation.com/museum/


Mittwoch, 3. Juni 2020

Kreuz und Inschrift. Das Großprojekt „Humboldt-Forum“ beschädigt sich laufend selbst



Das Humboldt-Forum in Berlin dürfte so schnell nicht in ruhiges Fahrwasser gelangen, als ein von Debatten zukünftig unbehelligtes Projekt. Das vorletzte Unglück, das ihm ohne jedes eigene Verschulden zustieß, wurde durch die Corona-Krise ausgelöst. Die - ohnehin schmalspurige und provisorische - Eröffnung musste verschoben werden. Die bislang letzte Krise ist hingegen gewissermaßen hausgemacht und man kann sich über die Wahl des Zeitpunkts zu dem sie ausgelöst wurde nur wundern. Daß das ursprünglich die riesige Kuppel krönende Kreuz wieder errichtet werden würde, war schon länger klar und wurde seinerzeit auch schon heftig kritisiert, als eine private Spende der Gattung des Versandhauskönigs Otto die Anbindung finanziell möglich machte. Und jetzt kam noch eine Inschrift hinzu, die, ebenfalls „original“, als rekonstruktionswürdig eingestuft wurde. Und die an Eindeutigkeit kaum etwas zu wünschen übrig läßt. Die von König Wilhelm Friedrich IV. persönlich aus Bibelstellen montierte Inschrift lautet: „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“

Die semantischen Spitzfindigkeiten, mit denen der symbolische Akt mit nahezu schon fast aufklärerisch-religionskritischen Zwischentönen versehen wegerklärt wird (etwa von Christoph Johannes Markschies, evangelischer Theologe und Professor für antikes Christentum der Humboldt-Universität Berlin in der Berliner Zeitung vom 27.5.2020 im Gespräch mit Nikolaus Bernau), mögen historisch gut gestützt sein, aber es ist nun mal ein symbolischer Akt der jetzt gesetzt wird und als solcher in veränderetem Umfeld und auch anders als nur strikt historisch zu deuten ist. Oder soll man Markschies folgen und es verdienstvoll finden, wie „ehrlich“ rekonstruiert wurde: „Die Inschrift ist so antijüdisch wie das gesamte Christentum in Preußen zu der Zeit antijüdisch war – man hat auf die Tatsache, dass Jesus Jude war, theologisch keine Rücksicht genommen. Das ist nicht schön, aber das ist so. Für mich gehört es auch zur Ehrlichkeit dieser Rekonstruktion, dass man das Problematische der christlichen Theologiegeschichte zeigt.“

Ebenso sophisticated ist der zweite Versuch der Entschärfung von Kreuz und Inschrift, der museologische, der einfach Bau und Dekor zum Ausstellungsobjekt erklärt. Das mag bei manchen zeitgenössischen Museumsbauten angehen, die mit einem autonomen Kunstanspruch auch als Werk rezipiert werden sollen, genau so wie die Werke, die in ihm gezeigt werden (wie es sich etwa Hans Hollein von seinem Museum am Abteiberg in Mönchengladbach gewünscht hat), aber selbst da lassen sich sich Werk und Wirkung nicht als starre Gleichung ausgeben, sondern der Bau steht immer auch in einem freien Spiel der sich stets wandelnden jeweils zeitgenössischen Deutungen.

Vorschläge, doch durch erläuternde Texte die fatalen Botschaften zu relativieren oder wenigstens zu entschärfen gleicht der Verzweiflungstat eine Nestroyschen Zerrissenen, der mit einer Hand ungeschehen macht, was die andre angerichtet hat. Genauso verfahren sind die Appelle des Humboldt-Forums an uns Bürger und Besucher, man möge doch mit den Widersprüchen - die es doch selbst gestiftet hat - umgehen lernen.

Nein, diesmal ist nicht zu sehen, wie die Geste der doppelten Geisterbeschwörung von Christen- und Preussentum so gedeutet werden kann, daß das mit der offiziellen aufklärerischen und antikolonialen Intention des Projekts irgendwie zusammenpasst. Dabei fallen angesichts der christlichen Symbolik die monarchischen fast unter den Tisch wie die Tageszeitung (Susanne Messer am 28.5.2020) bemerkte: „Bei der originalgetreuen Rekonstruktion sind keine monarchischen Symbole wie Adler, Wappen und Kronen ausgelassen.“ Das Monarchische, die Vermengung von politischer Macht mit christlichem Glauben und der Kirche verkörpert jedoch der ganze Bau und kontaminiert das gesamte Vorhaben hier ein museales Zentrum der globalen kulturellen Aussöhnung zu verwirklichen. Sollen gegen diese Hypothek auch didaktische Texte aufgeboten werden?



Die Argumente, auf die sich viele Befürworter stützen, argumentieren mit dem wieder Sichtbar machen von Geschichte gerade durch die Rekonstruktion, mit der Wiederherstellung von Authentizität. Es soll materiell wiederhergestellt werden, was einmal an diesem Ort stand. Was da an Widersprüchlichkeit zutage trete, gehöre nun einmal zu dieser Geschichte. Doch das Argument ist fatal irreführend und täuscht über die Kehrseite der jüngeren Geschichte des Schlosses hinweg. Mit der Entscheidung zum (teilrekonstruierten) Wiederaufbau hat man auch die Entscheidung zum Verschwinden von Geschichte getroffen. Die Rekonstruktion sollte ja auch etwas vergessen machen: den Palast der Republik und die Geschichte der DDR, nicht nur an diesem Ort, sowie die Teilung Berlins. Insofern war die Rekonstruktion des Schlosses schon lange vor der Errichtung des Kreuzes über der ominösen Inschrift hoch problematisch. Wieso soll sich die „Berliner Republik“ ausgerechnet in diesem preussischen Monumentalbau aktuell Wiedererkennen sollen? Mit der Ausstellung „Preussen - Versuch einer Bilanz“ (1981) schien - ungewöhnlich erfolgreich für eine historische Ausstellung - ein befreiender Schlussstrich unter die Geschichte Preussens gezogen. Das wird jetzt gerade ausgelöscht.
Der Historiker Jürgen Zimmer (zitiert aus einer Sammlung von Reaktionen zu Kreuz und Inschrift im Magazin des Humboldt-Forums vom 25.5.2020):  „Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses ist auch eine Auslöschung, bestimmter Aspekte der Geschichte Berlins, der Geschichte Deutschlands: der Zweite Weltkriege mit seinen Zerstörungen, die deutschen Teilung und nicht zuletzt die DDR. Der Wiederaufbau versucht dagegen die identitätsstiftende Bezugnahme auf Preußen, auf die Monarchie, auf die Zeit vor den vor allem von Berlin/Deutschland ausgegangenen Verwüstungen zweier Weltkriege und dem Holocaust. Das Kreuz steht in diesem Kontext auch für das Gottesgnadentum der Hohenzollern, also für eine undemokratische Ausrichtung, für einen universellen Herrschaftsanspruch. Die christliche Fundierung ist Herrschaftslegitimation und gewinnt ihrerseits daraus normative Prägekraft für die Gesellschaft.“

Der „Geburtsfehler“ (Andreas Kilb) des Projekts liegt in der Vermischung zweier Entscheidungen. Die eine lag darin, auf private Initiative hin eine Teilrekonstruktion des Berliner Schlosses als letztlich staatlich-repräsentatives Bauvorhaben voranzubringen, die andere darin, nachträglich auf der Suche nach einer Funktion eine museale Nutzung durch die Stiftung Preussischer Kulturbesitz vorzusehen. Und dabei ausgerechnet die ethnologischen Sammlungen von Dahlem ins Zentrum zu holen, als neuen Gravitationspunkt der vielfältigen Sammlungen, die dort schon seit 1830 auf der Museumsinsel versammelt sind. Das war schon fragwürdig genug und umstritten, aber erst als die lange verleugnete koloniale Geschichte der ethnologischen Sammlungen durch einen mediengerecht plakativ geschrieben Text zum hitzig hochgekochten Medienhype wurde, platzte die Idee einer humanen Geistesstätte definitiv. Wo viele Kulturen gleichberechtigt und anerkannt versammelt sein sollten und damit dem Eurozentrismus (der in der Idee des Museum selbst steckt) ein neues Modell entgegengesetzt werden sollte, ausgerechnet dort wird nun wie eine gezielt gesetzten Pointe nachträglich alles mit einem verheerenden Vorzeichen versehen.


Kein Wunder, daß jetzt in den Medien ein Sturm der Entrüstung losbricht und es herbe Kritik und Polemik nur so hagelt. Das Kreuz „vergiftet die ohnehin ideologisch aufgeladene Atmosphäre um das Weltkulturenmuseum des Bundes erst recht. In Zukunft werden es die Postkolonialen noch leichter haben, das Forum als Beutekammer europäischer Räuberstaaten zu brandmarken. Sie müssen sich nur vor den Eingang stellen und nach oben zeigen. Auf das Kreuz Christi, das zur Knute des Königs entstellt ist.“ (Andreas Kilo in der FAZ vom 29.5.2020). Ähnlich entgeistert schreibt in Monopol vom 26.5.2020) Saskia Trebing, die auf die Parallele der Wiederrichtung der mit NS-Geschichte kontaminierten Garnisonskirche in Potsdam verweist: „Beim Humboldt Forum ist eine Situation entstanden, in der man das postkoloniale Konzept inzwischen angestrengt irgendwo zwischen anderslautenden Umständen und Symboliken suchen muss. So als könne man im Nachhinein einfach auf Panels und Workshops wegdiskutieren, dass der Großteil der Entscheider weiß und männlich ist, die Exponate aus aller Welt hinter einer rekonstruierten preußischen Schlossfassade einziehen und nun ein prominentes Kreuz auf einem Museum die Silhouette Berlins prägen wird.“
Und Susanne Messner stellt dem Projekt fast schon einen Totenschein aus, wenn sie in Tageszeitung vom 28.5.2020 schreibt: „Das Humboldt Forum ist seit Jahren eine der Institutionen in dieser Stadt, die – um es euphemistisch auszudrücken – kritischer beäugt wird als jede andere. Schon lang weisen kritische Stimmen mit penetranter Hartnäckigkeit darauf hin, dass das Humboldt Forum den Grundwiderspruch, auf dem es baut, nie wird lösen können.“  Nikolaus Bernau in der Berliner Zeitung vom 28.5.2020: „Welche Botschaft geht von einer aus, die das „Heil“ der Welt nur jenen verspricht, die an Jesus Christus glauben? Eine religiöse und kulturelle Anmaßung Europas, der Millionen Menschen und viele Kulturen zum Opfer gefallen sind.“

Jens Bisky in der Süddeutschen Zeitung vom 22.5.2020: "Jetzt schon kann man sagen, dass jene symbolisch bedeutsamen Bauteile besonders sorgfältig rekonstruiert wurden, die, um eine königliche Formulierung zu variieren, den Ludergeruch der Reaktion verströmen. Der Einwand, da werde halt ein Bau-, ja ein Kunstwerk historisch getreu rekonstruiert, trifft nicht. Er verschleiert vielmehr, wie viele Einzelentscheidungen falsch und ohne große öffentliche Diskussion gefällt worden sind.“
Lutz Herden in Der Freitag vom 2.6.2020: „Unter dem Kreuz können sich die Schloss- und Schirmherren nun heimisch fühlen. Sie müssen nicht länger bestreiten, worauf es ihnen ankam. Immerhin wird auf das Zeichen eines in Deutschland stets auch staatskirchlichen Christentums zurückgegriffen, das willig segnete, was es zu segnen galt: brutale Kolonialpolitik, die Ausrottung eines Volkes in Südwestafrika, Aggression und Verbrechen im Ersten Weltkrieg, Zivilisationsbruch und Massenmord des NS-Regimes (Stichwort: „Deutsche Christen“). So unerschütterlich und stolz, wie nun Kreuz und Schloss vereint ihre Botschaft aussenden, sieht das mitnichten nach Abbitte aus. Im Gegenteil.“

Wie das Humboldt-Forum je seinen „Geburtsfehler“ überwinden werden kann, bleibt ungewiss. "Es steht zu befürchten, das Humboldt-Forum hat bereits einen Ruf verloren, bevor es sich überhaupt einen verschaffen kann.“  (Lutz Herden, wie oben zitiert). Vielleicht erledigt sich alles durch Gewöhnung und Ermüdung und eine innovative und ambitionierte Arbeit des Forums wird die langsam alt werdenden und in Vergessenheit geratenden Debatten allmählich überlagern. Mag sein. Jetzt ist erst einmal das Kind tief im Brunnen und die „Kreuzeserrichtung“ das so ziemlich Falscheste zum ziemlich falschesten Zeitpunkt.

Da ist aber noch eine andere offene Frage. Möglich wurde sie durch eine Spende von einer Million Euro aus dem Jahr 2015 durch Inga Maren Otto, die Witwe des Versandhausgründers. Daß das Schloß überhaupt wiedermachtet werden konnte, verdankt sich auch privater Initiative. Daß so zentrale kulturpolitische Entscheidungen nicht vom Staat kommen, sondern von Privaten, kann man nicht als wohltätiges Mäzenatentum schönreden. Da findet ein Paradigmenwechsel statt. Staatliche Kulturpolitik setzt in mehr oder weniger demokratischen Verfahren steuerfinanzierte Projekte um, die im Prinzip allen zugutekommen. Gerade das Museum wird von der Idee der Wohlfahrt aller Bürger getragen und adressiert sich daher folgerichtig seit dem späten 18.Jahrhundert an das Gesamt seiner Bürger. Die wiederum tragen durch ihre Steuerleistung die Institution, die ihnen als öffentlicher Raum im emphatisch politischen Sinn zur Verfügung steht - als einer der Orte, der sich bildenden res publica.

Hier, in Berlin (und an vielen anderen Orten, ich könnte aktuelle Fälle aus Österreich beisteuern, von der Gründung der Albertina Modern bis zu Heidi Hortens Privatmuseum) geht aber die Entscheidungsgewalt über vom Repräsentanten der Öffentlichkeit hin zum privaten Spender (der womöglich auch noch Steuererleichterungen lukriert). Politik und Verwaltung nicken nur noch ab, was Einzelnen in ihrem privaten Interesse opportun erscheint. Dieser Einzelne und nicht mehr die Repräsentanten des Demos bestimmt dann über gesellschaftliche Prioritäten.

Das mag am einzelnen Beispiel nicht so dramatisch erscheinen, aber gerade die Berliner Museen haben ihre Geschichte als nationalstaatliche Repräsentationsorte, die sich in der Konkurrenz zu anderen europäischen Metropolen etablierten und bewähren sollten. Das kumuliert um 1900, ist bis heute nicht zu Ende gekommen. Daß Helmut Kohl zum Deutschen Historischen Museum anläßlich eines Besuchs beim französischen Staatspräsidenten Mitterand, der grade an seinem Grand Louvre bastelte, inspiriert sein soll, ist mehr als nur eine urban legend. (Vgl. dazu Ein Schloß, ein Präsident, eine Kanzlerin. Museumspolitik im Großmaßstab. Link am Ende des Textes)

Museen sind nun mal, gerade wenn es um solche Dimensionen geht wie in Berlin, und um einen ‚Firmennamen‘ "Preussischer Kulturbesitz“, ideologische Staatsapparate, die hegemonial und integrativ zugleich wirken können. Wenn der Staat diese ambivalente Funktion kultureller Großinstitutionen Privaten überläßt und deren Intentionen und Idiosynkratien, deren ideologischen und materiellen Interessen, dann verzichtet er auf seine eigene Verantwortung und Möglichkeiten der Steuerung. Dieser Paradigmenwechsel gibt zu schwer denken.

Nachtrag vom 4.6.2020: Wie die Süddeutsche Zeitung entdeckt hat, gibt es eine weitere Inschrift, keine historische, also keine rekonstrierte. Sie wurde von der Stifterin des Kreuzes gewünscht und sie bekam sie. "Eine Würdigung ihres verstorbenen Mannes: "Im Gedenken an meinen Mann Werner A. Otto 1909 - 2011. Inga Maren Otto". Was für eine Pointe...

Zwei weitere, ältere Texte zum Humboldt-Forum

Das "Humboldtforum" im Berliner Schloss als "Kolonialzoo" und "permanenter Kirchentag"
https://museologien.blogspot.com/2010/06/das-humboldtforum-im-berliner-schloss.html

Ein Schloß, ein Präsident, eine Kanzlerin. Museumspolitik im Großmaßstab.
https://museologien.blogspot.com/2018/04/ein-schlo-ein-prasident-eine-kanzlerin.html








Samstag, 7. November 2015

Ein Museum: Die Aishti-Foundation in Beirut



Making Waves: Tony Salamé’s Aïshti Goes Big in Beirut (Webseite): Recently the Lebanese businessman Tony Salamé bought a large artwork by John Armleder, creating a problem for himself, or rather, for his curator. If the ten-meter-long painting were to go on view in the inaugural exhibition in Salamé’s new private museum in Beirut, it would use up an awful lot of available wall space.
Well, maybe not that much. In late October, Salamé, who, along with his wife, Elham, is a new addition to the ARTnews Top 200 (which will be published online next week), will open a 40,000-square-foot exhibition space for his Aïshti Foundation in Jal el-Dib, a short drive up the Mediterranean coast from downtown Beirut. There he will show a portion of his vast art collection, kicking things off with a show curated by New Museum artistic director Massimiliano Gioni. In a city that doesn’t have a large contemporary-art museum, Aïshti’s opening is hotly anticipated.
Salamé is one of Beirut’s post-civil-war success stories. Over the past quarter century he has built his Aïshti retail empire from a single high-end clothing store to a region-wide enterprise that is among Lebanon’s largest employers, along the way facing the challenging task of persuading luxury brands to do business in an environment that remains politically and economically unstable.
That first store was in Jal el-Dib, and it grew into the 60,000-square-foot, 45-shop Aïshti Seaside. His art foundation’s exhibition hall is part of an ambitious expansion of Aïshti Seaside by British architect David Adjaye. “When Tony asked me how I wanted to do it,” Adjaye recalled, “I said I’d like to make a hybrid building combining lifestyle, wellness, and culture.
“This is a city that’s more or less been in conflict or at the border of conflict for more than 30 years,” Adjaye added. Nevertheless, people have “found ways to have an outgoing life.” His building’s design, he said, is meant to celebrate that. Inside the huge new space—around 350,000 square feet overall—a 10,000-square-foot atrium will open onto, on the left, a retail area with shops and restaurants and, on the right, the art foundation’s space. The rooftop will have a spa, a gym with a pool, and a small nightclub. The building is wrapped in a louvered skin of red-toned aluminum, a system Adjaye devised for filtering out the sound from a nearby highway and handling the region’s temperature fluctuations. Adjaye spent a part of his childhood in Beirut, and the skin’s color is a reference to the city’s past. “My father talked about Beirut as an incredible place where you would see a sea of red terra-cotta,” he said.
Also echoing the local setting is the public plaza Adjaye is designing for 150,000 square feet of land between Aïshti and the Mediterranean. With its undulating topography, it will look, Salamé said, “like you are seeing the waves from high up.” The landscaping was as complicated as the building itself. “We had to reclaim the land and, on top of that, we had to build huge retaining walls.” There will be regional Middle Eastern greenery, outdoor dining, and outdoor sculptures chosen by Gioni’s wife, Cecilia Alemani, curator of New York’s High Line park. “It’s setting a precedent,” said Adjaye. “Beirut has not had much public sculpture, because of security concerns.”
Salamé spends much of his time traveling, but when he’s in Beirut he’s on the building site seven days a week. The complex has come together in just two and a half years, at what has been reported by The Art Newspaper as a personal cost to him of $100 million.

Aishi Group Profile (Webseite): It all began in 1989, when Tony Salamé dreamt about creating a lifestyle for the new millennium. His dream was Aïshti, a word that has become synonymous with ultimate luxury in Lebanon.
Since its inception, Aïshti has grown from a single high-end clothing store into a successful, globally recognized chain that carries renowned luxury brands. With various branches throughout Lebanon, Aïshti brought together under one roof some of the most prestigious fashion labels in the world, including Prada, Miu Miu, YSL, Dolce & Gabbana, Dior, Sergio Rossi, Roberto Cavalli, Marc Jacobs, Marni, Burberry, Fendi, Chloé and many more. Aïshti's stunning Seaside store in Jal el Dib, a few minutes north of Beirut, also features furniture and home accessories from high-end European brands like Minotti and Misura Emme.
The Aïshti empire also includes several monobrand boutiques, most notably Cartier, Gucci, Celine, Zegna and Diesel.
Aïzone, the more casual side of Aïshti, exists as a separate entity and carries some of the hippest international brands including Camper, True Religion, 7 for All Mankind, Armani Jeans and various other trendy LA brands.
The company has also branched out into parallel industries, with a full-fledged spa and hair salon operating inside the Aïshti store in Downtown Beirut, and a glossy, glamorous lifestyle publication, Aïshti Magazine, focusing on fashion, entertainment and design. Three restaurants, People (with two separate locations) and Aïshti Café also operate under the Aïshti umbrella.
Today, Aïshti is the undisputed fashion and luxury products market leader in Lebanon.