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Dienstag, 1. Dezember 2020

Der Schatz der Frau Antonowa

1945 wurden Kunstschätze aus dem eben besiegten Deutschland als Kriegsbeute in die Sowjetunion gebracht,. Darunter auch der sogenannte Schatz des Priamos. Die Spuren dieses Raubs wurden so gut verwischt, daß der berühmteste aller archäologischen Funde als verschollen wenn nicht zerstört galt.

In den 80er-Jahren wurden innerhalb der sowjetischen Bürokratie Spuren in Akten des Kunstraubes aufgefunden und es berichteten auch westliche Zeitschriften darüber. Dennoch wurde die Verbringung des Schatzes nach Moskau weiter abgestritten und als sich Hinweise verdichteten, er könnte sich im Puschkin-Museum befinden, bestritt das deren Direktorin, Irinia Antonowa vehement.

Sie war 1945 in das Museum eingetreten und auch mit der Übernahme von Kunstwerken aus Deutschland, etwa aus der Dresdner Galerie, betraut. 1961 wurde sie Leiterin des Museums. Im Oktober 1994 zeigte sie völlig überraschten deutschen Museumsvertretern in ihrem Büro Artefakte aus dem Schatz - eine Sensation, die rasch um die Welt ging und Irina Antonowa berühmt machte. Einer der großen Rätsel der Kunstwelt war gelöst. Einer der deutschen Experten berichtete: „Man brachte uns den Schatz nacheinander auf einem Tablett, und wenn wir ein Tablett untersucht hatten, wurde es wieder weggeschleppt.“ 


Anschließend wurde der „Troja-Schatz“ im Puschkin-Museum ausgestellt. Irina Antonowa beharrte jedoch militant weiter auf dem Standpunkt, daß es sich um Reparation handle, die die enormen Schäden, die die deutsche Armee und die Zeit der Besatzung in der Sowjetunion hinterlassen habe kompensieren soll und daß die Artefakte nicht an Deutschland zurückgegeben würden. Der Schatz befindet sich weiter im Puschkin-Museum. Am 30.11.2020 ist Irina Antonowa im Alter von 98 Jahren gestorben.

Samstag, 23. Februar 2013

Das namenlose Glück der Schatzbildung im 21. Jahrhundert


Es widerstrebt mir, die Feierlichkeit, den Stolz, den Patriotismus, den Hype usw., den die Eröffnung der Kunstkammer dank einer unglaublichen Marketinganstrengung (hier) auslöst, auch nur im geringsten zu stören. Ich überlasse das Feld der ZEIT, die nicht nur Joachim Riedl die ehrfurchtsvoll raunende Feder überlässt (hier), sondern auch ihre Titelseite den "Schätzen der Habsburger" weiht sowie Mathhias Dusini, der im FALTER ebenfalls sich seiner Ergriffenheit weitgehend überläßt (hier).

Samstag, 12. Januar 2013

Aus der Geschichte der Schatzbildung: Tetzels Ablasstruhe (Objet trouvé)


Es klingt ganz heutig. Wie kommt man zu viel Geld, um zu investieren? Wie nutzt man dabei bereits existierende Schuldverhältnisse? Wie bewerkstelligt man Umverteilung im Großmaßstab?

In katholischen Ländern ging das im 16. Jahrhundert so. Eine Fachkraft wird beauftragt Ablasshandel zu treiben, also die Umwandlung von Schuld in Geld. Wer zahlte, kam nicht in die Hölle, die Sünden wurden vergeben. Dafür gab es detaillierte Preislisten, die eine Staffelung nach Ausmaß des Sündennachlasses und sozialer Zugehörigkeit vorschrieben. "Vollkommene Vergebung" war selbstredend teuer, kostete Könige und Königinnen mit ihren Nachkommen, Erzbischöfe und Bischöfe fünfundzwanzig rheinische Goldgulden, Äbte, Prälaten und andere Adelige zehn Goldgulden. Die Staffelung der übrigen Gesellschaftsschichten bezog sich auf das jeweilige Einkommen.

Die Fachkraft war der Dominikanermönch Johann Tetzel (* um 1460 † 11. August 1519). Seine Karriere beginnt im Dienste des Deutschen Ritterordens und hat ihren Höhepunkt in der Ernennung zum Subkommissar beim Ablasshandel für den Bau der Peterskirche in Rom. Denn die Hälfte der Einnahmen aus dem Ablass fließen in den Bau des Persdomes (der Papst zeigt sich mit einer Ernennung zum Doktor der Theologie erkenntlich), die andere Hälfte ging, in einem geheimen Abkommen geregelt, an den Erzbischof Albrecht von Brandenburg. Womit dieser seine gegenüber den Fuggern aufgelaufenen Schulden begleichen konnte. Die Fugger hatten offenbar Grund, dem frommen Mann Tetzel bei seinem Eintreibergeschäft zu misstrauen, sie begleiteten ihn und zogen die den Fuggern zustehenden Tilgungssummen sofort und selbst ein. Tetzel hatte ja wirklich alles andere als einen frommen Lebenswandel, in Innsbruck wurde er wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt. Der Kurfürst von Sachsen rettete ihn. Die immensen Schulden des Erzbischofs waren entstanden, weil er mit den Krediten Ämter kaufte (Simonie) - zusätzlich zu den Bischofssitzen von Magdeburg und Halberstadt den wichtigsten deutschen Erzbischofsstuhl von Mainz, der mit der Kardinalswürde und dem Erzkanzleramt über den deutschen Teil des Reiches verbunden war. Dieses Handeln mit wechselseitigen Schuldverhältnissen brachte das Fass zum Überlaufen und provozierte Martin Luther zu seinem berühmten Thesenanschlag.

Ein Relikt des unfrommen Wirkens Tetzels sind einige (in ihrer Authentizität nicht so ganz gesicherte) Ablasskisten. Von der hier abgebildeten Truhe, die sich im Städtischen Museum Braunschweig befindet, weiß man aus Quellen, daß Tetzel sie im Zuge von Ablaßpredigten in der kleinen Peterskapelle südöstlich des Dorfes Süpplingenburg (bei Helmstedt) verwendet hat. Solche Kisten mussten massiv, mit Eisen verstärkt und durch mehrere Schlösser gesichert sein. Die Ablaßkiste durfte nicht offenstehen und nur in Anwesenheit von Zeugen oder eines Notars geleert werden. Man nimmt an, daß die Schlüssel zu den drei auf dieser Truhe befindlichen Schlössern im Besitz der drei Nutznießer des Ablasshandels waren: die römische Kurie, das Fuggersche Bankhaus und der Ablaßkommissar und Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg.

Schätze und Schatzhäuser sind eine der Grundformen des Sammelns. Die Geschichte vom Ablassfunktionär Tetzel ruft uns deren eher unterschlagenen und verdrängten Aspekte in Erinnerung.