Das Echo auf das „Ranking“ österreichischer Museen nach „besten“ und „schlechtesten“ ist erstaunlich. Seit ich den Blog betreibe, hat es erst einmal einen Post mit so vielen „Besuchen“ gegeben. Das war am Höhepunkt des Skandals um den Abbruch der Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien.
Warum gibt es diese Resonanz? Hat es mit der Beliebtheit von Listen zu tun? (101 Most beautiful places you must visit before you die). Oder mit dem Phänomen, daß schlechte Nachrichten faszinieren - was nur den zweiten Teil des Rankings betrifft. Oder genereller damit, daß man wissen will, ob man (als MitarbeiterIn eines Museums z.B.) „dabei“ ist oder weil man sich die kleine Schäbigkeit gönnen will, andere auf der (Negativ)Liste zu ertappen.
Ich denke mir, daß es eher mit dem Umstand zusammenhängen könnte, daß man Museen überhaupt nie schlecht findet und daher auch nie einschlägig kategorisiert, anders gesagt, daß es keine Museumskritik gibt und man Museen an sich als sinnvolle und wichtige kulturelle Institutionen ansieht.
Wer das so sieht, den muß allein schon die Tatsache überraschen, daß es eine wertende Beurteilung bei Museen gibt, eine Unterscheidung, nichts anderes meint ja Kritik. Im Internet wird man, etwa bei Tripadvisor, die sehenswerten Museen einer Stadt finden, sicher keine, die man meiden soll, die „schlecht“ sind.
Wenn es so etwas wie Listen oder Rankings zu Museen gibt, dann berufen die sich auf Größe, Besucherzahlen oder Abseitigkeit (The ten weirdest museums in the world, Time Magazine). Oder auf Bewunderung - nicht auf Qualität -, wie bei der Forbes-Liste Ranking The World's Most Admired Art Museums, And What Big Business Can Learn From Them (!). Auf der Liste finden sich achtzehn Museen, durchweg Kunstmuseen und, Überraschung, auch in jeder Besuchsstatistik die vordersten Plätze belegen.
Meine Liste konfrontiert möglicherweise mit der Überraschung, daß es überhaupt so etwas wie Kritik an Museen gibt und daß es daher sehr unterschiedliche Niveaus gibt, sie konfrontiert also mit etwas, was wir z.B. von Filmen gewohnt sind (wo es viele, sehr differenzierte, auch nummerierte Listen - Rotten Tomatoes - gibt), aber vom Museum eigentlich gar nicht. Die Reaktionen auf die Liste sind mehrheitlich positiv, neugierig, überrascht. Einige Leser sind irritiert. Ja, es gibt schlechte Filme, schlechte Theateraufführungen, schlechte Fernsehserien - aber schlechte Museen? Wir sind gewohnt, Besuchszahlen als ultimative Qualitätskriterien anzusehen. Aber ist ein Fußballspiel, das 60.000 gesehen haben besser als eines mit halb so vielen Fans?
Kritik wird oft als Angriff verstanden. Museen scheinen mir, aus den genannten Gründen, besonders empfindlich zu sein. Während meiner beruflichen Tätigkeit habe ich es zwei oder drei Mal erlebt, daß Museen, an denen ich Seminare oder Projekte veranstaltet habe, Kritik als unzuläßig zu unterbinden oder einzuschränken. Dabei ist Kritik eine wichtige Ressource. Museen sollten nicht nur Kritik von außen „dulden“, sie sollten sie annehmen und sie sollten sie selbst organisieren. Aus vielen Gesprächen mit KollegInnen, die in Museen arbeiten, glaube ich zu wissen, daß internes Feedback, sei es während eines Projektes und als ein Teil davon, sei es nach einem Projekt, zwar wünschenswert erschein, sehr selten stattfindet.
Mein „Ranking“ provoziert die Frage nach der Kritisierbarkeit des Museums, die Frage nach der Qualität der Kritik, nach ihren Kriterien, nach ihren Rückwirkungen auf die Museen, nach ihren Effekten auf das Publikum, die Rolle, die sie in den Medien spielt. Anders gesagt, mein Ranking, oberflächlich eine geballte, heftige Ladung harscher, apodiktischer Urteile hat nicht das Ver/Urteilen zum Ziel, sondern die Debatte über den gesellschaftlichen Sinn des Museums und seine Qualitäten.
In mindestens einer Hinsicht unterscheidet sich meine Spielerei, meine knappen Kritiken im Stil „raw and dirty“, mehr ist es nicht, von einschlägigen Restaurantführern. Dort gibt es nur indirekt ein Ranking. Denn Restaurants werden nach Qualitätsgruppen zusammengefasst (mit Ausnahme des erwähnten Tripadvisor, wo man, gestützt angeblich ausschließlich auf die Bewertung von Konsumenten, etwa das 342-beste Restaurant von Paris finden kann).
Ich habe mir überlegt, ob man das mit Museen auch machen könnte. Nicht mit Hauben, Gabeln oder einem Punktesystem, sondern mit einer Art von Typologie, die man auch ohne Probleme über die herkömmliche Typolgie (Kunstmuseen, Heimatmuseen usw.) drüberlegen könnte.
Etwa „Museen, die sich erfolgreich aufgegeben haben“. „Museen, die um sich kämpfen.“ „Museen, die an ihr Publikum Anforderungen haben“. Museen, an denen man rumkaut, als hätte man zu viele Gummibären im Mund". „Museen, die infantilisieren“. „Museen, die sich selbst nicht verstehen.“ „Museen, die niemand in ihrem Schlaf stören will“. „Museen, die man besser nicht besuchen sollte“. „Museen, die für“ hier darf man selbst ein Wort einsetzen, „eine Bereicherung sind“. "Museen für deren Besuch man getrost einen 700.- Euro Flug buchen sollte".
Wer Museen kennt, oder besser noch, wer ein Museum als Arbeitsplatz hat, kann die Fragen ja mal im anonymen, stummen Selbstversuch testen.
Ich bleibe dran, und habe noch weitere, neue Ideen und habe in Gesprächen, die großen Spaß machten, die Ausbaufähiggkeit des „Rankings“ entdeckt. Und die gute Nachricht zum Schluß: Ich arbeite schon an der „zweiten Auflage“ und bei mir wird mn nicht, wie beim Gault Millau ein Jahr warten müssen, meine überarbeitete und erweiterte Liste wird früher kommen!
P.S.: Ich nehme gerne Anregungen für „gute“ wie für „schlechte“ Museen entgegen und mir ist auch Kritik an meiner Liste willkommen. So habe ich, auf eine Anregung hin, ein Museum ausgetauscht.