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Mittwoch, 24. Oktober 2018

Das Haus der Geschichte Österreich als politisches Instrument des Parlaments und Symptom der Dritten Republik

In zwei Beiträgen, die ich im Rahmen von Tagungen zum Haus der Geschichte Österreich zur Diskussion gestellt habe (Vortrag vor der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und in der Akademie der Wissenschaften), war ich äußerst skeptisch gegenüber der engen Verzahnung von Politik und Projekt. Die ungewöhnliche Politisierung veranlasste mich schon seinerzeit, das Haus der Geschichte abzulehnen.

Jetzt kommts aber heftig.

Wie die APA heute berichtet, soll nun das Haus der Geschichte Österreich als Republikmuseum dem Parlament angegliedert werden. Denn "Wenn man Republiksgeschichte vermitteln will, ist das ohne das Parlament nicht möglich", stellte Nationalratspräsident Sobotka "im Einklang mit Minister Blümel fest". Und im Einklang mit der Leiterin Monika Sommer, die sich "wirklich sehr freut" über eine derart "richtungweisende Pressekonferenz".

In welche Richtung wird da gewiesen und wer weist?

In eine sehr österreichische, was zunächst einmal die Organisation anbelangt, denn Minister Blümel verspricht Eigenständigkeit in einem Atemzug mit dem Versprechen, das Museum "ans Parlament anzubinden." Oder so: Wissenschaftlich sei das Museum unabhängig. Sehr schön. Aber warum nur wissenschaftlich? Keiner der Wissenschafter werde parteipolitisch bestellt. Na eh nicht. Das ist ja schon passiert.

Dieser organisatorischen Unabhängigkeit korrespondiert die inhaltliche, die - ganz unabhängig - vom ÖVP-Politiker Sobotka formuliert wird. Als jenes identitätspolitische Konzept, das dem Historiker Botz so abgegangen ist. Jetzt endlich gibt es eins, von Herrn Sobotka: "Sobotka" so berichtet uns die APA,  "denkt in diesem Zusammenhang auch an Wanderausstellungen in den Bundesländern, aber auch über die Staatsgrenzen hinaus. Mit dieser Arbeit beabsichtige man vor allem, die Identität Österreichs in allen Teilen zu stärken. (...) Sobotka unterstrich die Notwendigkeit der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Institution und wies unter anderem auf die unabhängige Tätigkeit etwa des Nationalfonds hin, der ebenfalls an das Parlament angebunden ist."

"Kein Historiker und keine Historikerin wird von einer Partei bestellt", stellte er klar." Wie das die ÖVP versteht und praktiziert, und wie man dort mit willfährigen HistorikerInnen (aller Lager) parteiideologische Ausstellungen macht, kann man beim unsäglichen Museum in St. Pölten sehen. Aber weiter im O-Ton Sobotka: "Der Nationalratspräsident rief in diesem Zusammenhang zu einem nationalen Schulterschluss auf und kündigte an, alle politischen Kräfte von Nationalrat und Bundesrat einzubinden. 'Die Verantwortung, sich der Geschichte der Republik zu stellen, hat in einem großen nationalen Bogen zu erfolgen'". 
Also eine Art von nationaler Einheitsgeschichte? 

Man könnte das alles auch großartig finden: Am zentralen Ort der Demokratie, asm Ort der Austragung von Debatten, Interessen und Konflikten, am Ort der repräsentativ den Willen des Volkes vertetenden und agierenden Gremiums, gibt es einen symmetrischen kulturellen Ort, ein Museum, das genealogisch und strukturell aus den Ideen von Demokratie und Aufklärung hervorgegangen ist und ihnen verpflichtet ist.

Da könnten wir uns ein bürgerschaftliches, partiztipatives Museum vorstellen, an dem der Demos selbst die Erzählung und Deutung seiner Geschichte selbst in die Hand nimmt. Ein Ort der permanenten Selbstauslegung, der immer wieder sich erneuernden Deutung der Vergangenheit und der Entwürfe wünschbarer und lebenswerter Zukünfte.

Stattdessen bekommen wir zwergenhaftes Denken und Handeln, kübelweise Oppurtpnismus und tonnenweise politische Ideologie.Denn das Parlament ist fest in den Händen der Parteien und die Machtverhältnisse zwischen Regierung und Parlament einerseits und Parlament und Wahlvolk nicht so ganz im Sinne der Verfassung.


Und die Direktorin, zwischen den zwei Rechtskonservativen freudig beim Pressekonferenz-Verkünden eingeklemmt, insistiert darauf, wie großartig und diskussionsfreudig das alles werden wird, etwas, was man nun seit Monaten gehört hat, was aber nie eingelöst wurde. Auf der Webseite wird nicht nur nicht diskutiert, es werden dort alle Debatten, die zum Projekt geführt wurden vollkommen ignoriert. Und die Diskussionskultur ist so exzellent, daß im Beirat hat zwei Mitglieder zum Austritt bewogen. 

Dort wurde etwa darüber befunden, daß man den Begriff Austrofaschismus besser nicht verwenden sollte (wiewohl er von Historikern verwendet wird und seine Verwendung begründet wird, etwa bei Emmerich Talos). Stattdessen wurde am Begriff Kanzlerdiktatur herumgebastelt, der wurde aber auch wieder verworfen, weil er sich für Schüler (?) als mißverständlich erwiesen habe. Angeblich soll die Lösung nun in der Begriffswahl Dollfuss-Schuschnigg-Dikatur bestehen. Die versprochene Diskussionsfreudigkeit besteht also darin, Schüler zu befragen, ob sie etwas im Sinne der KuratorInnen verstanden haben, und dann, wenn das nicht der Fall ist, die Diskussion im planenden Gremium zu beenden, statt die Frage im Museum zur Diskussion zu stellen. Es ist ja nicht weniger als die bis heute umstrittenste Phase der österreichischen Zeitgeschichte, an deren Deutung in aller erster Linie die ÖVP als entlastende "Eindeutigung" ein Interesse hat.

Doch das sozialdemokratisch durchwirkte Planungsteam, das das Museum in sozialdemokratischem Auftrag gebastelt hatte, ist jetzt genau dort, wo sich die Herren Ostermeyer und Drozda das Projekt nie vorstellen konnten und sie selbst auch nicht: Im Kraftfeld der politischen Hegemonie einer weit rechts stehenden Regierung. Sie wollten es nicht wahrhaben, aber so schnell kann es gehen. Jetzt haben sie die Höchststrafe und dürfen sich verbiegen bis zum Anschlag, um das Projket - als Budgetposten, nicht mehr -, zu "retten".

Allerdings:So wird es, eine symptomatische Lesart vorausgesetzt, ein wirkliches Republik-III-Museum. 
"Wenn man Republiksgeschichte vermitteln will, ist das ohne das Parlament nicht möglich." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden "Wenn man Republiksgeschichte vermitteln will, ist das ohne das Parlament nicht möglich." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden "Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute so eine richtungsweisende Pressekonferenz abhalten dürfen", sagte HDGÖ-Direktorin Monika Sommer. "Ich freue mich über dieses klare politische Commitment." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden"Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute so eine richtungsweisende Pressekonferenz abhalten dürfen", sagte HDGÖ-Direktorin Monika Sommer. "Ich freue mich über dieses klare politische Commitment." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden
"Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute so eine richtungsweisende Pressekonferenz abhalten dürfen", sagte HDGÖ-Direktorin Monika Sommer. "Ich freue mich über dieses klare politische Commitment." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden

Mittwoch, 22. November 2017

Kurzkritik: Das St. Pöltner Haus der Geschichte

Ich habe bislang kein Museum und keine Ausstellung gesehen, die derart durch parteipolitische Interessen geprägt ist. Das entwertet auch jene - wenigen - Teile, die inhaltlich interessant sind. Als gesamtösterreichisches Geschichtsmuseum, das es gerne sein will, ist es durch seine auf Niederösterreich konzentrierte Sammlung nicht tauglich, als langer Erzählbogen durch Jahrhunderte zu lückenhaft und zu stark auf politische Geschichte konzentriert. Als Schau- oder Freizeiterlebnis bietet es zu wenig attraktive Objekte, es sei denn man hält einen Steyr-Traktor der 50er-Jahre für eine historiografische Mona Lisa.
Regelrecht unerträglich wird das Museum dort, wo es in den Wissenschaften differenziert diskutierte Fragen in ideologisch tendenziöser Absicht vereinseitigt. So wird die totalismustheoretische Gleichsetzung des NS-Terror mit der der Sowjetunion der Stalinzeit zum Schlüssel der Deutung des Zweiten Weltkrieges. Und der Schlussteil, der Raum mit der Zeit seit 1955, zum Fest der Niederösterreichischen Volkspartei. In Blau-Gelb. Buchstäblich.
Der Ex-Landeshauptmann - dem auch das jüngste Objekt gewidmet ist, ein Foto mit der Machtübergabe an seine Nachfolgerin, hat für ein Stück Geschichtspolitik gesorgt, das man - grade jetzt, grade in Zeiten wie diesen -, brauchen kann, wie einen Kropf.
Ein überflüssiges, ärgerliches Museum mehr. Keine Fahrt nach St. Pölten wert.

Eine ausführliche Kritik folgt.

Donnerstag, 23. Juni 2016

Tagung zum "Haus der Geschichte Österreich" am 30. Juni 2016

Die Österreichische Forschungsgemeinschaft lädt zur Tagung: "Haus der Geschichte Österreich(s) – Konzepte. Inhalte. Erzählung."

Wien (OTS) - Seit vielen Jahren angedacht, wird es nun umgesetzt: Das "Haus der Geschichte Österreich" soll 100 Jahre nach der Ausrufung der Republik in der Neuen Burg am Heldenplatz entstehen. Dabei soll es kein Nationalmuseum werden, sondern ein Museum, das die Geschichte Österreichs in einem europäischen und internationalen Kontext darstellt. Wie das "Haus der Geschichte" inhaltlich und museumsdidaktisch gestaltet werden kann, soll im Rahmen einer Tagung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft am 30. Juni 2016 in den Räumlichkeiten der Nationalbibliothek diskutiert werden.

"Am 17. März 2016 hat das Parlament nach einer vorangehenden sehr kontroversen Debatte um Konzept und Standort die Errichtung eines 'Hauses der Geschichte Österreich' in der Hofburg beschlossen. Es scheint uns nun wichtig, den Diskurs über dieses für unser Land so bedeutende Projekt konstruktiv weiterzuführen", so der Präsident der ÖFG, Karlheinz Töchterle über die Motive, eine Tagung zum geplanten Museum zu veranstalten.

Auf der Tagung werden zehn Historiker und Museumsfachleute aus dem In- und Ausland aus verschiedenen Blickwinkeln über das geplante Museum referieren und diskutieren. Braucht es ein solches Haus überhaupt noch in Zeiten, in denen die Nationalstaaten in einem größeren Europa aufgehen sollen? Wie kommt Zeitgeschichte ins Museum? Was ist ein stimmiger Zeitrahmen für ein Haus der Geschichte Österreichs? Wie muss es museologisch beschaffen sein, um ein Ort des öffentlichen Diskurses und der öffentlichen Debatten zu werden und gleichzeitig als wichtiger Vermittler von politischer Bildung zu fungieren? Fragen wie diese sollen im Rahmen der Veranstaltung diskutiert werden.

Eingangs wird Oliver Rathkolb, Vorsitzender des Internationalen Wissenschaftlichen Beirats des "Hauses der Geschichte Österreich" die Pläne und die Konzeption des Projektes vorstellen. Standortbezogenen Überlegungen von Artur Rosenauer folgt ein museumsdidaktischer Vortrag von Gottfried Fliedl. Weitere Beiträge kommen von Philipp Lesiak zum Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich sowie Thomas Winkelbauer und Roman Sandgruber zu den inhaltlichen Anforderungen eines Hauses der Geschichte Österreichs. 
Hermann Schäfer, Historiker und Gründungspräsident der Stiftung "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" wird mit einem "Blick von außen" internationale Erfahrungen bei der Realisierung eines Hauses der Geschichte skizzieren.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion werden Johanna Rachinger, Oliver Rathkolb, Franz Schausberger, Heidemarie Uhl und Thomas Winkelbauer über das nicht unumstrittene Projekt diskutieren.

Tagung: "Haus der Geschichte Österreich(s)" 

Programm, Anmeldung und weitere Information unter: 
http://www.oefg.at 

Datum: 30.6.2016, 09:00 - 19:30 Uhr 

Ort: 
Nationalbibliothek Augustinertrakt 
Josefsplatz 1, 1010 Wien 

Url:  http://www.oefg.at 

Freitag, 13. Mai 2016

Das Projekt "Haus der Geschichte Österreich" und die Krise der SPÖ. Ein Nachwort.

Es ist schnell gegangen. Ein Rücktritt. Und schon scheint Minister Ostermayer Geschichte zu sein. Künstler und Wissenschafter erklären ihn in der Rolle des Kulturpolitikers für "unersetzlich". Unter den Bittstellern: Oliver Rathkolb. Noch herrscht Tiefnebel und der Standard kann sogar Andre Heller als Königsmacher ins Spiel bringen. Die Zeitungen haben Ostermayer schon aus den Ämtern entfernt. Wie auch immer. Es wird so oder so spannend für das Projekt "Haus der Geschichte Österreich".

Montag, 8. Februar 2016

Plachutta, Pröll, Sisi und das Glück des patriotischen Erbens

Die "Kaiserhaus-Sammlung Plachutta“, die „weltweit größte private Habsburg-Sammlung“ weiß Georg Markus im Kurier hocherfreut zu berichten, „besteht aus mehr als 2000 Objekten.“
In dieser Sammlung findet sich unwiederbringlich Wertvolles und Bedeutsames wie "Sisis" Fächer und Porzellanservice, Kleidungsstücke des „alten Kaisers“, eine "Gedenkschrift", die Mary Vetseras Mutter nach der Tragödie von Mayerling verfasst hat. „Ein Glanzstück“ in den Augen von Georg Markus. Aber was soll man erst zu Kaiser Franz Josephs Hausrock sagen oder gar zu seinen Barthaaren bis zu "Sisis berühmtem Porträtbild mit den Sternen im Haar“, dem cremefarbene Spitzenfächer, den Erzherzogin Marie Valerie ihrer Mutter, der Kaiserin, zu deren 47. Geburtstag gebastelt hat oder den Bestellscheinen der Kaiserin Elisabeth für kosmetische Artikel aus dem April 1875? Gerade letztere Objekte scheinen besonders geeignet, die „Historie der K.-u.-k.-Monarchie, aber auch die Alltagskultur der kaiserlichen Familie lebendig“ werden zu lassen (Mario Plachutta zum KURIER).
3,1 Millionen Euro waren diese Zimelien dem Herrn Landeshauptmann Erwin Pröll wert, der, so hört man, diesen Kaiserschatz persönlich von Mario Plachutta übernommen hat. Der ist zwar nur König, nämlich „Rindfleischkönig (NÖN.at), dafür „versorgt die Familie Plachutta im Zivilberuf in Wien ausgesuchte Gäste mit bestem Rindfleisch.“ Plachutta ist aber nicht nur wegen seiner Preisgestaltung bekannt, wenngleich mehr bei den nicht ausgesuchten Gästen, sondern durch seinen kreativen Umgang mit MitarbeiterInnen. Der Arbeiterkammer ist er, wie sie sagt, „bekannt“, unter anderem wegen der Entlassung eines slowakischen Kellners, weil dieser seine selbst mitgebrachten Erdbeeren mit Plachutta-Zucker versüßt hat. (trend vom 15.05.2014, hier der Link mit weiteren Details zu Plachuttas Kreativität im Umgang mit Angestellten und zu seiner Sammlungstätigkeit)
Mit diesem Überraschungscoup eines Sammlungsankaufs (der sicher nach sorgfältiger Expertise durch Fachleute, Schätzung auf Grund eines Inventars und Prüfung der Privenienzen erfolgte) aus dem Rindfleischparadies bremst der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich das - noch völlig sammlungslose - Haus der Geschichte Österreich aus, das in der Neuen Hofburg errichtet werden soll und um dessen Profilierung in Sachen Habsburg man bangen muß, wo es doch sowohl ohne das Tee und Kaffeeservice auskommen muß, „das“ - überraschenderweise - „auf allen Teilen einen plastischen kaiserlich-goldenen Doppeladler trägt“, aber auch ohne den Behälter der ungarischen Krönungserde (?) aus dem Jahr 1867, den Rosenkranz „der sterbenden Kaiserin Elisabeth“ (NÖN.at; hatte sie noch andere Rosenkränze?), das Picnic-Set von Kronprinz Rudolf (in Mayerling verwendet?), oder das Feldschreibzeug von Franz Joseph (war er im Krieg?).
Was Landeshauptmann Erwin Pröll zum Erwerb dieser und zwei weiterer Sammlungen sagt, weist ihn als vorausschauenden, historisch verantwortungsvollen Landesvater aus (warum will so jemand nicht Bundespräsident werden?), der weiß, was und warum er erbt: „Das Land erfüllt damit seinen Auftrag, das kulturelle Erbe Niederösterreichs zu bewahren, die Geschichte des Landes zu dokumentieren und sie ab 2017 im Haus der Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Das volle Ausmaß von Prölls Geistesgegenwart zu würdigen ist erst möglich, wenn wir zur KRONE greifen und zu Günter Traxler Glosse im Standard vom 7.2.2016 (hier): „Historiker wissen“ zitiert Traxler das Kleinformat, „– es sind oft Zufälle, die den Lauf der kleinen und größeren Geschichte bestimmen … Mit der Sammlung des Wiener Topgastronomen Mario Plachutta war das nicht anders. Denn Landeshauptmann Pröll war mit seiner Frau Sisi“ - schon wieder eine (GT) "in der Wollzeile zum Dinner beim Koch-Maestro geladen, als die Sprache" nicht auf die Rechnung (GT), "sondern auf die Kaiserhaus-Sammlung kam. Und jetzt Hochspannung! Patriot Pröll zögerte keine Sekunde, mitten im Dinner mit seiner Frau Sisi, das kostbare kulturelle Erbe für Österreich zu bewahren und vor asiatischer Gier zu retten. Denn es gab auch schon Angebote aus China."

Mittwoch, 27. Januar 2016

Das "Haus der Geschichte Österreich". Ein ideologischer Staatsapparat

Um ein "Haus der Geschichte" in der Neuen Burg zu realisieren, ist eine Änderung des Bundesmuseen-Gesetzes notwendig. Das Begutachtungsverfahren hat zu neuerlicher Kritik an dem Projekt geführt. Diese Kritik nimmt die offizielle Kostenberechnung in den Blick und mit dem vorgeschlagenen Namen der neuen Institution, auch deren ideologisch-politische Funktion.

Die Rektorin der Akademie der Bildenden Künste Eva Blimlinger schätzt, daß das Gesamtprojekt nahezu das Doppelte (bis 2019) der derzeit genannten Kosten beanspruchen würde und überrascht mit dem Hinweis, daß in der vorliegenden "unrichtigen und fehlerhaften" Berechnung die Umsatzsteuer, die Bauzinsen und die Valorisierung der Kosten fehle. (Hier der vollständige Wortlaut der Stellungnahme). Sie kommt auf über 80 Millionen Euro, wer es nachlesen will, findet ursprünglich 16 Millionen genannt.

Dem Rechnungshof erscheint die ministerielle Kostenberechnung ebenfalls nicht geheuer - schlicht nicht "plausibel nachvollziehbar" und er entdeckt, daß z.B. die Kosten für die Umsiedlung und Neugestaltung der Sammlung Alter Musikinstrumente fehlt. (Vgl. etwa die Berichterstattung in der Tageszeitung Die Presse vom 20.1.2016)

Zur Erinnerung: als Minister Ostermayer überraschend die Realisierung des Hauses der Geschichte ankündigte und den Standort Neue Hofburg festlegte, legte er der Öffentlichkeit nahe, daß der Kostenaufwand für das neue Museum durch die "Redimensionierung" all jener Pläne möglich sein würde, die das Völkerkundemuseum, (heute: Weltmuseum) zur Modernisierung vorangetrieben hatte. Damals wurde sofort nicht nur die Beschädigung des Projekts der Weiterentwicklung eines wichtigen Bundesmuseums kritisiert, sondern auch bezweifelt, daß sich diese simple Rechnung - "aus der Einsparung finanzieren wir einen neues Museum" -, aufgehen könne. Also waren nicht nur die gerade genannten 16 Millionen eine Irreführung, auch das Argument, durch die Verkleinerung einer Ausbaustufe eines Museums ließe sich ein anderes, völlig neues finanzieren, war Trickserei.

Jetzt ist definitiv klar, daß das Planspiel und die Finanzierungs'konstruktion' als Täuschungsmanöver gelten müssen. In Summe kann die Errichtung eines Museums, für das umfangreiche bauliche Adaptionen notwendig sind, die Umsiedlung einer bestehenden Schausammlung, eine lange Planungsphase, Kosten für Personal und für Sammlungsobjekte uam., nicht dadurch finanziert werden, daß man einer anderen Sammlung Teile ihrer Expansion wegnimmt.

Die politische Unredlichkeit ist eine Sache. Eine andere ist das Konzept, oder wenn man so will die "Ausrichtung" des Hauses. Trotz des inzwischen vorliegenden "Papiers" des wissenschaftlichen Beirats, trotz der Veranstaltung von Tagungen, trotz mancher öffentlicher Äußerungen von Politikern oder HistorikerInnen, trotz medial-öffentlicher Debatte ist der identistätspolitische "Auftrag" des zukünftigen Museums noch immer unklar.

Thomas Winkelbauer, Historiker und Leiter des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung sowie Initiator einer Tagung zum Haus der Geschichte, kritisiert in seinem Gutachten (hier im Wortlaut) zum Gesetzesentwurf den Namen, den die Institution erhalten soll, nämlich "Haus der Geschichte Österreich". Einwände liegen auf der Hand. Es war nämlich bisher immer von einem Zeitgeschichtemuseum bzw. Republikmuseum die Rede bei dem man allenfalls aus einsichtigen Gründen (offen blieb, in welchem Umfang und mit welchen Darstellungs-Methoden; das Lieblingswort während der Tagung zum Haus der Geschichte lautete dazu "Tiefenbohrungen") auf die Zeit vor 1918 zurückgreifen müsse. Der nun gesetzlich festgeschriebene Titel macht aber das Projekt zu einem historischen Museum 'Gesamt'-Österreichs und das ist nun mal, so Prof. Winkelbauer wörtlich "Etikettenschwindel".

Ich unterstelle, daß die Wahl dieser Namensgebung der von Anfang an angestrebten Formierung einer - selbstredend positiv erzählten - national-identitären Großerzählung geschuldet ist. Vom Haus der Geschichte Österreich als "Stätte der geistig-kulturellen Identität Österreichs" spricht der Gesetzesentwurf (der gesamte Entwurf hier). Österreich soll ein Museum bekommen, dessen Name eine umfassende Repräsentation seiner Geschichte verspricht. Was anderes als ein Nationalmuseum ist so etwas?

Deshalb ist es doppelt interessant, wie das Verfahren aussieht, in  dem dieses Projekt realisiert wird - von der dezisionistischen ministeriellen Entscheidung daß und wo es realisiert wird und wer dem Beirat vorsitzt, der das Konzept verfasst, über diese Auswahl des wiederum Experten auswählenden Beiratsleiters bis zur nun im Gesetzesentwurf festgeschriebenen sehr bürokratischen, verschachtelten und hierarchischen Organisationsform. Anders gesagt, es geht darum, wer denn nun gleichsam durch diese Institution zur und über "Nation" spricht, sprechen darf, wer seine geschichtspolitischen Vorstellung artikulieren darf, wer kulturelle Hegemonie über das historisch fundierte Selbstbild der Gesellschaft ausüben darf und kann.

Was das in bürokratisch-politische Pragmatik gegossen heißt, kann man im Gesetzesentwurf nachlesen. Der ist in diesem Punkt beispiellos. Mehrere ineinander verschachtelte, aber alle top down besetzte und kontrollierte Gremien binden das Museum - nicht nur jetzt, während der Planung, sondern langfristig - an das Bundeskanzleramt. (Nebenbei: welche(r) seriöse  Historiker(in) oder Museumsfachmann oder -frau wird sich unter diesen Umständen um die Leitung bewerben?). Thomas Winkelbauer dazu: "Der im Entwurf vorgesehene Einfluss des Bundeskanzleramtes auf die Zusammensetzung des vorgesehenen sechsköpfigen Wissenschaftlichen Beirates des Hauses der Geschichte und damit indirekt auf die Nominierung des wissenschaftlichen Direktors bzw. der wissenschaftlichen Direktorin des Hauses der Geschichte erscheint übermächtig: Zwei der sechs Mitglieder sollen vom Bundeskanzler bestellt werden, von denen eines zum bzw. zur Vorsitzenden gewählt werden muss. Der qua Amt dem Wissenschaftlichen Beirat angehörende Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs ist bekanntlich der Leiter einer nachgeordneten Dienststelle des Bundeskanzleramtes, sodass die vom Bundeskanzler bestellten Mitglieder im Wissenschaftlichen Beirat aller Voraussicht nach eine dominierende Rolle spielen werden können."

Damit nicht genug sieht die organisatorische Konstruktion ja vor, daß das künftige Museum Teil der Österreichischen Nationalbibliothek sein soll (etwas was in den hier genannten Gutachten und auch anderswo schon kritisiert wurde. Nachdem schon beim Leopold-Museum die fragwürdige Form einer Stiftung gewählt wurde und damit die relative organisatorische Einheitlichkeit der Bundesmuseen durchlöchert wurde, wird nun eine weitere Form etabliert.

Wie denn eine "fachliche Selbständigkeit" der Leitung (wieso nur fachlich?) des Hauses möglich sein soll, wenn doch budgetär oder etwa personell auch die - übergeordnete? - Leiterin der Nationalbibliothek zu entscheiden oder mindestens gewichtig mitzureden hat, das habe ich entweder noch nicht verstanden oder es ist noch immer nicht geklärt.

Ich habe früher schon das Fehlen einer in der Zivilgesellschaft verankerten Debatte um das Haus der Geschichte bemängelt. Ich finde es ziemlich unerträglich, daß die Verantwortlichen, allen voran der wissenschaftliche Beirat und ihr Vorsitzender keinerlei Bemühen erkennen lassen, bereits jetzt, wo es aus vielen Gründen sinnvoll wäre, sich um die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Erfahrungen zu bemühen. Schon jetzt war das Versprechen, daß es irgendwann, sicher aber erst nach Abschluss aller Vorbereitungen, ein "Partizipationswinkerl" geben werde, der blanke Hohn. Was aber der Gesetzesentwurf dazu vorsieht, spottet jeder Beschreibung. Das sogenannte Publikumsforum wird nämlich vom Bundeskanzler ernannt werden (sic!) wobei fünf (von zwanzig) Mitgliedern einstimmig (!) vom wissenschaftlichen Beirat nominiert werden sollen.

Partizipation ist ein museologisches Modewort der letzten Jahre. Aber nicht nur ein Modewort. Was an Partizipation inzwischen theoretisch entwickelt und praktiziert wird, scheint jedoch an allen Verantwortlichen vorbeigerauscht zu sein. Wie auch sonst bei museologischen und inszenatorischen Schlüsselfragen, zeigen sich Konzept, Beirat, Gesetzesentwurf und Debatte erschreckend unbedarft, schweigsam - oder auch einfach nur kopmplett ignorant.





Mittwoch, 25. November 2015

Haus der Geschichte. Jetzt wird es absurd

Die "Koalitionspartner" legen dem Ministerrat, wie heute (25.11) Zeitungen berichten, die Pläne für die Umgestaltung des gesamten Bereiches Heldenplatz vor. Dabei dreht es sich um eine Tiefgarage, einen Tiefspeicher, die Umgestaltung des sogenannten Heldentores, das Haus der Geschichte und - achtung! - ein Haus der Zukunft.
Dazu gibt es eine - unvollständige - Kostenschätzung, das Haus der Zukunft ist nicht berechnet worden, kann derzeit auch gar nicht abgeschätzt werden, auch die Betriebskosten wenigstens für den Start des Hauses der Geschichte hat man offensichtlich nicht berücksichtigt.
Das Haus der Zukunft soll in einem provisorischen Bau am Heldenplatz errichtet werden, unter "hoher Bürgerbeteiligung". Also die gibts post festum, nachdem man die wesentlichen Weichen gestellt hat.

Aber mit der koalitionären Lösung, daß die SPÖ ihr Haus der Geschichte und die ÖVP eins der Zukunft bekommt, beschädigt man massiv alle bisherigen Planungsvorhaben und Argumente.
Denn wenn es nun plötzlich möglich erscheint, einen Neubau am Heldenplatz zu errichten, warum dann nicht - wie vielfach gefordert - für das Haus der Geschichte? Und sei es nur deswegen, weil man damit der fragwürdigen und schwierigen Unterbringung in der Neuen Burg entgeht. Dann könnte meinenthalben die Musiksammlung bleiben wo und wie sie ist, vor allem aber, das Weltmuseum könnte seine Pläne zum Relaunch vollständig realisieren.
Was immer ein Haus der Zukunft werden wird - dazu gibt es nichts, aber auch wirklich gar nichts an Ideen, Vorschlägen, schon gar nicht Pläne oder Konzepte -, die Idee an sich führt das Haus der Geschichte ad absurdum. Wer immer bei Trost ist, weiß, daß Geschichtsforschung und Geschichtsvermittlung, wie es ein Museum oder eine Ausstellung nun mal sind, immer von der Gegenwart, von gegenwärtigem Wissen, gegenwärtigen Interessen ausgeht und dass vernünftigerweise Geschichtskultur immer die Dialektik aller drei Zeitdimensionen einschließt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - man lese z.B. im Konzept zum Deutschen Historischen Museum nach.

Mahrer im August 2015: "Wir brauchen die Beschäftigung mit Geschichte und unseren Quellen, um zu wissen, woher wir kommen, um entscheiden zu können, wohin wir gehen." Benötigt würde aber auch "ein öffentlicher Verortungsraum, wo wir mit modernen Mitteln in einer modernen Agora partizipativ unter Einbindung aller Kräfte darüber debattieren, wie Zukunft sein soll". Es gebe zu wenig Diskurs über "die Vision für Österreich, wie soll Österreich in 15, 20 Jahren aussehen angesichts der dramatischen Veränderungen". Gut, aber was soll ein Haus der Geschichte denn sein, wenn es gerade dies nicht leistet und diese Aufgabe einem anderen Haus übertragen wird?

Während das Haus der Geschichte nicht ausschließlich durch eine einsame politisache Entscheidung verwirklicht wurde, sondern erst dessen Konkretisierung durch die infallible ex cathedra-Entscheidung des Herrn Ministers eingeleitet wurde, aber ansonst auf eine lange Geschichte verschiedener Ideen zurückzuführen ist, entsteht das Haus der Zukunft allein auf der minimalistischen Basis eines parteitaktischen Sagers eines Funktionärs aus der zweiten Politikerreihe.

Allein die Idee eines Hauses der Zukunft degradiert also implizit das Haus der Geschichte zu einer rein retrospektiven Angelegenheit, zwingt zu einer Arbeitsteilung zwischen Zukunftsperspektive und Vergangenheitsschau. Es sei denn, man unterwirft sich dieser Logik nicht, dann hat man aber unweigerlich zwei historische Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft, wenn man St.Pölten nicht vergißt nun sogar deren drei. Man könnte das nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernte Wien Museum in die Überlegungen einbeziehen und das Heeresgeschichtliche Museum, um zu erinnern, daß es Wien dann gleich fünf einschlägige Institutionen gäbe.

Warum gibt es ein Haus der Zukunft überhaupt? Ich kann mich an nichts anderes erinnern, als eine Wortspende des ÖVP-Staatssekretärs Mahrer, die einfach die übliche komplementäre zu einer Idee des "Partners" in der Koalition war. Das gehört zum koalitionären Ritual, jede Wortmeldung mit einer eigenen zu konterkarieren. Das genügte, um einen Anspruch nach dem Motto von Sandkasten-Kindern "Ich auch", nun dem Koalitionspartner seitens der SPÖ zuzugestehen, also eigenes Museum!

Mehr als diese Mahrer-Wortmeldungen zu einem Haus der Zukunft gibt es nicht. Außer Ein paar Fantasien hat er ja – etwa jene, dass dieses neue Haus am Ring aus Holz errichtet werden sollte, als Zeichen der Leistungsfähigkeit der heimischen Holzwirtschaft – und weil Holzbauten modular an neue Bedürfnisse angepasst werden könnten. - derstandard.at/2000020245993/OeVP-will-Neubau-am-Heldenplatz-statt-Haus-der-GeschichteEin paar Fantasien hat er ja – etwa jene, dass dieses neue Haus am Ring aus Holz errichtet werden sollte, als Zeichen der Leistungsfähigkeit der heimischen Holzwirtschaft – und weil Holzbauten modular an neue Bedürfnisse angepasst werden könnten. - derstandard.at/2000020245993/OeVP-will-Neubau-am-Heldenplatz-statt-Haus-der-GeschichteEin paar Fantasien hat er ja – etwa jene, dass dieses neue Haus am Ring aus Holz errichtet werden sollte, als Zeichen der Leistungsfähigkeit der heimischen Holzwirtschaft – und weil Holzbauten modular an neue Bedürfnisse angepasst werden könnten. - derstandard.at/2000020245993/OeVP-will-Neubau-am-Heldenplatz-statt-Haus-der-Geschichtedaß es ein Holzbau werden soll, um die Holzwirtschaft zu fördern (der Standard über Mahrers Pläne). Und oh Wunder, schon wird sie Wirklichkeit, die staatsekretärliche Flause!

Der getreulich wiedergegebene Pressetext der Koalition, der heute publiziert wurde, sagt zu allem: "Mit der Neugestaltung des Heldenplatzes besteht die einmalige Chance, das geschichtlich gewachsene Gesamtensemble weiter zu entwickeln. Eine städtebauliche Intervention am Heldenplatz in Form eines 'Hauses der Zukunft' wäre, 150 Jahre nach dem Beginn des Baus der Ringstraße, nicht nur eine Signatur unserer Zeit. Ein derartiges Zukunftsprojekt im größten Kulturquartier Europas soll auch als Symbol für eine neuartige Zugangsweise zum Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Politik fungieren."
Da bleiben einem angesichts der Kraftmeierei Luft und Spucke weg. Auch angesichts der Unverfrorenheit, mit der hier autoritativ verordnete Geschichtspolitik als "neuartige Zugangsweise zwischen BürgerInnen und Politik" verkauft werden.

Man wird sehen, welche öffentliche Reaktionen es dazu gibt. Die erste ist schon mal gruselig: Die Intelligenzblätter Standard und Die Presse drucken wortident die einschlägige Meldung der Presseagentur ab.

Mittwoch, 11. November 2015

Braucht Österreich ein „Haus der Geschichte“? Rezension zur Tagung


Zur Tagung in der Akademie der Wissenschaften, wo die Frage nach der Notwendigkeit eines "Hauses der Geschichte" diskutiert wurde, ist nun eine Rezension der Historikerin Andrea Brait erschienen. Hier der Link.

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Haus der Geschichte. Mein "nein" dazu

Am Montag fand in der Akademie der Wissenschaften in Wien eine Veranstaltung zum "Haus der Geschichte" statt. Siebzehn Referentinnen und Referenten sprachen zum Thema und diskutierten mit dem Publikum.

Hier mein Beitrag:

Für ein Museum des Konflikts

Ein Museum kann nicht nur von Demokratie sprechen, wie es im Konzept für ein Haus der Geschichte in der Neuen Burg der Fall ist, es muss auch selbst demokratisch sein.
Was das bedeutet, das ist mein einziges Thema.

I
Museen sind Orte der Selbstdarstellung und Selbstauslegung von Gesellschaften und Gemeinschaften. In Museen sammeln sich Menschen um Gesammeltes. Es geht ums Sammeln und ums Sich-Sammeln. Kaum ein Museum verzichtet auf Räume, die dem durch Architektur und Dekor praktisch wie symbolisch Rechnung tragen.
Über Gegenstände und ihre Ausstellung und Ordnung deuten Menschen ihre Herkunft und Zukunft vor allem aber den Grund ihrer Zusammengehörigkeit. Darin unterscheidet sich das Baldramsdorfer Handwerksmuseum nicht vom British Museum.
Als Versammlung um eine Sammlung bilden die Beteiligten ein zivilisierendes Ritual, deren Feinheiten wir alle kennen und internalisiert haben und abrufen, sobald wir Museumsbesucher sind. Zivilisierend sind diese Rituale vor allem dann, wenn sich körperliche und affektive Involvierung mit kognitiver Reflexion mischt, in der der Wahrheits- und Geltungsanspruch des Verhandelten geprüft und abgewogen wird.
Dies nennt man liberale bürgerliche Öffentlichkeit, mit der das Museum genealogisch verbunden ist und durch das es selbst politisch und demokratisch wird, wenn es aus dem Diskurs dem Anspruch nach niemanden ausschließt.

Öffentlich ist das Museum aber keineswegs wegen dieser allgemeinen also auch sozialegalitären Zugänglichkeit. Der Sinn des Museums erschöpft sich keineswegs in der statistisch erhobenen Vielzahl der Besucher. 
Denn öffentlich nennen wir Institutionen, die der Staat im Interesse der Wohlfahrt der Gesellschaft einrichtet, treuhänderisch verwaltet und aus Steuermitteln erhält.
Es gibt Einrichtungen, deren Zugänglichkeit wir nur ungern in Anspruch nähmen würden, wie Gefängnisse, die dennoch öffentlich im genannten Sinn sind.
Das Museum ist eine Institution unter vielen anderen öffentlichen, wie etwa Schulen, Universitäten, Spitäler oder Verkehrsmittel und dient mit ihnen der Verwirklichung eines Gesellschaftszieles. Seit den frühen republikanischen Verfassungen wird dieses Ziel mit allgemeiner und sozialer Wohlfahrt beschrieben. 

II
Wenn das Museum aber nur eine unter sehr vielen Einrichtungen ist, die der allgemeinen Wohlfahrt dienen, warum hat es eine derart ausgezeichnete, überdeterminierte Stellung, als monumentale und expressive Architektur, als städtebauliche Landmark im Zentrum der Metropolen, als hochkulturelle Instanz?
Warum dieser Rang von Institution, Bau und Ort? 

Um diese Frage zu beantworten werde ich einen kurzen Blick auf die Entstehungsgeschichte des modernen Museums werfen und auf ein herausragendes Datum: Die Gründung des Museum français im Louvre im Paris des Jahres 1793, am 10.August.
Wenige Monate davor hatte man Ludwig den XVI. hingerichtet. 
Der Schnitt durch den Körper des Bürgers Capet, als der er angeklagt worden war, zerstörte auch den transzendentalen Leib des Königs und die Konfiguration der Macht des alten Staates und beraubte damit die neue Gesellschaft eines Halt und Ausdruck gebenden „Objekts“. 
Der Bruch mit der alten Herrschafts-, ja kurzzeitig sogar Zeitordnung, setzt eine Dialektik in Bewegung, die eine Schließung der entstandenen Leere zum Ziel hatte. Man darf spekulieren, ob das Museum und seine Sammlung, dieses Ding das sammelt nicht eine Form der Substitution des Mangels sind. Ist es nicht symptomatisch, daß man den architektonisch und städtebaulich zentralen Herrschaftsbau, das Königsschloß, zum Museum macht?

Dieselbe Dialektik ist während der Vorgeschichte der Museumsgründungen der Revolution am Werk. Das Verschwinden der kulturellen Dinge - der frühe Bildersturm ist blanke Zerstörung -, das Verschwinden der Zeichen, die verhasst sind, die Plünderung der Gräber, der Abbruch von Kirchen führt zu einer sorgenvollen Debatte der Volksversammlung, die eine komplette Inversion der Kulturpolitik einleitet. 
Dem Furor des Verschwindens wird eine Politik des Erbes entgegengesetzt, die ihre Kulmination in der Gründung einer Denkmalpflegebehörde und von Museen findet und in der Adaption eines neuen Wortes für das Gesamt der kulturellen Überlieferung: Patrimoine.
Dieses Erbe ist in rechtsbrüchigen und gewaltförmigen Prozessen wie Säkularisierung, Beschlagnahme, Enteignung usw. entstanden um nun in den Besitz des Volkes zu gelangen. Dieses Strukturmerkmal, das Museum als Gemeinbesitz, haben öffentliche Museen bis heute und dort erfolgt auch, nebenbei sei das eingefügt, der zentrale Angriff der gegenwärtigen Ökonomisierung.


III
Wenn meine Überlegungen zutreffen, dann wäre das Museum ein Schauplatz der Vergesellschaftung, ein Ort der symbolischen und rituellen Vergemeinschaftung, der im Frankreich der Revolution, inmitten der umfassenden Krise den Zusammenhalt herzustellen und zu stabilisieren versucht. 
Eine solche Annahme wird mit dem Blick auf zwei weitere Ereignisse des Gründungstages des Museums gestützt. Da ist einmal die feierliche Deklaration der Verfassung, der ersten republikanischen Frankreichs und ein Fest, das abertausende Franzosen in einer Prozession durch die Straßen von Paris vereint und in einem Eid der Abgeordneten der Departements gipfelt.
Die Teilhabe der Bürger an diesem Gründungsakt einer Nation macht sie zu Staatsbürgern, und der Umstand, daß dieses Ereignis geplant und überlegt mit der Museumsgründung zusammengelegt wird, bedeutet, daß auch das Museum als zivilisierendes Ritual dieselbe politische und soziale Funktion haben soll. Es ist erstmals einer der Orte, an dem die Gesellschaft zu sich kommt und wo der Einzelne sich durch Teilhabe zum gesellschaftlichen Subjekt macht womit er seinerseits wieder zur Formierung der Gesellschaft beiträgt.

Alle drei Ereignisse, Verfassungsdeklaration, Nationalfest und Museumsgründung lassen sich als performative Akte verstehen, die um die Leerstelle kreisen, die sich in der Mitte der Gesellschaft geöffnet hat. Dieser Prozess ist widersprüchlich. Denn die Frage nach dem Grund der Gesellschaft, nach ihrem Zusammenhalt, zielt einerseits auf eine Antwort die definitiv ist, aber damit den Platz, der leer ist, besetzen würde. Das darf aber andrerseits nie gelingen. In der Demokratie darf und kann es kein Objekt geben, das den Platz der Macht auf Dauer besetzt. Der geregelte und kontinuierliche Wechsel der Macht ist ein essentielles Strukturmerkmal von Demokratien. 
Zur Dialektik von Kontinuität und Bruch, von Bildersturm und Erbepolitik, gehört also die Suche nach diesem unmöglichen Objekt, das man in der Idee des Patrimoine ebenso findet, wie der des Museums. Dazu gehört aber auch die Ahnung, daß es 
unmöglich ist, unter demokratischen Bedingungen ein Objekt zu denken und zu konstruieren, das die Gesellschaft repräsentiert, eint, zusammenhält, wie einst der Körper des Königs.

IV
Wie wird das Museum seinem Anspruch gerecht, das fehlende Objekt, diese cosa nostra, zu substituieren, den Skandal der Leerstelle im Zentrum der Gesellschaft zu beheben? 
Widersprüchlich und schlecht. Das Museum tendiert dazu, Identität festzustellen, es drängt uns mit seiner verdinglichten, scheinobjektivierenden Struktur Wahrheitserzählungen auf. Während wir etwa im Theater oder beim Film immer der Konstruktivität des Gezeigten gewärtig sind, und wissen, daß es auch anders erzählt und dargestellt werden könnte, fällt gerade das beim Museum aus. Geschickt verbirgt das Museum Autorschaft und die Kontingenz seiner Botschaft.
Deshalb ist das Museum auch so frenetisch beliebt, wenn es um Identität geht. Im Rückgriff auf authentische Objekte scheint sie sich dort wie nach Rezept feststellen, herstellen und behaupten zu lassen. 

Vor allem aber ist das Museum hinsichtlich Macht und Identität eins: kein neutraler Ort. Weder Kuratoren noch Ausstellungsmacher noch VermittlerInnen oder wer auch immer sonst, können sich außerhalb des Feldes der Macht positionieren. Verschleiert wird das dadurch, daß die Museumserzählungen und Repräsentationsformen eine allgemeine Gültigkeit und Verbindlichkeit behaupten, obwohl sie immer eine Auswahl darstellen, immer Nicht-Gesagtes enthalten und immer mit Ausschlüssen einhergehen. Museumserzählungen sind Setzung, haben partikulare Geltung, doch behauptet das Museum das Gegenteil, nämlich die  allgemeine Verbindlichkeit seiner Werte und Erzählungen. 
Das macht sozial und herrschaftstechnisch Sinn. Unter den genannten Bedingungen wirkt das Museum als ideologischer Staatsapparat hegemonial. Auch weil es nicht so sehr ein Ort der Bildung sondern der Gebildeten ist, einer der Wissen und Werte von Eliten forciert und sie an die Eingeborenen derselben Elite weiterreicht. 
Das Museum gehorcht Interessen, die als für jedermann gültige verallgemeinert werden. Und das umso wirksamer, je mehr die Mechanismen und Funktionsweisen, mit denen das geleistet wird, verschleiert oder verschwiegen werden. Man denke etwa nur an die Kanonbildung im Bereich der Kunst und Kunstgeschichte sowie in den Kunstmuseen. Erst in jüngerer Zeit wurden die Ausschlüsse, die Künstlerinnen betrafen oder die Marginalisierung nicht-europäischer Kunst thematisiert.

V
Ich habe drei Momente genannt, die so etwas wie ein demokratisches Potential des Museums darstellen. Erstens das Museum als Ort liberaler bürgerlicher Öffentlichkeit. Zweitens als Medium, in dem wohlfahrtsstaatliche Zielsetzungen realisiert werden und drittens als Schauplatz, an dem das identifikatorische Zentrum der Demokratie als paradoxer, weil sowohl einigender als auch leerer Signifikant symbolisch besetzt wird.
Alle drei Momente müssten weiterentwickelt werden. Aus bürgerlicher Öffentlichkeit müssten vielfältige und freie Debattenräume für alle nur erdenkliche Öffentlichkeitsformen entstehen und untereinander konkurrieren; die wohlfahrtsstaatliche Verpflichtung müsste wohl erst aus neoliberalem Managementdenken und den Übergriffigkeiten der Ökonomisierung befreit werden um Freiraum für eine Debatte um den gegenwärtigen und zeitgenössischen Sinn des Museums zu schaffen.
Und drittens müsste man den politisch-demokratischen Kern des Museums wiederentdecken. Die Konflikte, die dort, aber verschleiert und entstellt von einem Museum als Unschuldskomödie virulent sind, müssten offen ausgetragen werden. Was das Museum verdrängt, ungesagt läßt, ausschließt, in narrativer Unschuld verleugnet, muß vor das Forum, das über dem leeren Platz der Macht errichtet wird.
Dies setzt etwas voraus, was immer wieder gefordert, selten aber eingelöst wird: Selbstreflexivität. Das heißt Reflexivität über die Bedingungen, unter denen das Museum als Sammlung, Medium, Ausstellung, Organisation und Institution all diese Anforderungen erfüllen kann.

VI
Was läßt sich, ich komme zum Schluß, vor dem Hintergrund meiner Überlegungen zum aktuellen Projekt des Hauses der Geschichte in der Neuen Burg sagen? Seit den Anfängen dieser mehrfach gewandelten Idee, seit Leon Zelmans Forderung nach einem Museum der Toleranz im Palais Epstein, ist es ein paternalistisches Projekt ohne jedes artikuliertes zivilgesellschaftliches Interesse, das ohne die Unterstützung einzelner Politiker nie auch nur einige Wochen überlebt hätte.
Mit der wie eine päpstliche infallible ex-cathedra-Verkündigung vorgetragenen Entscheidung eines Ministers anlässlich des Besuchs einiger Räumlichkeiten der Neuen Hofburg – hierher kommt das Haus der Geschichte! – schlägt der Paternalismus in eine autoritative Setzung um.  
Es mag an den Konsequenzen der Entscheidung Kritik gegeben haben, etwa am Kollateralschaden, den andere Sammlungen nehmen könnten, aber die dezisionistische Entscheidung, der meiner Kenntnis nach für Österreich einzigartige Fall einer unmittelbar politisch lancierten Museumsgründung, scheint nirgendwo Anstoß zu erregen. Das läßt auf eine eklatante Schwäche der Zivilgesellschaft schließen. 
Ich kenne bis heute auch kein Dutzend Personen, die wirklich leidenschaftlich für das Projekt eintreten, nicht einmal dann, wenn ich die professionell Beteiligten dazuzähle, ich kenne aber auch kein Dutzend wirklich energische, argumentativ gut gerüstete Gegner des Hauses der Geschichte. Kurzum, zivilgesellschaftlich ist das Projekt bedeutungslos.
Es fehlt beiden Konzepten erstaunlicherweise jede Zielsetzungii. Das gilt auch für große Teile der medialen Äußerungen zum Haus der Geschichte. Inhalte gibt es viele, Absichtserklärung zur Funktion ebenfalls. Aber was soll es in den Augen seiner Betreiber und Befürworter sein? Eine nationale Bundeslade, ein Medienverbund zur historischen Bildung Halbwüchsiger, ein touristischer Freizeitvertreib, ein Ort der Popularisierung geschichtswissenschaftlicher Forschung? 
Mir wird der gesellschaftliche Sinn dieses Museums durchaus nicht klar.

Mit der Tatsache, daß es zwei Museen geben wird, eines in St. Pölten und eines in Wien, eines von einem sozialdemokratischen und eines von einem christlichsozialen Politiker lanciertes, wird jede Hoffnung, wie ich sie in meinen Überlegungen gewissermaßen provisorisch gehegt habe, völlig obsolet. 
Ich erspare es mir auf viele weitere Aspekte hinzuweisen, etwa auf die klandestine Planung, die schubladisierten Expertisen, die selektive Informationspolitik oder das Versprechen, post festum, wenn alles in Gang gesetzt sein wird, werde es auch so etwas wie eine Partizipationsecke geben.

Es geht weder darum, ob eine große Erzählung besser 1848 oder 1918 einsetzt, auch nicht darum, ob man Computer einsetzt oder Archivalien, sich an die Jugend wendet oder an Touristen und sicher nicht um die Erinnerung an einen bestimmten Balkon.
Was wir doch so dringend gebrauchen könnten, ist ein freies Medium der Zeitgenossenschaft, ein nervöses Auffangorgan, das uns hilft, unsere wahrlich krisenhafte Gegenwart handlungsorientierend zu deuten. 
Dafür wäre eine unabhängig kuratierte und evaluierte permanente Projektreihe ohne festen Ort, an deren Ausführung sich jedermann beteiligen könnte, vom Bundesmuseum bis zu NGOs, vom freiberuflichen Wissenschaftler bis zur engagierten zivilgesellschaftlichen Gruppe ungleich besser geeignet als das angedachte Museum. 
Denn auch das zeichnet das vorliegende Konzept aus, sein altbackener Museumsbegriff, seine erstaunliche museologische Rückständigkeit. Das macht es mit den genannten und anderen Schwächen als Agentur demokratischer politischer Kultur nicht nur unbrauchbar, sondern kontraproduktiv.
Ein klares nein zu diesem Projekt.











07.10.2015


Samstag, 3. Oktober 2015

Das "Haus der Geschichte" im Parlament. Zustimmung sieht anders aus

Bislang ist es nur eine Presseagentur-Meldung, in Tageszeitungen habe ich noch keinen Bericht gefunden: im Kulturausschuss des Parlaments haben sich alle Parteien  bis auf eine kritisch zum Haus der Geschichte geäußert. Die eine Ausnahme ist die SPÖ. 
Was das bedeutet? Nun sicher einmal, dass er Boden, auf dem das Projekt gedeiht, dünn ist. Nach den Wahlen in Wien in einer Woche könnte der durchbrechen. Was es auch bedeutet: dass mehr denn je deutlich ist, dass das geplante Museum ein ideologisch-parteipolitisch gewünschtes und protegiertes ist und nur deshalb noch am Leben ist. Ein artikuliertes zivilgesellschaftliches Interesse lässt sich weit und breit nicht ausmachen.

Mittwoch, 30. September 2015

Tagung zum "Haus der Geschichte". 12. Oktober 2015


Braucht Österreich ein neues historisches Museum („Haus der Geschichte“)  und, wenn ja, was für eines?

Eine Enquête

Wien, 12. Oktober 2015
8:30 Uhr bis 19:30 Uhr
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Theatersaal, Sonnenfelsgasse 19, 1010 Wien
Organisation

Institut für Österreichische Geschichtsforschung Univ.-Prof. Dr. Thomas Winkelbauer Universität Wien
Universitätsring 1
1010 Wien
E-Mail:  thomas.winkelbauer@univie.ac.at

Anmeldung  erbeten

per E-Mail an Mag. Birgit H. Aubrunner Institut für Geschichte Universität Wien Universitätsring 1
1010 Wien
E-Mail:  birgit.aubrunner@univie.ac.at

Veranstaltet vom Institut für Österreichische Geschichts- forschung in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der ÖAW


Programm

8:30–8:45 Uhr:
Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Enquête durch Brigitte MAZOHL (ÖAW), Thomas WINKELBAUER (IÖG) und Wolfgang MUELLER (INZ der ÖAW)
8:45–9:00 Uhr:
Thomas WINKELBAUER: Einleitung
9:00–11:00 Uhr:
Manfried RAUCHENSTEINER: Anforderungen, Über- forderungen, Herausforderungen: Anmerkungen zu einem Leidensweg
Dirk RUPNOW: Braucht Österreich ein historisches Museum?
Gescheiterte Projekte und heutige Antworten
Michael MITTERAUER: Welche Geschichte – und wozu?
Oliver RATHKOLB: Das Haus der Geschichte Österreich als
Katalysator für ein zweites Museumsquartier


10:45–11:15 Uhr: Pause
11:15–13:00 Uhr:
Gerhard BOTZ: Zeitmaschine Geschichtsmuseum: Zwischen Identitätspolitik, Geschichtswissenschaft und der Macht der Bilder
Heidemarie UHL: Von der Unmöglichkeit, „die“ Geschichte auszustellen, und der Notwendigkeit eines Hauses der Geschichte Österreich
Michael HOCHEDLINGER: Geschichtsvernutzung im Zeitalter von Kulturkapitalismus und Moralismus
Hannes LEIDINGER: Die lebendige Vergangenheit. Zum Konzept einer „langen Zeitgeschichte“ im Kontext der musealen Präsentation Österreichs

13:00–14:30 Uhr: Mittagspause
14:30–16:15 Uhr:
Karl VOCELKA: Sind die Projekte für ein „Haus der
Geschichte“ schon im 21. Jahrhundert angekommen?
Wolfgang MUCHITSCH: Die Einbettung des Hauses der
Geschichte in die österreichische Museumslandschaft
Monika SOMMER-SIEGHART: Das Museum der brennenden
Fragen
Gottfried FLIEDL: Für ein Museum des Konflikts


16:15–16:45 Uhr: Pause
16:45–19:15 Uhr
Ernst BRUCKMÜLLER: Konfrontationen als Möglichkeit einer spannenden Darstellungsweise
Helmut RUMPLER: Die Wurzeln der politischen Kultur
Österreichs
Wolfgang MADERTHANER: Welche Narrative, wessen
Geschichte?
Brigitte MAZOHL: Die (schwierige) historische Beziehung
„Österreichs“ zu „Deutschland“ und die damit verbundenen
Probleme für ein „Haus der Geschichte Österreich(s)“
Wolfgang HÄUSLER: „Exzellenzen ausstopfen – ein Unfug.“
Factum und Alternative in Erforschung und Darstellung der
österreichischen Geschichte
19:15–19:30 Uhr
Thomas WINKELBAUER: Resümee

Freitag, 25. September 2015

Haus der Geschichte Niederösterreich. Wer redet eigentlich d a r ü b e r ?

Eine der Merkwürdigkeiten der Debatte um ein Haus der Geschichte in der Neuen Burg ist das völlige Ignorieren des Projektes in Niederösterreich. Wie immer man dazu stehen mag, wäre es nicht an der Zeit, ehr überfällig, liebe HistorikerInnen, KritikerInnen, JornalistInnen und so weiter, sich mal das Konzept und die Ideen dieses Museums auch anzusehen und sich dazu zu äußern. Hier eine kleine Hilfestellung, der Link zur Webseite des Projektes: http://www.hausdergeschichtenoe.at/de


Montag, 14. September 2015

"Haus der Geschichte" - Kommt jetzt doch eine Diskussion zustande?

1

Der FALTER hat eine Artikelserie zum Haus der Geschichte gestartet.  Bis jetzt kamen Rudolf Schicker und Oliver Rathkolb zu Wort, übermorgen erscheint ein Beitrag von Eva Blimlinger. Derzeit ist nur der einleitende Essay der "Moderatoren" der Reihe (Barbara Toth, Matthias Dusini) online (hier).

2

Am 12. Oktober gibt es eine eintägige Veranstaltung an der Akademie der Wissenschaften zum Haus der Geschichte. Hier das vorläufige Programm:

Braucht Österreich ein neues historisches Museum („Haus der Geschichte“) und, wenn ja, was für eines?
Veranstaltet vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung
in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
und dem Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der ÖAW
Wien, 12. Oktober 2015
8:30 Uhr bis 19:30 Uhr

Theatersaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Sonnenfelsgasse 19, 1010 Wien

8:30 Uhr:
Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und Eröffnung der Enquête durch Brigitte MAZOHL (ÖAW), Thomas WINKELBAUER (IÖG) und Wolf-gang MUELLER (INZ der ÖAW)
8:45 Uhr:
Thomas WINKELBAUER: Einleitung
9:00–11:00 Uhr:
Manfried RAUCHENSTEINER: Anforderungen, Überforderungen, Herausfor-derungen: Anmerkungen zu einem Leidensweg
Dirk RUPNOW: Braucht Österreich ein historisches Museum? Gescheiterte Pro-jekte und heutige Antworten
Michael MITTERAUER: Welche Geschichte – und wozu?
Oliver RATHKOLB: Das Haus der Geschichte Österreichs als Katalysator für ein zweites Museumsquartier
11:00–11:30 Uhr: Pause
11:30–13:00 Uhr:
Heidemarie UHL: Von der Unmöglichkeit, „die“ Geschichte auszustellen, und der Notwendigkeit eines Hauses der Geschichte Österreichs
Michael HOCHEDLINGER: Geschichtsvernutzung im Zeitalter von Kulturkapi-talismus und Moralismus
Hannes LEIDINGER: Die lebendige Vergangenheit. Zum Konzept einer „lan-gen Zeitgeschichte“ im Kontext der musealen Präsentation Österreichs

13:00–14:30 Uhr: Mittagspause
14:30–16:30:
Karl VOCELKA: Sind die Projekte für ein ‚Haus der Geschichte‘ schon im 21. Jahrhundert angekommen?
Wolfgang MUCHITSCH: Die Einbettung des Hauses der Geschichte in die ös-terreichische Museumslandschaft
Monika SOMMER-SIEGHART: ■■■■
Gottfried FLIEDL: Für ein Museum des Konflikts
16:30–17:00 Uhr: Pause
17:00–19:30 Uhr
Ernst BRUCKMÜLLER: Konfrontationen als Möglichkeit einer spannenden Darstellungsweise
Helmut RUMPLER: Die Wurzeln der politischen Kultur Österreichs
Wolfgang MADERTHANER: Welche Narrative, wessen Geschichte?
Brigitte MAZOHL: Die (schwierige) historische Beziehung „Österreichs“ zu „Deutschland“ und die damit verbundenen Probleme für ein „Haus der Ge-schichte Österreichs“
Wolfgang HÄUSLER: „Exzellenzen ausstopfen – ein Unfug.“ Factum und Al-ternative in Erforschung und Darstellung der österreichischen Geschichte

Samstag, 12. September 2015

Das Haus der Geschichte, wie es der Minister und die von ihm eingesetzte Kommission vorstellt

Jetzt gibt es also ein offizielles Konzept zum Haus der Geschichte in der Neuen Hofburg. Es nennt sich "Umsetzungsstrategie" (hier mit anderen Dokumenten auf der Webseite des Bundeskanzleramtes) und enthält ein Mission Statement, die Darstellung der Geschichte eines Haus der Geschichte, eine Meinungsumfrage, Marktanalyse, einen Umsetzungsplan, Angaben zur Organisationsform und anderes mehr. Obwohl noch unklar ist, ob das HdG eine Sammlung haben wird (und die Kosten für Ankäufe bzw. Depoträume ja auch in Rechnung zu stellen wären) gibt es auch ein Sammlungskonzept. Was fehlt sind Angaben zum Budget- und Personalbedarf und eine Information darüber, wie das HdG in die Nationalbibliothek eingegliedert werden wird.

Dienstag, 19. Mai 2015

Das "Haus der Geschichte". Wie geht es dem eigentlich?

"Das "Haus der Geschichte" kann kein Museum im traditionellen Sinn sein, es muss ein Ort des öffentlichen Diskurses, der öffentlichen Debatten werden und als wichtiger Vermittler von politischer Bildung fungieren. Dazu braucht es auch geeignete Räume - die müssten sich in der Hofburg auch finden lassen - mit der Möglichkeit von Filmvorführungen, neu produzierten Videos zu Sonderausstellungen und Installationen."
Wegen solcher Sätze ist mir schon lange die Lust vergangen, etwas zum Haus der Geschichte zu schreiben, mich damit weiter zu beschäftigen. Er stammt von Traudl Brandstaller, steht im Standard vom 17. April dieses Jahres und ist inhaltlich dreißig oder vierzig Jahre alt.
Frau Brandstaller hat 1996 mit Peter Diem, mit dem sie eine Internetseite "Pro Austria" betreibt, die wiederum ihr Projekt protegiert aber auch viele Informationen zur Geschichte der Debatte bietet, ein Konzept für ein Haus der Geschichte vorgelegt, unverlangt, wie mir scheint.

Thomas Winkelbauer, Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, macht in seinem Standard-Kommentar (13.4.2015) klar, was auf das Projekt noch alles zukommen wird, wenn erste Grundzüge des Konszepts vorgelegt werden. Winkelbauer, der davon ausgeht, daß die Studie von Claudia Haas die Grundlage dafür bilden wird, listet Frage nach Frage auf, die dort offen bzw. problematisch ist und rät ab, dieses Projekt Haus der Geschichte zu nennen und länger den Anspruch zu erheben, daß es die österreichische Geschichte (etwa im Vergleich zu deutschen Institutionen) repräsentieren werde.

Martin Fritz hat sich kürzlich (24.1.2015) in NZZ.at (der digitalen Österreich-Version der Neuen Zürcher Zeitung) vor allem gegen die kleinliche und klandestine Planung gewendet und versäumte Chancen beklagt. Er ist einer der nachdrücklichsten Befürworter eines Hauses der Geschichte in der Hofburg. Er beklagt den Kollateralschaden, den das Projekt am "Weltmuseum" angerichtet hat, aber er hält immer noch die Neue Burg für den idealen Ort für die Verwirklichung eines Hauses der Geschichte (abgesehen von einem Neubau). "Es ist also zu befürworten, daß die Geschichte und ihre republikanische Vermittlung in ein Haus zurückkehrt, in dem sie geschrieben wurde." In der Neuen Burg wurde "(die) Geschichte" geschrieben? Und ihr ein Haus (zurück)zugeben wäre "republikanische Vermittlung"? Ganz schön viel Pathos.

Wenn man ein wenig mehr Grundsätzliches und "Hintergründiges" zum Haus der Geschichte finden will, sollte man zur ZEIT vom 12.3.2015 greifen, wo Stefan Müller und Maria Sterkl das Projekt erst einmal gleich eingangs als "Luftschloß" bezeichnen. Was man so anderswo noch nicht gelesen hat, hier werden einige der Akteure des Projektes auf die Bühne geholt: Johanna Rachinger, die Leiterin der Nationalbibliothek, also eine der beiden Institutionen, in die das künftige Museum organisatorisch eingebaut werden soll, Oliver Rathkolb, der Im Kuratorium der Nationalbibliothek sitzt und nun Leiter der Projektgruppe ist, die die Realsierung des Geschichtsmuseums vorbereitet, sowie Günter Geyer, Präsident der Freunde der ÖNB und Aufsichtsratschef der Wiener Städtischen Versicherung.

Zum Weltmuseum vertreten die Autoren des Artikels die Meinung, daß seit der durch die Finanznot des Kunsthistorischen Museums erfolgten Eingliederung des ehemaligen Völkerkundemuseums (heute: Weltmuseum) dieses kaputtgespart wurde, weil Gelder aus dessen Budget in das KHM umgeleitet wurden.
Eine Pointe dazu kennen die ZEIT-Autoren nicht. Wilfried Seipel, der diese Eingliederung betrieb, war Ratgeber der ehemaligen Minsterin Gehrer und bei der stufenweisen sogenannten "Ausgliederung", in der die Bundesmuseen Spielraum in der Verwendung ihrer Budgets erhielten. Das wurde aber parktisch sofort mit einer Deckelung der staatlichen Zuwendungen gekoppelt, so daß die Museen nach und nach und bis heute unter Druck stehen. Das KHM offenbar so sehr, daß die brachiale Eingliederung des Völkerkundemuseums erfolgte, um mit dessen Budget dem KLHM auszuhelfen. Behaupten die ZEIT-Autoren. Der damalige Direktor des Völkerkundemuseums soll zum Rücktritt gezwungen worden sein, als er sich dagegen stellte. Ich glaube mich nicht falsch zu erinnern, daß Wilfried Seipel, ausgerechnet er, der erste Leiter eines Bundesmuseums war, der öffentlich die Form der "Ausgliederung" kritisierte.
Nicht nur in der ZEIT fragt man sich, wie das Haus der Geschiche finanzierbar sein wird. Die in einem Standard-Artikel (6.5.2015) "bis zu 120 Millionen" (der Standard zitiert einen "hochrangigen Museumsexperten" kommen nur unter abenteuerlichen Berechnungsbedingungen zustande, aber daß der Betrieb eines Museums - auch ohne Sammlung - etwas etwas mehr als bislang geplant kosten wird, kommt jetzt erst zur Sprache. Die wie atemlos vorgetragene "Sensation" einer (erwartbaren) Kostenexplosion wird auch deshalb zum Thema, weil offenbar in der kleinen Museumsberaterszene ein Familienkrach ausgebrochen ist.
Das Überraschendste am Beitrag der ZEIT ist die Wortspende von Oliver Rathkolb zur Finanzierung: "Nach dem Sommer muss die Regierung sagen: es gibt den Betrag X - oder der Beirat löst sich im Herbst unter internationalem Gelächter wieder auf." Galgenhumor? Kalkül?

Das ist mein Informationsstand. Und der enthält noch eine Beobachtung. Nirgendwo wird über den Zweck, den Sinn, das Ziel dieses Hauses der Geschichte gesprochen.

Dienstag, 14. April 2015

Zwei Häuser ohne Objekt, aber mit österreichischer Geschichte

Am strahlendsten Sonnentag des Jahres im Café gesessen und österreichische Zeitungen gelesen. Wars in der KLEINEN, wo man eine ganze Seite den Häusern der Geschichte, also dem in Wien und dem in St. Pölten, widmete?
Egal, es stand nahezu nichts drinnen, jedenfalls sachlich. Polemisch ja, im Auseinanderdividieren der beiden Museums"Autoren", hie Rathkolb, da Karner.
Wer ist schneller fertig? Wer hat das Thema umfassender abgegrenzt? Sehen sie sich als Konkurrenten? Wie und warum ist wer (nicht) beleidigt?
Journalismus zum Vergessen.
Aber. In einem Punkt waren sich die beiden Historiker einig: Es würden Ausstellungen ohne Objekt werden. Das interessiert mich, theoretisch wie praktisch. Aber hier? Wie soll das gehen?
Na sicher geht das, wenn man das Ganze nicht Museum nennt, sondern Haus, dann hat man auch keinen Druck mehr, das Heiligste des kuratorialen Museumsverständnisses zu hegen und pflegen.
Dann gehts auch ganz ohne.
Wenn auch nicht freiwillig. Beide Museen, pardon, Häuser, werden nun mal ohne Sammlung gegründet und beiden wird weder Geld noch Zeit eingeräumt, eine anzulegen. Also ohne.
Innovation auf Österreichisch.

Mittwoch, 25. Februar 2015

Oliver Rathkolbs Äußerungen zu seiner Aufgabe, ein "Haus der Geschichte" zu verwirklichen



Bei Vienna online ist am 26.01.2015 ein Bericht erschienen, der erstmals die Vorstellungen Oliver Rathkolbs wiedergibt, der von Minister Ostermayer zum Leiter des wissenschaftlichen Beirates des in der Hofburg geplanten Hauses der Geschichte ernannt wurde.

(Dieser link führt zum Text, auf den ich mich mit einigen Kommentaren beziehe: http://www.vienna.at/haus-der-geschichte-in-wien-wird-sicher-kein-braves-nationalmuseum/4217448)

Der Text beginnt mit der Überschrift „Haus der Geschichte in Wien wird sicher kein braves Nationalmuseum“, laut Zeitschrift eine wörtliche wiedergegebene Äußerung von Oliver Rathkolb.
Es ist ein verbreiteter Kunstgriff, etwas zu verneinen, was nicht verneint werden muss. Warum sollte ein Haus der Geschichte "brav" sein, warum sollte überhaupt ein Museum "brav" sein? So etwas behauptet ja niemand. Oliver Rathkolb will uns indirekt etwas sagen, was man vielelicht so "übersetzen könnte": Das Museum wird nicht im Konsens alle Widersprüche und Konflikte unkenntlich machen. Und: das Museum wird, ich, Oliver Rathkolb, werde mutig sein.

Aber warum sagt er das nicht gleich - und klar? Wenn der Mut nicht reicht, um zu sagen, daß das Museum den widersprüchlichen Deutungen nicht aus dem Weg gehen wird, daß es sie darstellen und zur Diskussion stellen wird, dann stweigt nicht gerade das Vertrauen in die Beteuerung, wie mutig nicht doch das Museum werden wird.

Rathkolb stolpert sozusagen in seinen Text. Und sagt uns dann, was das Haus der Geschichte nicht sein wird. Nicht mutig. Uns würde aber doch mehr interessieren, was das Museum sein soll, nicht, was es nicht sein soll. Das kann man doch von einem Konzept verlangen und von einem Projektleiter, daß er sagt, was er beabsichtigt und was wir von ihm zu erwarten haben.

Der Satz ist noch dazu semantisch zweideutig. Worauf liegt denn der Schwerpunkt dieses Ausschlusses mit dem kein? Wird es sicher kein braves oder wird es sicher kein Nationalmuseum?
Das wäre schon mal gewichtig, sich für oder gegen ein Nationalmuseum zu entscheiden. Doch deklariert er sich in diesem Punkt so wenig wie der auftraggebende Minister.

Ein Nationalmuseum jetzt? Unter den jetzigen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen? Das sollte man sich doch vorher überlegen und nicht einfach irgendetwas einrichten. Da gäbs dann auch Diskussionsbedarf, oder? Oder genügt da ein Expertenteam und ein Gründungs-Minister?
 
Da es so viele Vorstudien gegeben habe, könne man auf einer "unglaublich breiten Basis" aufsetzen. Zwar sagt Rathkolb weder, welche Studien und Konzepte er da meint, noch welche ihm besonders plausibel und stimmig erscheinen. Es bleibt auch offen, ob diejenigen Unterlagen, die unter Verschluss gehalten wurden, wie das Konzept von Claudia Haas, endlich veröffentlicht werden. Aber er sagt, auf die Breite kann man aufbauen. Also auf den vielen Ideen, die es schon gibt.
Mir scheint, „Breite“ läßt sich verführerisch gut mit Summe der Ideen, also im Sinn von Konsens übersetzen. Wenn man bedenkt, aus welchen Lagern, Ideologien, Generationen und Seilschaften bisher einschlägige Forderungen nach einem „Republikmuseum“ bzw. einem „Haus der Geschichte“ gekommen sind, kann man sich fragen, ob tatsächlich alles in ein neues Konzept integriert werden kann. Von "Breite" zu reden, heißt das nicht, genau das zu versprechen? Es doch allen irgendwie recht zu machen, also, seien wir mal konziliant, pliural. Oder kehrt hier nicht die Mutfrage zurück? Was muss man zurückweisen, wovon muss man sich abgrenzen, wie nachdrücklich beziehe ich eine eigene, erkennbare Position?. 

Ein Museum der jüngeren österreichischen Geschichte ist ein Minenfeld. Und zwar nicht so sehr, weil in den Fachwissenschaften so konfliktreich debattiert würde (Gerhard Botz hat kürzlich den Austrofaschismus gewissermaßen zur befriedeten Forschungszone erklärt), sondern weil in den politischen und medialen Ritualen der Beschäftigung mit der Zeitgeschichte die ideologischen Nerven so schnell blank liegen.

Neu für mich war, daß es es offenbar einen zwingenden Eröffnungstermin gibt. Das Jahr 2018. Ein Gedenkjahr, das zwar eine „extrem enge“ zeitliche Vorgabe (Rathkolb) sei, aber: "Wir leben einfach in dieser jubiläengetriebenen Auseinandersetzung mit Geschichte." Der Termin kommt wohl von der Politik, also von Minister Ostermayer und obwohl er eine Hypothek für die Realisierung des Projekts darstellt, wird er nicht infrage gestellt, sondern  mit einer Floskel gerechtfertigt. Oliver Rathkolb kennt vermutlich die Texte seines Kollegen Michael Mitterauer, der sich in Zeiten der Großausstellungen mit Sinn und Unsinn ritualisierter, auf Jubiläen bezogener Veranstaltungen beschäftigt und damit auch kritisch distanziert hat. Darauf gestützt könnte man gegen klug und stimmig gegen die „jubiläengetriebenen Auseinandersetzung mit Geschichte“ argumentieren.

Auch die beiden nächsten Aspekte des Textes, wo es um Organisationsform und räumliche Gegebenheiten geht, werden seltsam unscharf und widersprüchlich vorgestellt. Die "administrativ-organisatorische Hülle" für das Haus der Geschichte, so lesen wir, werde die Österreichische Nationalbibliothek in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv stellen. Wie hat man sich das vorzustellen? Ähnlich der Eingliederung des Völkerkundemuseums in das Kunsthistorische Museum, also mit der Superiorität der Leiter der ÖNB und des Staatsarchivs? Mit deren Budgethoheit? Mit Eingriffsrechten der beiden Organisationen? Mit deren Personalhoheit? Ist das Museum dann eine Art nachgeordneter Dienststelle, eine Abteilung einer der beiden Institutionen? Ist es dann überhaupt ein Bundesmuseum? Das wohl kaum, denn dann müsste es in das einschlägige Gesetz aufgenommen werden. Das sind sehr viele offene und gewichtige Fragen.

Der architektonische Aufwand halte sich in Grenzen, versichert man, weil es ja um eine Unterbringung in einem bestehenden Gebäude, der Hofburg, geht. Damit ist die praktische Adaption für den Ausstellungszweck gemeint. Aber daran entzündet sich ja nicht die Skepsis der Gegner, sondern an der Übercodierung des Gebäudes und Ortes. Dazu räumt auch Oliver Rathkolb ein: "Diese imperialen Räume haben eine unglaubliche Deutungsmacht." Also, es wird doch noch einige Gestaltungs-Intelligenz und damit möglicherweise auch finanziell aufwändige Umbauten geben müssen. Auch unter nur pragmatischen Gesichtspunkten ist die neue Hofburg ein schwieriger Ausstellungsort, wie man bei Besuchen in den dort untergebrachten Museen schnell merken kann. Claudia Haas, wie erwähnt Autorin einer Studie zu einem Haus der Geschichte, hat erst kürzlich den Ort für ein Haus der Geschichte denkbar ungeeignet genannt. Wie wird sie die wichtigste Beraterin im Team Rathkolbs mit musenlogischer Kompetenz damit umgehen?

Mit der Anmerkung zur Deutungsmacht der Räume berührt Rathkolb einen zentralen und m.M. nach wunden Punkt der gesamten bisherigen Debatte. Die Idee eines Republikmuseums bzw. Hauses der Geschichte wurde von Anfang an einen Ort gebunden, der, eben frei geworden und wie man so sagt „geschichtsträchtig“, als idealer Standort angeboten wurde. Das Palais Epstein schien fraglos geeignet zu sein, weil es bereits ein „historischer Ort“ war. Hier sollte sich also Geschichte wie von selbst vermitteln noch ehe auch nur ein Objekt ausgestellt wurde. Doch für historische Orte gilt dasselbe wie für Ausstellungsobjekte. Erst durch Benennung, Zuschreibungen, Gedächtnispolitik und -rituale usw. werden sie zu dem, was man in ihnen sieht - zu mit Geschichte gleichsam kontaminierten Räumen und Sachen. Da ist aber eher magisches Denken im Spiel, das dann wirkt, wenn man „vergisst“, was an Deutung, Forschung und Diskurs schon vorher stattgefunden haben muß. Sicher, Hitler stand auf dem Balkon der Hofburg, aber für den, der diese durch Fotografien, Dokumente oder auch mündliche Überlieferung gesicherte Tatsache nicht „weiß“ ist es ein Balkon und sonst nichts. Selbst die Aura, die solche historischen Orte ausstrahlen, sind keine materielle Eigenschaft, sondern eine mediale, zu der die genannten Zuschreibenden genau so gehören, wie auch alle späteren Überschreibungen, Durchkreuzungen, Aktualisierungen usw. Wer informiert und interessiert ist, kenn diesen berüchtigten Balkon nicht nur von 1938, sondern auch von 1988, von Thomas Bernhards Theaterstück „Heldenplatz“.

Aber jetzt ist die immer gewünschte geschichtliche Anmutungsqualität, folgt man Oliver Rathkolb, plötzlich eine Hypothek, unmittelbar nachdem gerade mit diesem Argument die Entscheidung für den Standort Hofburg gefallen ist. Die „unglaubliche“ Deutungsmacht gilt, so Rathkolb, aber auch für den Heldenplatz mit seinen Denkmälern. Der sei „extrem“ aufgeladen.

Es folgen Formulierungen, die schon ziemlich klar den Auftrag an das Arbeitsteam und ans Museum umreissen. Das Museum solle langen Weg zur Demokratie thematisieren sowie „…der riesige Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie, als auch Österreich mit seinen acht Millionen Einwohnern im Komplex der Europäischen Union Platz finden.“
Es geht um ein klares Narrativ, das als Erfolgsgeschichte mit einem doppelten Resultat im status quo bestimmt ist: Österreich ist sowohl der Weg in die Demokratie wie in die Europäische Union gelungen. Eine  tendentiell affirmative Nationalgeschichte schließt nicht aus, daß in ihrer Erzählung Versäumnisse und Traumata, Konflikte und Krisen, Verbrechen und Erfolge vorkommen. Seit den 1980er-Jahren ist es möglich (ich kann nur vom deutschsprachigen Museumswesen sprechen), daß Geschichtenerzählungen in Dauer- oder Sonderausstellungen sich auch den negativen Seiten der (National)geschichte offensiv stellen. Man kann das, wie es auch hier zweifellos zu erwarten ist,  fachlich untadelig und sorgfältig tun. Aber über den Effekt einer Erzählung entscheidet in einer Ausstellung die Art und Weise der Darstellung. Gehen die traumatischen Ereignisse und Erfahrungen als notwendige Etappen bis hin zu einer sich selbst affirmierenden Gegenwart in diesen „Schlussapplaus“ als überwunden und erledigt ein? Als eben eine in letztlich den Gang der Geschichte ermöglichende, interpunktierende, gelegentlich unterbrechende (wie sich Rathkolb zu 1918 äußert) Ereignisse, die aber insofern nicht mehr als offene in die Genwart ragen, weil sie durch das Ziel der Erzählung - das (glücklich-geglückte Ankommen) in der (nun vollendeten?) Demokratie - ihre Funktion ausgefüllt und abgeschlossen haben.

"Es soll ein Museum im 21. Jahrhundert sein, das den langen Weg (meine Hervorhebung) in die Demokratie thematisiert.“ Das ist ganz klassisch ein nationalstaatliches Narrativ, ein Angebot, die Geschichte als ein Zu-Sich-Kommen der Gesellschaft zu einem stabilen Wir nachzuvollziehen und als gelungen zu genießen. Ist das gewollt? Soll ein (solches) Nationalmuseum errichtet werden? Wer genau will ein solches Museum, außer Herr Minister Ostermayer, Oliver Rathkolb oder der Journalist Thomas Trenkler.

„Es soll ein Museum im 21. Jahrhundert sein“, sagt Oliver Rathkolb. aber, lehrt uns dieses junge Jahrhundert nicht gerade das Fürchten - das Fürchten was Erosion der Demokratie betrifft, den Zerfall des Politischen, in der Staaten in Märkte, und die EU in Märkte und nicht umgekehrt Märkte und die EU und in Staaten eingebettet sind (Hauke Brinkhorst)? Zerstört nicht im Augenblick die Finanzpolitik den Zusammenhalt von Gesellschaften und Staaten, wird nicht gezielt der Sozialstaat angegriffen und eine Politik der massenhaften Verarmung wie Verelendung betrieben? Kann man also 2015 ein Historisches Museum wie 1970 oder 1980 konzipieren?

Wie steht es mit der Vertrautheit Oliver Rathkolbs mit aktuellen gesellschaftspolitischen und museologischen Debatten und Entwicklungen, wenn er uns allen ernstes den völlig abgelutschten Knochen hinwirft, es ginge darum, einen kritischen Blick auf die Geschichte werfen und als Beispiel für neue Zugänge die Migrationsgeschichte Österreichs nennt. Verräterisch ist, daß er eine schon mindestens zehn Jahre laufende Debatte nennt, in der sich Museen stark engagiert haben und die auch zur Gründung einschlägiger Museen geführt hat. Das ist schon ziemlich gegessen und auch nicht taufrisch angesichts der dramatischen Verschiebung der Probleme mit Flucht, Vertreibung, Migration und einer in ihren Effekten grauenhaften EU-Politik. Meint er das? Will er diese Frage am aktuellsten Stand ins Museum integrieren? Ich fürchte: nein.

Auch an einer anderen klassischen museologischen Frage, zeigt sich, daß hier jemand nicht merkt, wie hanebüchen seine Ideen gemessen an einer ungleich komplexeren und innovativeren Museumspraxis sind. Statt der - noch einmal - eben nicht „braven“ Geschichte, wolle er „einen lebendigen Interaktions- und Veranstaltungsort schaffen, an dem auch Gesprächsreihen oder Diskussionsrunden stattfinden“ sollen. Abgesehen davon, daß die bürgerliche Museumsidee einer der genuinen Orte bürgerlicher und aufklärerischer Öffentlichkeit ursprünglich war, und sie daher keiner Verlebendigung ex post bedarf, sondern lebendige Öffentlichkeit i s t und herstellt, sind die Vorschläge rührend. Kaum ein Museum hat so etwas nicht und alle haben es seit langen Zeiten.

Dann stellt sich im Verlauf des Textes noch heraus, daß die so wünschenswerte Organisationsform einen Pferdefuß an unerwarteter Stelle hat. Es war ja immer schon für so eine Tabula Rasa-Gründung wie ein Haus der Geschichte, die Frage, woher denn die Sammlung kommen soll. Als das Deutsche Historische Museum gegründet wurde, konnte man auf die Sammlung des aufgelösten Geschichtsmuseums der DDR zurückgreifen und gleichzeitig wurde das Museum zum Unmut anderer historischer Museen mit einem so hohen Ankaufsetat ausgestattet, womit es zum konkurrenzlosen Akteur am einschlägigen Markt wurde.
Bei der Wiener Museumsgründung war von einem Ankaufsetat aber nie die Rede. Woher kommen dann die Objekte? Vermutlich deswegen ist man auf die Nationalbibliothek und das Staatsarchiv gekommen, weil die in gewissem Umfang, Objekte zur Verfügung stellen können. Aber entsprechend dem Charakter der Institutionen und ihrer Aufgaben nur bestimmte, fürs Ausstellen nicht so attraktive Mediensorten. Wie es der Ausstellungsmacher-Jargon nennt, „Flachware“, also Akten, Flugblätter, Fotos, Plakate, Briefe, Bücher und anderes mehr. Also überwiegend Medien, die nicht besonders sexy sind und überdies auch noch aufwändig erklärungsbedürftig. Oliver Rathkolbs Antwort zur Medienfrage: “Wenn man genau gräbt,“ sagt er, „dann haben beide Institutionen auch viele andere spannende Objekte.“ So verfüge das Bildarchiv der ÖNB über die weitaus größte Bild- und Plakatdokumentation Österreichs, auch das ORF-Archiv, das Filmarchiv, das Filmmuseum bzw. private Sammlungen sollen eingebunden werden.  Das klingt nach Pfeifen im Wald.

Ein bisschen verzweifelt klingt es auch, wenn selbst mit dem (geplanten) Tiefspeicher der Nationalbibliothek Synergieffekte beschworen werden. Das Weltmuseum, dessen Erweiterung und Erneuerung ja wegen der Installierung des Hauses der Geschichte nicht im geplanten Umfang möglich sein wird, und das ja „Nachbar“ ist, bietet auch - nun was? Nein, keine Synergieeffekte. Sondern „konkrete Synergieeffekte“. Und dann, als ob dieses Nullwort Synergieeffekte nicht schon reichte, wird noch so ein Gemeinplatz hinterhergeschoben, und damit eine negative Definition dessen, was entstehen soll:„“Es ist wichtig, nicht einfach irgendein Sammelsurium zusammenzustellen." Interessanter wäre es, zu erfahren, was denn an Stelle des Sammelsuriums wichtig wäre.
Und noch ein Synergieeffekt: „Auch die Neugestaltung des Äußeren Burgtors und des Heldendenkmals (soll) gleich mitgedacht werden.“ Ich dachte, diese Neugestaltung sei mit dem Vorschlag von Oliver Rathkolbs Historiker-Kollegin Heidemarie Uhl abgeschlossen. Aber gut, warum nicht. „Mitdenken“ - wer will dagegen etwas haben?

Ich nehme an, Oliver Rathkolb kannte und kennt das Jüdische Museum Hoehmes und hat von den Projekten gehört, die im öffentlichen Raum, mit und für die Ortsbewohner stattfanden; er kennt möglicherweise, die intelligente Öffentlichkeitsarbeit, die die Gründungsdirektorin gemeinsam mit den türkischen Textilarbeiterinnen und -arbeitern entwickelt hat; er hat sicher Gelegenheit gehabt, das relativ neue Vorarlbergmuseum zu besuchen; er muß die erste, inzwischen abgebrochene Dauerausstellung des Jüdischen Museum der Stadt Wien gesehen haben, die ihn wegen ihre geschichtstheoretischen und museologischen Implikationen sehr interessiert haben muß - gar nicht zu reden von den historischen Ausstellungen (etwa die der Eröffnung), die die damalige Chefkuratorin im Jüdischen Museum gemacht hat; er war wohl in der Ausstellung, die das Wien Museum mit NGOs zu Gastarbeit gemacht hat. Und wahrscheinlich war er ja außerhalb der Landesgrenzen auch in Museen, in denen ungewöhnliche, witzige, experimentelle Wege bestritten werden. Vermutlich kennt er die Südtiroler Geschichtsmuseen und -ausstellungen, die mit Witz und Mut kontroversere Fragen aufarbeiten.
Nur, wenn er das alles kennt, warum läßt er es sich in seinen Überlegungen so gar nicht anmerken. Warum ragen seine Äußerungen an wirklich keinem einzigen Punkt über die wohlvermessenen, langweilig-bekannten, abgegrasten Museumsvorstellung nirgends hinaus? Kein einziges pfiffiges Wort, kein frischer neuer Begriff, keine einzige Idee, die ein bisschen funkelt oder irritiert.
Wenn das Museum so gar nicht brav werden soll, warum ist dann der Text so brav. Ein graues bürokratisches Schriftstück, wie gemacht für Schubladisierung. Kein Papier für eine lebendige zivilgesellschaftliche Debatte über die Frage: welches Museum wollen wir?

Die Frage hat uns (wir danken herzlich) der Herr Minister schon abgenommen, mit seiner Invaliden ex-kathedra-Entscheidung.
Und dafür zeigt sich auch Oliver Rathkolb dankbar. Die Entscheidung über die Realisierung eines Hauses der Geschichte, sei gefallen, weil „zum ersten Mal (…) alle Kompetenzen in einem Ministerium vereint“ seien und „zudem interessiere sich der in Schattendorf geborene Ostermayer auch persönlich für das Thema.“
Da ist die Welt noch ganz in Ordnung, wo ein Minister über eine Museumsgründung, den Ort der Unterbringung und den Leiter eines Beirates bestimmt. Bei einem Projekt, das wie wenige andere der Einbindung in eine breite Öffentlichkeit bedürften, wird also mit maximal paternalistisch verfahren. Man kann verstehen, daß unter pragmatischen Gesichtspunkten, ein Politiker das Projekt von den Konflikten abschotten will, das ansonst unweigerlich zwischen ideologischen, historischen Lagern und medialen Interessen zerrieben würde. Das soll es ja schon gegeben haben. Vielleicht hat gerade deshalb der Minster das hohe Tempo angeschlagen und die autoritative Geste gewählt, die unter anderem darin zum Ausdruck kommt, daß er Expertise in gut und schlecht unterscheidet. Die gute, Zustimmung produzierende Expertise darf in den Beirat, die skeptische wird beiseitegeschoben. Wie die, die der Österreichische Museumsbund und ICOM Österreich gegen die sogenannte Redimsionierung des Weltmuseums und damit indirekt gegen ein Haus der Geschichte an diesem Standort Widerspruch einlegten.

Aber gerade weil es Konflikte gibt, weil es glücklicherweise über bestimmte Teile der Geschichte Österreichs keine vollkommen herrschende Deutungsmacht gibt, gehören diese Konflikte nicht vor die Tür verbannt. Sie gehören (genau deswegen) in das Museum und das geht nur, indem man Öffentlichkeit, die Zivilgesellschaft miteinbezieht. Wenn nicht andere, diese Museum muß ein agonistisches werden, das heißt eines, in und mit dem Konflikte ausgetragen, konkurrierende Deutungen entwickelt und abgearbeitet gehören. Und das nicht, um sie zu „erledigen“, sondern im zivilisierenden Ritualraum (Carol Duncan; Sabine Offe) demokratische Öffentlichkeit herzustellen. Dafür bedürfte es aber speziell entwickelter Methoden und alles, was Museum ausmacht, die Architektur, die Gestaltung, das Design, die Texte usw. müssten danach ausgerichtet sein und das Museum müsste „aus dem Häuschen geraten“ dürfen, es muß buchstäblich und metaphorisch seine Grenzen überschreiten dürfen.

Liest sich danach Oliver Rathkolbs Text?
Immerhin kündigt er an, rund 25 Experten „um sich (zu) versammeln“, einige Namen hat er genannt und „mindestens 15 Diskussionsgruppen zusammenstellen, die inhaltlichen Input liefern sollen.“ Wenn er offen für Ideen und Rat ist und das so weit, daß er eigene Vorgaben, wie wir sie in dem vorliegenden Text finden, infrage stellen kann, dann könnte das enge Korsett, in dem noch alles steckt, vielleicht gelockert werden.
Ich denke, daß aber der Druck von Außen groß sein wird. Wenn das Naturhistorische Museum seine Dauerausstellung schrittweise erneuert, weckt das keine, jedenfalls keine mediale Öffentlichkeit aus dem Schlummer. Das wird beim Haus der Geschichte ganz anders sein. Die Historikerzunft, die Politik, die Trittbrettfahrer und Adabeis, die Medien, die Experten werden mit Argusaugen auf das Projekt schauen und auf jeden Fehlgriff aufmerksam machen. Der opake Minimalismus des Textes von Oliver Rathkolb ist wohl als Igelhaltung zu verstehen, die sich gegen alle möglichen Einwände abschottet - wo möglichst wenig gesagt, möglichst wenig Oberfläche gebildet wird, ist kaum etwas verletzbar.

„Es wird keine politische Farbenlehre geben“, diese Äußerung Rathkolbs ist ein Turm im Verteidigungswall gegen befürchtete Zumutungen. Sondern „eine solide wissenschaftliche Basis“.  Als ob sich die österreichische Geschichtswissenschaft nicht personell, methodisch und inhaltlich entlang der Farbenlehre ordnen ließe. Ein Blick auf die Karriere des Sechzigjährigen verrät seine nähe zu sozialdemokratischen Institutionen und Wikipedia weiß, daß „Rathkolb (…) als SPÖ-nah gilt ; laut Armin Turnher ist er „in der Kreisky-Ära geprägter Sozialdemokrat“.
Das ist kein Vorwurf. Es legt nur - zusammen mit anderen, ähnlichen Konstellationen und Erfahrungen nahe, daß „die politische Farbenlehre“ nicht erst beginnt, nachdem man das Haus der Geschichte betreten hat, sie beginnt weit vorher, mit dem Entschluss eines sozialdemokratischen Minister, ein Museum zu gründen und einen sozialdemokratisch sozialisierten Historiker zum Leiter des planenden Beirates zu machen. Daran ist ja nicht im geringsten Anstoß zu nehmen. Aber an der tendenziellen Verleugnung, die in der Beteuerung liegt, es werde keine „politische Farbenlehre“ geben. Auch und gerade der Standpunkt des „Autors“ eines Museums (anders als bei Filmen oder Theaterstücken usw. bleibt die Autorschaft bei Museen und selbst Ausstellungen meist verschwiegen und mit ihr die Sichtweise, die mit ihr vertreten wird) gehört deklariert und thematisiert. Er gehört, wie schon gesagt, zusammen mit der historiographischen und politischen Konflikt- und Deutungsgeschichte i n das Museum integriert.
Und noch in anderer Hinsicht ist die Verneinung politischer Farbenlehre irreführend. Monate bevor das Haus der Geschichte in der Hofburg angekündigt wurde, hatte der Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Kröll, Pläne für ein programmatisch identisches Projekt für die Landeshauptstadt St.Pölten angekündigt. Auch hier hatte ein Politiker einen Parteilinien Historiker, Stefan Karner, mit der Konzeption bestellt, einen Historiker, der unter der Regierung Schüssel-Haider seinen Aufstieg begonnen hat.
Es scheint undenkbar, daß in Österreich ein einschlägiges Projekt entwickelt wird, ohne daß das politische Farbenspiel zu schillern beginnt. Und gerade deshalb gehören alle Auffassungsunterschiede und Deutungskonflikte in das Museum.

Zum Schluß: Was den Aussagen Rathkolbs, aber auch des Ministers vollkommen fehlt, ist die Beschreibung einer Aufgabe, der Funktion des „Hauses der Geschichte“, eines Ziels der Großerzählung „Zeitgeschichte Österreich“. Soll es eine „nationale Bundeslade“ (Beat Wyss über das Museum als Institution) werden, aus der sich „die Österreicher“ ihre Identität reproduzieren. Ist es ein Lehrmittelparcours für geschichtsbeflissene Lehrer und Schüler, ist es ein populäres Info-Entertainment für touristische Bedürfnis, ist eine Visualisierung  wissenschaftlicher Geschichtsschreibung? Oder ist alles und nichts von allem.