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Montag, 4. September 2023
Montag, 21. August 2023
Sonntag, 20. August 2023
Donnerstag, 25. Mai 2023
Donnerstag, 11. Mai 2023
Montag, 21. November 2022
Sonntag, 6. November 2022
Gute Methode, schlechtes Ziel (Sokratische Frage)
Wenn ein Museum, das fragwürdige Politische Ziele verfolgt, effizient gestaltet ist und professionell vermittelt, ist das dann eigentlich gut oder schlecht?
Dienstag, 10. Mai 2022
Mittwoch, 9. Juni 2021
Dienstag, 25. Mai 2021
Dienstag, 8. Dezember 2020
Samstag, 7. November 2020
Woher wissen die das? (Sokratische Frage 51)
Woher wissen VermittlerInnen
daß sie etwas richtig machen?
Dienstag, 3. März 2020
Der junge Hitler und wie Stefan Weiss ihn sieht
In der Tageszeitung „Der Standard“ vom 3.3.2020 schreibt der Mitarbeiter der Kulturredaktion Stefan Weiss über die Ausstellung im Haus der Geschichte in St. Pölten „Der junge Hitler“.
Die Überschrift gibt der neutralen Bezeichnung der Ausstellung eine überdeterminierte Bedeutung: „Hitlers Jugendjahre: Der Wagnerianer mit dem ‚Nicht genügend.‘“
Da werden zwei Dinge zusammengezogen, die weder sachlich noch chronologisch etwas miteinander zu tun haben - eine schlechte Schulnote im Fach Deutsch und ein späterer Opern-Besuch - und deren Beziehung ohne jede Bedeutung ist.
Der Untertitel des Ausstellungsberichtes attestiert der Ausstellung ein Aufklärungspotential, als ob dieses noch nie genutzt worden wäre und zum ersten Mal gelungen sei, es auszuschöpfen: „Die Ausstellung ‚Der junge Hitler. Prägende Jahre eines Diktators’ im Haus der Geschichte Niederösterreich legt die Wurzeln des NS-Gedankenguts offen.“
Dieser Titel legt ja nahe, daß einerseits die Darstellung und Analyse der Jugend Hitlers geeignet sei, das NS-Gedankengut als Ganzes zu erläutern aber zweitens, daß die Person Hitler und der Nationalsozialismus so etwas wie eine Gleichung ohne Rest gewesen seien. Etwa so: Wenn man Hitler erklärt, erklärt man den Nationalsozialismus.
Das hat schon oft in eine triviale Personalisierung und zu einer sehr schlichten Psychologie geführt, die so gut wie nichts erhellt oder schlimmer noch, mit der Konzentration auf die Person, viele wesentlichen Fragen zum Nationalsozialismus verschleiert.
Das hat schon oft in eine triviale Personalisierung und zu einer sehr schlichten Psychologie geführt, die so gut wie nichts erhellt oder schlimmer noch, mit der Konzentration auf die Person, viele wesentlichen Fragen zum Nationalsozialismus verschleiert.
Der Autor der Ausstellungsbesprechung stolpert denn auch gleich zu Beginn seines Textes in die Falle der trivialisierenden Personalisierung und scheitert fürchterlich an seiner Exegese einer Fotografie. Dem Text vorgeschaltet ist nämlich ein Foto einer Schulklasse, das sofort ein „gespenstisches Dokument“ sein muss. Denn es zeigt Hitler in seiner Volksschulklasse, in der letzten Reihe, und das „mit verschränkten Armen, starrem Blick und hochgerecktem Kinn in der Mitte der obersten Reihe – Zufall oder nicht: Genau so wird sich Hitler als späterer Diktator häufig inszenieren.“
Es fällt sofort auf und es ist auch vielen Postern aufgefallen, daß viele andere Schüler genau so wie der "zukünftige Diktator" posieren - was möglicherweise einer disziplinierenden Order beim Fotografieren geschuldet ist - und daß der stechende Blick und das hochgereckte Kinn eher Projektionen als objektivierbare Tatsachen sind.
Gespenstisch ist weniger das Klassenfoto als die dieser "Bildanalyse" zugrundeliegende Psychologie, derzufolge der „Diktator“ schon im Kind angelegt und sichtbar gewesen sei.
Einer der Kuratoren der Ausstellung weiß dazu, als ob er persönlich dabeigewesen wäre: "Er hat die Menschen nie auf Augenhöhe angesprochen. Er sah sich immer entweder neben oder über der Gesellschaft.“
Das Gegenteil war der Fall. Hitler hat seinen Blick bewusst genutzt und zu Requisiten ausgefeilter Selbstinszenierung gemacht. Albert Speer berichtet z.B.: „Seine Augen waren starr auf die Angetretenen gerichtet, er schien jeden durch seinen Blick verpflichten zu wollen. Als er zu mir kam, hatte ich den Eindruck, daß mich ein Paar weit geöffnete Augen für unermeßbare Zeit in Besitz nahmen."
Muß ein Ausstellungsrezensent so etwas bemerken? Einen derartigen Widerspruch von historischen Fakten und kuratorialer Interpretation? Muß ein Kulturredakteur nicht vorsichtig werden, wenn - zum wievielten Mal eigentlich - Hitlers „künstlerische Ambitionen“ aufgetischt werden? Sollte man nicht grundsätzlich skeptisch sein, gegenüber einem Ausstellungskonzept, das den Nationalsozialismus aus der Biografie einer einzigen Person heraus zu deuten versucht und noch dazu aus deren Jugendjahren?
Als „optisch gepolter Mensch“, berichtet Stefan Weiß von der Ausstellung, hätte Hitler früh ein Sensorium für die Ästhetisierung der Politik gehabt und sich (auch das ist schon lange bekannt), von sozialistischen Ritualen inspirieren lassen. Aber was bitte ist ein „optisch gepolter“ Mensch?
Die altbekannte, durch Wiederholung in ihrer Schlichtheit nur noch aufdringlichere entwicklungspsychologische These vom verhinderten oder gescheiterten Künstler, der in die Politik geht, ist sogar eine fettgedruckte Zwischenüberschrift wert: „Vom Maler zum Politiker“. Ja, ja, wie wir wissen hätte uns die Wiener Akademie der Bildenden Künste den Nationalsozialismus erspart, hätte sie Adolf Hitler die Aufnahmeprüfung bestehen lassen...
Das eigentliche Erweckungserlebnis war der Ausstellung zufolge aber nicht die Bildende Kunst, sondern die Oper, genauer gesagt Wagners Opern. Leider läßt uns der Autor der Ausstellungsbesprechung, wie meist bei Rezensionen üblich, über das Spezifische der medialen Vermittlung im Ungewissen. Und das gerade dort, wo es doch ganz interessant hätte sein können zu erfahren, nicht was, sondern w i e es mitgeteilt wird.
„Mittels Tonaufnahmen und Originalmodellen der damaligen Bühnenbilder lässt die Ausstellung erahnen, welche Wirkung die oft völkisch motivierten Inszenierungen auf Hitler gemacht haben müssen.“
Das hätte mich doch interessiert, wie eine Ausstellung die historische affektive und ideologische Wirkung auf eine bestimmte Person uns heutigen Zusehern vermittelt haben will?
Aber die Ausstellung kann noch mehr. Sie läßt uns an „den künstlerischen Ambitionen“ Hitlers „Größenwahn bei gleichzeitiger Selbstüberschätzung“ erkennen, was, hier wird Mussolini zitiert, nur in eine Auffassung von Politik als „größte Kunst“ münden konnte weil sie mit "lebendigem Material" arbeite: „dem Menschen.“
Diese Ausstellung muß großartig sein, ich muß sie mir ansehen
Freitag, 28. Februar 2020
Fair oder prekär? Beschäftigungsverhältnisse von Kulturvermittlerinnen
Gastkommentar von Monika Holzer-Kernbichler
Fair oder Prekär lautete der Titel einer breit angelegten Veranstaltung zum Thema „Das Museum und seine Mitarbeiterinnen“, zu der der Österreichische Verband der KulturvermittlerInnen ins Deopt in Wien eingeladen hatte. 160 großteils betroffene - vor allem – Kulturvermittler*innen aus Wiener Museen waren gekommen, um über die zum Teil sehr schlechten Arbeitsbedingungen für Kulturvermittler*innen zu diskutieren, aber vor allem um diese sichtbar zu machen.
Gekommen waren auch Betriebsrät*innen und Vertreter*innen der Gewerkschaft.
Zur Vorgeschichte: Mit dem österreichweiten Konsens zu einem gemeinsamen Berufsbild der Kulturvermittlung, das in Steyr beim Museumstag 2017 von einer großen Mehrheit angenommen und von den Vorsitzen des Verbandes der Österreichischen KulturvermittlerInnen und von ICOM CECA unterschrieben wurde, war ein erster großer Schritt getan. Sämtliche Vermittler*innen in Leitungspositionen sowie Verantwortliche der Bildungsabteilungen der österreichischen Bundes- und Landesmuseen vertreten seitdem geeint diese Definition. Gleichzeitig war klar, dass dies erst ein Zwischenschritt in einem größeren Prozess gewesen war, zumal die Frage der Sicherstellung, dass dieses Berufsbild überall lebbar und umsetzbar bleibt bzw. sein wird, eine bleibende ist. In einer Arbeitsgruppe wurden Erfolgskriterien und Rahmenbedingungen für eine professionelle Kulturvermittlung definiert, zur weiteren Diskussion vorgelegt und in weitere Folge auch beschlossen. Unaufhaltsam drängte sich in diesem ganzen Prozess die fast absurde Frage auf, wie es sein kann, dass sich jene Berufsgruppe, die sich dem für die Politik wichtigsten musealen Kennfaktor – nämlich dem Publikum bzw. der Besucher*innenzahl widmet, die unsichersten und schlechtesten Arbeitsbedingungen am Museum überhaupt hat. Der Ruf nach einem (neuen) Kollektivvertrag für Museen wurde laut, der Österreichische Museumsbund fand sich als weiterer starker Partner.
Zur Situation der Vermittlungs- und Bildungsarbeit an den österreichischen Museen hat sich seit einem Artikel von Michalea Steinberger am 4.11. 2014 im Standard, besonders in Wien kaum etwas verändert. Während an den Landesmuseen die Vermittler*innen inzwischen weitgehend angestellte und vollwertige Mitarbeiter*innen der Museen geworden sind, klafft an den Bundesmuseen noch immer eine große Lücke. Tagesabhängige Bezahlung, Bezahlung nach Stundensätzen, freie Dienstverträge (die in den Bundesländern allesamt wegen Rechtswidrigkeit in echte Dienstverträge umgewandelt werden mussten), befristete Verträge oder gar fallweise Beschäftigungen sind Realität für ein akademisch hoch ausgebildetes Personal. Viele Arbeitssituationen finden ohne jede arbeitsrechtliche Absicherung statt und führen dazu, dass langjährige Vermittler*innen in ihrer Existenz durch diese Berufswahl extrem benachteiligt sind, selbst wenn sie, wie vielen von ihnen auch an mehreren Museen tätig sind. Sie sind nicht durch Krankengeld oder Karenz abgesichert, haben keinen Urlaubsanspruch, bekommen aufgrund fehlender Beständigkeit schwerer Mietverträge und sind auch nicht kreditwürdig. Als freie Dienstnehmer*innen oder Tagelöhner*innen sind sie auch nicht berechtigt an Betriebsratswahlen teilzunehmen bzw. haben deshalb auch keine gewerkschaftliche Vertretung, zumal sie in einer Scheinselbständigkeit gefangen sind, die sie in ihrer Existenz maximal flexibel herausfordert. Diese zwingt viele auch nach wie vor dazu, sich in der Freizeit auf die Inhalte vorzubereiten oder über die Arbeit auszutauschen, Dinge, die für jede andere Museumsmitarbeiter*in selbstverständlich und unhinterfragt Arbeitszeit sind. Für die Arbeitgeber sind die Vermittler*innen so gut unter den permanenten Druck der Ersetzbarkeit zu setzen, werden dadurch aber auch auf Distanzgehalten - insgesamt eine äußerst fragwürdige Position für einen maßgeblichen „Erfolgsfaktor“ des Museums, der an der Schnittstelle zum Publikum maßgeblich ist.
Als Studentin der Kunstgeschichte nimmt man schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf, sieht so manche schlecht bezahlte Stelle (die vielerorts als Volontariat bereits überhaupt zur unbezahlten Stelle mutiert ist) als Sprungbrett und hofft auf bessere Zeiten. Tatsache ist allerdings, dass die Kunstvermittlung tatsächlich zu einem Beruf geworden ist, den viele schon lange – trotz schlechter Bedingungen - als solchen leben. Seit in den späten 80er Jahren und frühen 90er Jahren die engagierte Kunstvermittlung sich in Form von Vereinen von außen an die Institutionen angenähert und erobert hat, wurden es immer mehr, die dieses Feld der Bildung, der aktiven Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur nicht mehr verließen. Die Institutionen erkannten den Mehrwert einer verlässlichen Vermittlungsarbeit, erkannten, dass etwa qualitätsvolle Arbeit mit Schulklassen die Besucher*innenzahlen in von der Politik erfolgsversprechende Höhen treiben kann. Unabhängig von Ausstellungen entstehen seit vielen Jahren vielerorts auch Formate, Veranstaltungen und Programm, das ein breites Publikum in die Häuser führt. Nicht immer sind es die vielzitierten Blockbuster Ausstellungen, die die Häuser füllen. Immer öfter auch Angebote, die ein lokales Publikum ansprechen und an die Häuser bindet, die abseits von Massentourismus auch auf Beständigkeit für die Zukunft bauen.
Es sind die Abteilungen für Bildung, Publikum und Vermittlung, die diese initiieren, definitiv aber jene vermehrt, denen ein eigenständiges professionelles Arbeiten ermöglicht wird.
In Zeiten in denen die Kulturvermittlung immer dann ein „Mascherl“ ist, wenn es um die Legitimation der Museen in politischen Diskussionen per se geht, ist es an der höchsten Zeit, dieser auch die notwendigen Rahmenbedingungen zu geben.
Vieles davon wurde Ende Jänner im Depot diskutiert und verlangt nach weiterer Verfolgung. Das neue Regierungsprogramm das inzwischen publiziert wurde, stimmt viele hoffnungsvoll, zumal dort auf Seite 50 erklärt wird, dass die „Position der Kunstvermittlerinnen und –vermittler in den Kulturbetrieben“ gestärkt werden soll. Erste Gespräche mit Regierungsverantwortlichen sind anberaumt und nächste Schritte sind in Ausarbeitung. Informieren kann man sich darüber auf der Facebookseite des Verbandes der Österreichischen KulturvermittlerInnen.
Webseite des Verbandes der Österreichischen KulturvermittlerInnen.
Der Verband auf Facebook
Webseite des Verbandes der Österreichischen KulturvermittlerInnen.
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Sonntag, 24. November 2019
Berührungsverbot (Sokratische Frage 47)
Ein Gemeinplatz, namentlich unter VermittlerInnen lautet: nur durch das Berühren verstünde man das, was an Gegenständen im Museum ausgestellt wird. Dieser Imperativ ist, durchaus implizit aggressiv gegen ein Strukturmerkmal des Museums gerichtet. Gegen das Berührungsverbot (das vordergründig im Namen der unbschädigten Erhaltung der Objekte errichtet wurde).
Ist es nicht gerade umgekehrt: Gibt es nicht gerade nur unter der Bedingung des Nicht-Berührens ein Verstehen? Braucht nicht jegliche Aufklärung reflexive Distanz?
Dienstag, 10. September 2019
Samstag, 8. Juni 2019
Museum/Medium/Vermittlung (Sokratische Fragen 42)
Wenn das Museum Medium ist, ein aus vielen Medien zusammengesetztes Medium, wenn es also "Mittler" ist: Warum braucht es dann noch Vermittlung als eigenen Beruf, als spezielle Rolle, als besondere Funktion?
Mittwoch, 5. Juni 2019
Dienstag, 4. Juni 2019
Allesliebezumvatertag oder: Einmal Aufklärung - Marketing und nie wieder zurück
"Täuscht euch nicht, Mitbürger, das Museum ist keine oberflächliche Ansammlung von Luxusgegenständen oder Frivolitäten, die nur der Befrie¬digung der Neugier dienen sollen. Es muß eine Ehrfurcht bietende Schule werden. Die Lehrer werden ihre jungen Schüler hinführen; der Vater seinen Sohn. Der Jüngling wird beim Anblick der Werke des Genies in sich das Gebiet der Kunst oder Wissenschaft lebendig werden fühlen, zudem ihn die Natur berufen hat." Jacques-Louis David 1794 in einer Rede vor dem Nationalkonvent über die Arbeit der Museumskommission.
Montag, 8. April 2019
Pflichtbesuche in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen?
Bertrand Perz (Institut für Zeitgeschichte
der Universität Wien)
Pflichtbesuche
in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen?
Die unlängst von
Staatssekretärin Karoline Edtstadler getätigte Äußerung, für sie sei „vorstellbar, dass alle Muslime, die nach Österreich
kommen, zu einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen verpflichtet werden“,[1]
ist zu Recht von mehreren Seiten heftig kritisiert worden, u.a. vom Mauthausen
Komitee Österreich, zuletzt von der Vermittler_inneninitiative
an der Gedenkstätte Mauthausen-Gusen.[2] Ähnliche Forderungen in Deutschland hat bereits
Jens Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen,
zurückgewiesen, nicht zuletzt stellten sie Flüchtlinge
und Migranten unter Generalverdacht.[3] Weder führten verordnete
Besuche von ehemaligen Konzentrationslagern automatisch zu einem besseren
Verständnis der NS-Geschichte noch schützten sie vor Judenfeindlichkeit, so
Wagner. Zugleich betonte er die Wichtigkeit von Gedenkstättenbesuchen – aber
nicht als verpflichtende Kurzführungen für spezifisch definierte Gruppen.
Die
Vorstellung verpflichtender Besuche in KZ-Gedenkstätten hat allerdings eine
lange Vorgeschichte, wenn auch der Einengung auf eine ganz spezifische Gruppe
eher Seltenheitswert zugesprochen werden muss.[4]
Seit KZ-Gedenkstätten ins Zentrum einer
Erinnerungskultur gerückt sind, in Österreich ab den 1980er Jahren, wird ihre
Funktion vonseiten der Politik oft darin gesehen, eine Art von Crashkurs in
Geschichts- und Demokratiebewusstsein zu liefern. Äußerungen dazu lassen sich
aus verschiedenen politischen Lagern finden. Manche Politiker bedienen sich
dabei zum Teil seuchenhygienischer Metaphorik; Begriffe wie „Schutzimpfung“ und
Ähnliches lassen sich finden.
In Bezug auf die Geschichte der
KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist festzuhalten, dass diese im ersten Jahrzehnt
nach ihrer Einrichtung im Jahr 1949 von der österreichischen Gesellschaft
mehrheitlich ignoriert wurde. Die Gedenkstätte war vor allem jenen ein
Anliegen, die vom Nationalsozialismus verfolgt worden waren oder das KZ Mauthausen
selbst überlebt hatten. Neben Verfolgten aus Österreich und ihren
Organisationen waren es vor allem Überlebenden-Verbände aus dem Ausland wie aus
Frankreich, Polen oder Italien. Erst ab den 1960er Jahren trugen die Bemühungen
ehemaliger KZ-Häftlinge, die Zahl der Besuche in Mauthausen zu steigern, erste
Früchte. Vermehrt konnten nun auch österreichische Jugendliche motiviert
werden, die Gedenkstätte zu besuchen.
Dabei spielten die Schulen eine nicht
unwesentliche Rolle. Die Vorstellung, mit Gedenkstättenbesuchen – verstanden
als Teil der politischen Bildung und zeitgeschichtlichen Unterweisung –,
antidemokratischen Entwicklungen entgegenzuwirken, führte in den
österreichischen Schulverwaltungen zu expliziten Empfehlungen, die
KZ-Gedenkstätte Mauthausen zu besuchen. Die erste derartige Empfehlung sprach
der Wiener Stadtschulrat 1960 aus, bundesweite Aufforderungen benötigten
allerdings mehr Zeit. Erst durch die 1973 neu geschaffene Abteilung Politische
Bildung im Unterrichtsministerium ergingen Ende der 1970er Jahre entsprechende
Erlässe. Es bedurfte dieser Motivierung von Schulen, sich mit dem Thema
Nationalsozialismus, den Konzentrationslagern und dem Holocaust
auseinanderzusetzen, um hier Veränderungen zu bewirken. Diese zähen Bemühungen
zeigten vor dem Hintergrund einer grundlegenden Veränderung der Debatte über
das Thema NS-Verbrechen und Judenvernichtung und eines Generationenwechsels zu
einer jüngeren kritischeren Lehrer_innen-Generation, die sich hier zu
engagieren begann, Wirkung. Als Katalysatoren dienten etwa die 1979
ausgestrahlte US-amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ und – in den 1980er
Jahren – die Waldheim-Debatte. Für die Gedenkstätte in Mauthausen hatte das eine
massive Vermehrung der Besuche durch Heranwachsende zur Folge.
Eine wichtige Voraussetzung dafür war die
Einrichtung einer zeithistorischen Ausstellung, die 1970 in Mauthausen eröffnet
worden war und der Gedenkstätte neben seiner Friedhofs- und Denkmalsfunktion
jene eines Museums und Lernortes hinzufügte. Die Ausstellung verdankte sich,
wie schon zuvor die Gedenkstätte selbst, dem enormen Engagement von
KZ-Überlebenden, die sich nun auch massiv in die Vermittlungsarbeit einbrachten,
in Schulen gingen oder vor Ort persönlich Führungen hielten.
KZ-Gedenkstätten wie Mauthausen spielen so
heute in der politischen Bildung insbesondere von Jugendlichen in Ländern wie
Deutschland und Österreich eine enorm wichtige Rolle und werden breit
angenommen. Etwa die Hälfte der rund 200.000 jährlichen Besucher_innen kommen
im Rahmen von Schulbesuchen aus dem In- und Ausland nach Mauthausen.
Bei all diesen Bemühungen waren
verpflichtende Besuche der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, für welche Zielgruppe
auch immer, vonseiten der Überlebenden wie auch der freiwilligen und der professionellen
Geschichtsvermittler_innen kein Thema. Und das aus gutem Grund.
Denn Gedenkstätten als Friedhöfe, Denkmäler
und Museen können vieles anregen und anstoßen, können spezifische Diskussions-
und Vermittlungsorte sein. Sie sind aber eben kein Instant-Produktionsort
„richtigen“ Geschichtsbewusstseins, keine Bewusstseinsschleuse, die Menschen
mit autoritärem, antisemitischem oder rassistischem Gedankengut betreten und
wenige Stunde später als geläuterte Demokraten verlassen.
Genau das aber ist die Vorstellung, die in der
Politik in Bezug auf die Gedenkstätten weiterhin geäußert wird, in den Worten
von Staatssekretärin Edtstadler: „Denn wenn man selbst gesehen und gehört hat, welches Leid Antisemitismus
erzeugt hat, wird man resistent gegen diese furchtbare Wertehaltung“.
In den KZ-Gedenkstätten werden solche Forderungen mit gemischten
Gefühlen aufgenommen. Nicht in erster Linie deshalb, weil man weiß, dass ein
Gedenkstättenbesuch ohne entsprechenden Wertehorizont ganz anderes bewirken
kann, als intendiert. So gab es in deutschen Gedenkstätten auch Besuche von
Rechtsextremen, die ihren Besuch provokativ mit dem Lernziel verbanden, am Ort
der ehemaligen KZs etwas über effiziente Repressionstechniken erfahren zu
wollen. Solche Vorfälle sind aber eher selten. Die gemischten Gefühle kommen
auch vom Wissen um den äußerst langwierigen Prozess, der mit der Vermittlung
von Einstellungen und Wertehaltungen verbunden ist.
Mit einer vehementen Zurückweisung des Ansinnens, Besuche von
KZ-Gedenkstätten verpflichtend zu machen, tun sich Gedenkstätten auch aus einem
anderen Grund oft schwer. Denn man ist sich bewusst, dass die Erwartungshaltung,
solche Besuche wirkten aufklärend, für die Politik einen Teil der Legitimation
der Bereitstellung großer finanzieller Mittel für Gedenkstätten darstellt.
Dennoch gibt es aber aus vielen
Gedenkstätten eine sehr klare Zurückweisung der Vorstellung von
Pflichtbesuchen. So verweist einer der renommiertesten Gedenkstättenleiter in
Deutschland, Volkhard Knigge, darauf, dass diese von Jugendlichen als „Aufnötigung“
wahrgenommen würden, was einer Motivierung entgegenstehe. Aber auch ein Blick
auf die verpflichtenden Programme, wie sie in der DDR in Bezug auf die Herstellung
von Geschichtsbewusstsein üblich waren, macht Knigge mehr als skeptisch.
Generell ist aber auch in Deutschland die
Auffassung zweigeteilt. Die Forderungen nach Pflichtbesuchen für diverse
Zielgruppen kommen eher aus der Politik, die Zurückweisung des Glaubens an naive
Geschichtsbewusstseinsproduktion eher von den Geschichtsvermittler_innen.
Der rezente Vorschlag von Staatssekretärin
Edtstadler, antisemitischen Einstellungen unter zugewanderten Muslimen durch
verpflichtende Mauthausen-Besuche entgegenzuwirken, weist aber auch noch auf
eine weitere Problematik hin, die vielleicht mit mangelnden Kenntnissen der
konkreten historischen Geschehnisse in Mauthausen korreliert. Die Fokussierung
auf die Judenverfolgung befördert eine in der Öffentlichkeit oft anzutreffende
Vorstellung, in den Konzentrationslagern wie Mauthausen seien vorwiegend Juden
und Jüdinnen eingesperrt gewesen.
Mauthausen steht als Konzentrationslager
aber nicht zentral für den Massenmord an den europäischen Juden, wie das für die
deutschen Vernichtungslager in Ostpolen oder für Auschwitz gilt. Im
Lagerkomplex Mauthausen wurden – vor allem ab Frühjahr 1944 – viele tausende
Juden, vorwiegend aus Ungarn und Polen, ermordet. Aber in Mauthausen starben
eben auch viele andere von den Nationalsozialisten als zu vernichtende Feinde
definierte Gruppen wie sowjetische Kriegsgefangene, Angehörige nichtjüdischer
polnischer Bildungsschichten, französische Widerstandskämpfer, republikanische
Spanier oder deutsche Zuchthausinsassen. Und unter den Opfern befanden sich
auch Muslime.
Und um nochmal auf die Zielgruppe von
Migrant_innen zurückzukommen. Die Frage, was ein notwendiges Wissen über die
NS-Verbrechen und den Holocaust im Hinblick auf die Integration von Zuwanderern
in unsere Gesellschaften ist, scheint berechtigt. Das gilt aber eben nicht nur
für diese. Es bleibt festzuhalten, dass die KZ-Verbrechen und der Massenmord an
den europäischen Juden und Jüdinnen in erster Linie von – meist christlich
sozialisierten – Deutschen und Österreichern (vorwiegend, aber nicht nur,
Männern) begangen wurden, also von Menschen, die aus der Mitte unserer
Gesellschaft kamen. Nicht zuletzt deshalb hat sich die „Holocaust-Education“ in
den letzten Jahren intensiv mit der Frage beschäftigt, wie man Jugendlichen mit
Migrationshintergrund, deren Gesellschaften mit dem Holocaust nur wenig zu tun
hatten, das Thema als relevant vermitteln kann. Dazu sind viele gute Konzepte
entwickelt worden. Der Pflichtbesuch, der bestimmte Menschengruppen unter
ideologischen Generalverdacht stellt, gehört nicht dazu.
[1] BMI Staatsekretariat: Edtstadler: Kampf gegen Antisemitismus
wichtiger denn je. Ein Maßnahmenpaket der Bundesregierung wird in den kommenden
Wochen ausgearbeitet. Muslime sollten zu Besuch in KZ-Gedenkstätte Mauthausen
verpflichtet werden. (https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=446B54332B4344637543413D,
Zugriff 5.4.2019)
[2] Edtstadlers Zwangspädagogik. Kommentar der anderen. Offener Brief,
26. März 2019. https://derstandard.at/2000100268109/Edtstadlers-Zwangspaedagogik,
Zugriff 30.3.2019
[4] So hat zwar Justizminister Brandstetter 2016 als Folge der äußerst
fragwürdig begründeten Einstellung eines Verfahrens durch die
Staatsanwaltschaft Graz gegen die Zeitschrift "Aula", in der in einem
Artikel KZ-Häftlinge als "Massenmörder" und "Landplage"
bezeichnet worden waren, im Rahmen des Curriculums für Richteramtswärter_innen
verpflichtende Besuche der KZ-Gedenkstätte Mauthausen vorgesehen. Allerdings
sollten diese Besuche in ein umfangreiches Ausbildungsprogramm eingebettet
werden. (https://derstandard.at/2000032745846/Causa-Aula-Brandstetter-zieht-Konsequenzen-bei-Ausbildung,
Zugriff 5.4.2019)
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