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Montag, 26. Februar 2024

Wir basteln uns einen Stuhl nach eigenem Entwurf

 

In der Ausstellung "Perfectly unperfect" des Gewerbemusuems Winterthur wird nahezu die Hälfte der Ausstellungsfläche den Besuchern zum Basteln eingeräumt. Hier liegt alles bereit, Bohrer, Schrauben, Holz, Materialien zum Entwerfen, um einen mehr oder weniger brauchbaren Stuhl zu bauen.

Freitag, 9. Februar 2024

Partizipation mit Eichhörnchen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe inatura-Freunde,

 

die inatura ruft zum Mitmachen beim Citizen-Science-Projekt „Kleine Säugetiere in Vorarlberg“ auf. Gewünscht sind Fotos von Eichhörnchen.

Alle wichtigen Informationen für die Meldung einer Eichhörnchenbeobachtung sind auf der Website der inatura (Fotos von Eichhörnchen gesucht – Forschung für alle | Inatura Erlebnis Naturschau) zu finden.


Donnerstag, 25. März 2021

Das Museum als aktiver Moderator sozialer Demokratie

 Das Museum als aktiver Moderator sozialer Demokratie

 

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Dieser Text basiert auf Notizen, die einem Beitrag zu einer Veranstaltung zu Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie zugrunde lagen. Die von der Hans Böckler Stiftung veranstaltete Zusammenkunft hatte den Untertitel Soziale Demokratie im Kulturhistorischen Museum. Wege zum partizipativen Museum. Meine für fünfzehn Minuten Redezeit vorbereiteten Überlegungen waren eher fragmentarisch und sind es mit ein paar Glättungen und Ergänzungen auch geblieben.

 

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Was wäre das - ein Museum der sozialen Demokratie?

Welche Erwartungen knüpfen sich an ein solches Museum?

Kann es so etwas geben, ein Museum, in dem die sozialen Bürgerrechte repräsentiert werden?

 

Soziale Demokratie, so lege ich es mir zurecht, ist eine gesellschaftliche Ordnung, in der nicht nur die verschiedene Menschen-, Grund- und Freiheitsrechte gesichert sind, sondern auch die materiellen Bedingungen und soziale Rechte, die den Genuss dieser Grund- und Freiheitsrechte überhaupt erst ermöglichen.

Für mich ergeben sich daraus drei Fragen: Wie weit wird das Museum als Organisation diesem Anspruch gerecht? Wie spiegeln die Sammlungspolitik, die Sammlung und die und die Ausstellungen diesen Anspruch? Und schließlich: Welches Verhältnis pflegt das Museum zu seinem Publikum und generell zur Öffentlichkeit. Wie bestimmt es seinen Platz und seine Aufgabe innerhalb Gesellschaft.

 

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Ich möchte zuerst kurz skizzieren, wie ich die drei Anforderungen in der derzeitigen Museumspraxis realisiert bzw. nicht realisiert sehe.

Zur ersten Frage: Ist das Museum eine Organisation, die man demokratisch nennen kann, in der soziale Demokratie selbst verankert ist? In welchen Museumsorganisationen ist Demokratie eine zentrale Handlungsorientierung und etwas, was die innerbetrieblichen Machtverhältnisse, Abläufe und Entscheidungen prägt?

Ich kann dazu nur beispielhaft und anekdotisch etwas beitragen, ich kenne keine empirischen Untersuchungen zu musealen Organisationsformen.

Was mir sofort eingefallen ist, ist der einzige mir bekannte Versuch, gewerkschaftliche Mitbestimmung in Museen einzuführen. Das sogenannte Hamburger Modell vom Anfang der 70er-Jahre, das von MItarbeiterInnen der kommunalen Hamburger Museen gefordert und von den Museumsleitern heftig bekämpft wurde. Der von mir geschätzte Leiter der Hamburger Kunsthalle entsetzte sich mit der Vorstellung Da könne ja nun jede Putzfrau bei den Ausstellungen mitbestimmen.

 

Keine gewerkschaftliche aber überhaupt Mitsprache forderten jüngst die Leiter der Museen der Stiftung Preussischer Kulturbesitz ein, um sich in einen Evaluationsprozess einzuklinken, der zunächst ohne ihr Wissen und zutun von der Kulturstaatssekretärin begonnen worden war und im dem eine Zeit lang die Zerschlagung der Stiftung im Raum stand. Die mir völlig sinnvoll und selbstverständliche Beteiligung der Museumsdirektoren wurde von einer großen überregionalen Zeitung gar als basisdemokratische Revolution bezeichnet.

 

Ein anderes Beispiel für Implementierung sozialer Demokratie ist der Versuch, an den österreichischen Bundesmuseen einen Kollektivvertrag durchzusetzen. In erster Linie wird das zur Verbesserung der Anstellungsbedingungen und Entlohnung der Vermittlerinnen führen - die weibliche Form ist hier angebracht, es ist überwiegend ein Frauenberuf, nicht gut bezahlt und mit prekären Bedingungen. Für die Realisierung dieses Vorhabens, so höre ich, gibt es gute Aussichten.

 

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Ich komme zur zweiten Frage: Wie spiegeln die Sammlungspolitik, die Sammlung und die Ausstellungen den Anspruch soziale Demokratie im Museum zu repräsentieren? Das heißt, wie wird die Geschichte der Arbeit, der der Arbeiterbewegung und ihrer Organisation, der sozialen Kämpfe und Reformen, der Organisation der Arbeiterschaft und vieles andere mehr durch Museen repräsentiert.

Da kann ich mich auf eine umfangreiche Recherche von Wolfgang Jäger berufen, der sich in einer Reihe deutscher kulturhistorischer Museen auf die Suche nach sozialer Demokratie in Ausstellungen gemacht hat. (Wolfgang Jäger: Soziale Bürgerrechte im Museum. Die Repräsentation sozialer Demokratie in neun kulturhistorischen Museen. Bielefeld 2000. Mir stand ein umfangreiches Manuskript von Wolfgang Jäger zu diesem Thema zur Verfügung). Sein Befund ist ernüchternd, aber nicht überraschend. In vielen (kultur)historischen Museen ist er kaum bis gar nicht fündig geworden. Soziale Demokratie spielt in den Erzählungen der einschlägigen Museen, nicht jene Rolle, die ihr in der Wirklichkeit zugekommen ist und zukommt. (*)

Ich denke, in Österreich würde eine ähnliche Recherche ebenso ernüchternd ausfallen und die Existenz des Museums Industrielle Arbeitswelt Steyr, auf Initiative der Gewerkschaftsjugend gegründet, das verdienstvolle Ausstellungen macht, muß man ebenso als eine Ausnahme aus der Regel ansehen wie das wunderbare Museum Das Rote Wien im Waschsalon des Karl Marx-Hofes in Wien, das die Kommunalpolitik des sozialistisch regierten Wien in der Ersten Republik zeigt aber auch den hohen Grad und die Qualität der Selbstorganisation der Arbeiterschaft.

 

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Die dritte Frage ist die nach der Beziehung des Museums zu seinem Publikum und zur Gesellschaft insgesamt.

Wie sattsam bekannt, gibt es eine inzwischen universale Kennzahl, die über den Wert und Wirkung von Museen - vermeintlich - Auskunft gibt. Die Anzahl der Besuche(r).

Jüngst las ich, daß eine englische Tageszeitung eine Bezahlung der MitarbeiterInnen nach der Zahl der Klicks ihrer Artikel einführen will. Noch ist es am Museum nicht so weit, aber die Bindung von „Erfolg“ und „Wert“ der Institution ist schon lange eng mit der Besucherstatistik gekoppelt. Damit einher hat sich eine Art neoliberaler Wettlauf entwickelt – in Österreich zwischen den großen Kunstmuseen -, um mediale Aufmerksamkeit innerhalb der Konkurrenz der vielfältigen (hoch)kulturellen Angebote.

Was aber noch nachhaltiger zu wirken begonnen hat ist die Gleichsetzung dieser Zahlen mit der Vorstellung allgemeiner Zugänglichkeit und Akzeptanz des Museums. Die bei einzelnen Museen in die Hunderttausende gehenden statistischen Zahlen (der Louvre als einsamer Spitzenreiter übertraf die 10-Millionen-Marke) legen nahe, daß Museen universal zugängliche Bildungsinstitutionen sind – und daher demokratisch.

Diese irreführende Gleichsetzung ist alt. 1919 formulierte der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Gustav Pauli, den Satz, daß das Museum zu den "demokratischesten aller Bildungsinstitute“ gehört, das "jedermann ohne Legitimationsprüfung den Vorteil seiner stummen Belehrung gewährt.“

Das verrät nicht nur eine paternalistische pädagogische Haltung, Pauli legt uns nahe, das Museum als im sozialen Sinn völlig barrierefrei wahrzunehmen.

Spätestens seit den 80er-Jahren weiß man, dass das ganz und gar nicht stimmt. Etwa 50% einer Bevölkerung sind keine Museumsbesucher. Sie haben nicht die materiellen Voraussetzungen und verfügen nicht über die nötige Vorbildung.

Das Museum ist ein Ort der sozialen Distinktion

Und weil das Museum dennoch allgemeine Geltung seiner Werte vertritt, ist es auch ein Ort der kulturellen Hegemonie.

 

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Ich möchte nun meine drei Fragen noch einmal durchgehen, und überlegen, wie denn das Museum zu einem Ort der sozialen Demokratie, ein aktiver Moderator von Demokratie überhaupt werden kann.

Es liegt auf der Hand, dass sich die Organisation selbst verändern müsste, sowohl nach innen. als auch was ihre Einbettung in politisch-administrative Prozesse betrifft. Es muss in der Organisation veränderte Entscheidungsprozesse und Arbeitsabläufe geben; keinem Museum sollte erlaubt werden, von Partizipation sprechen dürfen, wenn es nicht Partizipation im weitesten Sinn in der Organisation selbst zulässt.

Und ohne kultur- und museumspolitischen Rahmen kann es kaum so etwas wie eine Vermittlung zwischen gesellschaftlichen Interessen und Bedürfnissen und institutionellem Handeln geben.

Man wird drittens nach Wegen suchen müssen, das Museum zur Gesellschaft hin durchlässiger zu machen, über Partizipation hinaus Teilhabe zu ermöglichen, in der in die Regeln der Institution eingegriffen werden darf. Denn Partizipation heißt, wenn sie mehr sein soll als ein von der Institution veranstaltetes und kontrolliertes Mitmachen, zuzulassen, dass sie die Institution selbst verändert.

Betriebe man das konsequent, dann hieße das, daß Museen Macht abgeben und Kontrolle mindestens lockern müssen. Dazu würden Museen bereit sein?

 

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Nun zur Frage nach der Öffentlichkeit des Museums. Diese Frage ist eine nach den Grundlagen unseres Verständnisses von Museen. Um mich verständlich zu machen, schiebe ich einen kurzen Exkurs zur Entstehung jenes Modells Museum ein, das wir immer noch gebrauchen. Es wird sich zeigen, wie verarmt das heute gebräuchliche Reden von der Öffentlichkeit des Museums geworden. Und ich möchte eine Grundlage gewinnen dafür, wie eine öffentliches Museum neu gedacht werden könnte.

Die Entstehung des Museums der Moderne hat ein präzises Datum. Am 10. August 1793 findet in Paris ein Fest, ein Umzug statt, ein Gründungsakt der Nation. Es wird am selben Tag eine neue Verfassung deklariert, die erste republikanische Frankreichs. Und am selben Tag wird das Museum im Louvre eröffnet.

Das Museum steht im Zentrum der Formierung einer Nation. Das Museum ist ein Ort eines zivilisierenden Rituals. Seine Rolle ist die, der Gemeinschaft zu ermöglichen, sich um das kulturelle Erbe zu scharen. Um Dinge, die ihre Funktion, ihren Sitz im Leben verloren haben, die aus der Warenzirkulation als unveräußerlich herausgehalten werden und darum so etwas wie einen heiligen Schatz bilden.

Dieses Erbe, die musealen Sammlungen repräsentieren die res publica, das Ding, das etymologisch als Thing in ein- und demselben Wort sowohl auf Sache und Sammlung als auch auf Versammlung (das Sich-Versammeln im Museumsraum) verweist. Es ist jene, im Grunde unidentifizierbare gemeinsame Sache, um derentwillen sich Gemeinschaften bilden, und die im Museum repräsentierbar scheint.

Das Museum (der Französischen Revolution) wirkt dabei auch kompensierend. Es kompensiert den Verlust von die Gemeinschaft zentrierenden, zusammenhaltenden transzendentalen Prinzipien und deren irdische Repräsentation, in Frankreich den des Königs und seiner zwei Körper, des göttlichen und des irdischen. Der wird angeklagt und wenige Monate nach der Museumseröffnung hingerichtet. Das Wegbrechen einer transzendentalen Identifikation hat die Suche nach neuen, nun innerweltlichen Formen der Identifikation zur Folge. Eine Antwort ist das Museum.

 

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Das Museum ist ab nun ein zivilisierendes Ritual. Aber es ist ab nun auch ein Ort der Vermittlung von Sach- und Orientierungswissen, von Geschichtserfahrung an – im Idealfall – für alle Staatsbürger.

Als Ort der Zivilisierung ist es einer, an der sich Bürger zu Staatsbürgern bilden, indem sie sich um ihre gemeinsamen und insofern öffentlichen Angelegenheiten kümmern. Die Öffentlichkeit der Institution Museum enthält also ein Versprechen von Gleichheit und Freiheit wie von Verantwortung aller Bürger für das Gemeinwohl.

Das Museum ist also beides zugleich: der Ort an dem Zivilisierung dargestellt und an der sie hergestellt wird.

Damit das geleistet werden kann, bedarf es einer bestimmten Struktur des Museums, eine, die in aus vier Merkmalen besteht.

 

Garantiertes Recht auf Bildung und der materiellen Voraussetzungen dazu

 

Allgemeine Zugänglichkeit

 

Gemeinschaftlicher Besitz der Kulturgüter

 

Und gemeinschaftliche Finanzierung, das heißt, aus Steuermitteln

 

Das ist die Grundlage des Verständnisses vom Museum als einer Instanz, die das gesellschaftliche Ziel, den Auftrag des Wohlfahrtstaates, das maximale Glück einer maximalen Zahl zu erreichen, verwirklicht.

 

Für unsere Frage nach dem Museum der sozialen Demokratie ist die rechtliche Regelung interessant, auf die am Beginn der Museumsentwicklung, diese Struktur ruht. In der Verfassung von 1793 heißt es im Artikel 22: „Der Unterricht ist für alle ein Bedürfnis. Die Gesellschaft soll mit aller Macht die Fortschritte der öffentlichen Aufklärung fördern und den Unterricht allen Bürgern zugänglich machen.“

Im unmittelbar vorangehenden Artikel 21 findet sich das: „Die öffentliche Unterstützung ist eine heilige Schuld. Die Gesellschaft schuldet ihren unglücklichen Mitbürgern den Unterhalt, indem sie ihnen entweder Arbeit verschafft oder denen, die außerstande sind, zu arbeiten, die Mittel für ihr Dasein sichert.“  

 

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Dieses Museumsmodell ist ein Ort liberaler, bürgerlicher Öffentlichkeit. Diese Öffentlichkeit hatte das Aushandeln von Konflikten unter Gleichen und damit die Harmonisierung von Konflikten zum Ziel. Tendenz zur Harmonisierung ist aber auch eine Eigenschaft des Museums. Seine Erzählweisen und Darstellungsmethoden neigten lange Zeit dazu, uns Unschuldskomödien vorzuspielen, alles in eine Geschichte der fortschreitenden Zivilisierung zu verwandeln unter Aussparung der traumatisierenden und gewaltförmigen Aspekte.

 

Dieses Modell scheint erschöpft. Und das Museum hat sich auch gewandelt, die Triumpherzählungen werden seltener, die Einbeziehung von Schuld und Trauma selbstverständlicher. Und inzwischen fordern immer mehr Gruppen ihren Einschluß in die musealen Erzählungen und das macht Museen diverser. Die aktuelle Debatte um den Umgang mit kolonialem Erbe zeigt indes, wie schwer die Umstellung fällt, welcher Widerstand sichtbar wird.

 

Museen müssen fähig gemacht werden, Konflikte anzusprechen und auszutragen, Interessen, Ideologien, Machtverhältnisse offenzulegen. Vermittlungs- und Diskursformen müssen geeignet sein, dem Rechnung zu tragen. Eine sehr schwierige Anforderung angesichts der wachsenden Polarisierungen und der Zerfallserscheinungen bürgerlicher Öffentlichkeit unter dem vieldiskutierten Druck der sogenannten sozialen Medien.

 

Zuallererst muss sich aber das Museum selbstreflexiv seiner Mechanismen des Erzählens und Bedeutens vergewissern – und seiner problematischen Sublimierungsleistung. Ein grundlegender Wandel müsste sich auch auf organisatorischer Ebene vollziehen, die Arbeitsaufgaben und Rollenverständnisse würden sich drastisch ändern, KuratorInnen wären dann nicht im Wortsinn „Sorgenträger“ ums Objekt, sondern Moderatoren politischer Auseinandersetzungen.

 

Es ist ja nicht so, dass die Museen bislang nicht schon Grundfragen unserer Zivilisation repräsentiert hätten, die wachsender Naturbeherrschung und Naturzerstörung, die Naturbeherrschung am Menschen, die Eroberung und Vernichtung fremder und vergangener Kulturen, die Gewaltförmigkeit in der Geschlechterbeziehung und anderes mehr.

 

Aber das Museum kann angesichts der Klima- und Coronakrise, der Bedrohung der Demokratie, der wachsenden Ungleichheiten, der grassierenden Zukunftslosigkeit der Politik nicht an der bloßen Ästhetisierung und Sublimierung der Probleme und Konflikte festhalten. Es kann sich auch nicht als neutraler Beobachter verstehen, der selbst aus den Konflikten ausgenommen ist. Gerade die Coronakrise zeigt ja, daß das Museum nicht einfach nur sammlungspolitisch reagieren kann wie ein Sammler, der Indizien zusammenträgt. Denn es ist ja selbst vielfach betroffen, finanziell, hinsichtlich seiner Besucher und hinsichtlich seiner Legitimation angesichts der Zweifel an seiner „Systemrelevanz“.

 

Das Museum muß sich als politischer Akteur verstehen, der sich den genannten und von mir nur fragmentarisch aufgezählten Problemen annimmt. Sonst verfehlt es seine Aufgabe, nervöses Auffangsorgan (Aby Warburg) zu sein. Als solches muss das Museum Ort agonaler, also konfliktfähiger, streitbarer Öffentlichkeit sein.

 

Agonistische Öffentlichkeit (Chantal Mouffe) deklariert die Interessen, benennt die Probleme, macht sie kenntlich und lässt sie aufeinandertreffen. Agonale Öffentlichkeit ist vielfältig und vielgestaltig. Konflikte zu bearbeiten geht nur im Medium des Konflikts selbst, weil nur so Differenzen, Standpunkte und Interessen sichtbar gemacht und bearbeitet werden können. Das Museum wäre dann ein Ort der streitbaren und pluralen Gegenöffentlichkeiten, wo herkömmliche Werte und Normen infrage gestellt und auch angegriffen werden könnten. Das Museum müsste sich vom affirmativen hegemonialen zum Raum der Unruhe und des Dissens wandeln. Um dieser Vorstellung etwas die Schwere der sozialpolitischen Bürde zu nehmen, die man dem Museum auflastet, greife ich zwei Worte auf, die kürzlich die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz gebaucht hat: Kritikübungsräume. Solidaritätsversicherungsversuche.

 

Der Zweck demokratischer Institutionen“ besteht, schreibt der australische Aktivist Simon Sheik „nicht in der Herstellung eines rationalen Konsenses in der Öffentlichkeit, sondern in der Entschärfung des Potenzials für Feindseligkeiten, das in menschlichen Gesellschaften existiert, indem die Transformation von Antagonismus in 'Agonismus' ermöglicht wird."

 

Erst wenn Museen sich selbstreflexiv zu verhalten lernen, wenn sie sich gegenüber der Öffentlichkeit öffnen, wenn sie sich reorganisieren kann das Museum zu dem Ort werden, als der er von Anfang an gedacht war: einer der Selbstauslegung, einer der Aufklärung der Gesellschaft über sich.

 

(*) Im Beitrag von Sabine Kritter, Imaginationskrise der Arbeit und die Kulturalisierung der Gegenwart im Museum, fand dieser Befund insofern eine Ergänzung und Vertiefung als dort von einer Kulturalisierung der Darstellung der Arbeit gesprochen wurde, die aber im gegenwärtigen Ausstellen kaum noch vorkomme. Es gibt eine Krise des Vorstellungsvermögens von Arbeit, viele Tätigkeiten würden entweder gar nicht als Arbeit angesehen oder es sei zweifelhaft, ob es sich um Arbeit handle.

 

 

März 2021

 

 

Montag, 6. November 2017

Repression/Partizipation. Eine weitere Anmerkung zur Farce der Bestellung einer neuen Leitung am steirischen Landesmuseum

In den noch nicht ganz zehn Jahren, in denen ich diesen Blog betreibe, ist es erst ein Mal vorgekommen, daß Posts in kurzer Zeit derart häufig abgerufen wurden wie die beiden, die ich zur "Farce" (Kleine Zeitung) der Bestellung einer neuen Leitung des Universalmuseum Joanneum verfasst habe.
Der vom 31. Oktober hatte innerhalb von 24 Stunden mehrere hunderte "Besuche" ("Politik und Museum. Am Beispiel der "Farce" um die Bestellung einer neuen Leitung des Universalmuseum Graz", hier nachzulesen), und auch der frühere wurde weit überdurchschnittlich oft abgerufen ("Universalmuseum Joanneum Graz. "Parteienenschacher". "Farce". "Postenproporz", 22.Oktober, hier nachzulesen).

Die Statistiken, die der Blog automatisch erstellt, geben kaum Auskunft über die Zusammensetzung der "Leser", außer daß diesmal, wenig überraschend, überproportional viele aus Österreich kamen und kommen. Was die "Leser" erwarten,  und wie sie reagieren, das läßt sich nicht einmal erahnen.

Gut möglich, daß auch MitarbeiterInnen des Joanneum dabei sind, denn immerhin hat das derzeit knapp an die vierhundert davon, und es sind, wie man unschwer erfahren kann viele davon betroffen, beunruhigt und auch empört.

Artikuliert wird dieser Unmut sicher nicht in der Öffentlichkeit. Einerseits verpflichten interne (fragwürdige) Regelungen MitarbeiterInnen zur Verschwiegenheit, was interne Angelegenheiten angeht. Und das selbst in diesem Fall, wo ja nichts mehr "intern", sondern durchaus öffentlich ist. Wie viele Museen auch hat auch das Joanneum eine sehr strikte hierarchisch Organisationen, der Leitung viele Möglichkeiten in die Hand gibt, interne Diskussionen zu steuern oder gar einzudämmen und im Einzelfall zu unterbinden. Ich kenne aus meiner Zeit am Joanneum einige einschlägige Vorfälle und war selbst Objekt ziemlich willkürlich-zufälliger Repression am Rande der Entlassungsdrohung.


Das Joanneum hat es ja geschafft, seine Leiterin der Personalverwaltung auf eine Weise loszuwerden (ich glaube 2010 war das), die diese selbst mir gegenüber als Mobbing bezeichnet hat. Wenn es um Machtfragen geht, lassen solche Organisationen nicht mit sich Spaßen und das hohe Risiko, den Job zu verlieren, geht niemand so schnell um idealistischer Motive willen ein.


Nein, die Belegschaft hat keine guten Karten, sich in die öffentliche Diskussion - sofern die überhaupt weitergeführt wird -, einzuschalten. Etwa in eine Diskussion, die weiterköchelt, weil die FPÖ eine Neuausschreibung der Joanneums-Leitung gefordert hat.

Eigentlich wäre es schon aus ganz praktischen Gründen hoch an der Zeit, MitarbeiterInnen an Informationen und Entscheidungen umfassend zu beteiligen, ihnen große Verantwortung zu übertragen und Loyalität über Identifikation mit gemeinsam entwickelten Zielen in kooperativen Projekten zu erzeugen und nicht durch ein repressives Klima und dann auch mal durch Zwang.


Hunderte Mitarbeiterinnen vom öffentlichen Diskurs in eigner Angelegenheit und Verantwortung nach Möglichkeit fernzuhalten, gerade dort, wo sie betroffen sind, widerspricht rechtlichen und demokratischen Grundregeln. Das ist so banal, daß ich mich fast geniere, das hinzuschreiben.

Am Österreichischen Museumstag 2017 hat eine Teilnehmerin in einem Arbeitskreis, in dem wir auf das Thema zu sprechen kamen, eine rabiate wie bedenkenswerte Formulierung gefunden: Partizipation - ein Modewort, das Museen gerne vollmundig in den Mund nehmen -, kann es nur geben, wenn es zuvor Partizipation im Museum (ich verstehe darunter weit mehr als nur gewerkschaftliche Mitbestimmung) gibt. Davon ist das Joanneum, und nicht nur das, weit entfernt.

Sonntag, 1. Januar 2017

Das Jüdische Museum Hohenems. Ein außergewöhnliches Museum feierte sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum

Der Standard hat in seiner Ausgabe vom 31.12./1.1. - also gerade noch im letzten Moment - meinen schon vor Monaten verfassten Artikel veröffentlicht (im Album), den ich aus Anlaß des 25jährigen Jubiläums des Hauses verfasst habe. Der Text, den der Standard mit "Im Zeichen der Achtung des Anderen" übertitelte", enthält hier im Blog einige kleiner Korrekturen.


Das Jüdische Museum in Hohenems


Ein kleines „Spezialmuseum“, das bald zwanzigtausend Besucher im Jahr hat, dessen Freundesverein über fünfhundert Mitglieder auf allen Kontinenten zählt, das weit über die Grenzen seines Bundeslandes und Staates hinaus bekannt ist und das eine buchstäblich weltweite Community hat – so ein Museum soll es in Österreich geben? Ja, in der kleinen Vorarlberger Stadt Hohenems - ich spreche vom Jüdischen Museum, das in diesem Jahr sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiert.
Hier geht es aber ausnahmsweise mal nicht um die Statistik der Besuche oder Events, sondern um die Einbettung eines Hauses, seiner Ausstellungen, seines Teams und deren Arbeit in einen vielstimmigen Zusammenhang, in unterschiedlichsten Öffentlichkeiten und um eine höchst lebendige und produktive Beziehung des Museums zu Besuchern, Experten, Unterstützern, Trägern, Förderern, Gästen.
Und so kann der heutige Direktor des Museums, Hanno Loewy mit Recht und Selbstbewußtsein sagen: „Ich kenne keine Institution, die von so vielen Menschen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aus Überzeugung und mit Emotion, aus Neugier, mit Witz und politischer Wachheit getragen wird.“

Dieses Museum habe ich im Jahr seiner Gründung 1991, kennengelernt, als ein sorgfältig geführtes Haus mit einer klug gestalteten Dauerausstellung, untergebracht in der umsichtig restaurierten Villa Heimann-Rosenthal. Nun war dieses Haus ein Erinnerungsort geworden, der an die einst vom Hohenemser Fürsten protegierte und nun gänzlich verschwundene Jüdische Gemeinde erinnerte.
Der Gründung ging eine jahrelanger, zeitweise heftig geführter Konflikt voraus, in dem der Stellenwert der Geschichte des Judentums in Vorarlberg erörtert wurde, aber auch in welcher Form und mit welchen Schwerpunkten man diese Geschichte in einem Museum darstellen sollte. Dieser vielfach geschichtete Konflikt - ein Generationenkonflikt, ein ideologischer Dissens, einer zwischen „Schulen“ der Historikerzunft -, mündete in eine Museumsgründung, die sich von Anfang an als nicht bloß lebensfähig sondern konzeptuell, architektonisch und museumspolitisch als kraftvoll und innovativ erwies.

Wer das Museum besucht, wird nichts vordergründig Spektakuläres vorfinden. Es gibt keine glanzvolle Judaikasammlung, sondern eine Dauerausstellung die, zusammengesetzt aus Spuren, Überlebseln und Relikten, die von vielen Leerstellen durchsetzte Geschichte der jüdischen Gemeinde Hohenems, die Umständen ihrer gewaltsamen Vertreibung und Vernichtung und die Einzeichnung dieser Geschichte in das Stadtbild und –gedächtnis erzählt.
Was dem zufällig ein- oder zweimal vorbeikommenden Besucher verborgen bleiben wird, sind die vielen Veranstaltungen, die sich in vielen Formaten, an vielerlei Adressatenkreise wenden und in denen ebenso vielfältige Themen diskutiert werden. Das reicht von der Debatte über ein bemerkenswertes einzelnes Objekt aus der derzeit laufenden Sonderausstellung „Übrig“, in der sowohl die vom Museum betriebene genealogische Forschung als auch die dokumentarische Bedeutung von Sammlungsobjekten zur Sprache kommt bis zur großen Diskussion mit an die fünfzig Expertinnen und Experten aus Anlass des Jubiläums. Dort ging es um nicht mehr und nicht weniger als um die wünschbare Zukunft Jüdischer Museen generell und des Hohenemser Museums im besonderen.
Was unser Einmal-Besucher vielleicht spüren wird, ist, wie sehr das kleine Museum Ort der Vergesellschaftung ist, das heißt einer an dem Menschen zusammenkommen um den Grund und die Weise ihres Zusammenlebens zu ergründen, manchmal vielleicht auch zu erneuern, ihre gemeinsame Geschichte zu deuten, die Beziehung zu ihren sozialen Umwelten zu erforschen, auch zum allgemein Fremden und Anderen. Denn zu den herausragenden Möglichkeiten von Museen gehört die Möglichkeit dem „Anderen“ in einem geschützten Raum und zivilen Rahmen zu begegnen.

Deswegen sind Museen auch geeignet, eine wesentliche demokratische Aufgabe wahrzunehmen, die Sorge um Minderheiten, um die immer wieder von Konflikten bedrohte Beziehung von Mehrheit und Minderheit. Jüdische Museen bleiben auch deswegen unausweichlich an historische und aktuelle Konflikte gebunden. Denn während die ersten Jüdischen Museen von Jüdischen Gemeinden gegründet wurden, zu Ende des 19. Jahrhunderts, als Symptome der Assimilation und des Selbstbewusstseins dieser Gemeinden, sind die jüngeren Gründungen, die seit den 80er-Jahren in den deutschsprachigen Ländern entstanden sind, unausweichlich von der Dialektik von Täterschaft und Opfer, von Schuldbewusstsein und Anerkennung von Schuld geprägt. Und immer mehr auch vom Blick auf die „Anderen“ von heute, auf die komplexen Fragen von Zugehörigkeit und Anerkennung, die Gegenwart von Einwanderung, Flüchtlingsdebatten und Identitätspolitik. Letztlich also die Frage, wer eigentlich den „Demos“ der Demokratie von heute ausmacht. Wer „wir“ sind und wer zu „uns“ gehört und gehören soll.

Deswegen ist es von belang, daß das Museum aus einem Konflikt heraus gegründet wurde: es hat früh die Fähigkeit ausgebildet und sich erhalten, konflikthafte Themen zu bearbeiten, in Debatten, Projekten und Ausstellungen. Die laufende Ausstellung „Übrig“ zum Beispiel, die Objekte aus der Sammlung zeigt, zeigt sie nicht nur als glücklich überlieferte Zeugnisse, sondern auch als Dokumente vielfältiger Konflikte, solcher der Überlieferung, des Gebrauchs, der Geltung, der Deutung.
Anders gesagt, das Museum übt sich in der in der avancierten Museologie nachdrücklich geforderten Kunst der Selbstreflexion. Damit bin ich beim zentralen Punkt meiner anhaltenden Wertschätzung des Jüdischen Museums. Ein Museum das sich entwickelt, das in gewisser Weise „lernt“ – als Organisation, als Wissensraum, als besondere Form von Öffentlichkeit -, hat immer auch einen Blick auf das, was es ist und wie es etwas tut. Es geht verantwortlich damit um, wie es seine Themen wählt und welcher Vermittlung es bedarf. Und vor allem wird es sich immer und immer wieder die Frage stellen, welche Verantwortung es gegenüber seinen Communities und der Gesellschaft als Ganzes hat. Denn das ist der Sinn des Museums als öffentlicher Institution: Es verwaltet und bearbeitet gesellschaftliche Interessen treuhänderisch.

Ich erläutere das an der Projektreihe „Ein Viertel Stadt“. Der Umgang mit dem historischen Stadtkern von Hohenems, dem Jüdischen Viertel, war in den 90er-Jahren vielfach ins Gerede gekommen. Immobilienspekulationen zeichneten sich ab, die Denkmalpflege erwog eine komplette Unterschutzstellung. Es hätte aber auch ganz im Gegenteil zum Verschwinden wichtiger, auch historisch bedeutender Bauten kommen können. Tatsächlich brannte ein wichtiges Objekt unter ungeklärten Umständen ab.
In dieser Situation intervenierte das Museum in den kommunale Debatten, verließ dazu sein Haus und ging in die Stadt um an ausgewählten Fassaden über Projektionen die Geschichte der Häuser und ihrer Nutzer und Bewohner zu erzählen und zu erinnern. Daß das Museum Mitverantwortung für die künftige Entwicklung der Stadt übernahm, war schon bemerkenswert. Daß man dabei aus dem Museum herausging und, gestützt auf sorgfältig vorbereitende Forschung, im Stadtraum selbst aktiv wurde, war erst recht originell - und wirksam. Die Projektreihe Projekts „Ein Viertel Stadt“ holte verschüttete, vergessene, verdrängte Geschichte und Geschichten zurück und verankerte sie neu im Gedächtnis der Stadt und ihrer Bevölkerung.
Die Bedeutung dieses Projekts liegt auch in der aktiven Beziehung des Museums zum Publikum bzw. zu den Stadtbewohnern. Es verhielt sich nicht passiv im Warten auf Besucher, die etwa schöne alte Dinge ansehen wollen, sondern erzeugte eine Gelegenheit und einen Raum, in dem sich Menschen zusammenfinden, sich sammeln, erinnern und debattieren konnten.
Das Museum gab keine Empfehlungen ab, es favorisierte keinen bestimmten Gesichtspunkt, es tat nicht so, als hätte es die eine „richtige“ Lösung. Sondern es stellte einen sozialen Raum zur Verfügung, in dem debattiert werden konnte, um es der Bevölkerung von Hohenems zu ermöglichen „ihre eigenen Angelegenheiten“ zu regeln. Genau das meint ja „Res publica“ – die öffentlichen Angelegenheiten und genau das war und ist der Sinn liberaler Öffentlichkeit. Sie gehört zum Kostbarsten und Grundlegenden, das eine demokratische Gesellschaft besitzt und meiner Meinung nach zum Wichtigsten, was ein Museum dazu leisten kann.
Daß die Synagoge aus einem Feuerwehrhaus zurückverwandelt werden und zu einem der praktischen und symbolischen Zentren des Ortes werden konnte, daß das Zentrum der Kleinstadt mit „Judengasse“ und „Christengasse“ heute wieder Leben zurückgewinnt, dass man in Hohenems öffentlich darüber diskutieren kann, wie denn ein „ortsübliches“ Minarett aussehen könnte, all das wurde durch solches Projekt erst möglich.

Räume zu besitzen, wo ein solcher Austausch von Interessen unter Achtung und Anerkennung des Anderen stattfinden kann, wo Konflikte sichtbar gemacht und unterschiedliche Interessen miteinander konfrontiert werden, ohne daß sie vorschnell harmonisiert werden, daß ist ein Herzstück demokratischer Politik. Die Fähigkeit des Museums, solche Gelegenheiten in den unterschiedlichsten Formen immer wieder herzustellen, daraus sein Programm zu entwickeln, seine Anliegen an eine zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit zu vermitteln, das ist es, was ich am Jüdischen Museum Hohenems bewundere. Angesichts der akuten gesellschaftlich-politischen Entwicklung wird es immer wichtiger, solche Orte zu haben und zu fördern.

Aber wie das Hohenemser Museum das macht, dafür gibt es viele Wege. Das reicht von der Aufmerksamkeit für den einzigartigen Jüdischen Friedhof über das außergewöhnliche Nachkommentreffen mit hunderten von Teilnehmern, die sich ihrer Vorfahren erinnern und die das kleine Museum mit seinen diversen fernen Communities buchstäblich auf der Weltkarte verankern, bis zu zur Serie von Sonderausstellungen, die die Dauerausstellung thematisch interpunktieren, vom Betreiben einer informativen Webseite, die eben mehr ist als nur ein übliches Marketingtool bis zur Forschungstätigkeit im Haus und zur jährlichen Europäischen Sommeruniversität für Jüdische Studien.

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Dieses beständige Abarbeiten an einer Aufgabe, im Wissen um die Schwierigkeiten Geschichte vermitteln, weist für mich immer aber auch über den Museumstyp „Jüdisches Museum“ hinaus - auf Qualitäten einer Museumsarbeit, die beispielhaft für andere Museen sein kann und sollte. Diese „doppelte Qualität“ – als jüdisches Museum mit seinen spezifischen Aufgaben und Verpflichtungen einerseits und als innovatives und reflexives Museum andrerseits, das sich seiner öffentlichen Verantwortung stets bewußt ist – das macht Hohenems zum einzigartiges Museum.

Freitag, 9. September 2016

Museum of the Burning Questions (Ein Museum)


The Museum of Burning Questions is a project curated by Nora Sternfeld, in collaboration with artist Isa Rosenberger, in Bergen’s historic fire station. The former Brandstasjon is now occupied by retired firemen whose ambition is to found a Fire Museum – a plan that has existed since 1936, the 20th anniversary of the great Bergen fire of 1916.

The Museum of Burning Questions does not manifest this aim, but establishes itself in the same location as a temporary alliance with the firemen. It is a space to think and debate, with The Partisan Café as its central zone, a shared space and a meeting place. Named in relation to a choice – partisan instead of participation – the name also borrows directly from the Partisan Coffee House, which was a space in London’s Soho for gatherings, conversation and debate, organised by the New Left in the late 1950s. The use of the title is not nostalgic but an actualisation – relating to and appropriating the name towards addressing the burning questions of today.

The Museum of Burning Questions has a starting point in the history of fires in Bergen, yet situates itself in broader discourses about infrastructures. In this sense, it addresses the future of museums and of burning questions about the wider world.

As part of her work with the former Brandstasjon, Isa Rosenberger will realise the film Brandstasjon, dedicated to and in collaboration with the retired firemen occupying the building, presented at Bergen Kunsthall together with an ‘archive’ of The Museum of Burning Questions. The film introduces stories related to the labour of the firemen; their struggle for the establishment of the Fire Museum and its associated artefacts; and the history of fire in Bergen and its impact on the city’s development. It also raises the issue of the firemen’s expectations regarding their temporary alliance with freethought, and what they consider to be the ‘burning questions’ for their vision of the Fire Museum and its wider context.

A part of this film project will be presented as an intervention in the Fire Museum and a copy will be donated to the Fire Museum for their permanent collection.

During the course of Bergen Assembly, guided tours of the former fire station will be offered. The starting point of the tours will be The Partisan Café, where part of the extensive collection of historic helmets is on display. The collection of helmets will be a starting point to discuss the plan to establish a Fire Museum in the former Brandstasjon as well as the temporary alliance with freethought and the broader burning questions of today.

Artist Ariel Schlesinger presents bags printed with the slogan fires need audiences. Open to interpretation, the phrase originated in a short poem composed by Schlesinger and the writer Dan Boehl during one of their ‘pyromania nights’ at the Akademie Schloss Solitude residency in Stuttgart, 2015. ‘Fires need audiences’ refers, in part, to Schlesinger’s obsession with fire and an urge to share this fascination with others. Having grown up in Israel, a place of aggregation, intolerance and occupation, Schlesinger is concerned with how the violence starts and what drives the cycle of disturbance.

The bags will be available from The Museum of Burning Questions during the Assembly, and will disperse into the streets of Bergen.

ISA ROSENBERGER AND THE RETIRED FIREMEN OF BERGEN: THE MUSEUM OF BURNING QUESTIONS
BERGEN ASSEMBLY 2016
ISA ROSENBERGER
THE RETIRED FIREMEN OF BERGEN: THE MUSEUM OF BURNING QUESTIONS

Installations

2.9 – 1.10.2016
Bergen Gamle Hovedbrannstasjon

Regular hours:
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Opening weekend:
(Fri) 10AM–10PM
(Sat-Sun) 11AM–10PM

Quelle: http://bergenassembly.no/event/isa-rosenberger-and-the-retired-firemen-of-bergen-the-museum-of-burning-questions/


Dienstag, 9. August 2016

Vortrag zum "Haus der Geschichte" bei der Österreichischen Forschungsgemeinschaft. Ein zweites Mal "nein" zum Projekt

Wie kann man Geschichte ausstellen?

I Ein österreichisches historisches Museum? Warum nicht!

Ich stehe dem Projekt eines Hauses der Geschichte Österreich sehr skeptisch gegenüber, und ich denke, diese Skepsis ist mit vielen Argumenten unterlegt. Das bedeutet aber nicht, daß ich ein österreichisches Geschichtsmuseum für sinnlos und überflüssig halte. Wäre ein solcher Ort nicht wünschenswert? Einer, an dem Prozesse gesellschaftlicher Selbstdeutung und Orientierung stattfinden könnten, an dem uns in der Erfahrung der Differenz der drei Zeithorizonte Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft neue Orientierungsmöglichkeiten eröffnet würden und das alles mit den genuin musealen Mitteln, also im Rückgriff auf dokumentarisch wie identitätsbedeutsame Gegenstände?
Meine Vorstellungen von einem solchen Museum unterschieden sich in so gut wie allen zentralen Merkmalen vom Konzept des Hauses der Geschichte Österreich. Statt einer paternalistischen Gründung und ideologisch fragwürdigen geschichtspolitischen Intervention, würde das Museum aus der Mitte der Zivilgesellschaft entspringen und von ihr getragen werden. Statt überdiskreter Planung in Hinterzimmern der Macht, gäbe es eine klar deklarierte Autorschaft, statt demokratische Offenheit bloß deklamatorisch zu beschwören, würden Partizipation und transparente Planung von Anfang gepflegt.
Statt allein auf die gewiss unverzichtbare fachliche Kompetenz der akademischen Geschichtswissenschaften zu setzen, müsste man sich gewärtig sein, daß es um die Geschichtskultur und politische Kultur allgemein geht und dementsprechend eine ungemein breitere Fachkompetenz wünschenswert wäre, wenn es um die Arbeit an musealer Repräsentation geht. Und ist es denkbar, da heute das Wort Partizipation in aller Munde ist, wo es um Museen und Ausstellungen geht, sich allein auf Experten zu stützen und nicht auch andere Gruppen einzubeziehen?
Methodisch hieße das, von den weitgehend umhinterfragten Prämissen der Historikerausstellung Abstand zu nehmen, also von der Praxis, auf Schriftquellen gestützte Texte zu generieren, denen Objekte alibihaft und illustrativ zugeordnet werden. Im Museum wie ich es mir erträume, müßte man die hohe Kunst der visuell vorgetragenen Argumentation beherrschen - diese seltene Fähigkeit zwischen fachlicher, ästhetischer und museologischer Kompetenz, die nicht einfach deren Quersumme bildet, sondern etwas Anderes, schwer zu Fassendes.
Statt auf so etwas wie kollektive hegemoniale Identität hinzuarbeiten, auf eine - wenngleich nicht offen deklarierte - identitätspolitische Zielsetzung, müsste ein anderes Geschichtsmuseum der Republik auf ein offenes, flexibles Konzept des Projizierens und Verhandelnds von konkurrierenden Identitäten setzen. Die Betreiber eines solchen Museums wüßten, daß Identität auch im Museum, so verführerisch die Institution dafür geeignet erscheint, nicht festzustellen oder festzuhalten ist.
Statt des weitgehend bekannten und voraussehbaren, chronologisch vorgetragenen Kanons von Tatsachen und Ereignissen setzte mein Museum auf eine rabiate Zuspitzung all jener Gegenwartsfragen, die uns beschäftigen und uns beunruhigen. Diese Zuspitzung käme nicht aus dem Museum, sie ist längst in der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit derart brisant geworden, daß mir nicht einleuchten will, daß eine Art von neohistorisierender Panoramatik genügen soll, um dem etwas entgegenzusetzen. Eine historisierende Rückschau auf das was und wie es einmal gewesen ist, scheint mir angesichts der Gegenwartsprobleme vollkommen ungenügend.
Der Rückbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaates, die Erosion demokratischer Institutionen und Regeln, die Entfesselung destruktiver neoliberaler Ökonomie, ja die Kassierung des Politischen überhaupt, das Anwachsen rechtsextremer Bewegungen, das alles braucht kein Museum als Unschuldskomödie, das uns die gefahrlose Besichtigung unserer politischen Elendslandschaften erlauben soll.

II Das überschätzte Museum

Eine einfachen Frage: Worin besteht der erwünschte Effekt, den das Haus der Geschichte Österreich haben soll? Was wird von ihm erwartet, was soll es leisten?
Ich meine damit nicht Absichten, sondern Effekte, die deklariert werden und deren Eintreten oder Ausbleiben auch kontrolliert werden kann.
In meiner Einladung zur Veranstaltung ist die Rede vom „für unser Land so bedeutenden Projekt“. Sicher, ein historisches Museum wäre etwas Neues in der österreichischen Museumslandschaft. Als Argument taugt das allein aber wenig. Der Hinweis, anderswo gäbe es so etwas, also müße es das endlich auch hier geben, ist weder zwingend noch sachlich richtig. Große nationale Geschichtsmuseen sind in Europa seltener als man glaubt. Ich wüßte weder in London oder Paris oder Rom, einen Ort, wo ich hingehen könnte, um über die Geschichte des Landes umfassend und aktuell informiert zu werden.
Aber worin liegt die Bedeutung der aktuellen Wiener Museumsgründung genau?
Soll das Nationalbewusstsein gestärkt werden? Immerhin war im Entwurf zur Abänderung des Bundesmuseumsgesetzes von nicht weniger die Rede als einer "Stätte der geistig-kulturellen Identität Österreichs“. Geht es allgemein um Sachwissen zur Geschichte Österreichs? Soll das Museum das Geschichtsbewusstsein der breiten Bevölkerung verbessern? Sollen aktuelle gesellschaftliche Probleme im Licht historischer Entwicklungen zur Diskussion gestellt werden? Soll es eine Visitenkarte für Wien-Touristen sein? Ein Informationspool für an Geschichte Interessierter? Ein Medium der Popularisierung der Zeitgeschichtsforschung?
Dieses Ziel ist unklar und Historiker wie Gerhard Botz haben gefordert, im Konzept für das Museum muß das identitätspolitischen Ziel offengelegt werden. Die Antwort darauf ist von den Moderatoren des Projekts nicht zu bekommen.
Stattdessen wird über Inhalte gesprochen, über Periodisierung, über die Tauglichkeit oder z.B. über die Untauglichkeit der Hofburgarchitektur, über den Zeitplan, aber nicht über den gesellschaftspolitischen Sinn des Projektes, den es jetzt, in diesen Tagen, in den kommenden Jahren hat und haben soll.
Da gibt es aber eine zweite Frage: Wieso erwartet man, daß dieses oder jenes Ziel  mit den Mitteln des Museums, mit den Mitteln einer Ausstellung tatsächlich erreicht werden kann?
Es scheint so, als wäre das Projekt eines Hauses der Geschichte Österreich Nutznießer einer diskreten Anerkennung der Institution als solcher - aber unter Aussparung aller seiner strukturellen Widersprüche. Das Museum erscheint als eine Art von black box, die man auf der einen Seite mit guten Absichten, programmatischen Deklarationen und vollmundigen Versprechungen füttert um auf der anderen Seite frisches Geschichtsbewusstsein herauszubekommen.
Ich zitiere die wesentliche Passage des sogenannte Mission Statement des vorliegenden Konzepts: „Das ‚Haus der Geschichte Österreich‘ (…) vermittelt die Geschichte Österreichs ab der Mitte des 19. Jahrhunderts (…) einem möglichst breiten Publikum in ihrem europäischen und internationalen Kontext und ermöglicht eine historische Auseinandersetzung. Das Haus der Geschichte Österreich wird ein aktives und offenes Diskussionsforum für historische Fragestellungen und Themen der Gegenwart sein.“
Als solches wird es, so der Leiter des Beirates, Oliver Rathkolb, zu „ausgeprägtem kritischen Geschichtsbewusstsein“ beitragen und zu „positivem Demokratiebewußtsein“. Wie Oliver Rathkolb ist auch Johanna Rachinger als Leiterin der Nationalbibliothek, der das Haus der Geschichte eingegliedert wird, in zentraler verantwortlicher Position. Ihr geht es um eine „kritische Erinnerungskultur“, um die „offene Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte“ und die „Vermittlung eines wissenschaftlich fundierten Geschichtsbildes“. Nicht daß man solchen Zielen nicht gerne zustimmen wollte, aber warum wird die Frage ausgeklammert, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln alle diese und andere hehre Ziele denn erreicht werden können?
Noch nie ist ein Museum allein wegen eines schriftlichen Konzepts gelungen. Sondern immer erst in seiner organisatorischen und museografischen Realisierung. Dazu findet sich kaum etwas im Konzept und ein Mitglied des Beirates hat mir glaubhaft versichert, daß ein bereits verfasster museologischer Teil komplett aus dem Konzept wieder herausgenommen wurde. Warum? Ist er misslungen?
Das Museum ist ein höchst komplexes aus vielen Medien zusammengesetztes hybrides aber auch plastisches Medium mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Gestaltbarkeit auf allen Ebenen. Aber sein Status zwischen Wissenschaft, Kunst, Ästhetik und Didaktik ist unklar und auch die Autorschaft oszilliert zwischen den Rollen des Wissenschafters und Künstlers, zwischen wissenschaftlicher und sehr spezifischer ästhetischer Kompetenz. Haben die gerade die Historiker und Historikerinnen?
Interessant ist, daß zum ersten Mal, der Ruf nach Museologen erhoben wird. Aber Museologie ist weder ein Beruf noch eine Wissenschaft, eher ein Feld von Forschungen und Diskursen der unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen deren Gemeinsamkeit ist, sich mit dem "Museum als Schlüsselphänomen der Moderne" (Sharon MacDonald), zu beschäftigen.
Alle meine Fragen lassen sich in einer bündeln: Kann die wissenschaftliche und künstlerische Repräsentationen der Vergangenheit, wie sie Museen und Ausstellungen zu leisten beanspruchen, ganzen Gesellschaften oder zumindest Gruppen von ihnen Identität, Selbstwert, Erinnerungsfähigkeit oder Reflexionswissen vermitteln?

III Zwischen dem Gewissheitsanspruch der Geschichtsdidaktik und dem Generalverdacht der Undarstellbarkeit der Geschichte

Die Antwort auf die Frage der Repräsentierbarkeit von Geschichte vermeint man in einer Methodik oder Didaktik des Museums zu finden, in der besonderen Art und Weise des Zeigens und Zu-Sehen-Gebens, des Arrangieren von Objekten, des räumlichen Inszenierens, des Kommentierens durch Texte oder weitere Objekte. Wohl wegen meiner museologischen und ausstellungspraktischen Erfahrung hat man mich gebeten, über die Darstellbarkeit von Geschichte zu sprechen.
Allerdings ist das Thema derart komplex und es gibt theoretisch wie praktisch derart viele Antworten auf diese Frage. Es ist nicht möglich hier auch nur annähernd die diversen Optionen darzustellen und an Beispielen zu illustrieren. Deshalb habe ich mich entschieden, eine sehr enge Auswahl zu treffen. In ihr liegt der Schwerpunkt auf der Formierung des Publikums, auf der Herstellung von Öffentlichkeiten, und nicht auf Objekten, Medien und Inszenierung.
Der Grund für die Auswahl liegt darin, daß ich damit, statt mich allgemein zu halten, jenen Formen von Vermittlung Aufmerksamkeit schenke, die in unserem Fall, also bei einem historischen - und wie immer auch - „nationalen“ Museum mir wünschbar scheinen. Meine Beispiele illustrieren also nicht nur eine bestimmte Form der Geschichtsvermittlung, sondern ich habe sie auch als Anregung gewählt, für ein Haus der Geschichte Österreich an derartige Praktiken zu denken und sich an ihnen zu messen.
Als Kriterien der Auswahl dienten mir zwei Aspekte. Der eine Aspekt ist die Frage, wie Ausstellungen mit dem zivilisierend-rituellen, dem vergesellschaftungs- und öffentlichkeitsbildenenden Potential umgehen, das meiner Überzeugung nach den Kern des europäischen Aufklärungsprojektes Museum ausmacht. Den anderen Aspekt borge ich mir von Heidemarie Uhl. Sie hat in ihrem Beitrag in der Tagungsdokumentation zum Haus der Geschichte Österreich die Undarstellbarkeit der Geschichte als unvermeidliche Grundbedingung moderner Geschichtsdarstellung angeführt. Ausstellungen machen hieße, ich zitiere sie, die „Gemachtheit und Kontingenz der Geschichtserzählung“ anzuerkennen und erkennbar zu machen. Dem stimme ich zu und aus dieser Einsicht heraus sind ja auch viele faszinierende Projekte entstanden.

Die ehemalige Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien

Wenn ich beide Aspekte zusammenfüge, fällt mir als erstes die Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien ein, die bis 2011 bestanden hat und die auf Anordnung der damals bestellten neuen Leiterin abgebrochen wurde.
Die damalige Chefkuratorin des Museums, Felicitas Heimann-Jelinek und der Architekt Martin Kohlbauer konzipierten in einem salonartigen Raum des Palais Eskeles eine aus Hologrammen bestehende Platzstruktur.


Begibt sich der Besucher in den von den Tafeln gebildeten Raum sieht er sich umgeben von Bildern. Nach Maßgabe der Position, die der Besucher einnimmt, scheinen auf jeder Tafel Objekte auf, Fragmente ehemaligen Wiener jüdischen Lebens, eine Straßenansicht der Leopoldstadt, ein Porträt von Theodor Herzl, Ritualobjekte, Industrieerzeugnisse, alltägliche Gegenstände, - und sie verschwinden wieder, wenn der Besucher weiter geht, sich bückt oder wendet.
Die Kuratorin schrieb dazu: „Das Medium der Transmissionshologramme thematisiert (das) Verschwinden, thematisiert, dass sich Geschichte uns entzieht. Darüber hinaus stellt es den absoluten Ausgangspunkt des historischen Objekts ebenso in Frage in Frage wie das Konzept einer ‚wahren’ historischen Rekonstruktion. Keine Ausstellung kann deutlich machen, was österreichisch-jüdische Geschichte in ihrem ganzen Ausmaß tatsächlich war.“


Das ‚Verschwinden’, das Ephemere der ‚Bilder’ des Hologramms verweigert auch eine phantasmatische an das Museum gerichtete Erwartung: dass es durch dauerhafte Sicherung, Fest-Stellung von Dingen dauerhaft Erinnerung sichern und aufbewahren könnte.
Selbst das memoriale Zeichen, das auf fast keinem Platz fehlen darf, bietet hier trotz seiner monumentalen Festigkeit nur neue Ambivalenzen. Der aus der  Mitte des Gevierts gerückte Block – der ganz allgemein die Form- und Gedächtnisgelegenheit des Denkmals evoziert -  trägt eine Tafel mit einem der ältesten Aufzeichnungsmedien, eine chronologische Liste. Doch aus der lakonischen Aufzählung von zwischen 903 und 1994 ausgespannten Daten lässt sich keine zusammenhängende Erzählung rekonstruieren. Die räumliche und thematische Inszenierung der Hologramme stellt ebenfalls keinen Zusammenhang her, vielmehr sagen sie etwas aus über das Fehlen solchen Zusammenhangs, über die Abwesenheit der vernichteten Wiener jüdischen Kultur vor 1938, die sich dem Besucher nicht zu schönen Erinnerungsbildern verklärt. 05_Hologramme von Synagogen
Die Hologrammbilder vermitteln zwischen dem, was das Museum zeigen und dem, was der Besucher sehen kann und bringen zur Anschauung, dass das Vergangene eine gegenwärtige Konstruktion des Museums und dass der Besucher an dieser Konstruktion beteiligt ist.

Die voids des Jüdischen Museums Berlin

Noch radikaler hat sich der Architekt Daniel Libeskind bei seiner Architektur des Jüdischen Museum Berlin jeder Repräsentation verweigert. Hier gibt es Räume, die von Spuren, Bedeutungen, von Objekten vollkommen frei sein sollen. Er entwickelte die Architektur nicht für ein Ensemble von mit Objekten bespielbarer Ausstellungsräume, was, soweit ich sehe, in der Geschichte der Museumsarchitektur insofern einzigartig ist, als damit die Last der Repräsentation von der Sammlung und Ausstellung auf die Architektur übertragen wird. Im Grunde macht sie eine Ausstellung und Objekte entbehrlich, allerdings um den Preis extremer Abstraktion. Hier gibt es keine Vermittlung zwischen Dingen und Besuchern, keine Erzählung, sondern einen evokativen Raum, in dem sich Erinnern einstellen kann - oder auch nicht.



Libeskind schuf mehrere durch die Geschosse führenden, schachtartigen Räume, sogenannte voids. Es gab aber auch mitten im Museum einen voided void, also, wenn das überhaupt denkbar ist, so etwas wie eine geleerte Leere. Dieser voided void ist nicht betretbar aber man kann in ihn hineinsehen.
Die voids wurden z.T. zur Installation von Kunstwerken genutzt aber auch, und das war die Intention des Architekten, als Räume der Kontemplation, der Erinnerung und des Eingedenkens.
Es geht auch beim Jüdischen Museum in Berlin um ein Sich-Sammeln, wie im Grunde bei jedem Museum, um eine Sammeln von Personen um Objekte zum Zweck der Selbstdeutung. Wo aber Objekte fehlen, wie hier, kann im geglückten Fall, liebendes Eingedenken freigesetzt werden, wie in unvordenklichen Zeiten, da Bild und Text das Erinnern noch nicht stützten, eine Erinnerungspraxis, deren mythologischen Agentinnen, die Musen, die sich des Gesangs und Tanzes als Medium bedienten, der modernen institutionellen Erinnerungsform des Museums ihren Namen geliehen haben.

Ein Viertel Stadt. Jüdisches Museum Hohenems

Methodisch und strategisch ungleich pragmatischer ist da das Jüdische Museum im Vorarlbergischen Hohenems gewesen, das meiner Beobachtung nach derzeit interessanteste Museum Österreichs. Es hat mit der Projektreihe Ein Viertel Stadt eine sehr inspirierende Form der Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte entwickelt. Im Teilprojekt „Belichtete Häuser“, wurden nach intensiven Recherchen zur Hausgeschichte einige Schlüsselobjekte der Gemeinde sozusagen bespielt, an mehreren sommerlichen Abenden, mit Projektionen von Texten, Bildern, Dokumenten usw. zur Haus- und Familiengeschichte.


Angesichts teils spekulativer Überlegungen zu Abriss und Bautätigkeit inmitten des ehemaligen Jüdischen Viertels, gab das Projekt gewissermaßen dem Stadtteil und seinen Bewohnern vergessene oder verdrängte Geschichte zurück. Es war eine Konfrontation mit verschütteter Erinnerung, sicherte Spuren der vernichteten jüdischen Gemeinde und stellte Fragen nach dem sinnvollen Umgang mit dem Viertel.


Greifbarstes Ergebnis war die Beendigung der Nutzung der baulich erhaltenen barocken Synagoge als Feuerwehrdepot und deren Umwidmung zum Versammlungsraum, den das Museum aber auch die Stadt nutzen. Bis heute wirkt diese Ausstellung ganz praktisch in Politik, Stadtplanung und öffentlich-kommunalen Debatten nach.
Statt auf Besucher zu warten, stellt das Museum hier von sich aus ein Stück Öffentlichkeit aktiv her, in diesem Fall auch außerhalb seiner Mauern, und bildet damit einen Raum für demokratische Debatten und auf sie aufbauende Entscheidungsgrundlagen. Dabei war und ist ein Umstand hier ganz besonders wichtig. Das Hohenemser Jüdische Museum ist aus einer noch dazu höchst kontroversen zivilgesellschaftlichen Debatte entstanden und hat bis heute diese Verankerung in einer inzwischen buchstäblich weltweit existierenden Community vertieft.

Democracy. Group Material. New York

1988-89 organisierte die New Yorker Künstlergruppe Group Material auf Einladung der Dia Art Fundation unter dem Titel Democracy eine mehrteilige Veranstaltung darunter eine multithematische Ausstellung. Hier wird das Ausstellen direkt und explizit zum sozialen und diskursiven Raum und zur Öffentlichkeit, die sich ihrer fundamental politischen Rolle bewußt ist.
Es gab vier nichtöffentliche ExpertInnen-Diskussionen, vier Ausstellungen und vier öffentliche Foren, sogenannte town meetings. Die Ausstellungen genügten sich nicht selbst, sondern bildeten für die Debatten Informationsmöglichkeiten und Kontexte zu den vier Hauptthemen Education, Politics and Election, Cultural Partizipation und AIDS and Democracy. Die town meetings fanden in den Ausstellungsräumlichkeiten statt. Das heißt, der Stoff der Ausstellung war unmittelbar auch Stoff der Debatten.


Bemerkenswert scheint mir hier einerseits die Vermischung der Formgelegenheiten, Ausstellung, künstlerische Installation, soziale Intervention, Vermittlung, politischer Intervention. Dann vor allem aber der Umstand, daß hier durchaus in der Tradition des Museums selbst und seiner Genese im Kontext von bürgerlicher Aufklärung und Revolution, ein dezidiert politischer Begriff von Öffentlichkeit ins Spiel gebracht wird. Vergessen wir nicht, daß einer der ältesten Erprobungsräume liberaler Öffentlichkeit die Kunstausstellungen der Königlichen Akademie in Paris war. Museen waren von Anfang Orte der Konstituierung von Gesellschaftlichkeit im Medium diskursiver Öffentlichkeit. Democracy von Group Material zielt direkt ins Herz der politischen Öffentlichkeit, indem Demokratie in demokratischer Form und inhaltlich zum Thema gemacht wird. Democracy zeigt uns, wie man selbstreflexiv an Demokratie arbeiten kann.

Flamme eternelle. Musée d’Art moderne de la Ville de Paris

Heute würde man das Projekt von Group Material vielleicht mit dem in der Theorie des Kuratierens modischen Begriff der contact zone bezeichnen. Damit sind gesellschaftliche Räume gemeint, keineswegs nur museale, in denen AkteurInnen mit unterschiedlichen Positionen und Anliegen aufeinandertreffen und diese miteinander und alltäglich austauschen und sich mit ihnen konfrontieren. Ans Museum richtet sich das wie ein Appell, unterschiedliche Wissensformenen zu verhandeln. Weder werden existierende Machtverhältnisse damit aus der Welt geschafft, noch jene idealtypische Gleichheit aller hergestellt, die im habermasschen Modell bürgerlicher liberaler Öffentlichkeit idealtypisch behauptet wird. Stattdessen ist eine „unebene Reziprozität“ (James Clifford) zwischen Teilnehmerinnen bzw. Gruppen zu erwarten, also auch konfliktträchtiges Aufeinanderprallen von Interessen. Der Idee der contact zone liegt ein radikal-partizipatives Verständnis zugrunde, daß ein Ort unterschiedliche Öffentlichkeiten integrieren kann. Das kann eben auch ein Museum sein, oder eine Ausstellung, an dem Menschen aus freien Stücken und in frei gewählter Form der Kooperation und des Diskurses zusammenkommen.


Als ich vor Jahren unerwartet beim Besuch des Palais de Tokyo in Paris in die Installation flamme eternelle von Thomas Hirschhorn geraten bin, war ich unversehens Teil einer Versammlung um eine Art Lagerfeuer, Hestia, Grillplatz, Ewiges Licht, denn die flamme eternelle loderte tatsächlich und es hatte sich grade ein Cellospieler und im Zuhören versunkene Menschen um sie wie in einem feierlichen Moment unbestimmter Ritualität versammelt.
Während es beim Projekt von Group Material um einen politisch-didaktischen Impuls geht, bei Belichteten Häusern um eine relativ klar umrissene Debatte um Geschichte und Gestalt einer Stadt, bleibt bei einem künstlerisch-politischen Projekt wie flamme eternelle der Inhalt offen. Denn Partizipation macht nur so weit Sinn, als Kuratoren ihre Deutungsmacht, ihre Macht der Auswahl und Ordnung zugunsten anderer aufgeben. Im Grunde ist Partizipation niemals vollständig zu erreichen, denn entweder es bleibt immer ein Rest auktorialer Macht bei einem Kurator oder bei Veranstaltern oder es geht über diesen Punkt hinaus bis zu einer Selbstermächtigung einer Gruppe, die aber dann selbst die Autorschaft übernimmt. Flamme eternelle ist so ein Ort, der sehr weit der Selbstbestimmung seiner Nutzergemeinschaft überlassen wurde. Hier war zwar der Künstler, Thomas Hirschhorn täglich anwesend und in seiner Biografie wird flamme eternelle wie ein Werk angeführt, aber das ist hier ein Rahmen, eine Gelegenheit, ein Ort, der genutzt werden kann, ohne Barriere eines Eintrittsgeldes in der Zeit von 12 Uhr Mittag bis Mitternacht, täglich und der damit auch die museale Institution transformiert, in den er implementiert ist.


Partizipation ist insofern aporetisch, als sie, ernst genommen und konsequent realisiert, sich selbst abschafft. Ich denke, das war das Dilemma, das ich instinktiv bei mehrmaligen Besuch der Ausstellung im Pariser Museum spürte. Im Alltag fühlten sich die Räume nach wenig mehr an als Freizeiträume mit sehr begrenztem Unterhaltungswert. Aber möglicherweise war ja auch das durch das Konzept gedeckt. Und was da alles stattgefunden haben mag, das konnte sich mir als Zufalls-Zuschauer nicht erschließen. Denn es gab Auftritte von über zweihundert Experten, was flamme eternelle auch zu einer Art welcome center für Intellektuelle machte und die Frage aufwirft, ob ein ausdrücklicher Wunsch Hirschhorns in Erfüllung gegangen sein kann, ein nicht exklusives Publikum anzulocken.

63 Jahre danach. Graz 2010ff.

Im Jahr 2008 beauftragte der Steirische Landtag und die Landesregierung Jochen Gerz - ich zitiere - „ ein Gedenkzeichen zum Machtmissbrauch in der NS-Zeit zu entwickeln“. Ein Teil des Projektes war eine 2008 enthüllte und erinnernde Inschrift im Grazer Burgtor. Der zweite, ab 2010 in Graz und einigen steirischen Gemeinden präsente Teil, mit dem Titel 63 Jahre danach, war das Ergebnis eines sorgfältig konzipierten und komplexen Prozesses, in den steirische Politiker und die Bevölkerung einbezogen worden waren.
Am Beginn stand die Bildung einer interdisziplinären Forschungsgruppe aus steirischen Historikern, Kunsthistorikern, Soziologen, Germanisten, die sich auf die Suche nach Fotografien machten, die den Nationalsozialismus in der Steiermark dokumentierten. 96 der ausgewählten Fotografien wurden in der Kleinen Zeitung veröffentlicht und dort kommentiert. Dann wurde die Leserschaft aufgefordert, eine weitere Auswahl zu treffen, in der die Zahl der Fotodokumente auf die Hälfte, 48, reduziert wurde.


Diese Fotos werden nun den Landtagsabgeordneten mit der Bitte um einen persönlichen Text zu jeweils einem Foto vorgelegt. Deren Texte wurden wiederum in der Zeitung publiziert. Daraus wählt wiederum die Leserschaft 24 Beiträge aus und die 24 Plätze in Graz und in steirischen Gemeinden, an denen Texte und Bilder gezeigt werden.
Was komplizierter als eine Dogenwahl klingt, ermöglichte eine einzigartige Verschränkung noch dazu normalerweise gegeneinender abgeschotteter Öffentlichkeiten. „63 Jahre danach“ verschränkt Politik, Medien und Gesellschaft in eine einzige großen Interaktion und es entstehen mehrmals innerhalb des Entstehungsprozesses Räume autonomer Autorschaft. Selbst die Zeitung zieht sich, etwa ein ganzes Jahr lang, auf sachliche Berichterstattung und Dokumentation zurück und wird, zumindest auf Zeit, selbst zum Medium für von ihr nicht kontrollierbarer oder formierbarer Teilöffentlichkeiten. Politiker treten aus ihrer repräsentativen Rolle heraus und artikulieren sich auch als Privatpersonen, die mit ihren Erinnerungen und Erfahrungen über die Zeitdifferenz von dreiundsechzig Jahren hinweg direkt und indirekt über die aktuelle Bedeutung und Brisanz der subjektiven wie kollektiven Erinnerungen räsonieren. Sie werden damit wiederum zu einem Teil jener Zivilgesellschaft, die in der Leserschaft der Zeitung repräsentiert ist.
Zu den vielen außergewöhnlichen Qualitäten gehörte zum Beispiel auch die Aufmerksamkeit für die Dialektik von Stadt und Land - auf deren brisante gesellschaftspolitische Bedeutung uns eben die Bundespräsidentenwahl noch einmal nachdrücklich hingewiesen hat. Es gab ja Projektstationen in Graz und in einer Handvoll von Gemeinden, wobei es sich zeigte, daß sich einige Gemeinden der Aufstellung verweigerten.
Eine andre Besonderheit: Die Arbeitsgruppe, die eingesetzt wurde, um mit der Auswahl der Fotografien den ersten Schritt ins Projekt hinein zu machen, war interdisziplinär. Obwohl es ein zeitgeschichtliches Projekt war, überließ man es nicht allein der akademischen Geschichtswissenschaft. Ich könnte mir vorstellen, daß man diesen Kreis noch bunter hätte machen können.
Last but not least war auch das Landesmuseum involviert, und zwar als organisatorischer Rahmen, als Instanz der Realisierung in engster Kooperation mit Jochen Gerz. Das Museum trat aber nicht als Mitautor auf, wenngleich Werner Fenz, damals Leiter des dem Joanneum eingegliederten Instituts für Kunst im Öffentlichen Raum, Initiator war, griff nirgends inhaltlich in den Prozess ein und war auch kein räumlicher Gastgeber. Es gab eben keine Museumsausstellung, sondern, wenn man dem überhaupt einen Namen geben will, Interventionen oder Installationen im öffentlichen Raum, die dann jahrelang gezeigt wurden.



IV Nein

Museen sind Orte der Selbstdarstellung und Selbstauslegung von Gesellschaften und Gemeinschaften. In Museen sammeln sich Menschen um Gesammeltes und konstituieren sich dadurch als Publikum. Es geht ums Sammeln und ums Sich-Sammeln. Über Gegenstände und ihre Ausstellung und Ordnung deuten Menschen ihre Herkunft und Zukunft vor allem aber den Grund und den Zweck ihrer Zusammengehörigkeit.
Als Versammlung um eine Sammlung bilden die Beteiligten ein zivilisierendes Ritual, in dem sich körperliche und affektive Involvierung mit kognitiver Reflexion mischt, in der der Wahrheits- und Geltungsanspruch des Verhandelten geprüft und abgewogen wird.
Insofern bildet und bietet das Museum einen Raum liberaler bürgerlicher Öffentlichkeit, mit der das Museum genealogisch verbunden ist und durch das es selbst politisch und demokratisch wird, sofern es aus dem Diskurs niemanden ausschließt und sich die Beteiligten in wechselseitiger Anerkennung begegnen können.
Öffentlich ist das Museum aber vor allem als vom Staat im Interesse der Gesellschaft  eingerichtete, in ihrem Namen treuhänderisch verwaltete und aus Steuermitteln unterhaltene Institution, die, neben vielen anderen, einem Gesellschaftsziel dient. Seit den frühen republikanischen Verfassungen wird dieses Ziel mit allgemeiner und sozialer Wohlfahrt beschrieben.
Eine dritte öffentliche Funktion von Museen besteht in der symbolischen Vergemeinschaftung. Zum ersten Mal an den Museen greifbar, die in der Französischen Revolution gegründet wurden, ist das Museum ein sozialer Ort, nicht weniger als einer der Teilhabe der Bürger am Gründungsakt einer Nation. Sie konstituieren die neue Gesellschaft und reziprok werden sie, die Bürger durch diese Teilhabe zu Staatsbürgern.
Diese Form der Teilhabe steht ab nun, auch als verbrieftes demokratisches Recht, etwa in der Form des Rechtes auf Bildung in der Französischen Verfassung von 1793, jedermann zu und verleiht dem Ritual, mit dem sich Menschen im Museum zum Publikum zusammenfinden, eine bislang nicht denkbare und im Sammelwesen der frühen Neuzeit auch nicht angelegte politische und soziale Bedeutung.
Das Museumsritual ist unter den Bedingungen einer demokratisch verfassten Gesellschaft überdeterminiert. Denn die Frage nach dem Grund der Gesellschaft, nach ihrem Zusammenhalt, zielt einerseits auf eine Antwort die definitiv gültig sein soll. Andrerseits darf der Platz der Macht nie und schon gar nicht auf Dauer besetzt werden. In der Demokratie darf und kann es kein Objekt geben, das den Platz der Macht auf Dauer besetzt. Der geregelte und kontinuierliche Wechsel der Macht ist ein essentielles Strukturmerkmal von Demokratien.
Dazu gehört aber auch die Ahnung, dass es unmöglich ist, unter demokratischen Bedingungen ein Objekt zu denken und zu konstruieren, das die Gesellschaft repräsentiert, eint und zusammenhält. Wie immer man es nennen will, Patrimoine, Erbe, Heritage, I beni culturali, dieses Objekt das wir und das Museum vermeintlich besitzen, es entzieht sich uns ständig.
Ein Museum, das dieser Problemlage standhält, muß genau jene Eigenschaften besitzen, die auch angesichts der schwierigen Frage der Darstellbarkeit bzw. Undarstellbarkeit von Geschichte nötig sind. Angesichts der Unmöglichkeit, Identität festzustellen und festzuschreiben, etwa in einer großen nationalen Erzählung, bedarf es einer Reflexivität, die sich nicht nur auf Inhalte richtet, sondern auf das Verfahren.
Anders gesagt, ein Museum, das das Eigenschaftswort demokratisch zu Recht beanspruchen kann, bedarf einer doppelten Reflexivität. Es muß einerseits der Konstruktivität und Kontingenz des Vermittelten jederzeit gewärtig sein und andrerseits der Mechanismen der visuellen Repräsentation im Feld des Politischen. So fällt die Entscheidung, ob und wie weitgehend ein Museum demokratisch ist oder nicht.
Und wenn das Museum, genealogisch und strukturell ein Ort der gesellschaftlichen Selbstauslegung und -deutung ist, dann muß es sich selbst als Ort des Konflikts und des „polarisierenden Umdenkens“ (Jürgen Habermas) ausbilden, dann fungiert es als „agonistische Arena“, wo Demokratie immer wieder neu hergestellt und immer wieder aufs Neue verteidigt werden soll.
Davon ist das vorliegende Konzept nicht nur weit entfernt, es hat im Gegenteil Züge einer paternalistischen, geschichtspolitischen und hegemonialen Intervention, durch die die abgestandene Luft großkoalitionärer Politik weht und in dem keine Funken geschichtstheoretischer, ästhetischer und museologischer Innovation zünden.
Ich habe deshalb keinen Grund, meine Meinung, die ich auf der Tagung im Oktober vorgestellt habe, zu ändern. Damals habe ich gesagt: Ein Museum kann nicht nur von Demokratie sprechen, wie es im Konzept für ein Haus der Geschichte in der Neuen Burg der Fall ist, es muss auch selbst unter demokratischen Bedingungen entstehen und arbeiten.
Deshalb auch heute noch einmal: Ein klares Nein zu diesem Projekt.

Gottfried Fliedl
im August 2016