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Dienstag, 27. Juni 2023

Susanne Neuburger zur Präsentation der Sammlungen Batliner - in der Albertina - und Würth - im Leopld-Museum.

In einer interessanten Analyse beschäftigt sich Susanne Neuburger mit der Präsentation der Sammlungen Batliner - in der Albertina - und Würth - im Leopld-Museum. Sie hat museumdenken ihren Beitrag im Rahmen unseres Schwerpunktes Ausstellungsanlyse zur Verfügung gestellt und ist auf der Webseite von museumdenken abrufbar.

Dienstag, 28. Dezember 2021

Schweizer Museumspolitik für Anfänger. Das gute Land, die bösen Waffen, das viele Geld, die schöne Kunst

Eben wurde eine vom Architekten David Chipperfield geplante Erweiterung des Kunsthauses in Zürich eröffnet. Gezeigt wird dort neben anderen privaten Sammlungen und Beständen des Museums die sogenannte Sammlung Bührle. Bührle war ein "erfolgreicher" Industrieller, der es mit Waffenhandel zu großem Reichtum brachte - und mit seiner Kunstsammlung zu Ansehen. 

So würdigt man einen großen Sohn, ungeachtet des Umstandes, daß seine Geschäfte extrem fragwürdig waren (vor allem die Belieferung des Dritten Reichs), er politisch-ideologisch am äußersten rechten Rand angesiedelt war und großen persönlichen und in Hinsicht auf den öffentlichen Status des Museums fragwürdigen Einfluß auf das Kunsthaus, seine Baupolitik und die Museums- Sammlung nahm.

Die eigene Sammlung mehrte er auch aus arisierten Beständen und aus sogenanntem Fluchtgut, d.h., Objekten, die jüdischen Eigentümern abgepresst wurden im Tauch z.B. für Ausreisemöglichkeiten. Dieser Bestand an Raubgut gilt als - noch von Bührle selbst - restituiert, wobei Bührle einige Bilder zurückkaufte.


Es gab schon mal Ärger mit der Bührle-Sammlung, die als Stiftung unabhängig ist und Teile der Sammlung nun an das Kunsthaus ausgeliehen hat. Nun aber eskaliert der Zoff. Es wird bestritten, daß die Restitutionsforschung ausreichend gewesen sei, es werden Vorwürfe erhoben, daß die Stiftung historische Forschung behindert habe und es werden Fragen gestellt, warum jemandem mit der Biografie eines Bührle die auch aus Steuergeldern finanzierte Ehre eines Museumsbaues erwiesen wird.

Der Streit wird sowohl vom Kunsthaus selbst als auch von der Stiftung durchaus offensiv geführt. Die Restitutionsforschung sei abgeschlossen, es gibt keinen Grund zu Nachforschungen und wenn die Kritik anhalte, werde man sich überlegen, die Sammlung abzuziehen.

Im im Inneren von großer Geste geprägten Bau wird die Sammlung gewissermaßen übercodiert präsentiert: auf jedem, wirklich jedem Bilderrahmen, ist ein Schildchen befestigt "Sammlung Bührle". Die Texte, die man via Code abrufen kann, würdigen Bührle als umsichtig und kunsthistorisch kenntnisreich agierenden Sammler (vor allem französisch-impressionistischer Kunst, die offenbar der Goldstandard einer bestimmten Sammlerklientel ist). Erstaunlicherweise nutzt man das technische Potential überhaupt nicht für sachliche Information zu den Werken. Allerdings gibt es detaillierte Auskunft zur Provenienz, wie Kritiker bemängeln das aber lückenhaft.

Unter dem Druck der öffentlichen Debatte hat das Kunsthaus einen Informationsraum eingerichtet. Texte und Fotografien dokumentieren den Lebensweg Bühles durchaus umfangreich, allerdings wird er als humanistisch orientierter Sammler stilisiert, der verantwortungsvoll und zum Vorteil des Museums und der Stadt wie des Landes agiert habe. Bühles Motiv für den Umgang mit seiner Sammlung, nämlich dadurch Zugang zur "besseren Gesellschaft" zu erhalten, geht in gewisser Weise hier auf. Mag ein Waffengeschäft auch etwas anrüchiges sein, Lebenslauf und Kunstbeflissenheit sollen uns die Sublimierung der politisch-historischen Bedingungen erlauben.

Das scheint aber nicht ganz zu funktionieren. Die jüngste Pressekonferenz der Stiftung ließ selbst die der Stiftung und dem Museum gewogene und konservative Neue Zürcher Zeitung nach Fassung ringen und die Wochenzeitung schrieb als Reaktion unter anderem zusammenfassend: "Das grösste Kunstmuseum der neutralen Schweiz – es würde ohne Krieg und Vertreibung nicht existieren. 

Aufsehen erregten vor allem die Äußerungen des Stiftungspräsidenten und Anwalts Alexander Jolles. Die Wochenzeitung fasste das so zusammen: "In stupender Offenheit, mit geschichtsrevisionistischen und – wie auch das jüdische Wochenmagazin «Tachles» findet – antisemitischen Untertönen fegte er alle Vorwürfe bezüglich der ungeklärten Provenienzen vom Tisch. Raubkunst, Fluchtgut oder NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust: Das seien bloss von Historikern in die Welt gesetzte Begriffe. Mit juristischen Fakten hätten sie nichts zu tun. Wer als Jüdin oder Jude vor deutscher Verfolgung in die Schweiz fliehen konnte, habe hier ungestört Handel treiben, seinen Geschäften nachgehen können. Täter und Opfer, die gebe es heute nicht mehr: Denn Opfer stünden ihnen – Jolles meinte wohl das Kunsthaus und die Bührle-Stiftung – heute keine mehr gegenüber, sondern US-amerikanische Trusts oder «sehr entfernte Verwandte". 

Jetzt ist die Politik am Zug, vor allem die Stadt und der Kanton. Und man fragt sich: Wie wird sie angesichts der Zwickmühle, in der sie steckt, reagieren?

P.S.: So unterschiedlich beide Museumsprojekte sind, eines haben Zürcher Kunsthaus und Humboldt-Forum gemeinsam. Sie werden von einer Debatte eingeholt und permanent in Frage gestellt, in der etwas ganz Grundsätzliches sichtbar wird - und irgendwann auch entschieden werden muss. Soll und darf man Museen als Sublimation-Agenturen betreiben, die die gewaltförmigen Grundlagen ihrer Existenz verschleiern?

Man wird sehen.

Mittwoch, 9. Mai 2018

Das Museum der Völker Schwaz. Eine Transformation auf der Höhe museologischer Debatten

Das Museum der Völker in Schwaz wurde 1995 vom Fotografen und Autor Gert Chesi gegründet, der auf zahllosen Reisen eine ethnologische Sammlung mit dem Schwerpunkt Afrika und Asien zusammenstellte. 2013 erhielt das Museum einen Erweiterungsbau und wurde inzwischen zu einem von der Stadt Schwaz und dem Land Tirol finanziell unterstütztem öffentlichen Museum. Im September gab es den ersten Leitungswechsel und eine Wiedereröffnung mit neuem Konzept.
Die neue Leiterin Lisa Noggler-Gürtler hat es also mit der Transformation eines typischen Sammlermuseums in eine öffentliche Institution zu tun. Dazu gehört die wissenschaftliche Basisarbeit, die Inventarisierung und Klärung von Provenienzfragen, für die inzwischen Gelder durch den Bund und das Land bereitgestellt wurden. Und ein Ausstellungskonzept, das neue Wege im Ansprechen von Besuchern geht.

Seit meinem ersten Besuch, da das Museum (vor seiner baulichen Erweiterung) noch ganz Gert Chesis Reich war, mit seinen Fotografien und Filmen und einer geografischen Gliederung der Ausstellung, hat sich sehr viel geändert. In nur vier Monaten ist ein einschneidender Wechsel nicht bloß bezüglich der Konzeption sondern auch der Haltung des Museums vollzogen worden.
Nun wird Grundfragen nachgegangen, dem Sterben und dem Tod, der Erinnerung, der Formierung von Identität. Das erlaubt die Auflösung der bislang dominierenden geografischen Ordnung der Sammlung und der vergleichenden Zusammenstellung von Objekten und Ensembles aus völlig unterschiedlichen Herkünften und Zeiten. Objekte - viele davon ästhetisch faszinierend -, werden nun nicht mehr als „Kunst“ gezeigt, sondern als semantisch vielfältige Zeugnisse.


Dabei ist völlig neu das Einbeziehen der eigenen Kultur und damit automatisch auch unserer Gegenwart, was ja angesichts der großen Fragen unausweichlich stattfinden muß. Themen wie Erinnerung oder Tod kann sich wohl niemand entziehen und so eröffnet die Ausstellung reiche Möglichkeiten, sich als Besucher und Betrachter mit eigenen Erfahrungen oder Ängsten zu konfrontieren.

Mir scheint, daß das, was hier gemacht wird, eine jener Möglichkeiten ist, mit der absoluten Fremdheit vieler ethnologischer Sammlungen umzugehen. Sie löst sich zwar nicht auf und muß das gar nicht tun. Das Museum generell und erst ein ethnologisches hat eine seiner besten Aufgaben darin, „Schule des Befremdens“ (Peter Sloterdijk) zu sein. Aber der Vergleich mit dem - mehr oder weniger - Vertrauten des „Eigenen“, schafft einen reziproke Wahrnehmung ermöglichenden „Bedenkraum“, in dem sich im glücklichsten Fall auch der (post)koloniale und hegemoniale Blick aufweicht. Es geht eben nicht nur darum, den „Anderen“ verstehen zu lernen (etwas, was ohnehin immer unvollkommen bleibt), sondern in der Beziehung dazu sich selbst als Individuum, als Kollektiv, als „Stammesangehöriger“ kennenzulernen.


Witzig auf den Punkt gebracht ist dieses Ausstellungsprinzip in einer Grafik, in einer schematischen Landkarte, in der die Ewe, Fante, Ga, Yoruba geografisch verortet werden aber auch die - Tiroler_innen. Diese Gleichsetzung kann einen auf die Idee bringen, das „Eigene“ mit dem Blick der „Anderen“ zu sehen, also eine radikale Vertauschung von (beobachtendem) Subjekt und (beobachtetem, beforschten, beurteilten) Objekt zu versuchen. Ganz so wie das ein schöner ironischer Film, „Das Fest des Huhnes“ (1992) gezeigt hat, wo einige afrikanische „Forscher“ die oberösterreichischen Bierzeltfeste unter die wissenschaftliche Lupe nehmen.
„Der Standort des Betrachters gehört zum beschriebenen Sujet, wie der Aussichtspunkt zur Landschaft“ erfahren wir schon im Foyer. Unterstützt wird der „Blickwechsel“ durch Leihgaben des Innsbrucker Volkskunstmuseums, mit dem das Schwazer Museum eng kooperiert. Die Museumsleiterin im Interview: „Wir arbeiten hier mit dem Volkskunstmuseum Innsbruck zusammen, das auch im wissenschaftlichen Kuratorium des Museums vertreten ist. Das Museum wird künftig nicht mehr geographisch, sondern thematisch geordnet sein. So werden Themen wie Göttervorstellung, Religion, Ahnenkult und vieles mehr miteinander verglichen und in Verbindung gesetzt.“


Mit der Vereinigung ethnologischer und volkskundlicher Sammlungsbestände knüpft das Museum der Völker an ein seit 1878 im Musée d'Ethnographie du Trocadéro in Paris (seit 1937 Musée de l’Homme) an, anthropologische, urgeschichtliche und ethnografische Sammlungen, (die eben auch Frankreich selbst umfassten), zu vereinen. Das wurde nach und nach aufgelöst, endgültig mit der Gründung des Musée du Quai Branly. Die französische ethnografische Sammlung war längst in eine eigenes Museum ausgewandert und vor einigen Jahren nach Marseille übersiedelt. Das Musée de l’Homme wurde im Vorjahr als urgeschichtlich-anthropologisches Museum wieder eröffnet.
Beim seit Jahren heftig umstrittenen riesigen Projekt des „Humboldt-Forums“ in Berlin, das mit der Hypothek (einer unter mehreren) leben muß im teilrekonstruierten Schloß unterkommen zu müssen, wird die Zusammenführung der ethnologischen Sammlung aus Dahlem mit den „volkskundlichen“ heftig eingefordert. Dort wird also die Wiederherstellung einer Einheit aller Kulturen gefordert, während man in Paris gerade die einer Aufsplitterung in mehrere Museen geopfert hat.
Auch in Wien war vor Jahren mal die Zusammenlegung der beiden ethnologischen Museen, Völkerkundemuseum und Volkskundemuseum versucht worden - und scheiterte.
In Schwaz macht man sich also grade dran, genau das, einen so weit als möglich egalitären, vergleichenden Blick, zu entwickeln. Als Vorbild könnte das Musée d’Ethnografie in Neuchatel gelten, das seit vielen Jahren herausragende Ausstellungen macht, die allesamt nichts mehr mit herkömmlicher Präsentation ethnologischer Museen zu tun haben, sondern ungewöhnliche Themen mit ungewöhnlichen Konzepten und ebenso ungewöhnlichen Gestaltungen ausstellen. Bis hin zur die Institution Museum radikal in Frage stellenden Ausstellung „Le Musée cannibale“ (2002/03). Allein der Titel ist schon ingeniös, weil er ein europäisches Vorurteil, die Zuschreibung als unmenschlicher eingestufter kultureller Praktiken gegen die eigenen hochkulturelle Institution kehrt, die ja gerade hinsichtlich ihres expliziten wie impliziten Kolonialismus wahrlich als kannibalisch eingestuft werden kann.


Das Museum in Schwaz wird sich langsam entwickeln und vortasten und hat, so glaube ich, dadurch Vorteile, daß seine Sammlungen und seine räumlichen Ressourcen überschaubar sind und ein flexibles, modulares Entwickeln begünstigen.
Bei meinem kürzlichen Besuch hat mir der Ausstellungsteil zum Erinnern besonders gut gefallen. Es geht um die Beziehung der Lebenden zu den Toten, um das Nicht-Vergessens (ein fundamentale Aufgabe des Museums, die man auch mal selbstreflexiv einbeziehen könnte…), um  - erstaunliche - Praktiken, den Tod in Erinnerungspraktiken und -ritualen zu umgehen, zu überlisten, ums Abschiednehmen, um Formen des Bestattens.
Hier hatte ich nicht nur viele und unglaubliche Informationen vor mir, nicht nur eine Vermischung „ferner, exotischer“ Riten und heutiger, tirolischer oder österreichischer Zeugnisse, sondern alles als Spuren, das eigenes Erinnern und Nachdenken in Bewegung zu setze. Und: ein solches Thema läßt sich in viele Richtungen erweitern, weiter entwickeln, im Detail zuspitzen und, so glaube ich, als „Alltagsthema“ (das freilich von Ängsten und Tabus umstellt ist) auch in Diskussionen wunderbar entfalten läßt. Noggler-Gürtler: „Ich möchte vermehrt wieder die lokale Bevölkerung ins Museum herein holen und mit ihnen über Veränderungen sprechen, nicht nur, was das Museum betrifft, sondern auch in einen Dialog treten, was die Veränderungen in unserer Gesellschaft, in den Kulturen betrifft.“


Mit der Berufung von Lisa Noggler-Gürtler hat man einen Glücksgriff gemacht. Sie kommt aus Schwaz und kennt die lokalen v.a. politischen Verhältnisse gut. Sie bringt eine komplexe Ausbildung und vielfältige Erfahrungen mit, und hat als Abteilungsleiterin am Technischen Museum und als Mitarbeiterin am ZOOM-Kindermuseum verantwortungsvolle Positionen gehabt. Sie ist in der Vermittlungs- und Forschungsarbeit versiert. Und sie ist, das ist meine persönliche Einschätzung, einer der besten Ausstellungsmacherin in Österreich. Die noch laufende Ausstellung im vorarlberg museum „Römer oder so“ gehört zum Besten und Gewitztesten, was in den letzten Jahren in Österreich produziert wurde. Im Vorjahr hat sie in der großen Islam-Ausstellung auf der Schallaburg den überhitzten öffentlichen Debatten eine nüchterne, wissensbasierte, viele authentische Stimmen einbeziehende Ausstellung gemacht. In Erinnerung ist mir auch die 1911 in der Haller Psychiatrie gezeigte Ausstellung „Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten“ wegen des erstaunlich kreativen Umgangs mit einem spröden, schwierig vermittelbaren Thema in Konzept und Gestaltung.

Eben kommt mit einer vom Frauenmuseum Hittisau übernommenen, von der Architektin Cornelia Faißt kuratierten Ausstellung eine weitere, für das Museum völlig neue Facette zum Konzept des Museums hinzu. „Baumeisterinnen aus Ololosokwan“ führt eine eine Kultur des Serengeti-Hochlandes vor, wo sich Maasai-Frauen den Bau und den Erhalt ihrer Behausungen selbst verantwortlich sehen. Die Ausstellung führt vor Augen, dass es eine "andere Geschichte" der Maasai gibt - jenseits des vielfach völlig außer Raum und Zeit gehandelten Klischees des "edlen Kriegers".

In nur wenigen Monaten hat sich eine dichte Packung an experimentellen Vermitteln, neuartigen Themen, klugem Ausschöpfen des Sammlungspotentials und sich selbst und das Publikum fordernden Ansprüchen entwickelt. Für derart rabiate Konzepte eines Völkerkundemuseums neu ist Tirol nicht grade das ideale Umfeld.
Kurt Tucholsky hat mal geschrieben „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel“. Das könnte man paraphrasierend auf die Museumsarbeit in Schwaz anwenden (beileibe nicht nur in Schwaz, dergleichen passiert regelmäßig). „Wenn bei uns einer tolle Museumsarbeit macht, dann sitzt die halbe Bevölkerung auf dem Sofa und nimmt übel.“
Im Ernst: Die Transformation, von der ich gesprochen habe, die notwendig ist, die überfällig war, hat vor der Bestellung von Lisa Noggler-Gürtler keineswegs planvoll begonnen. Daß ein wesentlicher Teil einer Sammlung aus einem von der öffentlichen Hand (mit)finanzierten Museum heraus verkauft und dadurch wieder privatisiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Auch scheint die rechtliche Konstruktion des Museums schwierig zu handhaben sein und öffnet Missverständnissen und Konflikten manche Hintertür. Außerdem ist das Museum unterdotiert und hat eindeutig zu wenig Personal.


Die zuständigen öffentlichen Instanzen in Politik und Verwaltung, die mit der Finanzierung der nötigen Grundlagenforschung schon ein positives Zeichen gesetzt haben, tun gut daran, das Museum und seine Leiterin zu unterstützen und mit jenem vollen Vertrauen auszustatten, die eine zentrale Grundlage guter Museumsarbeit ausmacht. Dann gäbe es bald etwas, wovon es in Österreich nicht genug geben könnte: ein Museum, das weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit und Anerkennung findet. Und das vielleicht noch etwas mehr und anderes leistet. Kaum ein Museumstyp ist derzeit so breit in Diskussion und auch umstritten wie das sogenannte Völkerkundliche Museum. Ein modellhaftes Museum - ist das kein Motiv für (Kultur)Politiker, das Projekt energisch und nachhaltig zu fördern?
Nachdem in Wien eine erstaunlich tiefgreifende Transformation stattgefunden hat und das dortige „Weltmuseum“ im deutschsprachigen Raum ziemlich konkurrenzlos und vorbildlich dasteht, könnte im lokalen Zusammenhang ein zweiter, ein anderer Modellfall gelingen, an dem etwas Neues und Aufregendes verwirklicht wird.







Freitag, 16. Februar 2018

WOW! Was alles in öffentlichen und staatlichen geförderten Museen möglich ist

Die Presse-Kritikerin schreibt in Anbetungshaltung (hier), die des Standard spricht Klartext (hier), freilich in Seidenpapier verpackt, der Kurier entlockt im Interview dem Direktor diplomatisches Geschwurbel (hier) und redet aber sonst nicht um den heißen Brei herum (hier).

Diese Quellen genüpgen, um sich über die Ausstellung von Kunstwerken ein Bild zu machen, die die Milliardärin Heidi Horten gesammlt hat, wohl besser: sammeln ließ, und die nun das Leopold Museums zeigt. Ich wiederhole nicht, was man in den genannten Texten lesen kann, auch nicht die Einschätzung zwischen "Eklektizistisch", "Daumenkino" (ein Leserbriefschreiber) oder "Großwildjagd".

Nur noch zwei Anmerkungen: einige Rezensenten erwähnen das Mäzenatentum von Frau Horten, die z.B. einen Gratiseintritt an einem Tag ermöglicht, aber nicht, warum ein steuerfinanziertes Museum einer Milliardärin eine Ausstellung ausrichten soll. Tapfer erwähnen alle den Ursprung des Vermögens aus kollaborativer Geschäfttätigkeit in der NS-Zeit, aber niemand die kritiklose Bewunderung der Sublimationsleistung der Sammlerin, in der ein ästhetisierendes Verträglichmachen der Vergangenheit eingeschrieben ist. Als ihre Privatsache wäre das weitgehend egal, daß ein Museum nun diese Sublimierung öffentlich zelebriert und Anerkennung für die "Leidenschaft" der Betuchten einfordert, "verdanken" wir ausgerechnet dem tief in Arisierungspolitik und Restitution verstrickten Leopold Museum. Österreich hat eigentlich schon genug neoliberale Museumspolitik (Albertina, Essl-Teilübernahme...).

Samstag, 23. Dezember 2017

Die Verdienste des Herrn Busek um die Verdienste des Herrn Batliner

Wer sich gerne über die österreichische Museums- und Kulturpolitik wundert, lese nach. wie Herr Erhard Busek, der Vorzeigeintellektuelle der ÖVP, das "Geschenk Batliner" feiert. Hier der Link. Und hier etwas, was ich schon mal zu Batliner und seinem Segen, den er über die Albertina gebracht habe, geschrieben habe.



Mittwoch, 23. August 2017

Allegorie des Mäzenatentums

Cartoon showing John Pierpont Morgan, with a large magnet in shape of money sign, drawing in paintings, suits of armor, and other objects. Date 1911

Mittwoch, 5. Juli 2017

Die Sammlung Essl ist "gerettet". Was nicht alles eine Rettung ist.

Erstens: „Stolz und glücklich“. Zweitens: „richtungsweisende Kooperation“. Drittens: „Win-win-Situation“.
Da ist von der „Übernahme“ der Sammlung Esel die Rede. Eindeutig. Alles gut, alle glücklich.
Oder war da was?

Fangen wir damit an: Was ist die Sammlung Essl - heute? Es heißt, es wurden zur Schuldentilgung wertvolle Objekte (die wertvollsten, in anderer Lesart, heißt die, die am Markt am meisten Rendite bringen) verkauft. Es gilt weitere hundert Millionen Euro Schulden, wenn ich mich recht erinnere, zu tilgen. Mit weiteren Sammlungsbeständen. Woraus besteht die Sammlung noch? Zahlen kursieren, von etwas über 7000 Inventarnummern ist die Rede. Wo die Schwerpunkte und Qualitäten der Sammlung nun liegen, who knows?
Und: Es soll Neuerwerbungen geben. Die wer bezahlt, ordert?
Sammlung Esel: Bekanntlich ist der Industrielle Hans Peter Haselsteiner Miteigentümer der Sammlung, der nun auch über Räume im Künstlerhaus verfügt, wo die Sammlung Essl gezeigt werden soll. Wer hat nun welche Verfügung, wer darf, will nun z.B. Themen setzten, kursieren oder Kuratoren bestimmen? Essl, Haselsteinen, Schroeder?
Der „Rest“, gemeint ist, was nicht in Wien gezeigt werden wird, soll den Bundesländern zur Verfügung stehen. Wieso (nur) der „Rest“. Wieso betrachtet man den Sammlungsbestand nicht als Fundus, aus dem gleichberechtigt diverse Orte, Museen bespielt, Kooperationspartner gewonnen werden könnten. Und wer führt Regie bei diesem Leihgaben-Karussell? (Übrigens ist das eine Idee, die schon im 19.Jahrhundert diskutiert wurde, „wiener“ Museumsbestände (jene von staatlichen Museen, Bundesmuseen) in die Länder zu bringen, um das Gefälle zwischen Hauptstadt und „Provinz“ auszugleichen).


Und wieso die Albertina? Wieso nun doch eine Art "staatlicher Übernahme", heißt "Sorge" um den Fortbestand einer privaten Sammlung, Sorge um ihre Zugänglichkeit. Mit erhöhten Mitteln mit befristeter Laufzeit. Und dann? Also, warum ein Bundesmuseum. Es sieht nach Männerfreundschaft(en) aus, Männer unter sich, sich auf einen Deal einigend. Kleiner Kollaterlschaden dabei: die Künstlervereinigung, der das Haus gehört, gibt Räumlichkeiten preis im Gegenzug zur Sanierung. Dabei kommt das Haus, die Architektur unter die Räder. Haselsteiner läßt abreissen. Über der Frage spaltet sich der Verein der Künstler. Ein Stück zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation wird beschädigt, beschädigt sich, um eine PPP zuwege zu bringen von der war was genau hat? Am meisten Essl und Haselsteiner, die Eigner einer Sammlung, deren Wert symbolisch und geldwertig steigt, wenn sie Museumsrang hat.

Die Albertina wird definitiv zum bunten Kunst-Bauchladen. Ihr von Schröder eigenwillig und eigenmächtig vollzogene Transformation von der Grafischen Sammlung zum (Gemäldemuseum) wird zementiert. Andere Museen, bei denen die (Teil)Integration der Sammlung Essl sehr wohl Sinn gemacht hätte, wurden gar nicht gefragt. Die frischbestellte Direktorin des Belvedere kritisiert das mit klaren Worten. Der angesprochene Minister beschädigt sich gleich selbst mit. Er schafft Tatsachen ehe sein "Weißbuch" zu den Bundesmuseen, ehe seine Neuordnung auch nur formuliert ist.

Freitag, 16. Juni 2017

wenn es guade und bese geatna gibt, dann gibt es auch guade und bese museumsdirektorinnen

Dass es "guade und bese geatna gibt", wissen wir seit H.C.Artmann. Dass es guade und bese Museumsleiterinnen gibt, seit kurzem. Dank der Salzburger (Kultur)Politik. Einmalig (in meiner Erinnerung) ist die angekündigte Nichtverlängerung des Vertrages mit Sabine Breitwieser wegen ihres Umgangs mit dem Personal. Inzwischen wurde der Posten ausgeschrieben und jetzt (erst?) gibt Sabine Breitwieser bekannt, daß sie für eine weitere Amtsperiode (wie das so schön heißt) nicht zur Verfügung steht.



"Drehpunkt Kultur, die Salzburger Kulturzeitung im Internet" weiß außerdem vom drohenden bzw. schon stattgefunden Abzug privater Sammlungen und möglicherweise auch der Fotosammlung des Bundes (was mit ihrer Person nichts zu tun haben muß, oder?).

Damit wird ironischerweise Sabine Breitwieser, die an der Übersiedlung der Sammlung der Genrali-Foundation von Wien nach Salzburg maßgeblich beteiligt war, jetzt selber von den Unwägbarkeiten privater Sammlertätigkeit und -politik eingeholt. Denn Fotografis, die Fotosammlung der Bank Austria, wird aus Salzburg abgezogen. Und eine private Sammlung eines anonymen Sammlers (ja, auch so etwas gibt es in den öffentlichen Sammlungen) geht an die Kremser Kunsthalle (oder nicht doch an das geplante Moderne Museum ebendort?).

Donnerstag, 1. Dezember 2016

Mittwoch, 16. November 2016

"Fremde Götter". Eine bemerkenswerte Ausstellung im Wiener Leopold-Museum

Die Ausstellung "Fremde Götter" im Leopold-Museum hat mich überrascht. Ich habe sie mit Neugier und Geduld genossen und mich unbedarfter Faszination überlassen - ich habe keine Kenntnisse zum Thema der Ausstellung: der Auseinandersetzung der europäischen Avantgarde mit der afrikanischen Kunst. Faszination ist auch das Hauptwort des Untertitels der Ausstellung, "Faszination Afrika und Ozeanien". Wie eine Kunstausstellung vermarktet wird, muß sich nicht unbedingt mit deren Inhalt decken. Worum es hier geht, wird aus den Titeln nicht wirklich klar. Nämlich um die "geschnitzten Objekte", "Ethnografika" (Flyer) des Sammlers Rudolf Leopold, die mit etwa siebzig Objekten, Gemälden, Skulpturen ua. konfrontiert werden und eine - ausschließlich ästhetische (?) Faszinationsgeschichte der Avantgarde zu erzählen - "Europas exotisches Kunstabenteuer" (Ausstellungstext).

Der eröffnende Text der "Fremden Götter"

Helmmaske aus Gabun und Picasso
Mit beachtlichen Leihgaben bestückt gelingt es an vielen Beispielen frappante Aspekte der künstlerischen Auseinandersetzung mit v.a. afrikanischer Kultur zu visualisieren. Eine relativ ausführliche Beschriftung hilft einem dabei. Und das auf eine Art und Weise, die eine erste Frage aufwirft. Im Kern ist die Ausstellung eine kunsthistorische, die die formale Verwandtschaft und Beziehung zwischen europäischer Avantgardekunst und ethnografischen Objekten zum Thema hat. Es geht um eine ästhetische Frage, in der etwas vergleichbar scheint, was nicht so ohne weiteres vergleichbar ist. An einer (einzigen?) Stelle, in einem Text, wird das auch erwähnt. Speziell afrikanische Skulpturen oder Masken sind im Verständnis ihrer genuinen Kultur keine Kunst, sie haben eine soziale und spirituelle Dimension. Diese wird in mehreren vorzüglichen Texten ausführlich erläutert. Hier begnügt man sich verdienstvollerweise nämlich mal nicht mit Leerformeln wie "Kultopbjekt" sondern informiert genau und ausführlich über Herstellung und Gebrauch einzelner Objektgattungen im Kontext der jeweiligen tribalen Gemeinschaft. Damit nimmt man eine gewisse Spaltung zwischen einerseits ästhetisierender Faszination und funktionaler Information in Kauf.




Die zahlreichen Objekte des Sammlers finden sich sowohl unter dem das Thema illustrierenden Teil der Ausstellung als auch in Gruppen von in eigenen Räumen zusammengestellten Objekten, die, soweit ich das beurteilen konnte, untereinander außer ihrer generellen Provenienz und Materialität kaum Gemeinsamkeiten hatten. Warum Rudolf Leopold diese Objekte gesammelt hat, hat sich mir nicht wirklich erschloßen. Für einen Sammler kann es recht äußerliche Beziehungen zu "seinen" Sammeldingen geben und in diesem Fall kommt schon rein zeitlich eine Rolle der Sammlung innerhalb des ziemlich genau 1900 einsetzenden Prozesse der Aneignung der "primitiven Kunst" nicht in Frage. Die offenbar alle über den Kunsthandel erworbenen Objekte stammen überwiegend aus dem "20.Jahrhundert" (Datierung ethnografischer, namentlich afrikanischer Objekte, haben nun mal extreme Bandbreiten). Das wirft gleich eine weitere Frage auf, die nach dem Status der "ethnografischen Auktionsware", bei der man im Unklaren bleibt, ob es sich um singuläre Werke, um für den europäischen Handel bestimmte Repliken etc. oder um im Sinn europäischer Hochkunst authentische Originale handelt. Über die Provenienz der Objekte erfährt man weder in der Ausstellung noch im Katalog etwas. Provenienz aber ist etwas, was bei Ethnografika heikel ist, weil in ihr noch immer Spuren kolonialer, also gewaltförmiger Beziehungen wirksam gewesen sein könnten. Die Formulierung "vom leidgeprüften Kontinent" im die Ausstellung eröffnenden Text spricht für das Vermeiden konfrontativer, kritischer Auseinandersetzung.

Objekte aus der Leopold-Sammlung

Apropos: Kolonialismus ist etwas, von dem die Ausstellungsmacher wissen, daß man sich dieser Frage stellen muß. Aber es geschieht auf merkwürdige Weise. In den diversen Texten wird er sparsam und zurückhaltend benannt ohne die Ebene der ästhetischen Betrachtung stören zu wollen. Gelegentlich ist die Zurückhaltung bedenklich. Der Benin-Kultur den "Untergang" zu bescheiningen, ist eine verschleiernde Formulierung. Die traumatisierende Zerstörung der Hauptstadt und Verschleppung aberhunderter Artefakte kann man endlich mal klar und unmißverständlich benennen.

Spiegelmaske von Kader Attia. Foto Internet, alle anderen G.F..
Kolonialismus wird aber sehr wohl thematisiert, und zwar gleich zweifach. Einmal mit Objekten, die die Kader Attia in Auseinandersetzung mit der europäischen Musealisierung ethnografischer Objekte geschaffen hat und die im eröffnenden Raum zu sehen sind. Das ist bemerkenswert, weil hier die Einseitigkeit der Rezeption, die etwa afrikanische Kunst wird im europäischen Blick gespiegelt, aber nicht umgekehrt, umgedreht, sondern in den verspiegelten Objekten Attias buchstäblich selbst gespiegelt wird.
Und es gibt Videoarbeiten von Attia zu sehen, die sich dokumentarisch mit dem aktuellen Kolonialismus und den Langzeit-Folgen beschäftigt. Im scharfen Kontrast zur gleichsam ästhetisch besänftigenden, schwach dosierten Infiltrierung der eigentlichen Ausstellung mit kolonialen Fragen werden hier die Besucher mit den offenen Wunden europäischer und genereller kolonialer Hegemonie konfrontiert.


Einerseits war ich neugierig und interessiert, die Arbeiten Attias kennenzulernen, andrerseits konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie das Gewissen - der Besucher? der Kuratoren? - so weit beruhigen sollen, daß der ungestörte ästhetische Genuß des Hauptteils der Ausstellung - die mit den verstörenden Videos Attias nirgends verknüpft wird -, gewährleistet sein soll.
Nicht zu vergessen die museumspolitische Hauptaufgabe der "Fremden Götter": die Sammlung Rudolf Leopolds zu zeigen und würdigen. Das geschieht natürlich besser, indem man sie in einen kunsthistorischen Kontext einrückt, in eine großes Kapitel der Entwicklung der Avantgarde, unter Aussparung allzu bedrängender Fragen und ohne zu laut darüber zu reden, daß diese Sammlung mit in diesem Kapitel nie eine Rolle gespielt hat.

Donnerstag, 14. April 2016

Zwei Essays, die tief blicken lassen: in den Kunstmarkt

Im Kurier vom 13.04.2016 erlaubt uns Michael Huber ein paar überraschende Einblicke in den Kunsthandel und seine Querverbindungen zu den "Panama-Papers". Überraschend ist dabei weniger diese Querverbindung, sondern das Ausmaß der, nun ja, soll man sagen "Schieberei". Da kommt nicht nur massenhaft der Öffentlichkeit Kunst abhanden, weil sie zu Spekulationszwecken langfristig gebunkert wird (namentlich in der Schweiz), da ist so gut wie alles fragwürdig, wo man hinsieht. Auch hier gehts um Verschleierung von Besitzverhältnissen, z.B. um Steuer zu "vermeiden" oder Raubkunst zu "waschen" wie Drogengeld. Um dann Auktionshäusern - auch den namhaftesten - schöne Geschäfte zu ermöglichen. So kurz der Beitrag im Kurier ist, er läßt tief blicken. (Der ganze Artikel hier: http://kurier.at/kultur/kunst/die-dunkle-seite-der-kunstwelt/192.422.748)

Ein Museum Moderner Kunst? Nein, aber so gut wie. Das Zollfreilager Genf, das Kunst in Milliardenwert aus aller Welt hortet - im Interesse auf Diskretion bedachter Händler und Sammler.
Ungleich ausführlicher ist ein Artikel in der jüngsten Ausgabe der Kulturzeitschrift Lettre International. Im Heft 112/2016 analysiert Steffen W. Gross "Auktionsrekorde" (Seite 102ff.) mit sehr originellen Methoden und sehr überraschenden Ergebnissen. Über Motive von Sammlern, Mechanismen der Preisbildung und Ökonomisierung des Kunstbetriebs habe ich selten so etwas originelles gelesen.

Donnerstag, 18. Februar 2016

Der Sammler

Guimet in his Museum (1898). Ferdinand Jean Luigini (French, 1870-1943). Émile Étienne Guimet (1836-1918) was a French industrialist, traveler and connoisseur who founded the Musée Guimet. He studied the religions of the Far East, and the museum contains many of the fruits of this expedition, including a fine collection of Japanese and Chinese porcelain and many objects relating not merely to the religions of the East but also to those of Ancient Egypt, Greece and Rome.


Montag, 8. Februar 2016

Plachutta, Pröll, Sisi und das Glück des patriotischen Erbens

Die "Kaiserhaus-Sammlung Plachutta“, die „weltweit größte private Habsburg-Sammlung“ weiß Georg Markus im Kurier hocherfreut zu berichten, „besteht aus mehr als 2000 Objekten.“
In dieser Sammlung findet sich unwiederbringlich Wertvolles und Bedeutsames wie "Sisis" Fächer und Porzellanservice, Kleidungsstücke des „alten Kaisers“, eine "Gedenkschrift", die Mary Vetseras Mutter nach der Tragödie von Mayerling verfasst hat. „Ein Glanzstück“ in den Augen von Georg Markus. Aber was soll man erst zu Kaiser Franz Josephs Hausrock sagen oder gar zu seinen Barthaaren bis zu "Sisis berühmtem Porträtbild mit den Sternen im Haar“, dem cremefarbene Spitzenfächer, den Erzherzogin Marie Valerie ihrer Mutter, der Kaiserin, zu deren 47. Geburtstag gebastelt hat oder den Bestellscheinen der Kaiserin Elisabeth für kosmetische Artikel aus dem April 1875? Gerade letztere Objekte scheinen besonders geeignet, die „Historie der K.-u.-k.-Monarchie, aber auch die Alltagskultur der kaiserlichen Familie lebendig“ werden zu lassen (Mario Plachutta zum KURIER).
3,1 Millionen Euro waren diese Zimelien dem Herrn Landeshauptmann Erwin Pröll wert, der, so hört man, diesen Kaiserschatz persönlich von Mario Plachutta übernommen hat. Der ist zwar nur König, nämlich „Rindfleischkönig (NÖN.at), dafür „versorgt die Familie Plachutta im Zivilberuf in Wien ausgesuchte Gäste mit bestem Rindfleisch.“ Plachutta ist aber nicht nur wegen seiner Preisgestaltung bekannt, wenngleich mehr bei den nicht ausgesuchten Gästen, sondern durch seinen kreativen Umgang mit MitarbeiterInnen. Der Arbeiterkammer ist er, wie sie sagt, „bekannt“, unter anderem wegen der Entlassung eines slowakischen Kellners, weil dieser seine selbst mitgebrachten Erdbeeren mit Plachutta-Zucker versüßt hat. (trend vom 15.05.2014, hier der Link mit weiteren Details zu Plachuttas Kreativität im Umgang mit Angestellten und zu seiner Sammlungstätigkeit)
Mit diesem Überraschungscoup eines Sammlungsankaufs (der sicher nach sorgfältiger Expertise durch Fachleute, Schätzung auf Grund eines Inventars und Prüfung der Privenienzen erfolgte) aus dem Rindfleischparadies bremst der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich das - noch völlig sammlungslose - Haus der Geschichte Österreich aus, das in der Neuen Hofburg errichtet werden soll und um dessen Profilierung in Sachen Habsburg man bangen muß, wo es doch sowohl ohne das Tee und Kaffeeservice auskommen muß, „das“ - überraschenderweise - „auf allen Teilen einen plastischen kaiserlich-goldenen Doppeladler trägt“, aber auch ohne den Behälter der ungarischen Krönungserde (?) aus dem Jahr 1867, den Rosenkranz „der sterbenden Kaiserin Elisabeth“ (NÖN.at; hatte sie noch andere Rosenkränze?), das Picnic-Set von Kronprinz Rudolf (in Mayerling verwendet?), oder das Feldschreibzeug von Franz Joseph (war er im Krieg?).
Was Landeshauptmann Erwin Pröll zum Erwerb dieser und zwei weiterer Sammlungen sagt, weist ihn als vorausschauenden, historisch verantwortungsvollen Landesvater aus (warum will so jemand nicht Bundespräsident werden?), der weiß, was und warum er erbt: „Das Land erfüllt damit seinen Auftrag, das kulturelle Erbe Niederösterreichs zu bewahren, die Geschichte des Landes zu dokumentieren und sie ab 2017 im Haus der Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Das volle Ausmaß von Prölls Geistesgegenwart zu würdigen ist erst möglich, wenn wir zur KRONE greifen und zu Günter Traxler Glosse im Standard vom 7.2.2016 (hier): „Historiker wissen“ zitiert Traxler das Kleinformat, „– es sind oft Zufälle, die den Lauf der kleinen und größeren Geschichte bestimmen … Mit der Sammlung des Wiener Topgastronomen Mario Plachutta war das nicht anders. Denn Landeshauptmann Pröll war mit seiner Frau Sisi“ - schon wieder eine (GT) "in der Wollzeile zum Dinner beim Koch-Maestro geladen, als die Sprache" nicht auf die Rechnung (GT), "sondern auf die Kaiserhaus-Sammlung kam. Und jetzt Hochspannung! Patriot Pröll zögerte keine Sekunde, mitten im Dinner mit seiner Frau Sisi, das kostbare kulturelle Erbe für Österreich zu bewahren und vor asiatischer Gier zu retten. Denn es gab auch schon Angebote aus China."

Freitag, 15. Januar 2016

Sammelleidenschaft

Mr and Mrs Bromley, Clock Collectors, Derbyshire, 1959, in bed, fenced in by their collection of clocks (The Guardian)

Samstag, 7. November 2015

Ein Museum: Die Aishti-Foundation in Beirut



Making Waves: Tony Salamé’s Aïshti Goes Big in Beirut (Webseite): Recently the Lebanese businessman Tony Salamé bought a large artwork by John Armleder, creating a problem for himself, or rather, for his curator. If the ten-meter-long painting were to go on view in the inaugural exhibition in Salamé’s new private museum in Beirut, it would use up an awful lot of available wall space.
Well, maybe not that much. In late October, Salamé, who, along with his wife, Elham, is a new addition to the ARTnews Top 200 (which will be published online next week), will open a 40,000-square-foot exhibition space for his Aïshti Foundation in Jal el-Dib, a short drive up the Mediterranean coast from downtown Beirut. There he will show a portion of his vast art collection, kicking things off with a show curated by New Museum artistic director Massimiliano Gioni. In a city that doesn’t have a large contemporary-art museum, Aïshti’s opening is hotly anticipated.
Salamé is one of Beirut’s post-civil-war success stories. Over the past quarter century he has built his Aïshti retail empire from a single high-end clothing store to a region-wide enterprise that is among Lebanon’s largest employers, along the way facing the challenging task of persuading luxury brands to do business in an environment that remains politically and economically unstable.
That first store was in Jal el-Dib, and it grew into the 60,000-square-foot, 45-shop Aïshti Seaside. His art foundation’s exhibition hall is part of an ambitious expansion of Aïshti Seaside by British architect David Adjaye. “When Tony asked me how I wanted to do it,” Adjaye recalled, “I said I’d like to make a hybrid building combining lifestyle, wellness, and culture.
“This is a city that’s more or less been in conflict or at the border of conflict for more than 30 years,” Adjaye added. Nevertheless, people have “found ways to have an outgoing life.” His building’s design, he said, is meant to celebrate that. Inside the huge new space—around 350,000 square feet overall—a 10,000-square-foot atrium will open onto, on the left, a retail area with shops and restaurants and, on the right, the art foundation’s space. The rooftop will have a spa, a gym with a pool, and a small nightclub. The building is wrapped in a louvered skin of red-toned aluminum, a system Adjaye devised for filtering out the sound from a nearby highway and handling the region’s temperature fluctuations. Adjaye spent a part of his childhood in Beirut, and the skin’s color is a reference to the city’s past. “My father talked about Beirut as an incredible place where you would see a sea of red terra-cotta,” he said.
Also echoing the local setting is the public plaza Adjaye is designing for 150,000 square feet of land between Aïshti and the Mediterranean. With its undulating topography, it will look, Salamé said, “like you are seeing the waves from high up.” The landscaping was as complicated as the building itself. “We had to reclaim the land and, on top of that, we had to build huge retaining walls.” There will be regional Middle Eastern greenery, outdoor dining, and outdoor sculptures chosen by Gioni’s wife, Cecilia Alemani, curator of New York’s High Line park. “It’s setting a precedent,” said Adjaye. “Beirut has not had much public sculpture, because of security concerns.”
Salamé spends much of his time traveling, but when he’s in Beirut he’s on the building site seven days a week. The complex has come together in just two and a half years, at what has been reported by The Art Newspaper as a personal cost to him of $100 million.

Aishi Group Profile (Webseite): It all began in 1989, when Tony Salamé dreamt about creating a lifestyle for the new millennium. His dream was Aïshti, a word that has become synonymous with ultimate luxury in Lebanon.
Since its inception, Aïshti has grown from a single high-end clothing store into a successful, globally recognized chain that carries renowned luxury brands. With various branches throughout Lebanon, Aïshti brought together under one roof some of the most prestigious fashion labels in the world, including Prada, Miu Miu, YSL, Dolce & Gabbana, Dior, Sergio Rossi, Roberto Cavalli, Marc Jacobs, Marni, Burberry, Fendi, Chloé and many more. Aïshti's stunning Seaside store in Jal el Dib, a few minutes north of Beirut, also features furniture and home accessories from high-end European brands like Minotti and Misura Emme.
The Aïshti empire also includes several monobrand boutiques, most notably Cartier, Gucci, Celine, Zegna and Diesel.
Aïzone, the more casual side of Aïshti, exists as a separate entity and carries some of the hippest international brands including Camper, True Religion, 7 for All Mankind, Armani Jeans and various other trendy LA brands.
The company has also branched out into parallel industries, with a full-fledged spa and hair salon operating inside the Aïshti store in Downtown Beirut, and a glossy, glamorous lifestyle publication, Aïshti Magazine, focusing on fashion, entertainment and design. Three restaurants, People (with two separate locations) and Aïshti Café also operate under the Aïshti umbrella.
Today, Aïshti is the undisputed fashion and luxury products market leader in Lebanon.