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Samstag, 23. November 2019
Donnerstag, 4. Juli 2019
Dienstag, 3. Mai 2016
Samstag, 7. November 2015
Montag, 18. Februar 2013
Mikroausstellung "Totenruhe"
1862. Noch ist der Unterschied von Grabräuberei und Archäologie nicht so ganz klar. Aber die Wissenschaft bemüht sich.... |
Montag, 27. August 2012
Musealisierung als Ausrottung
(...) So hat man vor kurzem die gesamte Wissenschaft und Technik mobilisiert, um die Mumie von Ramses II zu retten, nachdem man sie einige Jahrzehnte im hintersten Winkel eines Museums hat verfaulen lassen. Bei der Vorstellung, nicht retten zu können, was die symbolische Ordnung während 40 Jahrhunderten zu konservieren wußte ‑ allerdings dem Licht und dem Blick entzogen ‑,wird das Abendland plötzlich von Panik ergriffen. Ramses hat für uns heute keine Bedeutung mehr, nur die Mumie ist von unschätzbarem Wert, denn sie ist der Garant für den Sinn der Akkumulation. Unsere gesamte lineare und akkumulative Kultur bricht zusammen, wenn sich die Vergangenheit nicht für alle sichtbar speichern läßt.
Um diesen Zusammenbruch zu verhindern vertreibt man die Pharaonen aus ihrem Grab und die Mumien aus ihrer Stille. Dafür exhumiert man sie und läßt ihnen militärische Ehren zuteil werden. Sie sind gleichzeitig Beute der Wissenschaft und Beute der Würmer. Nur das absolute Geheimnis sichert ihnen diese tausendjährige Macht ‑ die Herrschaft über die Fäulnis, die zugleich die Herrschaft des totalen Tauschzyklus mit dem Tod ist. Wir können unsere Wissenschaft nur noch in den Dienst der Wiederherstellung von Mumien stellen, d.h. eine sichtbare Ordnung restaurieren.
Demgegenüber war die Einbalsamierung eine mythische Arbeit mit dem Ziel, eine verborgene Dimension zu verewigen. Wir benötigen eine sichtbare Vergangenheit, ein sichtbares Kontinuum, einen sichtbaren Ursprungsmythos, der uns über unser Ende beruhigt. Denn im Grunde haben wir nie daran geglaubt. Warum das historische Schauspiel bei der Ankunft der Mumie am Flughafen? Weil Ramses eine große despotische und militärische Figur war? Ganz sicher. Doch vor allem, weil unsere Kultur davon träumt, hinter dieser verstorbenen Macht, die sie sich einzuverleiben sucht, eine Ordnung zu besitzen, die mit ihr nichts zu tun hätte. Sie träumt davon, weil sie diese Macht als/wie ihre eigene Vergangenheit durch Exhumieren ausgerottet hat.
Wir sind von Ramses fasziniert, wie die Christen der Renaissance von den Indianern Amerikas, jenen (menschlichen?) Wesen, die nie etwas vom Worte Christi gehört haben, fasziniert waren. In den Anfängen der Kolonialisierung gab es einen Augenblick der Bestürzung und des Taumels angesichts der Möglichkeit, selbst dem universellen Gesetz des Evangeliums zu entkommen. Nur eines war möglich: entweder man gab die Nicht‑Universalität dieses GESETZES zu, oder aber man rottete die Indianer aus, um alle Beweise dafür zu vernichten. Im Allgemeinen gab man sich damit zufrieden, die Indianer zu bekehren, oder einfacher noch, sie zu entdecken, was ausreichte, um sie allmählich auszurotten.
So wird es ausreichen, Ramses zu exhumieren, um ihn durch Museifizierung auszurotten. Denn Mumien verfaulen nicht an Würmern: Sie sterben, weil man sie aus der verschlafenen Ordnung des Symbolischen ‑ Herr der Fäulnis und des Todes in die Ordnung der Geschichte, der Wissenschaft und des Museums transhumiert, eine Ordnung, die nichts mehr beherrscht, die lediglich das ihr Vorausgegangene weihevoll der Fäulnis und dem Tode überantwortet und anschließend mit Hilfe der Wissenschaft wieder zum Leben erweckt. Nicht wieder gutzumachende Gewalt gegenüber allen Geheimnissen, Gewalt einer Kultur ohne Geheimnis, Haß einer ganzen Zivilisation auf ihre eigenen Grundlagen.
aus: Jean Baudrillard: Ramses oder die jungfräuliche Wiederuaferstehung
Um diesen Zusammenbruch zu verhindern vertreibt man die Pharaonen aus ihrem Grab und die Mumien aus ihrer Stille. Dafür exhumiert man sie und läßt ihnen militärische Ehren zuteil werden. Sie sind gleichzeitig Beute der Wissenschaft und Beute der Würmer. Nur das absolute Geheimnis sichert ihnen diese tausendjährige Macht ‑ die Herrschaft über die Fäulnis, die zugleich die Herrschaft des totalen Tauschzyklus mit dem Tod ist. Wir können unsere Wissenschaft nur noch in den Dienst der Wiederherstellung von Mumien stellen, d.h. eine sichtbare Ordnung restaurieren.
Demgegenüber war die Einbalsamierung eine mythische Arbeit mit dem Ziel, eine verborgene Dimension zu verewigen. Wir benötigen eine sichtbare Vergangenheit, ein sichtbares Kontinuum, einen sichtbaren Ursprungsmythos, der uns über unser Ende beruhigt. Denn im Grunde haben wir nie daran geglaubt. Warum das historische Schauspiel bei der Ankunft der Mumie am Flughafen? Weil Ramses eine große despotische und militärische Figur war? Ganz sicher. Doch vor allem, weil unsere Kultur davon träumt, hinter dieser verstorbenen Macht, die sie sich einzuverleiben sucht, eine Ordnung zu besitzen, die mit ihr nichts zu tun hätte. Sie träumt davon, weil sie diese Macht als/wie ihre eigene Vergangenheit durch Exhumieren ausgerottet hat.
Wir sind von Ramses fasziniert, wie die Christen der Renaissance von den Indianern Amerikas, jenen (menschlichen?) Wesen, die nie etwas vom Worte Christi gehört haben, fasziniert waren. In den Anfängen der Kolonialisierung gab es einen Augenblick der Bestürzung und des Taumels angesichts der Möglichkeit, selbst dem universellen Gesetz des Evangeliums zu entkommen. Nur eines war möglich: entweder man gab die Nicht‑Universalität dieses GESETZES zu, oder aber man rottete die Indianer aus, um alle Beweise dafür zu vernichten. Im Allgemeinen gab man sich damit zufrieden, die Indianer zu bekehren, oder einfacher noch, sie zu entdecken, was ausreichte, um sie allmählich auszurotten.
So wird es ausreichen, Ramses zu exhumieren, um ihn durch Museifizierung auszurotten. Denn Mumien verfaulen nicht an Würmern: Sie sterben, weil man sie aus der verschlafenen Ordnung des Symbolischen ‑ Herr der Fäulnis und des Todes in die Ordnung der Geschichte, der Wissenschaft und des Museums transhumiert, eine Ordnung, die nichts mehr beherrscht, die lediglich das ihr Vorausgegangene weihevoll der Fäulnis und dem Tode überantwortet und anschließend mit Hilfe der Wissenschaft wieder zum Leben erweckt. Nicht wieder gutzumachende Gewalt gegenüber allen Geheimnissen, Gewalt einer Kultur ohne Geheimnis, Haß einer ganzen Zivilisation auf ihre eigenen Grundlagen.
aus: Jean Baudrillard: Ramses oder die jungfräuliche Wiederuaferstehung
Sonntag, 29. Januar 2012
Mittwoch, 14. September 2011
Samstag, 12. März 2011
Sonntag, 27. Februar 2011
Ötzi reviseted
Unlängst bin ich mit Beat Gugger, der als Kurator an der kommenden Ausstellung im Südtiroler Archäologiemuseum mitgearbeitet hat, zusammengesessen. Er hat mir Geschichten über Geschichten von seinen Recherchen erzählt, warum man den Ötzi überhaupt gefunden hat, wie man ihn zuerst für einen verunglückten Skifahrer hielt, welche Theorien es für den gewaltsamen Tod gibt. Dann von Interviews mit Reinkarnationen von Ötzi, von brachliegenden Archiven, von Forschungsarbeiten, von genealogischen Theorien, von den Sicherheitsvorkehrungen in Österreich und Italöien anlässlich der "Überführung" der "Mumie" nach Bozen...
Ja, diese Geschichten hatten mich von Anfang an an dem "Fund" und der Resonanz, die er auslöste, fasziniert, diese nicht zu bändigenden Phantsamen, in den sich uralte Sehnsüchte nach Wissen um die Herkunft und um den "Vater" zeigten, Wunschphantasien von einem kollektiven, sogar einem nationalen "Wir", das der Mann aus dem Eis bediente. Und vor allem, Phantsamen des Überdauerns, der Unsterblichkeit, der Einschreibung in das scheinbar unabschließbare Gedächtnis von Wissenschaft und Museum...
Jetzt scheint sich das Museum entschlossen zu haben, sich von den rationalisierenden Zugriffen der Wissenschaften und der Museumsdeutungen ein wenig zu emanzipieren. Ab 1. März hat dann die Ausstellung geöffnet, die unter dem Titel Life Science Fiction Reality - Ötzi 20 - die Mythologien um Ötzi zum Thema machen wird.
Gerade zur richtigen Zeit kommt da eine neueste Rekonstruktion, die mir gestern bei Lektüre der Morgenzeitung entgegen..., nein, Lachen kann Ötzi nicht. Da sah er eher aus wie ein verknitterter Hartz IV - Empfänger mit vernachlässigter Kopfhygiene. Kamm muss er aber schon gehabt haben, denn woher sonst der sauber gezogene Linksscheitel? Und der mißtrauische Blick? Gilt den Museologen, oder?
(Foto oben: Ausschnitt aus der Einladung. -- Ötzi als Wiedergänger? Gespenst? in Faschingslaune? Vor der Denkmalenthüllung? - Foto unten: Die neueste Ötzi-Rekonstruktion, wie sie derzeit durch so gut wie alle Medien wandert).
Hier zum Post "Ötzi darf nicht sterben".
Ja, diese Geschichten hatten mich von Anfang an an dem "Fund" und der Resonanz, die er auslöste, fasziniert, diese nicht zu bändigenden Phantsamen, in den sich uralte Sehnsüchte nach Wissen um die Herkunft und um den "Vater" zeigten, Wunschphantasien von einem kollektiven, sogar einem nationalen "Wir", das der Mann aus dem Eis bediente. Und vor allem, Phantsamen des Überdauerns, der Unsterblichkeit, der Einschreibung in das scheinbar unabschließbare Gedächtnis von Wissenschaft und Museum...
Jetzt scheint sich das Museum entschlossen zu haben, sich von den rationalisierenden Zugriffen der Wissenschaften und der Museumsdeutungen ein wenig zu emanzipieren. Ab 1. März hat dann die Ausstellung geöffnet, die unter dem Titel Life Science Fiction Reality - Ötzi 20 - die Mythologien um Ötzi zum Thema machen wird.
Gerade zur richtigen Zeit kommt da eine neueste Rekonstruktion, die mir gestern bei Lektüre der Morgenzeitung entgegen..., nein, Lachen kann Ötzi nicht. Da sah er eher aus wie ein verknitterter Hartz IV - Empfänger mit vernachlässigter Kopfhygiene. Kamm muss er aber schon gehabt haben, denn woher sonst der sauber gezogene Linksscheitel? Und der mißtrauische Blick? Gilt den Museologen, oder?
(Foto oben: Ausschnitt aus der Einladung. -- Ötzi als Wiedergänger? Gespenst? in Faschingslaune? Vor der Denkmalenthüllung? - Foto unten: Die neueste Ötzi-Rekonstruktion, wie sie derzeit durch so gut wie alle Medien wandert).
Hier zum Post "Ötzi darf nicht sterben".
Sonntag, 7. November 2010
Ötzi darf nicht sterben (Museumsphysiognomien 10)
Das Bild des mumifizierten Mannes, den man "Ötzi" nennt, ist - mit seinem einem Totenschädel ähnelnden Kopf, dem ledrig-ausgetrockneten und braunen Körper und der unnatürlich weggestreckten Hand - zu einer weit verbreiteten und sehr populären 'Ikone' geworden. Ich muß hier kein Bild einstellen, wir haben es im Kopf.
2011 feiert "Ötzi", der "Mann aus dem Eis" oder "…vom Hauslabjoch" seinen zwanzigsten Geburtstag und bekommt dafür im Archäologiemuseum in Bozen eine große Ausstellung, die seinem "zweiten Leben" (Museumstext) gewidmet sein wird. Also nicht nur der wissenschaftlichen Erforschung, sondern auch dem medialen Diskurse und populären Verarbeitung.
Von Anfang begleiteten und überdeckten diese Diskurse die wissenschaftliche Forschung und ihre Ergebnisse. Bezeichnend dafür ist, daß sich der von einem Journalisten wenige Tage nach der Entdeckung des Toten kreierte Name sofort durchsetzte und eine wissenschaftliche Bezeichnung nie durchsetzte. 'Ötzi', das war ein sehr gelungener Taufakt.
Was der über 5000 Jahre alte, auf Grund vieler Zufälle konservierte und schließlich entdeckte Körper bewirkte, war nicht so sehr Interesse an Fakten über ein fernes unbekanntes Leben sondern Mobilisierung von Phantasmen.
Sofort setzte die Beanspruchung unter nationalen Vorzeichen ein, womit die Feststellung des Fundortes - jenseits oder diesseits einer Staatsgrenze - zur diplomatisch-politischen Agenda wurde. und ernsthaft wurde Ötzi, gestützt auf genetische Spekulationen, zum Ahnen erklärt (was heute widerlegt ist), so als ob es so etwas wie eine rein männliche Genealogie geben könne. Ötzi ließ sich für erstaunlich viel reklamieren: nationale Identität, männliche Identität (legendär das ZIB 2 - Schreiduell zweier 'Ötzilogen' wegen der Frage, ob Ötzi einen Penis habe oder nicht), Suche nach der (kollektiven wie individuellen) Herkunft, dem Ursprung, Spekulationen über Todesumstände.
Wie jede Mumie bediente er aber vor allem ein zentrales museales Phantsama, das des "Überdauerns".
Die Paradoxie jeder Mumie liegt ja im ostentativen 'Überleben', das dem Körper durch geschickte Bearbeitung verliehen wird. Die Konservierung bewirkt die Verdinglichung des Körpers, der den Status eines unzerstörbaren Objekts erhält. Die Identität des Leibes dauerhaft zu behaupten stellt aber auch den Tod auf Dauer. Die religiöse Vorstellung des in seinem Leib 'weiterlebenden' Menschen und die unabweisliche Tatsache, daß er als Toter konserviert wird, kreuzen sich in der Mumie auf unauflösliche Weise.
Jede aus dem Grab geholte Mumie ist so etwas wie ein zwischen Leben und Tod wandernder Untoter und es ist kein Wunder, daß Populärliteratur und Film (nicht das Museum) die Rachemacht dieses unagegoltenen Lebens und Todes ausmalten.Was Archäologie und Museum der Mumie antun ist ja nicht weniger als die Zerstörung nicht der des dinglichen Kontextes (Grabbau, Grabbeigaben usw.), sondern einer spirituellen Vorstellung eines durch diesen Kontext mit garantierten 'Lebens nach dem Tod'.
An und für sich hat die Mumie den Zweck der visuellen Bekräftigung der 'Dauer' gar nicht (anders als etwa 'Effigies' aus Wachs oder Holz, die einen Ersatzleib bilden, die eine Person so repräsentieren können, daß selbst eine Hinrichtung als Bild möglich wird), denn als Teil des Totenrituals ist sie unsichtbar. Das gilt ja für fast alle Bestattungsrituale aller Kulturen und aller Zeiten.
Erst durch Ausstellung und Musealisierung wird eine Erfahrung virulent, die das Museum - bedrohlich und tröstend zugleich - vermittelt. Es gibt 'Dinge', sagt uns das Museum, die uns überdauern (und wir 'in ihnen'). Das gilt für Dinge als Lebensspuren selbstverständlich generell, aber es gilt in einer besonderen Weise für den menschlichen Körper 'als (Museums)Ding'.
Das unüberbietbar symptomatische Objekt des Museums ist die Mumie deswegen, weil strukturell das Museum Dauer garantiert oder zu garantieren glaubt - in Form eines 'unzerstörbaren' technischen Gedächtnisses (der Dinge) und in Form der abstrakten Vorstellung eines damit gestützten transgenerationellen Gattungsgedächtnisses.
Wie Reliquien konfrontiert uns ein solcher Mumien-Leib wie der Ötzis nicht nur mit seinem Tod (der spekulativ nur in bezug auf die Umstände ist), sondern auch mit unserem Tod, tröstet uns aber mit der Botschaft, daß der Leib überdauern kann, physisch und mental, im 'Gedächtnis des Museums': wir werden nicht spurlos verschwinden.
Diesem 'wir' war und ist Ötzi natürlich ungleich näher als jede ägyptische Mumie, weil er 'bei uns' gefunden wurde, in 'unserer Gegend' und irgendwie (ja wie eigentlich?) zu 'unserer Geschichte', 'unserer' Kultur gehört. Das Phantasma, daß wir von ihm abstammen könnten, mag wissenschaftlich widerlegt sein, erledigt ist es damit aber nicht.
Daß Ötzi nicht bestattet werden kann, versteht sich. Nicht so sehr wegen der Option auf bislang noch ungeahnte, künftige wissenschaftliche Methoden, für die der Leib als 'Forschungsobjekt' 'aufgespart' werden muß, sondern weil seine Sichtbarkeit eine einzigartige Möglichkeit eines Identitäts-Spiels erlaubt, das ein Grabmal nie bieten könnte (mal ganz abgesehen von touristischer und materieller Umwegrentabilität). Wo würde man Ötzi bestatten können?
Der Aufwand, der für das Sichtbarmachen getrieben wird ist technisch groß. Gekühlt und bei hoher Luftfeuchtigkeit liegt der Tote auf einer Art von Seziertisch in einer mit Eisziegeln ausgekachelten Kammer, die vielfach kontrolliert und überwacht wird. Angeblich steht für den Fall eines Totalausfalls eine idente zweite Kammer zur Verfügung. Ötzi darf nicht sterben.
Diese Unheimlichkeit wird durch die klinische Umgebung herabgestuft, versachlicht. Das kleine rechteckige Fenster, durch das der Museumsbesucher einen Blick werfen darf, wird durch eine Wand abgeschirmt, um, wie es auf der Museumswebseite heißt, ein wenig jener Intimität zu ermöglichen, die der Begegnung mit einem Toten angemessen ist.
"Parallel dazu sollte die Forschungsarbeit am Körper fortgesetzt werden. Die Mumie selbst befindet sich heute fast versteckt in einem apsidenartigen, abgedunkelten Raum und kann durch ein Fenster betrachtet werden, an dem die BesucherInnen nacheinander vorbeiziehen. Das nur 40x40 cm große Schaufenster in die Kühlzelle von Ötzi folgt in erster Linie konservatorischen Vorgaben, da bei einer größeren Öffnung die Klimaschwankungen zu stark würden. Mit dieser abgeschirmten Ausstellungssituation wollten die Gestalter auch ethischen Anforderungen nach einer Art "Intimsphäre" für die Mumie gerecht werden."
Ich vermute, daß für den durchschnittlichen Museumsbesucher die Teile des Museums, die den Forschungsergebnissen gewidmet sind, zwar interessant, aber nicht das Entscheidende sind. Die wissenschaftliche Rationalisierung eines Begehrens nach einem unmöglichen Blick - den durch Jahrtausende zurück und in gewisser Weise auch in eine Zukunft, in die wir uns als Überdauernde projiziren können -, wird vor der Mumie unerheblich. Dort ist sie - als Exponat - auf eine Gegenständigkeit reduziert, an der wir unsere Subjektivität - als bedroht und als tröstend stabilisiert - erfahren können.
Wer sich darüber hinaus (und über das Museum hinaus) nach Verlebendigung sehnt und die Spannung von Todesangst und Lebenstrieb nicht aushält, wird reichlich mit animierten Puppen versorgt, bis hin zur filmischen Rekonstruktion oder dem archäologischen Reenactement.
Fotos: Archäologiemuseum Bozen Webseite
2011 feiert "Ötzi", der "Mann aus dem Eis" oder "…vom Hauslabjoch" seinen zwanzigsten Geburtstag und bekommt dafür im Archäologiemuseum in Bozen eine große Ausstellung, die seinem "zweiten Leben" (Museumstext) gewidmet sein wird. Also nicht nur der wissenschaftlichen Erforschung, sondern auch dem medialen Diskurse und populären Verarbeitung.
Von Anfang begleiteten und überdeckten diese Diskurse die wissenschaftliche Forschung und ihre Ergebnisse. Bezeichnend dafür ist, daß sich der von einem Journalisten wenige Tage nach der Entdeckung des Toten kreierte Name sofort durchsetzte und eine wissenschaftliche Bezeichnung nie durchsetzte. 'Ötzi', das war ein sehr gelungener Taufakt.
Was der über 5000 Jahre alte, auf Grund vieler Zufälle konservierte und schließlich entdeckte Körper bewirkte, war nicht so sehr Interesse an Fakten über ein fernes unbekanntes Leben sondern Mobilisierung von Phantasmen.
Sofort setzte die Beanspruchung unter nationalen Vorzeichen ein, womit die Feststellung des Fundortes - jenseits oder diesseits einer Staatsgrenze - zur diplomatisch-politischen Agenda wurde. und ernsthaft wurde Ötzi, gestützt auf genetische Spekulationen, zum Ahnen erklärt (was heute widerlegt ist), so als ob es so etwas wie eine rein männliche Genealogie geben könne. Ötzi ließ sich für erstaunlich viel reklamieren: nationale Identität, männliche Identität (legendär das ZIB 2 - Schreiduell zweier 'Ötzilogen' wegen der Frage, ob Ötzi einen Penis habe oder nicht), Suche nach der (kollektiven wie individuellen) Herkunft, dem Ursprung, Spekulationen über Todesumstände.
Wie jede Mumie bediente er aber vor allem ein zentrales museales Phantsama, das des "Überdauerns".
Die Paradoxie jeder Mumie liegt ja im ostentativen 'Überleben', das dem Körper durch geschickte Bearbeitung verliehen wird. Die Konservierung bewirkt die Verdinglichung des Körpers, der den Status eines unzerstörbaren Objekts erhält. Die Identität des Leibes dauerhaft zu behaupten stellt aber auch den Tod auf Dauer. Die religiöse Vorstellung des in seinem Leib 'weiterlebenden' Menschen und die unabweisliche Tatsache, daß er als Toter konserviert wird, kreuzen sich in der Mumie auf unauflösliche Weise.
Jede aus dem Grab geholte Mumie ist so etwas wie ein zwischen Leben und Tod wandernder Untoter und es ist kein Wunder, daß Populärliteratur und Film (nicht das Museum) die Rachemacht dieses unagegoltenen Lebens und Todes ausmalten.Was Archäologie und Museum der Mumie antun ist ja nicht weniger als die Zerstörung nicht der des dinglichen Kontextes (Grabbau, Grabbeigaben usw.), sondern einer spirituellen Vorstellung eines durch diesen Kontext mit garantierten 'Lebens nach dem Tod'.
An und für sich hat die Mumie den Zweck der visuellen Bekräftigung der 'Dauer' gar nicht (anders als etwa 'Effigies' aus Wachs oder Holz, die einen Ersatzleib bilden, die eine Person so repräsentieren können, daß selbst eine Hinrichtung als Bild möglich wird), denn als Teil des Totenrituals ist sie unsichtbar. Das gilt ja für fast alle Bestattungsrituale aller Kulturen und aller Zeiten.
Erst durch Ausstellung und Musealisierung wird eine Erfahrung virulent, die das Museum - bedrohlich und tröstend zugleich - vermittelt. Es gibt 'Dinge', sagt uns das Museum, die uns überdauern (und wir 'in ihnen'). Das gilt für Dinge als Lebensspuren selbstverständlich generell, aber es gilt in einer besonderen Weise für den menschlichen Körper 'als (Museums)Ding'.
Das unüberbietbar symptomatische Objekt des Museums ist die Mumie deswegen, weil strukturell das Museum Dauer garantiert oder zu garantieren glaubt - in Form eines 'unzerstörbaren' technischen Gedächtnisses (der Dinge) und in Form der abstrakten Vorstellung eines damit gestützten transgenerationellen Gattungsgedächtnisses.
Wie Reliquien konfrontiert uns ein solcher Mumien-Leib wie der Ötzis nicht nur mit seinem Tod (der spekulativ nur in bezug auf die Umstände ist), sondern auch mit unserem Tod, tröstet uns aber mit der Botschaft, daß der Leib überdauern kann, physisch und mental, im 'Gedächtnis des Museums': wir werden nicht spurlos verschwinden.
Diesem 'wir' war und ist Ötzi natürlich ungleich näher als jede ägyptische Mumie, weil er 'bei uns' gefunden wurde, in 'unserer Gegend' und irgendwie (ja wie eigentlich?) zu 'unserer Geschichte', 'unserer' Kultur gehört. Das Phantasma, daß wir von ihm abstammen könnten, mag wissenschaftlich widerlegt sein, erledigt ist es damit aber nicht.
Daß Ötzi nicht bestattet werden kann, versteht sich. Nicht so sehr wegen der Option auf bislang noch ungeahnte, künftige wissenschaftliche Methoden, für die der Leib als 'Forschungsobjekt' 'aufgespart' werden muß, sondern weil seine Sichtbarkeit eine einzigartige Möglichkeit eines Identitäts-Spiels erlaubt, das ein Grabmal nie bieten könnte (mal ganz abgesehen von touristischer und materieller Umwegrentabilität). Wo würde man Ötzi bestatten können?
Der Aufwand, der für das Sichtbarmachen getrieben wird ist technisch groß. Gekühlt und bei hoher Luftfeuchtigkeit liegt der Tote auf einer Art von Seziertisch in einer mit Eisziegeln ausgekachelten Kammer, die vielfach kontrolliert und überwacht wird. Angeblich steht für den Fall eines Totalausfalls eine idente zweite Kammer zur Verfügung. Ötzi darf nicht sterben.
Diese Unheimlichkeit wird durch die klinische Umgebung herabgestuft, versachlicht. Das kleine rechteckige Fenster, durch das der Museumsbesucher einen Blick werfen darf, wird durch eine Wand abgeschirmt, um, wie es auf der Museumswebseite heißt, ein wenig jener Intimität zu ermöglichen, die der Begegnung mit einem Toten angemessen ist.
"Parallel dazu sollte die Forschungsarbeit am Körper fortgesetzt werden. Die Mumie selbst befindet sich heute fast versteckt in einem apsidenartigen, abgedunkelten Raum und kann durch ein Fenster betrachtet werden, an dem die BesucherInnen nacheinander vorbeiziehen. Das nur 40x40 cm große Schaufenster in die Kühlzelle von Ötzi folgt in erster Linie konservatorischen Vorgaben, da bei einer größeren Öffnung die Klimaschwankungen zu stark würden. Mit dieser abgeschirmten Ausstellungssituation wollten die Gestalter auch ethischen Anforderungen nach einer Art "Intimsphäre" für die Mumie gerecht werden."
Ich vermute, daß für den durchschnittlichen Museumsbesucher die Teile des Museums, die den Forschungsergebnissen gewidmet sind, zwar interessant, aber nicht das Entscheidende sind. Die wissenschaftliche Rationalisierung eines Begehrens nach einem unmöglichen Blick - den durch Jahrtausende zurück und in gewisser Weise auch in eine Zukunft, in die wir uns als Überdauernde projiziren können -, wird vor der Mumie unerheblich. Dort ist sie - als Exponat - auf eine Gegenständigkeit reduziert, an der wir unsere Subjektivität - als bedroht und als tröstend stabilisiert - erfahren können.
Wer sich darüber hinaus (und über das Museum hinaus) nach Verlebendigung sehnt und die Spannung von Todesangst und Lebenstrieb nicht aushält, wird reichlich mit animierten Puppen versorgt, bis hin zur filmischen Rekonstruktion oder dem archäologischen Reenactement.
Fotos: Archäologiemuseum Bozen Webseite
Donnerstag, 22. April 2010
Relic - Douglas Preston. (Das Museum lesen 07)
Das Ängstigende des Museums, die Angst im Museum, die Angst vorm Museum. Wo findet man das reflektiert, überhaupt erst einmal wahrgenommen? Eher in der Literatur, in der Trivialliteratur, im Film, in Comics, eher nicht in der museologischen Literatur.
Ein wiederkehrender Topos ist die Angst vor einer Art Wiederkehr des - durch Musealisierung und ihre Techniken und Riten nur scheinbar - Verdrängten, die Angst vor dem was unabgegolten den Museumsdingen und daher denen, die mit ihnen zu tun hatten, sie benutzt oder hergestellt haben, angetan wird. Die Dialektik von Ahnenfurcht und Ahnenglaube wird dort am heftigsten wirksam, wo das 'Ding', das Exponat tatsächlich ein Mensch ist.
Bereits 1932 - und seither in zahllosen Sequenz und Variationen - rächte sich Boris Karloff als The Mummy an der Störung seiner Totenruhe. Den Verstoß gegen den Sinn des Mumifizierungs- und Bestattungsritual der ägyptischen Hochkultur kaschiert das Museum mit wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und es bedurfte populärer Medien, um das als dünne Rationalisierung zu entlarven.
Eine Variation bietet der Roman von Douglas Preston und Lincoln Child Relic - Museum der Angst. Gar schauerlich wütet hier, im American Museum of Natural History in New York, ETWAS, das von einer Museumsexpedition gewissermaßen eingeschleppt wurde und sich als ekelhaftes Raubtier erweist, das seine Musealisierung ziemlich übel nimmt. Eine Pointe ist, daß Mitarbeiter und Besucher dem 'Relikt' gerade deswegen ausgeliefert werden, weil sie sich in den Sicherheitsvorkehrungen des Museums verfangen.
Douglas Preston weiß wovon er redet, denn er schreibt vom Museum, an dem er arbeitete und dessen Geschichte er erforscht hat: Douglas Preston: Dinosaurs in the attic. The American Museum of Natural History. New York 1994. Es gibt auch eine Verfilmung, aber ich rate zum interessanteren und spannenderen Buch.
Ein wiederkehrender Topos ist die Angst vor einer Art Wiederkehr des - durch Musealisierung und ihre Techniken und Riten nur scheinbar - Verdrängten, die Angst vor dem was unabgegolten den Museumsdingen und daher denen, die mit ihnen zu tun hatten, sie benutzt oder hergestellt haben, angetan wird. Die Dialektik von Ahnenfurcht und Ahnenglaube wird dort am heftigsten wirksam, wo das 'Ding', das Exponat tatsächlich ein Mensch ist.
Bereits 1932 - und seither in zahllosen Sequenz und Variationen - rächte sich Boris Karloff als The Mummy an der Störung seiner Totenruhe. Den Verstoß gegen den Sinn des Mumifizierungs- und Bestattungsritual der ägyptischen Hochkultur kaschiert das Museum mit wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und es bedurfte populärer Medien, um das als dünne Rationalisierung zu entlarven.
Eine Variation bietet der Roman von Douglas Preston und Lincoln Child Relic - Museum der Angst. Gar schauerlich wütet hier, im American Museum of Natural History in New York, ETWAS, das von einer Museumsexpedition gewissermaßen eingeschleppt wurde und sich als ekelhaftes Raubtier erweist, das seine Musealisierung ziemlich übel nimmt. Eine Pointe ist, daß Mitarbeiter und Besucher dem 'Relikt' gerade deswegen ausgeliefert werden, weil sie sich in den Sicherheitsvorkehrungen des Museums verfangen.
Douglas Preston weiß wovon er redet, denn er schreibt vom Museum, an dem er arbeitete und dessen Geschichte er erforscht hat: Douglas Preston: Dinosaurs in the attic. The American Museum of Natural History. New York 1994. Es gibt auch eine Verfilmung, aber ich rate zum interessanteren und spannenderen Buch.
Samstag, 13. März 2010
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