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Sonntag, 23. Mai 2021

Freitag, 29. November 2019

Dresdner Juwelenraub. Unschätzbare Werte. Geglückte Ausbeutung

Am 25.November wurden aus dem Grünen Gewölbe in Dresden Kunstwerke gestohlen. Inzwischen weiss man, welche und wie viele. Ueber den Wert liess man sich in Zahlen nur unklar aus. Denn was meinte man mit den veröffentlichten zahlen? Den Versicherungswert? Den Verkaufswert im Falle einer Veräusserung? Da ist es schon besser von "unschätzbar" zu reden.
Um so sicherer schienen in ersten Reaktionen die Journalisten zum symbolischen Wert, der da eben verloren gegangen war. Andreas Platthaus sah in der Frankfurter Allgemeinen das "Sieges- und Heimatgefühl" der Sachsen "zerstört". Das Siegesgefühl? Das Heimatgefühl? Zerstört? Ja, denn: "Es gibt anderswo auf der Welt größere Diamanten als in Dresden, aber die Besonderheit etwa der sogenannten Brillantgarnitur als bedeutendste der drei liegt darin, dass hier ein Generationenprojekt zu besichtigen war: August der Starke kaufte den Großteil der Diamanten, sein Sohn August III. ergänzte weitere höchst bedeutende Steine, darunter den legendären 'Dresdner Grünen', und sein Urenkel Friedrich August III. schließlich ließ aus Juwelen seiner beiden Vorfahren die jetzige Brillantgarnitur anfertigen - als 'Brücke zwischen den Fürstengenerationen', wie Dirk Syndram, der Direktor des Grünen Gewölbes, das Schmuckensemble charakterisiert hat." Ja dann! Wenn daran bis jetzt die sächsische Identität hing!
Aber es geht auch ins andere Extrem, und das scheint mir interessanter, weil hier Abschied von einer genuin bürgerlichen Affirmation kultureller Tradition genommen wird: "Wer von uns hat sich je dafür interessiert, welchen Manschettenknopf August der Starke, zu welchem Fingerring trug?" Fragt sich und uns Arno Widmann in der Berliner Zeitung und spottet über die Anbetung der Tradition. "Wer von uns interessiert sich für die Veränderungen in der Kunst der Diamantenschleiferei in den vergangenen dreihundert Jahren?" Und: "Ganz sicher haben die Sachsen weniger hart an diesen Gegenständen gearbeitet, als sie vielmehr geschröpft wurden, damit die Majestäten sie erwerben konnten. Das gehört auch zur Wahrheit des Grünen Gewölbes: Hier zeigte der Herrscher, was er sich alles leisten konnte. Es ist ein Dokument rundum geglückter - verwenden wir das alte Wort - Ausbeutung. Deren Opfer zu sein, gehört ganz sicher zur sächsischen Identität."
Wenn der Regierungschef des Landes sagt, "Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen", dann meint er das natürlich etwas anders.

Mittwoch, 12. April 2017

Brave new world

Marion Ackermann ist neue Leiterin der Dresdner Kunstsammlungen. Und sie hat es mit einer Konfrontation mit Politik zu tun, wie kaum jemand anderer an der Spitze eines deutschsprachigen Museums. Pegida und AfD vor der Tür, inklusive sofortiger persönlicher Angriffe und wegen der Ukraine-Krise ausbleibende russische Besucher...innerhalb dreier Jahre 500.000 Besucher weniger...In Zeiten, da der Besucher"umsatz" das Maß aller Dinge ist, fast schon ein Supergau.
Marion Ackermann, berichtet der Tagesspiegel, möchte mit einer "Radikalisierung" der Vermittlungsarbeit reagieren. Sie spricht, so die Zeitung, "von audience-development, outreachfocus-Gruppen (...), vom Museum als Produktionsort und dem künftigen Besucher als user. Das klingt zunächst abgehoben, doch dahinter stecken konkrete Ideen. In Großbritannien, das ihr als Vorbild gilt, wird in den Museen gemeinsam gekocht und getöpfert." Töpfern gegen Pegida. Auch eine Idee. Eine konkrete.

Freitag, 25. September 2015

Internationales Direktorenkarussell

Erst kürzlich habe ich über die Besetzung mehrerer namhafter italienischer Museen mit nicht aus Italien kommenden Direktoren berichtet (hier), da kommt die meldung, daß der Leiter der Dresdner Kunstsammlungen, der Kunsthistoriker Hartwig Fischer, Direktor des British Museum werden wird. Der Direktor des British Museum geht bekanntlich nach Berlin, um dort das "Humboldt Forum" in die Gänge zu bringen. Schon der Vorgänger Fischers, Martin Roth, wechselte nach London un dleitet dort das Victoria and Albert-Museum. Beide "Flaggschiffe" des britischen Museumswesens in "deutscher Hand"?! Und was für ein - sich anbahndes? - neues Verständnis vom Management großer Museen (nach dem Vorbild großer Konzerne und Banken?). Und: wird jetzt ein Niederösterreicher Direktor des Kärtner Landesmuseums werden dürfen oder ein Kitzbühler Leiter des Wiener Neustädter Stadtmuseums?

Samstag, 13. April 2013

Texte im Museum 393


Der mathematisch physikalische Salon in Dresden wird wiedereröffnet

Sooft ich in den letzten Jahren in Dresden war, immer stand ich enttäuscht vor den Toren einer der wunderlichsten Sammlungen, die ich je - noch zu Zeiten der DDR - gesehen habe. Jetzt ist der Mathematisch physikalische Salon im Zwinger wieder eröffnet und Eckhard Fuhr hat ihm in DIE WELT einen schönen Artikel gewidmet, der über die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung solcher naturwissenschaftlicher Sammlungen informiert (hier).

Montag, 3. Dezember 2012

Ein Bruch (Entrée 87)

Bis in die Details dringt die Zentralbotschaft des Militärhistorischen Museums in Dresden vor. Die grafische Gestaltung reproduziert auch auf der Eintrittskarte jenen Bruch (wie eine geologische Verschiebung), der aus der Intervention Daniel Libeskinds am Bau abgeleitet wird und zeichenhaft gegen Kontinuität gerichtet ist. Aber: welcher Bruch, welche Kontinuität?

Mittwoch, 29. Februar 2012

Leidenschaften, im Museum?!

Dem Hygiene-Museum in Dresden scheint wieder einmal eine inhaltlich und gestalterisch interessante Ausstellung geglückt zu sein. Eine über "Leidenschaften", also über ein Thema, von dem man sich fragen kann, ob es mit Mitteln des Museums überhaupt darstellbar ist. Offenbar ja, wenn man der sehr freundlichen Berichterstattung Hartmut Böhmes in DIE WELT (29.2.) folgt, der genau mit dieser Grundsatzfrage einleitet.
"Die Medien der Versinnlichung großer Gefühle sind das Theater, die Oper und der Film. An der sprachlichen Vergegenwärtigung der Leidenschaften arbeitet die Literatur. Die Analyse der Gefühle wird seit Platon von der Philosophie besorgt. Diese hat durch Psychologie, Soziologie, Kulturgeschichte und die Neurowissenschaften allerdings ihre Lufthoheit über das zerklüftete Gelände der Passionen verloren. Daneben gab es Einrichtungen zur Zähmung und Ordnung, notfalls der Bestrafung der Leidenschaften: die Familie, die Erziehung, die Moral, die Schule, das Militär, das Recht, die Religion. Man kann sich also viele Kontexte denken, in denen die Leidenschaften dargestellt oder diskutiert werden: Aber kann das Museum überhaupt das Format sein, um Leidenschaften spürbar zu machen und zu analysieren? So etwas hat es noch nicht gegeben."
Jetzt gibt es das also und wenn man ihm folgt, sehr geglückt und anregend.
"Die Leidenschaften. Ein Drama in fünf Akten". Bis 30.12.2012 (Link zur Ausstellungswebseite)

Dienstag, 6. Dezember 2011

Den Hass erzählen. Eine internationale Tagung zu Museum und Krieg


Ein Bericht von Angelika Fitz

Erinnert wird, was persönlich berührt, lehrt die Psychologie. Erinnert wird, was medial präsent ist, weiß die Kulturindustrie. Gedächtniskultur ist ein boomender Markt und der Krieg nimmt darin immer noch oder vielleicht sogar wieder eine prominente Rolle ein. Nicht nur in unzähligen fürs Fernsehen produzierten historischen Dokumentationen wird Geschichte als Abfolge von Kriegen erzählt, auch in vielen Museen ist das weiterhin der Fall. Unter den historischen Museen nehmen die spezialisierten „Kriegsmuseen“ – militärhistorische Museen, Waffenkammern, Gedenkstätten – eine argwöhnisch beäugte Sonderstellung ein. Sie galten lange als Erinnerungsorte für Veteranen und ein Blick in die Besucherstatistiken konnte das meistens bestätigen. Müssen solche Orte nicht in einer Glorifizierung des Krieges und in nationalen Rhetoriken enden? Nicht mehr zwangsläufig, wie eine Tagung zeigte, die vom Universalmuseum Joanneum in Graz gemeinsam mit dem internationalen Komitee der militärhistorischen Museen, ICOMAM, veranstaltet wurde.

Es weht ein frischer Wind durch die Zunft der Militärhistoriker. Spektakuläre Projekte wie das britische Imperial War Museum und jetzt das Militärhistorische Museum in Dresden sind nur die sichtbarsten Zeichen einer museologischen Umorientierung. Die gesellschaftliche und repräsentationskritische Reflexion des eigenen Tuns und die Suche nach neuen Zielgruppen gehen dabei Hand in Hand. Die Zeitzeugen der Weltkriege werden weniger, was sich in den letzten Jahren negativ auf die Besucherzahlen auswirkte. Ähnlich wie in anderen Museen werden Schulkinder als unerschöpflicher Markt entdeckt. Aus diesem Trend spricht nicht nur eine pädagogische Seele, sondern auch eine betriebswirtschaftliche. Mit speziellen Kinder- und Jugendprogrammen sollen die Lehrer überzeugt werden, mit ihren Klassen in Scharen für volle Häuser zu sorgen. Aber wie vermittelt ein Museum den Krieg? Darf ein Kinderprogramm unterhaltsam sein oder gar Spaß machen? Wie macht man Gewalt und Schrecken nachvollziehbar, ohne die Kinder zu verstören? Oder sind es eher die Erwachsenen, die Betroffenheit spüren, während sich die jugendliche „Generation Ego-Shooter“ an der Gewalt im Museum genauso ergötzt wie in Computerspielen? Mit ihren Waffensammlungen verfügen Militärhistorische Museen über hochgradig emotionale Objekte. Wie nimmt man mit diesen Attraktionen am Museumsboom teil, ohne sich an der Verherrlichung von Gewalt zu beteiligen? Wie erzeugt man Mitgefühl für die Opfer – mit immersiven Strategien der Überwältigung, mit hautnahem Re-Enactment oder mit reflexiver Distanz? Das sind nur einige Fragen, die auf der Tagung in Graz unter dem Titel „Gehört der Krieg ins Museum? Repräsentation von Gewalt in Ausstellungen“ diskutiert wurden.

Militärhistorische Museen haben eine Doppelfunktion als museale Bildungsinstitutionen und Gedenkstätten, so der Hauptredner Jay Winter, Historiker an der Yale Universität und ausgewiesener Experte für den Ersten Weltkrieg. Sie seien der Inbegriff des Museums als „Kathedrale des 21. Jahrhunderts“. Orientierung könnten sie dann geben, wenn sie Beziehungen zu den Familiengeschichten der Besucher herstellen. Diese Betonung von individueller Biografie und Betroffenheit mag auch mit Winters Tätigkeit als Berater von historischen Fernsehdokumentationen zu tun haben. Darüber hinaus hat er an beeindruckenden Museumskonzeptionen mitgewirkt, wie dem „Historial de la Grande Guerre“ in Peronne. Hier liegen Uniformen und Ausrüstungsgegenstände in horizontalen, bündig in den Boden eingelassenen Vitrinen und erzählen so eindringlich von der alltäglichen Gegenwart von Tod und Leid auf den Schlachtfeldern. Im Mittelpunkt stehen nicht die Generäle, sondern die gemeinen Soldaten. Das ist eine Sicht, die dem Wandel der akademischen Militärgeschichte in den letzten Jahrzehnten entspricht, so Barton CHacker, Kurator für Armeegeschichte am SmithsonianInstitut in Washington. Die ersten modernen Militärmuseen im 19. Jahrhundert standen ganz im Dienst des erstarkenden Nationalstaates und auch im 20. Jahrhundert dominierten lange die Helden der Nation. Erst ab den 1980er Jahren gewinnt mit der sogenannten „Neue Militärgeschichte“ der sozialgeschichtliche Fokus an Einfluss. Der einfache Soldat und die Kriegserfahrungen der Zivilbevölkerung rücken ins Blickfeld.  


In den letzten Jahren hat sich die Kontextualisierung des Krieges in Museen noch mehr erweitert. Von der institutionalisierten zur persönlichen Gewalterfahrung lässt sich diese Verschiebung beschreiben. Sie kündigt sich bereits in der Einladung zur Tagung an, wo die Rede ist vom „pädagogischen Impuls, Gewalt zu erklären und durch Deutung verarbeitbar bzw. vermeidbar zu machen“. Pter Armstrong vom „Royal Armouries“, der königlichen Waffenkammer, in Leeds hat sich stark dieser pädagogischen Ausrichtung verschrieben. Es scheint ihm unmöglich, seine Sammlung an glänzenden Waffen den Jugendlichen einfach zu zeigen. Stattdessen sind die Objekte nur mehr Anlassgeber für Gewalt- und Konfliktprävention. Gemeinsam mit Schulen organisiert das Museum Seminare zur Einübung in gewaltfreie Konfliktlösung. Gleichzeitig gibt Armstrong unumwunden zu, dass das Museum mit diesem Ansatz immer wieder an die Grenzen seiner Möglichkeiten und Kompetenzen stößt – Museumsvermittler sind keine Jugendarbeiter.

„Man muss staatliche Gewalt und individuelle Gewalt kurzschließen“, sagt Gorch Pieken, wissenschaftlicher Leiter des MHM in Dresden. „Wir erzählen Hass und wollen zum Nachdenken darüber anregen, dass es wenig Frieden gibt in der Welt und verdammt wenig Frieden in uns.“ Dazu passt der Doppelpack, der auf die Besucher in Dresden am Beginn der Ausstellung wartet: Auf Zitate aus Carls von Clausewitz strategischem Werk „Vom Kriege“ folgt die raumgreifende Installation „Love and Hate“ des britischen Künstlers Charles Sandison. Eine solche Hinwendung zur individuellen Gewaltbereitschaft verspreche zwar Involvierung, gefährde aber die Wahrnehmung der politischen und wirtschaftlichen Dimension der Kriege, wie Jay Winter in der Diskussion anmerkt. Und überhaupt halte er es für unerlässlich, dass nicht über das Universelle des Krieges philosophiert wird, sondern über konkrete Ausformungen. Krieg ist nicht Krieg. So seien die beiden Weltkriege, insbesondere der Vernichtungskrieg des nationalsozialistischen Deutschlands mit keinem anderen Krieg vergleichbar. Nicht um sonst widme das britische „Imperial War Museum“ in London dem Holocaust eine eigene Dauerausstellung. Gorch Pieken betont, dass in der chronologischen Erzählung im Dresdner Altbau ein ganzes Stockwerk der Kontextualisierung der beiden Weltkriege gewidmet ist. Und es gibt den Neubau von Daniel Libeskind, der die chronologische Kontinuität der Kriegsgeschichte im Altbau mit Vehemenz durchschneidet. Die Ausstellungsgestaltung auf der Ebene des „Dresden-Blicks“ verkörpert paradigmatisch die Hinwendung von einer nationalen zu einer europäischen Geschichtsschreibung. Materielle Zeugen der Zerstörung durch die NS-Luftwaffe treten neben die Aussicht auf das wiederaufgebaute Dresden.


All diese Selbstreflexivität darf nicht darüber hinweg täuschen, dass militärhistorische Museen Eigentümer und Auftraggeber haben und dass es trotz Globalisierung noch große Ungleichzeitigkeiten gibt. Das zeigten unter anderem Vorträge zu Museen in Zypern, der Türkei oder Weißrussland, wo von den Ausstellungen deutliche Beschwörungen einer nationalen Identität ausgehen. Aber auch vom MHM in Dresden erwartet die Bundeswehr als Eigentümerin Lernort für ihre Soldaten zu sein. Welche Botschaft kann ein Museum hier geben? Krieg ist schlecht oder Krieg ist unvermeidbar? Soll es in böse und gerechte Kriege unterteilen? „Wir sagen nicht, dass wir ein Pazifismus-Museum sind “, stellt Gorch Pieken klar und fügt hinzu: „Auschwitz ist von Soldaten befreit worden.“ Sein Museum soll den Soldaten Orientierung geben, indem es deutlich macht, dass im Krieg Entscheidungen zu treffen sind.

Viele existenzielle und museologische Fragen konnten auf der ungewöhnlich dichten dreitägigen Konferenz nur gestreift werden: Wie lassen sich die neuen assymetrischen Kriege verstehen, in denen sich Söldnertruppen statt nationale Armeen gegenüber stehen? Oder was, wenn man das Augenmerk nicht mehr darauf legt, wie Kriege ausbrechen, sondern wie sie beendet werden? Es blieben mehr Fragen als Antworten. Nicht anders sollte es den Besuchern eines guten Militärmuseums ergehen.


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„Gehört der Krieg ins Museum? Repräsentation von Gewalt in Ausstellungen“, eine Tagung der Museumsakademie des Universalmuseums Joanneum, in Kooperation mit  ICOMAM - International Council of Museums and Collections of Arms and Military history und dem Landeszeughaus Graz, Graz 21.-23.09.2011. Es erscheint eine Publikation bei transkript. www.museum-joanneum.at/museumsakademie