Freitag, 28. Mai 2021

Das Heeresgeschichtliche zeigt eine Ausstellung, die die Verfolgung der Juden und damit den Holocaust thematieiert. Aber wie!?

Im Heeresgeschichtlichen Museum wird derzeit die Ausstellung „Die Gerechten“ gezeigt. Mit diesem Namen zeichnet die Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem Menschen aus, die während des Naziregimes jüdischen Mitbürger:innen das Überleben ermöglicht haben
Der Verein »Die österreichischen Freunde von Yad Vashem« initiierte eine Ausstellung zu den österreichischen „Gerechten“, die unter der wissenschaftlichen Leitung der Professoren Michael John und Albert Lichtblau entstand ist.

Auf der Tagung zum Heeresgeschichtlichen Museum, die jüngst im Literaturhaus Wien stattfand, wurde diese Ausstellung heftig kritisiert. Und zwar nicht ihr Inhalt und ihre Gestaltung, sondern einerseits als Instrumentalisierung des Holocaust-Gedenkens im Kontext der seit über einem Jahr massiv kritisierten ideologischen, musenlogischen und organisatorischen Missstände am Museum und andrerseits wegen der ausserordentlich befremdlichen Unterbringung der Ausstellung in den Räumlichkeiten des HGM.

Vor allem im Bereich der Feldherrnhalle wirkt die Ausstellung wie abgestellt, wie etwas, was man vergessen hat, wegzuräumen. Die diversen Teile der Ausstellungen konkurrieren mit diversen Möbeln, Partytischen, auf denen Info-Material liegt, Kleiderständern, Garderobeschränken, Info-Tafeln zum HGM. Man scheint sich überhaupt nicht die Frage gestellt zu haben, welche Effekte die Konfrontation von Architektur, Ausstattung, Dekor und v.a. der Monumentalstatuen der Feldherrn einerseits und der Ausstellung andrerseits hat. Unklar ist auch, auf der Webseite scheint es keine Erwähnung dazu zu geben, warum und wie eine zweite Ausstellung, eine zu Zivilcourage, miteinander kombiniert wurde, eine Ausstellung, die, so habe ich gehört, vom Österreichischen Mauthausen-Kommitee erstellt wurde.

Völlig unklar bleibt, auch hier gibt die Webseite des Museums keine Auskunft, wie man sich im Museum den Zusammenhang der „Gerechten“-Ausstellung zur Dauerausstellung vorstellt.

Ich leiste hier keine Ausstellungskritik, ich begnüge mich mit Fotografien, die einen Eindruck von der Art und Weise gibt, wie das HGM die Ausstellung in ihr Haus „implementiert“ hat.

 












Museum, lebensnotwenig

Angesichts der pandemiebendingten Infragestellung der Wichtigkeit des Museums hier ein tröstendes Wort eines Philosophen. Ist zwar schon eine Weile her, aber vielleicht hilft es als Medizin noch immer.

Der amerikanische Kulturtheoretiker Neil Postman sprach auf der internationalen Tagung des Museumsrates ICOM von 1989 unter dem Titel Die Erweiterung des Museumskonzeptes und unter der lebhaftesten Zustimmung der Museumsleute. „Angesichts ökologischer, ökonomischer und sozialer Weltprobleme müssen ... [die] Erziehungseinrichtungen all das liefern, was die ökonomischen, politischen und sozialen Institutionen nicht zu liefern in der Lage sind. Die lebensnotwendigste Funktion der Museen ist der Ausgleich, die Balance, die Regulierung dessen, was wir die symbolische Ökologie der Kultur nennen könnten, indem sie alternative Ansichten vorbringen und so die Auswahl und den kritischen Dialog am Leben erhalten." Dies sei "essentiell" für das Überleben einer jeden Kultur.

Montag, 24. Mai 2021

Besuchen Sie das Heeresgeschichtliche Museum solange es noch steht. Die Veranstaltung von HGMneudenken bringt ein eindeutiges Ergebnis


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Veranstaltung der Initiative HGMneudenken von Elena Messner und Peter Pirker vom 20. und 21. Mai im Wiener Literaturhaus hat ein eindeutiges Ergebnis: Das Museum ist nicht reformierbar, es kann nicht überarbeitet werden. Man muß ein neues Konzept erstellen, eine neue Direktion berufen und ministeriumsinterne organisatorische Änderungen vornehmen.

Wie weit der Mut dabei tragen wird, wird sich zeigen. Den großen Schritt einer Ausgliederung wird es wohl nicht geben und auch nicht eine sorgfältige, nicht überhastete Vorbereitung der Neugründung des Museums - auf nicht weniger läuft es hinaus. Was man hoffen darf, ist eine personelle Erneuerung und Rahmenbedingungen, die einem neuen Museumsteam alle Chancen für einen Neuanfang bietet.

Die Kritik am Museum war eindeutig: die Ausstellungen, auch die zuletzt gestalteten, entsprechen weder in (militär)wissenschaftlicher noch museologischer Hinsicht heutigen Standards. Weniger als das - in großen Teilen unterbietet das Gezeigte so gut wie alles, was man an Anforderungen ans historische Ausstellen kennt. Besonders massiv war die Kritik an der Ausstellung, die unter dem Titel „Republik und Diktatur“ seinerzeit als Ausbau des Museums zum zeitgeschichtlichen Nationalmuseum gedacht war.

Die Tagung bot viele Anregungen, was für ein künftiges Museum von Belang sein sollte, es wurden mögliche Szenarien sichtbar und auch über die Rolle des Museums als Ort eines Bundesheeres in einer demokratischen Gesellschaft wurde ebnso debattiert wie etwa über das Verhältnis des künftigen Museums zu bestehenden historischen Museen, v.a. zum Haus der Geschichte Österreich. Bemerkenswert war die Beobachtung, das Bundesheer sei schon weitzer als das Museum was die sogenannte Traditionspflege betrifft. Das habe sich am offenen und konstruktiven Umgang mit dem Burgtor als Denkmal und Gedenkstätte gezeigt, wo das Heer sich von überholten Riten verabschiedet habe.

Historiker:innen sparten übrigens nicht mit Selbstkritik. Zu lange habe man dem Museum nicht energisch genug Aufmerksamkeit geschenkt und kaum Kritik öffentlich vorgetragen. Hier liegt freilich auch ein ungelöstes Problem. Meiner Meinung und beobachtung nach gibt es viel zu wenige Historiker:innen, die sich den anspruchsvollen spezifischen medialen Anforderungen des Ausstellens widmen. Aber gerade sie fühlen sich sowohl in der Politikberatung wie bei der Produktion von historischen Ausstellungen gewissermaßen als Berufsstand zum Agieren berechtigt und privilegiert. 

Insofern war die Veranstaltung wichtig, als sie viele Kompetenzen aufrief und im Grunde eine Art von bürgergesellschaftliche Initiative bildete, die implizit den Anspruch nach Mitsprache erhob. Museen sind öffentliche Angelegenheiten und so ist jeder aufgerufen, der sich verantwortlich mit anderen zusammen äußern und beteiligen will.

Die Initiative HGM neudenken stützte sich in ihrer Veranstaltung auch nicht bloß auf Wissenschaft, sondern bezog Literatur, in Form literaturwissenschaftlich und zeithistorisch kommentierter Romanfragmente - und Film ein - ein schöner Weg, Dingen auf mehreren Ebenen auf den Grund zu kommen.

Meine eigene Haltung habe ich als Frage nach dem Sinn eines Heeresmuseums formuliert. Wozu braucht wer einen solchen Museumstyp? Die Frage scheint absonderlich, da ja niemand ernsthaft an eine Auflösung des Museums und der Sammlung denkt. Aber sie provoziert eine symmetrisch dazu gleichermaßen grundsätzliche Antwort. Die Antwort ist offen, aber sie würde, ernsthaft beantwortet eher in Richtung eines (kultur)historischen Musuems gehen. Womit dann erneut das Verhältnis v.a. zum Haus der Geschichte Österreich aufgerollt werden müsste.

Die Initiative HGMneudenken wird im September einen Sammelband mit kritischen Beiträgen vorstellen. Und sie wird, das ist zu hoffen, aufmerksam die Einleitung des Erneuerungsprozesses beobachten und begleiten. Ihr ist es zu verdanken, daß die öffentliche Kritik am Museum nicht abriss. Daß nun das Museen grundlegend neu gedacht wird, ist ihr Verdienst.

Die Direktion des HGM weigerte sich übrigens, die Buchpräsentation im Museum stattfinden zu lassen. Sie folgte auch nicht der Einladung, sich an der Veranstaltung bzw. am Diskussionsprozess überhaupt zu beteiligen. Damit hat die Museumsleitung nicht wenig dazu beigetragen, daß nun nur noch ein grundlegender Erneuerungsprozess eingeleitet werden kann.


Sonntag, 23. Mai 2021

Das Museum - ein Aufenthaltsort? (Sitzen im Museum)

Kunsthistorisches Museum, Ausstellung „Höhere Mächte“. Foto: GF 2021

Exzellent (Texte im Museum 986)

 

Heeresgeschichtliches Museum Wien. Foyer. Mai 2021. Foto GF

Glücksversprechen

 

Wien, im Mai 2021

Der ungewöhnliche Museumsbesuch

Dynamo Dresden ist aufgestiegen und besucht die Madonna in der Dresdner Gemäldegalerie 

 

Sicher sitzen (Texte im Museum 985)

Volkskundemuseum Wien, 2021. Foto GF

Jesus geht (Texte im Museum 984)

 

Gesehen in der Ausstellung „Die Küsten Österreichs“. 2021. Fot GF

Montag, 17. Mai 2021

Veranstaltung "Heeresgeschichtliches Museum neu?" – Chancen einer angesagten Reform

"Heeresgeschichtliches Museum neu?" – Chancen einer angesagten Reform

Do, 20.05. bis Fr, 21.05.2021

Tagung | Diskussionen, Lesungen, Videopräsentation
 

Die Veranstaltungen können über den Live Stream auf unserer Homepage mitverfolgt werden.
 

Im Jänner 2020 wurden bei der Tagung #hgmneudenken Probleme, Defizite und Potenziale des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) in Wien diskutiert. In Medienberichten, parlamentarischen Anfragen und in einem Rechnungshofbericht wurde deutlich Kritik formuliert. »Nicht mehr zeitgemäß und insgesamt unzureichend«, lautete auch das Urteil einer vom zuständigen Verteidigungsministerium eingesetzten Expert/inn/enkommission. Bundesministerin Klaudia Tanner kündigte eine Reform an. 
Infos zum aktuellen Stand: www.textfeldsuedost.com/hgm-neudenken/
 

Im Rahmen dieser Tagung widmen sich Fachpersonen aus unterschiedlichen Disziplinen grundlegenden Fragen, u. a.: Was soll das HGM leisten? Warum soll das Verteidigungsministerium die historische Vermittlung von Kriegen gestalten, tragen und finanzieren? Was sind die organisatorischen und inhaltlichen Eckpfeiler der angekündigten Reform? Diskutiert wird u. a. ein dringend notwendiger "Leitbildprozess" für die Neukonzeption des Museums.
 

Erstmals tritt auch das Literaturkonsortium – Fokusgruppe Heeresgeschichtliches Museum Wien (A30/Militär- und Literaturgeschichte Österreichs) in Aktion – es hat die Aufgabe, eine Literaturgeschichte des österreichischen Militärs zu erstellen und die beeindruckende Streitkraft der österreichischen Literatur unter Beweis zu stellen.
 

Konzept & Organisation: Elena Messner (Literaturwissenschaftlerin, Institut für Slawistik, Universität Klagenfurt) & Peter Pirker (Historiker, Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck)
 

PROGRAMM 

Do, 20.05.2021


16.00 Uhr: BEGRÜßUNG
16.30 – 18.00 Uhr: PANEL I
DAS HGM – EIN MILITÄRMUSEUM DES 21. JAHRHUNDERTS?
Es diskutieren: Gottfried Fliedl, Judith Götz, Georg Blaha, Mario Keller, Georg Spitaler, Nora Sternfeld, Dirk Rupnow Moderation: Peter Pirker
18.00 – 18.15 Uhr: MAROKKANERTURM UND RUHMESHALLE. EIN MANÖVER AUS DER PROVINZ
Videofilm von Matthias Breit
19.00 – 19.10 Uhr: DER RECHNUNGSHOFBERICHT ZUM HGM. EINE ANALYSE von Sebastian Reinfeldt
19.10 – 20.30 Uhr: LITERATURKONSORTIUM HGM: DIE STREITKRAFT DER ÖSTERREICHISCHEN LITERATUR
Es lesen und diskutieren: Maria Hofstätter, Stefan Maurer, Peter Pirker, Elena Messner
Projektionen und Kunstbeiträge von: Nils Olger, Lichtenstein & Mario nette, Anonym, Adolf Frankl
 

Fr, 21.05.2021 
17.00 - 18.30 Uhr: PANEL II: "NICHT MEHR ZEITGEMÄß UND INSGESAMT UNZUREICHEND" – WAS KOMMT NACH DER AUSSTELLUNG "REPUBLIK UND DIKTATUR"?
Statement: Michael Baier
Es diskutieren: Heidemarie Uhl, Niko Wahl, Eva Blimlinger, Tim Corbett, Andrea Brait
Moderation: Anna Goldenberg
19.15 - 20.45 Uhr: PANEL III: "EIN LEITBILDPROZESS FÜR DAS HGM?" CHANCEN EINER ANGESAGTEN REFORM
Es diskutieren: Wolfgang Muchitsch, Dieter-Anton Binder, Felicitas Heimann-Jelinek, Peter Melichar, Werner Wintersteiner, Renate Höllwart, Martin Fritz
Moderation: Linda Erker
 

Montag, 10. Mai 2021

In the Gallery

 


Heeresgeschichtliches Museum: Noch eine Kommission, noch ein Bericht

Und noch eine Kommission!
Eine zum Museumsshop.
Zur Erinnerung: Zu den allerersten Vorwürfen, die an das Heeresgeschichtliche Museum gerichtet waren, gehörten (in einem Blog veröffentlicht) die gegen Literatur, Modelle und Spielzeuge gerichteten. Das sei eine äußerst einseitige, rechtslastige, vor allem die NS-Zeit verfälschende Auswahl.
Das Ergebnis der Kommission beeilt man sich unter anderem mit der Wendung "nichts Rechtsradikales gefunden" zusammenzufassen, was vom eigentlichen Problem ablenkt und nach Entlassung klingen soll. Wenn es Bücher aus rechtsradikalen Verlagen gibt, was soll dann diese "Entlastung"? Die vom HGM veröffentlichten Schriften hat man inhaltlich nicht geprüft. Wäre nicht gerade das interessant gewesen?

Aber die Kommission empfiehlt, einiges aus dem Shop zu entfernen und etwa dem Holocaust und den Verbrechen der Wehrmacht Gewicht zu verleihen.

Es ist ja schon ziemlich einzigartig, daß es einer Kommission bedarf, die ein Shop-Angebot evaluiert.

Interessant ist das, was da in der Pressekonferenz der Ministerin so alles nebenbei gesagt wird. Man werde, so Ministerin Tanner, ein neues Gesamtkonzept erarbeitet. Dann erst werde der Direktionsposten neu ausgeschrieben. Den hat noch immer Christian Ortner inne, obwohl sein Vertrag ausgelaufen ist. Und: Das Heeresgeschichtliche Museum soll einen ständigen wissenschaftlichen Beirat erhalten. Aber wann? Und wird er bereits beim Gesamtkonzept beraten - oder es gar selber ausarbeiten?

Der Standard berichtet (hier) und der ORF (hier)
 

Den Bericht zur Evaluation des Shops gibt es hier


 

 

Sonntag, 9. Mai 2021

Anmerkungen zur Ausstellung des Haus der Geschichte Österreich „Nicht mehr verschüttet“

 Information 1

Im Frühjahr 2018 wurde im Zuge der geplanten Erweiterung der Schulen des jüdischen Vereins Machsike Hadass im zweiten Wiener Gemeindebezirk ein mit Schutt verfüllter Raum entdeckt. Im Abraum wurden Überbleibsel entdeckt, hunderte Objekte, die sowohl aus dem einstigen Schulbetrieb stammten als auch aus dem einstigen Jüdischen Museum, das zu diesem Zeitpunkt dort seinen Standort hatte.

Das Haus der Geschichte Österreich zeigte diese Funde bis 6.April 2021 in einer Ausstellung unter dem Titel „Nicht mehr verschüttet“.

Die Talmud-Thora-Schule in der Malzgasse wurde im letzten Drittel des 19.Jahrhunderts eingerichtet, 1906 kam eine Synagoge dazu und 1913 übersiedelte das Wiener Jüdische Museum, das 1895 als erstes seiner Art weltweit eröffnet worden war, hierher.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden Schule und Synagoge zerstört. Der nun vorgefundene Zustand geht auf die Zerstörungen dieser Nacht zurück.

Das Haus der Geschichte zeigt, unter Verantwortung der Kuratorin Birgit Johler, Fundstück aus der Malzgasse auf einem Tableau vor den Türen in der Neuen Burg, die zu jenem Altan führen, von dem Adolf Hitler 1938 zu einer auf dem Heldenplatz versammelten Menge sprach.

Die Nutzung des umgangssprachlich als „Hitler-Balkon“ bezeichneten Altan im Kontext des Geschichtsmuseums war schon im Zug der Museumsplanung unklar und als das Museum dann eingerichtet und eröffnet war, lobte das Haus der Geschichte einen Ideenwettbewerb aus. Das Arrangement der Fundsachen kann mithin als erster Versuch des Museums gelesen werden, diesen besonderen lieu de mémoire zu kontextualisieren. Die räumliche Konfrontation der Objekte mit dem Balkon rückt die Funde in einen expliziten Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und seine antisemitische Politik.

Die Bedeutung des Fundes liegt vor allem im überraschenden Auftauchen von Objekten aus dem einstigen Jüdischen Museum, das in der NS-Zeit beraubt wurde und das nach 1945 nur einen Bruchteil seiner Sammlung rekonstruieren konnte. Es wurden aber auch Teile der Ausstattung der Synagoge gefunden und Reste, die aus dem Alltagsbetrieb der Schule stammen.

Das Haus der Geschichte Österreich schreibt zu der Vorgeschichte und den Motiven seiner Ausstellung unter anderem auf seiner Webseite: “80 Jahre nach der Zerstörung dieses jüdischen Ortes ist durch das Auffinden der Räume und Gegenstände die Geschichte der Malzgasse 16 nun nicht mehr verschüttet. Die Funde wurden professionell gereinigt, zu einzelnen Objekten konnte bereits geforscht werden, viele Fragen bleiben bis auf weiteres offen: Weshalb wurden die Objekte, Bücher und Gebrauchsgegenstände mitverschüttet? Was verbirgt sich hinter der Ascheschicht? Der Schulverein und das Haus der Geschichte Österreich laden ein, in diesem Stadium des Projekts die Malzgasse 16 als einen vielschichtigen Ort jüdisch-österreichischer Geschichte, seine Gegenwart und auch seine Ideen für die Zukunft kennenzulernen.“


Information 2

So wie ich die Geschichte eben erzählt habe, scheint sie stimmig und rund. Ein überraschender Fund wird geborgen, konserviert, erforscht und ausgestellt.

Es gibt aber eine zweite Geschichte, die hinter der ersten liegt und die bislang öffentlich noch nicht erzählt wurde. Sie beginnt mit der naheliegender Frage: Warum hat das Haus der Geschichte eine Ausstellung mit den Funden ausgerichtet und nicht das Jüdische Museum der Stadt Wien?

Es ging doch um Reste der Sammlung des ersten Jüdischen Museums das sich doch für den Fund unbedingt verantwortlich fühlen und interessiert sein müsste. Nun, die entdeckten Dinge wurden dem Museum angeboten, und zwar nicht von den für die Entdeckung und Bergung Verantwortlichen selbst, sondern von der Kuratorin des HdGÖ, Birgit Johler.

Die Direktorin des JMW lehnte die Annahme der Objekte ab. Und das HdGÖ beschloss daraufhin, selbst eine Ausstellung zu machen.

Das ist die eine Merkwürdigkeit. Die andere die: Das Haus der Geschichte Österreich nahmen keinen Kontakt auf mit den besten Kennern der Materie und der Geschichte und Sammlung des ersten jüdischen Museums, Bernhard Purin, heute Direktor des Jüdischen Museums München und Felicitas Heimann-Jelinek, ehemalige Chefkuratorin des JMW,.

Beide hatten einschlägige Forschungsarbeiten geleistet und gelten als die besten Kenner der Sammlung und Sammlungsgeschichte. Sie hätten Fundobjekte schon allein mit Hilfe von Fotos und erst recht als Originale sofort und ohne jede Recherche identifizieren können.

Warum haben die Leiterin des HdGÖ, Monika Sommer und auch nicht die Kuratorin Birgit Johler (sie ist inzwischen Kuratorin am Volkskundemuseum des Joanneum in Graz) Kontakt mit den beiden Experten aufgenommen? Felicitas Heimann-Jelinek und Bernhard Purin, erstaunt über die Vorgänge, haben ihrerseits Kontakt mit den Museen und ihren Leiterinnen aufgenommen. Die entsprechenden an das HdGÖ adressierten Mails blieben z.T. vage oder gar nicht beantwortet.

Wenn das HdGÖ auf seiner Webseite schreibt, „zu einzelnen Objekten konnte bereits geforscht werden“ muß man das so verstehen, daß es sich um Forschungen des HdGÖ selbst handelt und daß es mithin selbst ausreichende Expertise für sich beansprucht.

Kommentar

Warum wurde vorhandene, hilfreiche Expertise nicht gesucht und nicht angenommen?

Das Museum ist unter fragwürdigen politischen Bedingungen gegründet worden, es hatte alles andere als einen guten Start und es leidet sowohl unter der komplexen Organisationsstruktur wie auch an nicht ausreichenden Ressourcen und ebenso am Mangel an politischer Unterstützung. Das Museum arbeitet schon lange so gut wie ohne Zukunftsperspektive. Wollte das Museum also schnell und von niemanden abgelenkt rasch etwas für seine Reputation bewerkstelligen?

Kritikwürdig ist aber vor allem der erklärungsbedürftige Umgang mit vorhandenem Wissen und Forschungsressourcen. Die, wie Bernhard Purin schreibt, nicht ohne Folgen gewesen sein muß.

Bernhard Purin: “Besonders ärgerlich sind die Beschreibungstexte zu den einzelnen Objekten, die einerseits von großer Unkenntnis, andererseits vom untauglichen Versuch, banale Alltagsobjekte zu ‚judaisieren‘ geprägt sind: Da gibt es eklatante Fehlzuschreibungen, wenn etwa bei Zugketten von WC-Spülkästen über die Möglichkeit, es könnte sich um Ketten von Tora-Schilder handeln, spekuliert wird. Ein völlig verrosteter Henkelbecher soll ein ‚Ritualbecher‘ (für welches Ritual auch immer) sein und Säulenprofile von Gründerzeitmöbeln werden zu Mesusot, den Kapseln für den Türsegen an jüdischen Häusern, erhoben. Bei sammlungsgeschichtlich spannenden Funden wird deren Bedeutung nicht erkannt. Einige Scherben, die schlicht mit ‚Teile eines Keramiktellers für das Pessach-Fest‘ bezeichnet wurden, sind die traurigen Reste einer Trouvaile des Jüdischen Museums in der Malzgasse, eines Majolika-Seder-Tellers, der damals in das 17. Jahrhundert datiert wurde. Eine illustrierende Fotografie zum Bereichstext über die Geschichte des Jüdischen Museums hätte das bei genauer Prüfung erkennen lassen: Jakob Bronner, langjähriger Direktor des Museums bis 1938, ließ sich neben ihm porträtieren. Solche Beispiele ließen sich weiter fortführen. So gesehen ist die Schau auch ein unverantwortlicher Rückschlag im Bemühen, sich ernsthaft und verantwortungsvoll den Sachzeugnissen jüdischer Geschichte und Kultur vor 1938 zuzuwenden und lässt mich mit den Gefühlen von Empörung und Traurigkeit zurück."