Posts mit dem Label Management werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Management werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 13. März 2017

Bedingungen, unter denen eine überdurchschnittliche (Dauer)Ausstellung zustande kommt

Richtige Entscheidungen trifft man auf Grund von Erfahrungen. 
Erfahrungen macht man auf Grund falscher Entscheidungen. 
Steve Jobs


Bedingungen, unter denen eine überdurchschnittliche (Dauer)Ausstellung zustande kommt


1

Es braucht eine klare Zielvorstellung.

Die wird im Projektteam ganz am Beginn erarbeitet und knapp schriftlich formuliert sowie im Konsens zur Grundlage aller weiterer Planungen und Arbeitsschritte gemacht.
Das Team formuliert in den Zielvorstellungen, was es erreichen, bewirken will. Es deklariert klar seine Autorschaft. 

Die Zielvorstellung ist das erste, was formuliert wird; von ihr werden alle anderen Entscheidungen abgeleitet.

Die Zielvorstellung ist verbindlich kann aber im Entwicklungsprozeß sinnvollerweise innerhalb gewisser Grenzen modifiziert werden.

Für eine Zielvorstellung genügt meiner Erfahrung nach ein kurzer Text der wenig Zeitaufwand erfordert. Etwa eine Manuskriptseite kann schon ausreichen.

Um Befangenheit in Routinen und Gewohntem zu vermeiden, dem „Eingesperrtsein im Eigenen“, ist es sinnvoll zur Moderation der Diskussion der Zielvorstellung jemanden ‚von Außen‘ hinzuziehen.

Ziele werden in der Museumspraxis meist mit Inhalten verwechselt und durch Inhalte „ersetzt“. Ziele sind aber weder Inhalte, noch Medien oder Methoden. In vielen Projekten bleibt genau das unklar und Ziele finden sich nur implizit, gewissermaßen zwischen den Zeilen.

Die Formulierung einer Zielvorstellung enthält auch Nicht-Ziele, etwas, was nicht angestrebt wird.

Eine Zielvorstellung ist kein Mission statement. Letzteres artikuliert die Haltung des Museums öffentlich gegenüber seinem Publikum (seinem Auftraggebern, Stakeholder usw.), während eine Zielvorstellung Grundlage der Planung eines Projekts ist und zur Integration des Projektteams dient. 

Als Hilfe, was überhaupt ein Ziel sein könnte, kann man sich etwa diese Frage stellen: Wie lautet die Frage, die wir, das Team, in unserer Ausstellung beantworten wollen? oder Wie lautet die Frage von Besuchern, auf die unsere Ausstellung eine Antwort bietet? 

Ein Beispiel aus einer Zielformulierung: „Wir möchten unserm Publikum das GRAZMUSEUM als einen Ort angenehmen, unterhaltenden und informativen Aufenthalts anbieten, um hier und von hier aus die Stadt Graz und ihre Geschichte kennenzulernen. Wer stellen unsere Ausstellungen (als Ort) zur Verfügung, wo man sich mit der Gesellschaftsform des Städtischen lernend, konsumierend aber auch aktiv und partizipierend beschäftigen kann und wo man Lust bekommt, die Stadt neu zu sehen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.“ (Aus dem Konzeptpapier für eine Dauerausstellung des Graz Museum; unveröff.Ms.)





2

Die Zielvorstellung muß reflexiv sein.
Das heißt:

Erstens muß aus der Zielvorstellung jene gesellschaftliche Verantwortung herauslesbar sein, die in der Institution Museum als wohlfahrtsstaatlicher Einrichtung allgemein begründet werden sollte. Museen sind von der öffentlichen Hand (Staat, Land, Stadt) treuhänderisch im gesellschaftlichen Interesse erhaltene und verwaltete Einrichtungen. Öffentlich sind sie nicht deswegen, weil sie (in der Regel uneingeschränkt) zugänglich sind, sondern weil sie (wie auch Schulen, Verkehrseinrichtungen, Krankenhäuser, Gefängnisse, Universitäten, Theater usw.) zur allgemeinen Wohlfahrt, das heißt ganz allgemein zum Wohlergehen aller beitragen. Inwieweit sich eine Zielvorstellung in einen gesellschaftlichen „Auftrag“ einfügt, muß erkennbar sein.

Zweitens kann man sich fragen, ob das Museum, für das man das Projekt entwirft, eine besondere geschichtliche oder institutionelle Identität besitzt - etwa in der Sammlungspolitik, in der Rolle, die es traditionell in einer Stadt einnimmt, in der Art und Weise, wie es Communities miteinbeziehen uam. Bei der Formulierung einer Zielvorstellung muß klar sein, ob diese Identität bewahrt oder auch gestärkt oder im Gegenteil abgestreift, transformiert werden soll. 

Als Beispiel dazu habe ich die von lebhafter und aktiver Entfaltung bürgerlicher Öffentlichkeit gekennzeichneten Gründungsjahrzehnte des Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum im Kopf, in der es um den Aufbau, die Konstruktion eines Landesbewußtseins geht. Die Umbenennung von Steuermärkischem Landesmuseum Joanneum inin Universalmuseum und die Forcierung des Museums als professionell beworbener ‚Marke‘ kann man als Bruch mit der Vergangenheit deuten kann.

Drittens haben Museen eine Reihe von strukturellen Eigenschaften, zu denen man sich verhalten muß. Sie neigen zu Verdinglichigung und Objektzentrierung, zur Deklarierung von Werten und Erzählweisen mit hohem Anspruch auf - fast nie begründeter und ausgewiesener - Autorität, zur von der Gegenwart trennenden, abschließenden Darstellung von Vergangenheit, zur scheinbar unumstößlicher Wahrhaftigkeit und allgemeiner Verbindlichkeit, zur hegemonialen Verallgemeinerung partikularer Werte und Wertvorstellung als für jedermann verbindlich und anerkennungspflichtig.

Diese Andeutungen mögen genügen um verständlich zu machen, daß in einer Zielvorstellung das Bild, das man vom Museum hat, die Haltung, die man einnimmt, deklariert werden muß. Der Spielraum, der einem zur Verfügung steht ist andeutungsweise vielleicht so zu beschreiben: den einen Pol bildet ein affirmatives, auf Vermittlung anerkannter Werte beruhendes Selbstbild, den andren eines, das auf Veränderung von Verhältnissen zielt. Die erstgenannte Haltung zementiert den (weit verbreiteten) Staus Quo des Museum, die andere den Wunsch nach Veränderung einschließlich der Transformation der Institution selbst.

Ein Beispiel: Das Australische Nationalmuseum in Canberra hatte in seinem Mission statement mal den Satz formuliert „What does it mean to be an Australian?“ (Inzwischen ist der Satz aus dem auf der Webseite des Museums veröffentlichten Mission statement verschwunden). Er könnte auch programmatisch am Beginn einer Zielvorgabe nahezu jeden Museum stehen. Es ist eine Frage, die sich sowohl das Museum stellt als auch an das Publikum und an eine allgemeine Öffentlichkeit gerichtet ist. Sie zielt auf ein zentrale ‚Sujet’ des Museums: Kollektive Identität (jedenfalls auf das, was dem Museum meist zugeschrieben und abverlangt wird: Identität zu „stiften“ bzw. repräsentieren. 

Als Frage formuliert, legt die des Museums in Canberra es nahe, daß sie unabschließbar, nicht endgültig beantwortbar sein könnte, weil es eben viele Vorstellung von, Wünsche an, Projektionen von Identität gibt. In der Formulierung wird nicht von der Feststellbarkeit von Identität ausgegangen (etwa in der Formulierung Worin besteht die australische Identität?), sondern davon, worin sie (für jeden Einzelnen, bestimmten Gruppen, die nationalstaatlich verfasste Gesellschaft als ganzer…) bestehen könnte. Nicht das Museum setzt autoritativ eine bestimmte Bedeutung (hier: von nationaler Identität), sondern überlasst die Bedeutungszuweisung seinem Publikum und der Öffentlichkeit: „What does it mean…?

Im vorarlberg museum gibt es - um ein weiteres Beispiel zu nennen, einen Abschnitt in der historischen Ausstellung, die den Titel „Making of“ trägt, in der über Zugehörigkeit und insofern Identität gesprochen wird - und das ausschließlich strukturiert von Fragen, die auf die verschiedenen Weisen zielen, wie Zugehörigkeit an wen unter welchen Bedingungen und von wem zugewiesen wird.

Meine Auffassung von Zielen, die man Museen zuschreiben kann, ist geprägt von der Beschäftigung mit der (Entstehungs)Geschichte des Museums und dem daraus abgeleiteten Bild vom Museum als Ort der deutenden Selbstauslegung von Gemeinschaften und eines zivilisierenden Ritual - vom Museum als Werkzeug der Selbstdeutung, der Sozialisation und Bildung im umfassenden Sinn. 
Deshalb liegt es mir, Zielvorstellungen bei Projekten immer in einem gesellschaftspolitischen Kontext zu verorten, wie weit oder eng gesteckt dieses Ziel auch sein mag. Ich denke, daß es freilich nicht um meine persönliche Auffassung geht. Musen sind von der öffentlichen Hand getragene, aus Steuergeldern finanzierte Einrichtungen, deren Sammlungen häufig auch allen gehören und die als öffentliche Einrichtung immer schon, wenn auch nur implizit und selten ausformuliert, gesellschaftliche Aufgaben haben und gesellschaftliche Interessen artikulieren.

Wenn man das in einer Zielvorstellung abbildet, landet man sehr schnell bei sehr anspruchsvollen und allgemeinen und insofern hinsichtlich ihrer Realisierung entmutigend hochgesteckten Zielsetzungen. Doch solche Zielsetzungen funktionieren wie der Fluchtpunkt in einer Zeichnung. Obwohl er sie strukturiert, wird wird er am Schluß unsichtbar sein dürfen.

Ein Beispiel: Bei Beginn der Arbeit an der Ausstellung Berge. Eine unverständliche Leidenschaft stand rasch das die Ausstellung strukturierende Thema fest. Aus den vielfältigen Darstellungsmöglichkeiten (Geschichte des Alpinismus; Natur- und Kulturgeschichte der Alpen; Sozial- und Alltagsgeschichte der Alpenbewohner usw.) wurde die körperliche Erfahrung des Bergsteigens ausgesucht. Komplementär dazu entwickelte sich ebenso rasch, die Idee, über Ursachen, Motive des Bergsteigens zu sprechen und damit ein Stück Deutung und Reflexion über das anzubieten, was man ja meist nur macht, ohne sich über die Beweggründe Rechenschaft abzulegen. Dies, ein kleines Stückchen Aufklärung, adressiert an die Reflexionsfähigkeit und -bereitschaft von Besuchern, das war das Ziel. Die ‚Leiberfahrung‘ war das Thema, der Inhalt.

Aus einer Zielsetzung lassen sich im Idealfall alle anderen Entscheidungen ableiten. Die vier wesentlichen Felder, auf denen Entscheidungen so oder so immer getroffen werden, stehen eben nicht gleichwertig nebeneinander (was die bekannte ICOM-Museums-Definition nahelegt, die von den Museumsaufgaben Bewahren, Sammeln, Erforschen und Vermitteln wie von gleichwertig nebeneinander existierenden spricht). 
Diese (schematisch benannten) Felder betreffen die Wahl des Inhalts (was wird gezeigt), die Wahl von Methoden (wie wird etwas vermittelt), die Wahl der Medien, (womit wird etwas dargestellt). Die vernünftigen, die bewußt getroffenen Entscheidungen fallen aber nur dann, wenn sie von Zielsetzungen regiert werden (wozu will ich etwas vermitteln). 

3

Das Projektteam braucht eine klare organisatorische Struktur.

Die Rollen, selbstverständlich einschließlich der Leitungs-, Verantwortungsposition, müssen klar sein. Es muß klargestellt sein, wie das Verhältnis von Museums- (Ausstellungs-)leitung zur Projektleitung aussieht. Es braucht einen präzisen Zeitplan und jemanden, der die Autorität verliehen bekommen hat, diesen Zeitplan zu kontrollieren und nötigenfalls durchzusetzen. 

Es scheint mir sinnvoll - in welcher Form lasse ich offen - Personen von außen hinzuziehen, vor allem um die Richtung des Denkens gelegentlich zu wechseln, und sei es in Form eines Probehandelns und des Alternativen-Suchens. Es soll damit eine andere Expertise ins Spiel kommen, eine, die im Team nicht vorhanden ist.
Grundsätzlicher ist das Problem, daß sich Anforderung in einer Projektentwicklung nur teilweise mit der in Museen meist üblichen fachlich-kuratorialen Kompetenz überschneidet. Die Expertise von Kuratoren stammt meist aus akademischer Ausbildung, die sich aber im Managen von Projekten als sowohl sachlich als auch organisatorisch unzureichend erweisen kann.  

Deshalb sind meiner Erfahrung nach Teams mit flacher Hierarchie erfolgreicher, nicht nur weil das Machtgefälle gering ist, sondern weil in solchen Teams die Rollen und Sichtweisen gewissermaßen getauscht werden können. Im Idealfall kann jeder in die Rolle/Aufgabe des anderen hineinschlüpfen und jeder kann das zulassen, daß, auf Zeit, jemand mit seinem Kopf denkt.
Arbeit in solchen Teams schätze ich persönlich sehr und bin skeptisch gegenüber einer (unter Umständen extrem arbeitsteiligen, wenngleich auch hochprofessionellen) Funktionsaufteilung in strikt abgegrenzte Zuständigkeiten wie es etwa in großen Ausstellungsbüros der Fall ist.

Wenig höre ich so oft aus Museen, wie die Klage, daß keine Zeit zum reflektierenden Innehalten da ist, daß Projekte auch nach ihrem Abschluss nicht mehr besprochen, diskutiert werden. Daß immer alle im Zeit- und Arbeitsdruck eingespannt sind, die jedes Nachdenken be- oder verhindert. Also, gerade dann, wenn der Zeitdruck unerträglich zu werden beginnt, sollte man paradox intervenieren und Innehalten und sich eine Runde Reflexion gönnen.

Es ist ohnehin eine regelmäßige Kontrolle in der Entwicklung des Projektes nötig. Es muß immer wieder überprüft werden, ob das Projekt inhaltlich - gemessen an den Zielvorstellungen -, zeitlich und finanziell „im Rahmen“ ist.

An einem deutschen Museum habe ich kürzlich eine professionelle Evaluation (im Rahmen einer vom Museum veranstalteten fachlichen Tagung) nur drei Monate nach der Eröffnung erlebt. War überraschend für mich, aber auch plausibel als Form der Bilanzierung und als Anregung allfälliger Adaptionen.