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Samstag, 9. Februar 2013

Das "Open Museum" in Glasgow. Die Idee der Vermitllung und der Partizipation auf dem Prüfstand

Eins der - fast zur Mode gewordenen - Stichworte der gegenwärtigen Museumsdebatten ist 'Partizipation'. Es wird unter diesem Etikett über Beteiligung, Einschluß, Selbstermächtigung diskutiert. Die Spannweite ist groß, wie man sich Partizipation vosrstellt. Das reicht vom bloßen mitmachen bis zum selbst verantworteten Tun.
Konsequent zu Ende gedacht, stößt man auf einen Widerspruch. Wenn man jede autoritative Einflußnahme aufgibt, wenn sozusagen der Ort der Macht den Platz wirklich wechselt, dann hört es auf, Partizipation zu sein. Partizipation wird ja vor dem Hintergrund von gesellschaftlichen und institutionellen Machtstrukturen diskutiert. Wie ist es möglich, diese - bezüglich des Museums oft sehr diskreten, versteckten, aber umso wirksameren Strukturen aufzuweichen oder eben auch ganz aufzulösen? Wenn alle Einflußnahme aufgegeben wird, dann ist aber auch das, was dann entsteht, für den- oder diejenigen, die ein partizipatives Projekt initiiert haben, völlig unverfügbar. Es wird irgendetwas sein, nicht mehr kontrollierbar, vielleicht auch weit weg von dem, was man landläufig unter Museums- oder Vermittlungsarbeit versteht.
Ich sage weder daß das gut und wünschenwert ist, noch daß es es nicht machbar und abzulehnen ist. Ich möchte nur auf diesen Widerspruch hinweisen und ein Programm vorstellen, das die kommunalen Museen in Glasgow gemeinsam betreuen, das "Open Museum", und bei dem man ganz praktisch prüfen kann, wo Partizipation anfängt oder endet.
Dieses Programm ist einfach und es ist erfolgreich. Ob man es ein partizipatives Projekt nennen kann? Ich bin nicht sicher, denn der Grad an Eigeninitiative und -verantwortung jener Gruppen, Communities, Teams, Stadtteilbewohnern, Schulklassen usw., die es nutzen, ist hoch.

Was ist das "Open Museum"?
Die städtischen Museen Glasgows betreiben eine gemeinsames Ressourcen-Center, was schon aus finanziellen und logistischen Gründen vernünftig erscheint. Es gibt ein gemeinsames Depot, das übrigens nach gewissen, einfachen Spielregeln für jedermann nutzbar ist, es gibt gemeinsame Verwaltungs- und Laborressourcen, Forschung und eben das "Open Museum".
Es wird von einer handvoll Personen betreut, die z.B. Stadtteilinitiativen bei der Erstellung von Ausstellungen unterstützen, die aber auch Objekte jedermann, der sich das wünscht, zur Verfügung stellen.
Zu dem Zweck werden Kisten gebastelt, in die thematisch zusammenpassende Objekte mit begleitenden Text- und Bildmaterial verstaut werden. Dazu gibt es eine eigne Werkstatt, eine Wunderkammer an Bastelmaterial, Werkstoffen, Farben, Klebern, Dingen und - Ideen.


Wenn z.B. eine Kiste zum Thema "Radfahren" realisiert werden soll, dann werden etwa zwanzig oder dreißig oder vielleicht auch mehr Objekte, fast ausnahmslos Originale aus den Sammlungsbeständen, zusammengestellt und eine passgenaue robuste und ansprechend gestaltete Kiste gepackt. Man muß sich das vielleicht so vosrstellen wie einen Picknickkorb. Jedes Teil hat sein passgenaues 'Bett', in das es schützend gelegt werden kann.


Das allein macht schon Lust, sich mit den Dingen zu befassen und die Sorgfalt, mit der das Behältnis herrgestellt ist, iat auch Ausdruck der Wertschätzung der Objekte.
Die Objekte ergeben keine Erzählung und keine Botschaft. Auch die beigefügten Materialien haben keine bestimmte pädagogische Absicht oder den Zweck der Wissensvermittlung. Es wird kein Lehrziel formuliert. Was man vor sich hat ist weder Exponat noch Lehrbehelf, es ist zunächst Material, Spielmaterial, Diskussionsstoff, den man nach eigenem Gutdünken nutzen kann.



Die Kisten werden an Gruppen verliehen, einige Wochen lang und es gibt dazu keinerlei vorgaben (wenn ich mich recht erinnere, gibt es auch keine Leihgebühr). Das "Open Museum" verzichtet auf jedes 'Briefing' und evaluiert nicht. Es gibt auch keine Bedenken, daß etwas zu Bruch gehen könnte. Obwohl die Objekte, die verliehen werden durchaus ihren Wert und ihre Bedeutung haben können, es ist beileibe kein Ramsch aus dem Depot, ganz im Gegenteil, und auch wenn manche Objekte  wirklich schön, interessant, rätselhaft, ansprechend usw. sind, trägt man es mit Fassung, wenn, was selten passsiert, etwas kaputt geht.


Ich habe das "Open Museum" im Rahmen einer Exkursion gesehen und die Reaktion der Gruppe war paradox. Einerseits haben an keiner Station der Exkursion die Augen so geleuchtet und nirgendwo begann gleich ein so begeistertes Stöbern, Probieren, Phantasieren. Es hat großen Spaß gemacht. Andrerseits war die Diskussion danach polarisiert. Begeisterung hier, große Skepsis da. Für die Skepsis gibt es eine, sicher nicht vollständige Erklärung. Im "Open Museum" wird der 'Vermittler' obsolet. Es gibt den "Bastler" und es gibt zwei Personen, die Ideen entwickeln, Objekte aussuchen, den Verleih organisieren (ich nehme mal an, von einer Adminstration unterstützt). Das "Open Museum" benötigt keine Instanz mehr 'zwischen' Objekt(en) und Personen. Damit fällt nicht nur eine (Berufs)Rolle weg, und deren Legitimation, sondern auch die autoritative Geste des Zeigens, Bedeutens, (Be)Lehrens usw.

Was an Autorität oder Deutungsmacht übrig bleibt, steckt in der vorbereitenden Arbeit, im Auswählen der Objekte (und davor schon, im Prozess, in dem die Museumssammlungen zustandegekommen sind - mehr oder weniger ja auch eine Wahl mit Interessen und Ideolgien). Man kann darüber nachdenken, wie stark oder wie schwach die Vorgaben sind, die in einem solchen Koffer stecken oder darüber, was durch das Setting, die Handhabe des Projekts alles ermöglicht wird und was nicht. Sicher ist, daß in dem Moment, in dem so eine Kiste außer Haus geht, keinerlei Einfluß auf das genommen wird, was dann passiert.
Ab diesem Zeitpunkt ist es keine Partizipation mehr, oder? Die Nutzer, Spieler, (Gedanken)Bastler, Ausprobierer, Nachdenker sind sich selbst genug, sie beteiligen sich nicht "an etwas", sie machen 'es' selbst. Es ist eine Reise ins Offene.




Montag, 7. Januar 2013

Die Schottische Nationalgalerie in Edinburgh

Das Glück, eine so wunderbare Stadt wie Edinburgh bei strahlendem, einen ganzen Tag anhaltenden Schönwetter zu erleben, hat wohl nicht jeder. Mein Gastgeber, Besitzer eines winzigen Hotels für eine hand voll von Gästen, wiegte den Kopf, als ich ihn nach der idealen Reisezeit fragte. "In Schottland kann es jederzeit regnen" war dann seine Auskunft. Das sollte ich auch noch erleben, am folgenden Tag, was Regen in Schottland heissen kann. Aber vorerst bin ich ja noch im sonnigen Edinburgh und habe die Altstadt verlassen, bin vom "Berg" auf dem die Burg liegt, herabgestiegen, kurve um die Waeverly Station herum und finde mich in einem Park, der entlang der Eisenbahnlinie angelegt ist, die Princess Street Gardens.
Von dort sieht die hoch oben schwebende Kante der Altstadt ziemlich eindrucksvoll aus. Ich komme an Scotts Monument vorbei, einem neogotischen Denkmal, das aussieht wie die gekappte Spitze einer mittelalterlichen Kirche, aber zwei sehr praktische Eigenschaften hat, einerseits an den Nationaldichter Schottlands Sir Walter Scott zu erinnern und, wenn man in das Denkmal hinein- und hochsteigt, eine schöne Aussicht zu bieten.

Vor mir liegen zwei Greek-Revival - Bauten, beide den Künsten gewidmet, eine Akademie und die Schottische Nationalgalerie - die Galerie wurde von William Henry Playfair geplant und 1859 eröffnet.. Vom Grün des Parks auf Abstand gehalten, hält sich hier die Bebauung der Stadt zurück und schafft den beiden Architekturen etwas Platz, den sie auch benötigen, denn gegen das Umfeld  der eindrucksvollen Stadtlandschaft kann sich hier selbst ein Monumentalbau nicht so ohne weiteres behaupten.
Zwei Tempelfassaden und eine kleine dazwischenliegende Loggia bilden die Eingangsfront - auch nicht gerade wenig an Aufwand an klassischem Zitat. Die Überraschung beim Betreten ist umso größer. Man findet sich in einem unerwartet kleinen, unspektakulären Raum, kauft seine Eintrittskarte und betritt auch schon den ersten Saal der Gemäldegalerie. Ein empfangender und repräsentativer, die Besucher "sammelnder" Raum, wie er so typisch ist für die meisten Museen, fehlt hier.




Die andere Überraschung ist die Galerie selbst. Durch die Tür tritt man wie durch eine Zeitfalte, plötzlich befindet man sich im 19.Jahrhundert. Rote Wandbespannungen, voluminöse, mit Leder bespannte Sitzmöbel, Plastiken, die eher als Raumausstattung fungieren, denn als Exponate und goldene römische Ziffern über den Durchgängen, die die Museumsordnung autoritativ markieren.
Mit einem Rundgang hat man auch schon die kleine feine Gemäldesammlung gesehen, deren bekanntestes, oft reproduzierte Gemälde, den Reverend Robert Walker beim Schlittschuhlaufen zeigt, gemalt von Joseph Raeburn im Jahr 1784.



Der Rundgang - das erschließt sich so recht erst bei einem Blick auf den Grundriss -, wird durch zwei Reihen von oktogonalen Räumen gebildet, deren toter Raum (der jeweils an den Kreuzungspunkten von vier Abschnitten entsteht) praktisch, z.B. für die Toiletten, genutzt wird, die man z.B. direkt durch die Wand mit den Gemälden betritt. Ich kenne keinen vergleichbaren Grundriss, aber die Zusammenfügung von aus identischen oktogonalen Raumeinheiten gebildeten zwei "Sälen" (Enfilade) und zwei intimeren Kabinetten, die in diese Struktur in deren Zentrum verschachtelt sind, bietet ein angenehmes Raumgefühl und - endlich einmal - Überschaubarkeit! Das ist ein Museum, das man mit dem Gefühl verlassen kann, man habe gesehen und gewürdigt was es zu bieten hat und als Bonus gibt es noch die Möglichkeit, in eine Galerie einzutauchen, die die Atmosphäre des 19.Jahrhunderts offenbar ziemlich authentisch erhalten hat.
Aber ich bin mit der Beschreibung nicht fertig. Das Museum hat noch zwei kleine Raumgruppen im oberen Geschoß. Auch deren Erschließung ist merkwürdig wie manches an der Architektur des Hauses. Die beiden "Belvederes" sind voneinander getrennt und man erreicht sie über zwei kleine, fast versteckt untergebrachte Treppenhäuser (also auch hier keinerlei Monumentalität, die ist hier überall vermieden), die auch als Sammlungsräume" genutzt werden.



Die Bezeichnung "Nationalgalerie" gilt hier nicht einer auftrumpfenden Rhetorik, die das Nationale nach Innen wie nach Außen verkündet, sondern einer kleinen, feinen bürgerlichen Galerie (deren Sammlungsgrundlage freilich königlicher Kunstbesitz war), die man wie eine versunkene Welt betreten und erfahren kann.
Und da man nach einem Museumsbesuch Hunger auf Kaffee und Kuchen hat taucht man am besten ins in den 70er-Jahren eingezogene Untergeschoss ein und nimmt seinen Espresso mit schönem Park- und Stadtblick.


Montag, 26. März 2012

"Jeder kann Ausstellungen machen!"

Mit einer wenige Seiten umfassenden Broschürer untewrstü+tzt das "Open Museum" in Glasgow Communities beim Produzieren eigener Ausstellungen. - Acht Schritte zur fertigen Ausstellung...

Freitag, 10. Februar 2012

The real thing (The stone of Possession II)

Der Englische Krönungsthron mit dem "Coronation Stone"
Der "Coronation Stone" ist ein roh behauener Sandsteinblock, 26 inches mal 16 inches mal 10 ½ inches groß und etwa 336 Pfund schwer. Er diente als Acessoir bei der Krönung der Schottischen Könige und symbolisierte somit die Selbständigkeit Schottlands.
Nach seinem ursprünglichen Aufbewahrungsort wird er auch "Stone of Scope" genannt, noch interessanter ist die Bezeichnung als "Stone of destiny", also übersetzbar als Stein der Fügung, des Schicksals - 'common destiny' ist die Schicksalsgemeinschaft.
1296 entwendete König Edward I. von England nach einem Schlachtensieg den Stein als Trophäe und ließ einen Krönungsthron bauen, in dem der Stein sichtbar 'verstaut' wurde. Von 1308 an wurden alle englischen Könige und Königinnen (mit zwei Ausnahmen) in Westminster Abbey auf diesem Thron gekrönt.
Die Übergabezeremonie
Der Stein überstand einen Bombenanschlag, den Frauen der Suffragetten(Wahlrechts)Bewegung verübten und eine erfolgreiche 'Rückholaktion' schottischer Studenten 1950.
1996 - also genau 700 Jahre nach seinem Raub - wurde der Stein an Schottland zurückgegeben, wobei man versprach, ihn bei künftigen Krönungen auszuleihen.
Der Stein befindet sich heute im Schloß von Edinburgh, wo er hinter Glas zu besichtigen ist. Bloßes touristisches Ausstellungsstück scheint er dadurch nicht zu werden: 2008 erklärte der schottische Minister Alex Salmond, der Stein könne nur ein mittelalterliches Fake gewesen sein, denn die Abtei Scope hätte angesichts des erwartbaren gewaltsamen Überfalls des englischen Königs den Stein doch sicher versteckt. Dies wird natürlich bestritten, unter anderem von einem der Studenten von 1950, der inzwischen ein Buch dazu geschrieben hat. Er versichert: this is the real thing!

Montag, 31. Oktober 2011

Your View (Texte im Museum 239)


Glasgow & Edinburgh. Museumstagebuch (Teil 2)


Rechts der Bau der 90erJahre, der der Schottischen Geschichte gewidmet ist, links der nun mehrfach geöffnete Übergang zu den Galerien des Gebäudes des 19. Jahrhundert.
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Erst vor etwa zwei Monaten wurde das Schottische Nationalmuseum wiedereröffnet. Die riesigen Galerien des viktorianischen Gebäudes des Royal Museum wurden saniert und völlig neu eingerichtet und mit dem der Schottischen Geschichte gewidmeten, 1998 eröffneten Museum of Scotland verbunden. 
So ist ein Mega-Museum entstanden, in dem man sich über Natur, Kunst, Kulturgeschichte, Kunstgewerbe, Technik, Weltkulturen und eben auch und das in einem mehrgeschossigen Bau, der in den 90er-Jahren errichtet wurde -, über schottische Geschichte informieren kann. Das Konzept ist noch, man plant bereits an einem Relaunch des Museum of Scotland -, gespalten. Während das historisch-nationale Museum eine einzige, im untersten Geschoß einsetzende chronologische Großerzählung ist, folgen die anderen Teile einem additiven Prinzip, eines das auch in der Mehrheit der anderen Museen die tragende Struktur ist.
Unter einem generellen Titel und auch räumlich als Ganzes definiert trifft man hier auf oft schroff gegensätzliche, oder zumindest thematisch nur lose oder gar nicht verknüpfte Stationen, die in sich eine ästhetische und informative Einheit bilden, ohne daß (in den meisten Fällen) eine verknüpfende Vertiefung zu anderen Stationen oder gar entlegeneren Teilen des Museums stattfindet.

Dieser Verzicht auf Chronologie und Erzählung ist auffallend und wird ebenso auffallend nur in zwei der Museen, die ich gesehen habe, nicht angewendet. Im schon erwähnten Museum, das die schottische Geschichte erzählt und in der Nationalgalerie, die in einem sehr charmanten historistischen Galeriebau untergebracht ist und bei der man offenbar bemüht ist, die Atmosphäre einer historischen Gemäldegalerie zu erhalten und den klassischen Kanon von Kunstgeschichte und ihrer Präsentation zu pflegen.
Da das Museum beim Durchqueren einem einer mehrfachen präsentationstechnisch-konzeptuellen Verwandlung aussetzt, mal Kunstmuseum ist, mal Naturlehrpfad, mal Scienc-Center, mal Geschichtsunterricht -, kann man mit wenigen Schritten zu völlig unterschiedlichen Informationen und Objekten kommen. Wenn man eine der ältesten erhaltenen Lokomotiven der Welt bestaunt, muß man sich nur nach rechts wenden, um Dolly the Sheep (das Klonschaf) sich samt Vitrine drehen zu sehen. Und man hat dann schräg im Rücken eine fernöstliche Gebetsmühle neben der einige Mütter mit ihren Kindern an einem Tisch basteln und nur einige Schritte zu einem Weltraumanzug, in dem man sich fotografieren lassen kann. 
"Gone but not forgotten". Ewig dreht sich nun das Klonschaf in seiner Vitrine und man erfährt immerhin, daß es nach Dolly Buster benannt wurde.

Die Orientierung in dem riesigen Labyrinth von Museum ist gut, dank der Homogenität von Großthema und Galerieräumen, aber innerhalb dieses Rahmens hat man Puzzleteile vor sich, die sich kaum zusammensetzen lassen. Eine andere, auch nicht nur hier beobachtbare Eigenschaft des Ausstellungskonzepts ist der fast völlige Verzicht des Erzählens und Deutens auf einer visuellen Ebene. Selbst Text und Objekt kooperieren nicht immer selbstverständlich, sondern Themen werden mit einem Ensemble von Objekten, Grafiken, Texten, elektronischen Medien uam. Vorgestellt, ohne daß dieses Nebeneinander einen über die bloße Summe der Teilinformationen hinausgehenden Mehrwert hätte.


Die gigantische Dampflokomotive hat man im Riversidemuseum tatsächlich in die Halle gehievt. Da steht man nun und liest einen Text zur Apartheid und was die Rassentrennung in Südafrika für das Bahnfahren und den Bahnbetrieb bedeutete; aber der Text erläutert nichts an der Lokomotive und die Lokomotive trägt nichts zum Verständnis von Rassentrennung bei. Abgesehen von technischen Erläuterungen war es denn dann auch schon alles.
Ein VW-Käfer im selben Museum hat folgenden Erläuterungstext. 



Hier fehlt also im Unterschied zur Dampflok der hier viel näher liegende - zeitgeschichtliche Kontext, der im ersten Satz eher noch verschleiert wird (man hätte ja nur beim Namen Volkswagen anzusetzen brauchen), stattdessen wird unvermittelt auf ein zwar wichtiges aber eben technisches Detail verwiesen. Im Scherz habe ich gesagt: Ein Glasgower Siebenjähriger wird den tollen Ingenieur Mister Porsche bestaunen, der es den Deutschen ermöglicht hat, ihren Urlaub mit dem Auto in der Sahara zu verbringen.
Dolly das Klonschaf (im Nationalmuseum, zu dem ich mit diesem Beispiel wieder zurückkehre), ist zunächst mal nichts anderes, als ein ausgestopftes Schaf. Begleitende Texte sind sehr knapp formuliert was fängt man mit der Information an, daß das Schaf nach Dolly Parton benannt ist? (1) -, und zur Gentechnik gibt es ein Art Spiel zu Pro und Contra, wo man aber nur mit vorgefertigten Antworten manipulieren kann. So kann sich die Komplexität einer großen Frage nicht entwickeln, soll sie offenbar auch gar nicht. Was übrigbleibt ist, möglicherweise, die Funktion von Dolly als nationales Ding, als Zeugnis schottischer Wissenschaft, dann würde Dolly plötzlich zur benachbarten Urlokomotive passen, die dann auch ein Zeugnis der schottischen Ingenieurskunst und Erfindergabe wäre.

Signifikant für dieses merkwürdige pars pro toto, dem das toto fehlt, scheint mir die visuelle Gestaltung der der Fensterwand des National Museums gegenüberliegenden Längswand der riesigen Halle zu sein, die man ja normalerweise als ersten und höchst eindrucksvollen Raum betritt. Hier sind in einem Raster Objekte und Ornamente zu einem grafischen Muster zusammengefügt, das unterschiedlichste Sammlungsteile präsentiert, es sind kleine Sammlungen und vereinzelte große Objekte, die so etwas wie ein Preview bieten, etwa so wie es manche Internetportale von Museen bieten, attraktiv, eindrucksvoll, bildkräftig, Lust auf mehr machend. Informationen zu den Objekten gibt es auf PC-Stationen, aber der Sinn dieser Installation ist sicher nicht in erster Linie die Information, sondern eine Art Image des Museums zu erzeugen: Fülle, Vielfalt, Reichtum.
Dieses Prinzip der durch ausgeklügelte Positionierung, durch feinfühliges Arrangement kaum oder gar nicht zusammengehaltenen Dinge und Bedeutungen ist das herrschende Prinzip, wobei aber dem eigentlichen Museum etwas fehlt, was diese Galeriewand hat: ästhetische Homogenität.
Das gehört nämlich zu den Erfahrungen der Differenz zu Museen in Österreich oder Deutschland, wie wenig hier (noch?) auf eine bestimmte szenische oder deutende oder auch nur ästhetisch-architektonische Gestaltung Wert gelegt wird. Mir ist schon vor Jahren in Londoner Museen aufgefallen, wie sehr das fehlt, was bei uns unter Stichworten wie Szenografie oder Austellungsdesign praktiziert und diskutiert wird. Nicht daß nicht auch in den Museen in Glasgow oder Edinburgh sorgfältigst durchdachte und gestaltete Environments zu finden sind, Inseln oder Schauplätze dramatisiert würden, doch meist sind sie der pädagogischen Absicht untergeordnet oder unterstützen sie, was zu manchmal recht altbackenen Lernstationen führt. Was fast ganz fehlt, ist ein ästhetisch-gestalterisch anspruchsvoller räumlich-szenischer Kontext, der über Atmosphäre, selbstgenerierter Bedeutung oder gar eigenständige Erzählung mit den Objekten kooperiert und deren ästhetische und informationelle Qualitäten unterstützt und erweitert. Die eine Ausnahme, die mir in Erinnerung geblieben ist, sind Figurinen des Künstlers Eduardo Paolozzi, die die First People darstellen aber zugleich Träger kleiner Vitrinen sind, in denen archäologische Kleinobjekte gezeigt werden.


Das bedeutet auch, daß die Objektorientiertheit, von der die MuseumsmitarbeiterInnen oft sprachen, in der Praxis nicht die Privilegierung des auratischen Originals bedeutet, sondern eher die Konzentration auf ein einzelnes Thema, das mit wenigen Objekten bespielt wird, die aber dann auch alles sein können, Original im herkömmlichen Museumssinn, Foto, Grafik, Kopie, Kulisse, Spielzeug, Installation, Computer, Film uvam. In bestimmten Abschnitten spielt das auratische Original eine große Rolle und in den der Frühgeschichte Schottlands gewidmeten Abschnitten wird sogar selbstreflexiv auf die evidence der Dinge eingegangen. Ganze Abschnitte des Museum sind mal Schule, mal hands on Bereich mal Spielhalle, in anderen werden kostbare Dinge in der bewährten Schatzkammerästhetik in abgedunkelten Räumen mit Lichtpunkten zelebriert.




(1) Rettung kommt, wie so oft, von der allwissenden Wikipedia: 1997 wurde Parton ungefragt Namenspatin von Klonschaf Dolly. In Anspielung auf ihre große Oberweite hatten die Wissenschaftler, die ein Schaf aus Euterzellen geklont hatten, diesen Namen ausgewählt. Dolly Parton nahm es mit Humor.