Posts mit dem Label Raubkunst werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Raubkunst werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 9. November 2023

Bührle und kein Ende

Das Kunsthaus in Zürich hat mit der Übernahme und Präsentation der Sammlung Bührle kein Glück. Die neue Direktorin hat eine überarbeitete Präsentation vorgestellt, aber der gesamte Beirat ist aus Protest zurückgetreten und die Pressekommentare sind wenig gnädig.

Hier ein Bericht aus der taz dazu: https://taz.de/Streit-um-Schweizer-Kunstsammlung-Buehrle/!5970734/


Dienstag, 28. Dezember 2021

Schweizer Museumspolitik für Anfänger. Das gute Land, die bösen Waffen, das viele Geld, die schöne Kunst

Eben wurde eine vom Architekten David Chipperfield geplante Erweiterung des Kunsthauses in Zürich eröffnet. Gezeigt wird dort neben anderen privaten Sammlungen und Beständen des Museums die sogenannte Sammlung Bührle. Bührle war ein "erfolgreicher" Industrieller, der es mit Waffenhandel zu großem Reichtum brachte - und mit seiner Kunstsammlung zu Ansehen. 

So würdigt man einen großen Sohn, ungeachtet des Umstandes, daß seine Geschäfte extrem fragwürdig waren (vor allem die Belieferung des Dritten Reichs), er politisch-ideologisch am äußersten rechten Rand angesiedelt war und großen persönlichen und in Hinsicht auf den öffentlichen Status des Museums fragwürdigen Einfluß auf das Kunsthaus, seine Baupolitik und die Museums- Sammlung nahm.

Die eigene Sammlung mehrte er auch aus arisierten Beständen und aus sogenanntem Fluchtgut, d.h., Objekten, die jüdischen Eigentümern abgepresst wurden im Tauch z.B. für Ausreisemöglichkeiten. Dieser Bestand an Raubgut gilt als - noch von Bührle selbst - restituiert, wobei Bührle einige Bilder zurückkaufte.


Es gab schon mal Ärger mit der Bührle-Sammlung, die als Stiftung unabhängig ist und Teile der Sammlung nun an das Kunsthaus ausgeliehen hat. Nun aber eskaliert der Zoff. Es wird bestritten, daß die Restitutionsforschung ausreichend gewesen sei, es werden Vorwürfe erhoben, daß die Stiftung historische Forschung behindert habe und es werden Fragen gestellt, warum jemandem mit der Biografie eines Bührle die auch aus Steuergeldern finanzierte Ehre eines Museumsbaues erwiesen wird.

Der Streit wird sowohl vom Kunsthaus selbst als auch von der Stiftung durchaus offensiv geführt. Die Restitutionsforschung sei abgeschlossen, es gibt keinen Grund zu Nachforschungen und wenn die Kritik anhalte, werde man sich überlegen, die Sammlung abzuziehen.

Im im Inneren von großer Geste geprägten Bau wird die Sammlung gewissermaßen übercodiert präsentiert: auf jedem, wirklich jedem Bilderrahmen, ist ein Schildchen befestigt "Sammlung Bührle". Die Texte, die man via Code abrufen kann, würdigen Bührle als umsichtig und kunsthistorisch kenntnisreich agierenden Sammler (vor allem französisch-impressionistischer Kunst, die offenbar der Goldstandard einer bestimmten Sammlerklientel ist). Erstaunlicherweise nutzt man das technische Potential überhaupt nicht für sachliche Information zu den Werken. Allerdings gibt es detaillierte Auskunft zur Provenienz, wie Kritiker bemängeln das aber lückenhaft.

Unter dem Druck der öffentlichen Debatte hat das Kunsthaus einen Informationsraum eingerichtet. Texte und Fotografien dokumentieren den Lebensweg Bühles durchaus umfangreich, allerdings wird er als humanistisch orientierter Sammler stilisiert, der verantwortungsvoll und zum Vorteil des Museums und der Stadt wie des Landes agiert habe. Bühles Motiv für den Umgang mit seiner Sammlung, nämlich dadurch Zugang zur "besseren Gesellschaft" zu erhalten, geht in gewisser Weise hier auf. Mag ein Waffengeschäft auch etwas anrüchiges sein, Lebenslauf und Kunstbeflissenheit sollen uns die Sublimierung der politisch-historischen Bedingungen erlauben.

Das scheint aber nicht ganz zu funktionieren. Die jüngste Pressekonferenz der Stiftung ließ selbst die der Stiftung und dem Museum gewogene und konservative Neue Zürcher Zeitung nach Fassung ringen und die Wochenzeitung schrieb als Reaktion unter anderem zusammenfassend: "Das grösste Kunstmuseum der neutralen Schweiz – es würde ohne Krieg und Vertreibung nicht existieren. 

Aufsehen erregten vor allem die Äußerungen des Stiftungspräsidenten und Anwalts Alexander Jolles. Die Wochenzeitung fasste das so zusammen: "In stupender Offenheit, mit geschichtsrevisionistischen und – wie auch das jüdische Wochenmagazin «Tachles» findet – antisemitischen Untertönen fegte er alle Vorwürfe bezüglich der ungeklärten Provenienzen vom Tisch. Raubkunst, Fluchtgut oder NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust: Das seien bloss von Historikern in die Welt gesetzte Begriffe. Mit juristischen Fakten hätten sie nichts zu tun. Wer als Jüdin oder Jude vor deutscher Verfolgung in die Schweiz fliehen konnte, habe hier ungestört Handel treiben, seinen Geschäften nachgehen können. Täter und Opfer, die gebe es heute nicht mehr: Denn Opfer stünden ihnen – Jolles meinte wohl das Kunsthaus und die Bührle-Stiftung – heute keine mehr gegenüber, sondern US-amerikanische Trusts oder «sehr entfernte Verwandte". 

Jetzt ist die Politik am Zug, vor allem die Stadt und der Kanton. Und man fragt sich: Wie wird sie angesichts der Zwickmühle, in der sie steckt, reagieren?

P.S.: So unterschiedlich beide Museumsprojekte sind, eines haben Zürcher Kunsthaus und Humboldt-Forum gemeinsam. Sie werden von einer Debatte eingeholt und permanent in Frage gestellt, in der etwas ganz Grundsätzliches sichtbar wird - und irgendwann auch entschieden werden muss. Soll und darf man Museen als Sublimation-Agenturen betreiben, die die gewaltförmigen Grundlagen ihrer Existenz verschleiern?

Man wird sehen.

Dienstag, 15. Dezember 2020

Das Humboldt-Forum in Berlin wird eröffnet - mit alten und neuen Hypotheken



In diesen Tagen wird eines der weltweit größtem Museen eröffnet, das sogenannte Humboldt-Forum in Berlin. Verzögerungen bei der Planung und der Coronavirus haben dazu geführt, daß es vorerst eine Eröffnung nur kleiner Teile und das nur im Internet wird. 

Die Hypotheken sind die alten und ungelösten geblieben: der Wiederaufbau eines Herrschaftssitzes, die späte Idee der Nutzung als Museum, das Auflaufen des Konzepts eines Museums der Kulturen auf der Kolonialismusfrage, die Problematik der teilrekonstruierten Architektur, die Auslöschung eines Stücks Zeitgeschichte mit Abbruch des Palastes der Republik, die mühsam angebahnte, möglicherweise kaum realisierbare Synergie zwischen unterschiedlichen Museen.

Und jetzt kommt noch hinzu, daß für die sogenannten Beninbronzen offizielle Rückgabeforderungen bekannt geworden sind, also für einen Sammlungsbestand, der eindeutig aus einem brutalen Raubzug stammt und der in der Ausstellung im Humboldt-Forum hätte gezeigt werden sollen.

Dienstag, 1. Dezember 2020

Der Schatz der Frau Antonowa

1945 wurden Kunstschätze aus dem eben besiegten Deutschland als Kriegsbeute in die Sowjetunion gebracht,. Darunter auch der sogenannte Schatz des Priamos. Die Spuren dieses Raubs wurden so gut verwischt, daß der berühmteste aller archäologischen Funde als verschollen wenn nicht zerstört galt.

In den 80er-Jahren wurden innerhalb der sowjetischen Bürokratie Spuren in Akten des Kunstraubes aufgefunden und es berichteten auch westliche Zeitschriften darüber. Dennoch wurde die Verbringung des Schatzes nach Moskau weiter abgestritten und als sich Hinweise verdichteten, er könnte sich im Puschkin-Museum befinden, bestritt das deren Direktorin, Irinia Antonowa vehement.

Sie war 1945 in das Museum eingetreten und auch mit der Übernahme von Kunstwerken aus Deutschland, etwa aus der Dresdner Galerie, betraut. 1961 wurde sie Leiterin des Museums. Im Oktober 1994 zeigte sie völlig überraschten deutschen Museumsvertretern in ihrem Büro Artefakte aus dem Schatz - eine Sensation, die rasch um die Welt ging und Irina Antonowa berühmt machte. Einer der großen Rätsel der Kunstwelt war gelöst. Einer der deutschen Experten berichtete: „Man brachte uns den Schatz nacheinander auf einem Tablett, und wenn wir ein Tablett untersucht hatten, wurde es wieder weggeschleppt.“ 


Anschließend wurde der „Troja-Schatz“ im Puschkin-Museum ausgestellt. Irina Antonowa beharrte jedoch militant weiter auf dem Standpunkt, daß es sich um Reparation handle, die die enormen Schäden, die die deutsche Armee und die Zeit der Besatzung in der Sowjetunion hinterlassen habe kompensieren soll und daß die Artefakte nicht an Deutschland zurückgegeben würden. Der Schatz befindet sich weiter im Puschkin-Museum. Am 30.11.2020 ist Irina Antonowa im Alter von 98 Jahren gestorben.

Dienstag, 25. Februar 2020

Koloniales Raubgut in Bundesmuseen

Es ist den Neos zu verdanken, daß man nun ziemlich genau Bescheid weiß, was an sogenannter kolonialer Beute in Bundesmuseen vorhanden ist. Der Standard berichtet verdienstvoller Weise ausführlich dazu. (hier der Link). Nun ist die Frage, ob der Rückgabe von NS-Raubgut analoge Verfahren eingerichtet werden.
Nicht ganz unerheblich Scheiben mir die derzeit über 150 Posts zum Standard-Artikel von Olga Kronsteiner. Sie sind mehrheitlich aggressiv und gegen jegliche Rückgabe formuliert und reproduzieren uralte Klischees, wie das von der konservatorischen Leistung europäischer Museen, die damals wie heute allein das sachgerechte Überdauern der Sammlungen garantieren könnten.

Samstag, 6. Dezember 2014

Museumspolitik in der Globalisierung. Am Beispiel Parthenon-Fries

Er bewegt sich doch! Der Parthenonfries. Wenigstens Stückweise. Unter strengster Geheimhaltung, so kann man lesen, wurde eine Figur von London nach St. Petersburg in die Eremitage gebracht. Warum? Weil, so die Frankfurter Allegmeine Zeitung, das "Petersburger Museum die Ideale der Aufklärung [verkörpert], die das gemeinsame europäische Erbe geprägt haben. In diesem Sinne ist auch die Reise des Ilissos zu sehen, zumal vor dem Hintergrund der neuerlichen Spannungen zwischen Moskau und dem Westen."

Die zaristische Kunstsammlung ein Inbegriff der Aufklärung? Und was meint genau dieses Raunen aus dem Hintergrund der Spannungen...? Ausgeliehen wird das Objekt aus Anlaß des 250ten Jubiläums der Eremitage. Neil McGregor bringt dieses Datum mit dem Gründungsdatum des British Museum in einen zeitlichen und damit ideellen Zusammenhang. Beide Museen seien frühe bedeutende Institute der Aufklärung. Er weiß es natürlich besser. (1) Dem British Museum liegt ein Parlamentsbeschluss zugrunde, aus einer privaten Sammlung eine staatlich erhaltene Institution zu machen, das "Jubiläumsdatum" der Eremitage bezieht sich auf das Entstehen einer kaiserlichen, exklusiven und privaten Sammlung, die erstmals erst in den 1850er-Jahren öffentlich zugänglich wurde, und auch da sehr restriktiv.

Absolutely not amused zeigt man sich in Griechenland, das ja nach wie vor auf der Rückführung des Frieses besteht. Da geht dann schon mal der Ministerpräsident persönlich vors Mikrophon und empört sich.

Dass ausgerechnet in Zeiten der ökonomischen und politischen Drangsalierung Griechenlands durch die EU den kopflosen Flußgott Illissos verschickt, ist schon seltsam. Es ist außerdem das erste Mal, daß ein Objekt aus dem Fries das British Museum verlassen hat.

Der Direktor löst das Problem gegenüber der Öffentlichkeit so auf: hier ginge es um eine kuratoriale Entscheidung im Rahmen der üblichen Usancen, mit der sich Museen wechselseitig Objekte ausleihen, um die politischen Streitigkeiten müsse man sich dabei nicht kümmern.

Der Flußgott mit Zwiebelgemüse in der Eremitage (Foto: The Guardian)

Laut BBC hatte der Direktor des Museums noch etwas Feinsinniges in Richtung Griechenland zu sagen, was man dort sicher sehr erfreut aufgenommen haben mag: "I hope that they'll be very pleased that a huge new public can engage with the great achievements of ancient Greece. People who will never be able to come to Athens or to London will now here in Russia understand something of the great achievements of Greek civilisation."

Und auf die Frage, ob man denn Objekte auch an Griechenland ausleihen würde: Sie haben nicht angefragt. Das wird Griechenland angesichts der aufrechten Rückgabeforderung auch nicht tun, und man kann schwer um eine Leihgabe bitten, wenn man das Eigentumsrecht des British Museum anfechtet. Da hat Herr MacGregor schon seinen sehr eigenen Humor. Und (nicht zum ersten Mal) ein imperales paternalistisches Verständnis vom British Museum: "The British Museum is a museum of the world, for the world and nothing demonstrates this more than the loan of a Parthenon sculpture to the State Hermitage Museum in St Petersburg to celebrate its 250th anniversary."

(1) Cultural Property: "By the way, Catherine the Great's keep-up-with-the-Enlightenment kunstkabinett in the Small Hermitage was a private collection in 1759. The museum only "opened its doors" by Nicholas I in 1852, a century later. McGregor is making up history here." Der Guardian berichtet ausführlich vom intensiven Bemühen Griechenlands um eine Mediation, für die international besetzte Gremien bereitstehen. Seit 18 Monaten sei eine Antwort Englands auf das Ersuchen Griechenlands ausständig.

Mittwoch, 26. November 2014

Die kunstsinnige Schweiz oder Die Kunst des Erbens

Der Anwalt des verstorbenen Kunsterben Cornelius Gurlitt, Hannes Hartung, ist ziemlich unzufrieden mit der Rolle des Kunsmuseums Bern, das sich von jeglicher historischer Verpflichtung entlasten ließ, bevor es so nett war, das Gurlitt-Erbe anzunehmen. "Wenn man die Berichterstattung in den Schweizer Medien seit Mai aufmerksam betrachtet, wird schnell klar, dass es in der Eidgenossenschaft nur um ein Thema ging: das liebe Geld. Auf keinen Fall wollte man nur einen einzigen Cent in die Aufarbeitung der Erbschaft stecken. Das Geld und nicht etwa die Moral war der wesentliche Diskussionspunkt im politischen und kulturellen Bern bis zur Annahme der Erbschaft."

Nachdem die Geld- und Moralprobleme gelöst sind, freuen sich Museumsdirektor Matthias Frehner und Stiftungsratspräsident Christoph Schäublin aus Bern im Interview mit dem Tages-Anzeiger über die Qualität der Sammlung: "Jetzt dürfen wir es ja sagen. Zu den Glanzstücken zählen eine großformatige, 1847 datierte 'Montagne Sainte-Victoire'-Landschaft von Paul Cézanne und eine 'Waterloo Bridge im Nebel' von Claude Monet von 1903, ferner eine sehr schöne 'Marine' von Manet, ein sehr bedeutendes Werk aus der frühpointillistischen Periode von Paul Signac sowie mehrere Bilder vonCourbet."

Via "Perlentaucher"

Freitag, 6. Dezember 2013

Gurlitt und die Folgen (2) "Der gute Erbe"

In der Frage der Restitution von in der NS-Zeit geraubtem Eigentum spielt das Verhältnis von privat und öffentlich eine mehrdeutige Rolle. So auch im aktuellen Fall Gurlitt. Die rechtsbrüchige Beschlagnahme von Kunstwerken etwa für das in Linz geplante Führermuseum beendet das private Verfügungsrecht in gewisser Weise im Namen der Allgemeinheit, die Sammlungsobjekte werden in Museen ja zu Staatsbesitz. Also Besitz der Allgemeinheit.
Das ist im Kern kein so großer Unterschied zu anderen rechtsbrüchigen Annexionen, etwa in der Französischen Revolution, wo diese "Veröffentlichung" den Raub legitimierte, oder im Zuge kolonialer Politik.
Restitution bedeutet, das wieder rückgängig zu machen und daher u.U. Kunstwerke der interessierten Öffentlichkeit wieder zu entziehen. Wann etwa je Gustav Klimts Gemälde "Wasserschlangen", das bei der derzeit reichsten Sammlerin der Welt in einem arabischen Emirat gelandet sein dürfte (aus wiener Privatbesitz und mithilfe einer eben erst gegründeten Privatstiftung sowie über ein namhaftes Auktionshaus), je wieder öffentlich zu sehen sein wird, steht in den Sternen.
Im gegenständlichen Fall, ist es offen und umstritten, ob nicht der gesamte von der bayrischen Justiz beschlagnahmete Fundus legitimer Besitz Gurlitts ist und sofort ihm zurückgegeben müsste, oder ob das nur für bestimmte Werke mit bestimmten, u.U. sehr kompliziert zu bewertenden Herkunftsgeschichten gilt.
Einen originellen Beitrag zu diesem Aspekt und zur Privatheit als Merkmal des Sammlers hat Isolde Charim kürzlich in der taz veröffentlicht. Das kleine Psychogramm des Sammelns und der Sammlerpersönlichkeit allgemein entlastet in ihren Augen Gurlitt freilich nicht, der sich zur kultivierten Person stilisiert, sondern lädt ihm Verpflichtungen auf.
"Cornelius Gurlitt ist der Inbegriff des guten Erben. Demgegenüber erscheinen die anderen Erben, jene ohne Rechtstitel, umso leichter als „raffgierig“. Vielleicht gibt es ja kein Rechtsmittel für die Restitution – aber der Blick des einsamen Herrn Gurlitt in seiner Schwabinger cella, dieser Blick ist in seiner ganzen Kunstsinnigkeit ein gestohlener Blick."

Isolde Charim: Gurlitt, der gute Erbe, in: taz (online), 26.11.2013
http://www.taz.de/!128146/ 

Gurlitt und die Folgen (1) Restitution als neue Forschungsdisziplin

Eine der Effekte, den die Entdeckung der jede Menge NS-Raubkunst enthaltenden "Sammlung Gurlitt" in München hat, ist eine intensive, differenzierte und z.T. gründlich recherchierte Berichterstattung in den Medien, die Weit über den Anlass hinaus viele Aspekte des NS-Kunstraubes thematisiert. Etwa die Rolle des Kunsthandels und der Kunsthändler einst und jetzt, der Mangel an gesetzlichen Regelungen in Deutschland, wo die österreichische Gesetzgebung als vorbildlich gilt, die Erörterung der ethischen, historischen und rechtlichen Aspekte.
Eben ist in der Neuen Zürcher Zeitung ein Essay erschienen, in dem die Restitutionsforschung knapp und historisch dargestellt wird, als neuer Forschungszweig, dessen Entstehung sich allein der (späten) Entdeckung der Problematik der NS-Raubkunst verdankt.
Überraschend ist die Auffassung des Autors, die Verschlampung der Herkunftsbezeichnung und -forschung in Museen, wie sie seit langem zu beobachten sei, sei auch der spezifisch deutschen Ideologie der "Kunst für alle" geschuldet -: je "massenmedialer" die Museen wurden, desto eher vernachlässigte man alles Nachdenken über die Herkunft der Objekte.

Joachim Günter: Phantasie darf sein, Pedanterie ist unerlässlich. Aufschwung der Provenienzforschung, in: NZZ online 5.12.2013
http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/kunst_architektur/phantasie-darf-sein-pedanterie-ist-unerlaesslich-1.18198696

Sonntag, 17. November 2013

Raubkunst, Raubhandel

Die Debatte um Raubkunst wir derzeit ungemein intensiv geführt. Die Gründung einer Klimt- Privatstiftung, in die einschlägige Werke in noch unbekannter Zahl eingegangen sind, hat in Österreich zu vielen Medienberichten geführt und zu Recherchen, von denen mir die Beiträge von Olga Kronsteiner im Standard am gewichtigsten schienen.
In Deutschland hat der "Fall Gurlitt" zu einer umfassenden Berichterstattung geführt, in dem viele Aspekte des NS-Kunstraubes und des Kunsthandels in dieser Zeit zum Teil außerordentlich detailgenau und sachlich aufgearbeitet werden.
Unter diesen Beiträgen ist mir einer in der taz aufgefallen, der den Kunsthandel in die Pflicht nimmt und die noch immer anhaltende Ungleichheit in der Verteilung der Lasten. 
Hanns C. Löhr resümiert seinen Artikel so: "Die Hauptaufgabe der Restitution übernimmt neben den Museen in Deutschland zurzeit die Verwaltung des Kunstbesitzes des Bundes, in der sich viele Werke befinden, die für Hitler und Göring gesammelt wurden. Außer Rückgaben hat es seit 2000 auch Entschädigungen der Erben in Form von Zahlungen oder Rückkäufen gegeben. Die hinter diesen Werten stehenden Gewinne wurden aber einst in den privaten Kunsthandlungen realisiert. Die Tendenz des deutschen Kunstmarkts, Gewinne aus der NS-Zeit zu privatisierten und die Kosten zu sozialisieren, ist ungebrochen. Während die deutsche Industrie mit der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" bereits gesellschaftliche Verantwortung für die Ereignisse im "Dritten Reich" übernommen hat, steht dies für den Bereich des Kunstmarktes noch aus."

Hier der Link:
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2013%2F11%2F16%2Fa0065&cHash=0cd5a96e39548601e4cb5f3b30c3f6bd

Montag, 19. September 2011

Mikroausstellung "The Elgin Marbels Story"

Lord Elgin, und das italienische Dokument, das - nicht unbezweifelbar - die Rechtmäßigkeit von Elgins archäologischem Abenteuer belegen soll (British Museum). Unten: John Cruickshanks 'Kommentar' zum - umstrittenen - Ankauf der Elgin Marbles durch das British Museum. John Bull verhandelt über den Kauf, seine Famile fleht ihn an: wir brauchen Brot!
Die erste und provisorische Ausstellungshalle der sogenannten Elgin Marbles

Elgin Room des British Museum
Die von Lord Duveen gestiftete Galerie, in der seit den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts die nach England gebrachten Teile des Parthenonfrieses gezeigt werden.
Das Cafe des British Museum mit einer Kopie des Parthenonfries
Parthenon-Flügel des Athener Akropolis-Museum

Mittwoch, 18. Mai 2011

Raubkünste

Mit Raubkunst der NS-Zeit umzugehen und mit dem Nachwirken dieses großen Kunstraubes haben inzwischen viele Staaten und Museen gelernt. Vielfach gibt es gesetzliche Regelungen, öffentliche Diskussionen und eine gelebte Praxis der Restitution.
Es mag noch viele ungelöste Fälle geben, umstrittene Objekte oder auch zögernden Umgang, aber insgesamt wird der Kunstraub als Unrecht anerkannt wie auch - noch nicht generell - die moralischen und praktischen Verpflichtungen, die sich daraus ergeben.
Der quantitativ ungleich größere Kunstraub erregt nur in besonderen Fällen öffentliches Interesse, für ihn existieren kaum Regelungen und Vereinbarungen und viele Museen weigern sich, ihn überhaupt als Raub anzuerkennen.
In welchem Ausmaß die gigantische Sammelbewegung, die die Museumssammlungen im 19. Jahrhundert schuf, auf Unrecht und Gewalt beruht, wird verdrängt. Koloniale Beute, die Plünderung Ägyptens, die Ausnutzung der politischen oder ökonomischen Unterlegenheit von Ländern, die Ausnutzung fehlender Regelungen und Gesetze, Kriegsbeuten und Bedienen an einem korrupten Handel, das alles genießen wir in mehr oder weniger berühmten Museen, nicht selten mit einem Gefühl des Stolz ob des kulturellen Besitztums.
Doch man kann vom Kunstraub nicht in der Vergangenheitsform sprechen, er ist auch im 20. Jahrhundert, nicht nur in den beiden Weltkriegen, eine Quelle der Sammeltätigkeit von Museen, auch aktuell bedienen sich Museen noch eindeutiger Quellen, und das im vollen Wissen über das begangene Unrecht.
Einer der spektakulärsten Fälle betrifft eines der weltweit namhaftesten Kunstmuseen der Welt, das J. Paul Getty-Museum im kalifornischen Malibu.
Der Fall begann vor über 15 Jahren, wurde aber durch den Freispruch (wegen Verjährung) der zentralen Figur des Skandals und der nun erfolgten Rückgabe einer antiken Statue an Italien wieder öffentlich diskutiert.
Die Leiterin der Antiken-Abteilung des Getty Museums hatte sich ausgiebig an Ergebnissen von Raubgrabungen und der Hilfe Schweizer und Englischer Kunsthändlern bedient. Letztendlich gerieten aufgrund der Ermittlungen italienischer Behörden nicht nur das Getty-Museum sondern auch das Metropolitan-Museum in den Verdacht illegal erworbene italienische Kunstwerke zu besitzen. Tatsächlich mussten beide Museen über 300 Objekte in beträchtlichem Wert zurückerstatten.
Das Ausmaß der unglaublichen und abenteuerlichen Geschichte läßt sich in einem Artikel (1) nachlesen, der aus Anlaß der Rückgabe einer besonderen Antike verfasst wurde, deren Herausgabe das Getty-Museum besonders lange verweigert hatte: die sogenannte Venus von Morgantina (eine Ausgrabungsstätte in Sizilien). 1988 hatte sie das Museum aus einem illegalen Kunsthandel erworben, wo sie ab 2006 mit der Provenienzbezeichnung "Southern Italy" ausgestellt wurde.
Ein zweiter Fall, der weniger spektakulär ist, zeigt ebenfalls, wie schwer es Museen und Behörden fällt, Kunstraub anzuerkennen und angemessen zu reagieren. Auch er ist ein rezenter Restitutionsfall. Es geht um eine Grabung Deutscher Archäologen, die seit 1906 Reste einer Hethiterhauptstadt ausgruben, unter anderem Reste einer Toranlage mit zwei Sphinxfiguren. Beide kamen 1915 zur Restaurierung nach Berlin. Eine wurde 1925 zurückgeschickt, die andere nie - bis jetzt.
Die Rückgabe an die Türkei wird hochoffiziell als "freiwillige Geste der deutsch-türkischen Freundschaft" und nicht als Restitution betrieben. Deutsche Medien berichten, daß der türkische Restitutionswunsch mit der Drohung des Entzugs der Grabungslizenz verbunden gewesen sein soll und die FAZ spricht gar von "handfester Erpressung". (2)
Die Süddeutsche Zeitung belehrt uns darüber, daß es sich im Fall des Getty-Museum um einen bewußt illegalen Akt gehandelt habe, was aber etwas ganz anderes sei, als ein "Fund", der "seit hundert Jahren oder länger in staatlichen Museen zu sehen" ist. (Hier entfällt dann offenbar die Frage nach Recht oder Unrecht). "Die Rückgabe ans Herkunftsland (ist) nicht zwingend geboten…". Und die Zeitung hält es auch für bedenklich, "dass diesem Archäologie-Nationalismus" (der natürlich nur der der Türken ist) "stattgegeben wird, welcher übrigens seit Atatürk die frühen anatolischen Völker fälschlich zu Vorfahren der Türken erklärt". (3)

(1) Niklas Maak: Ware für die besten Adressen, FAZ 17.5.2011 (hier)

(2) Andreas Kilb: Die Sphinx von Hattuscha kehrt zurück, FAZ 18.5.2011 (hier)

(3) Johan Schloeman: Heimkehr zweier Damen, Süddeutsche Zeitung 16.5.2011 (hier)

Mittwoch, 19. Januar 2011

Mit Federkrone (Entrée 11)

Restitutionen. Ägypten. Schweiz

Ägypten: Eine neue Facette der Restitutionspolitik

Zahi Hawass, Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, der in der deutschsprachigen Presse keinen besonders guten Stand hat, schrieb dem New Yorker Oberbürgermeister. Der Obelisk im Central Park, den der ägyptische Vizekönig Mehrmed Ali 1881 Amerika geschenkt hatte, sei bedroht, seine Hyroglyphen durch Erosion unleserlich. Und weiter: "Ich habe die Pflicht, alle ägyptischen Monumente zu schützen, ob in Ägypten oder außerhalb. Wenn aber die Behörde zur Erhaltung des Central Parks und die Stadt New York nicht ordentlich für den Obelisken sorgen können, werde ich die notwendigen Schritte unternehmen, dieses wertvolle Denkmal nach Hause zu holen und vor dem Ruin zu bewahren."

Man mag über Herrn Hawass denken was man will, sein Argument ist, ob absichtlich oder unabsichtlich ist nicht zu erkennen, ein beliebter Topos der Argumentation zentraleuropäischer Museen gegen Rückgaben. Denn da wird oft der überlegene konservatorische Standard der eigenen Museen gegen den der fordernden Länder ins Treffen geführt.

Die Welt, 19.1. 2011

Schweiz: Kein Musterland
Über 500 Museen wurden bezüglich ihrer Restitutionspolitik angefragt. Drei Viertel de Museen fühlten sich von der Problematik nicht berührt, und nur 25 Institutionen fühlten sich überhaupt von der Raubkunstproblematik betroffen.

Der Standard  17.1.2011

Samstag, 8. Januar 2011

film über "forbidden art" im stalinismus und ein museum in uzbekistan

ich habe einen interessanten film gesehen über ein museum in uzbekistan in dem eine vielzahl von regional "partikularer" kunst waehrend des stalinismus überlebte. auch ein dokument über einen obsessiven sammler und eine andere art des "kunstraubens".

mehr über den film:
http://www.desertofforbiddenart.com/

und eine dazugehörige Ausstellung im Kunstmuseum in Groningen/NL:
"Russia's Unknown Oient. Orientalist painting 1950 - 1920".
http://www.groningermuseum.nl/en/press/2010/russias-unknown-orient-orientalist-painting-1850-1920

Montag, 15. November 2010

Sublime Gier. Der gute Ruf privater Sammler und Sammlungen

Beim "Aufräumen" im Computer habe ich einen Text gefunden, den ich verloren geglaubt habe - ein Interview eines bolivianischen Privatsammlers. Ich hatte den Text 'archiviert' weil er ungewöhnlich offenherzig, wenn auch nicht in der Absicht offen zu sein, über Usancen privaten Sammelns und die Rolle die illegitimer Erwerb und Besitz dabei spielen.Während in den USA gesetzliche Regelungen und öffentliche Debatten ein Bewußtsein für die Rolle des unrechtmäßigen Erwerbs von Kunst- und Kulturgütern geschärft haben, ist hierzulande das Thema "Raubkunst" ganz von den Praktiken der NS-Zeit und ihrem Umgang damit (nach 1945 bis heute) überlagert.
Erst ganz langsam wird an spektakulären Fällen, wie dem Einschleusen von gefälschter Kunst über nicht existierende Privatsammlungen, das jüngst in Deutschland aufflog, deutlich, welche illegitimen Energien und Potentiale im (weltweiten) Kunsthandel schlummern.
Ortiz' Interview ist weder besonders ausführlich noch in der Sache sehr weit führend, aber die Umstandslosigkeit mit der hier jemand sein auf Reichtum und sozialem Status gründendes 'Recht' erläutert, gibt einen Blick frei auf Praktiken, die umfassend geübt werden.

Um den Text verstehen, ist es sinnvoll, einige Umstände zu erläutern, die im Gespräch nur angetippt werden. So ist der erwähnte Großvater Simon Patino nicht einfach nur einer der reichsten Männer der Zeit, sondern er kontrollierte den Zinnabbau und die Verarbeitung weltweit. Er war kontrollierte nicht nur den Zinnbergbau in Bolivien, er dominierte auch die Politik dieses Landes, das ganz auf die Ausbeutung seiner Bodenschätze ausgerichtet war.
Seit dem 16.Jahrhundert war das so, wo zuerst das Silber abgebaut wurde, unter der Kontrolle Spaniens. Um 1900 wurde, als die Silbervorkommen erschöpft waren, Zinn abgebaut, das sich rasch zum gewinnträchtigen Wirtschaftszweig entwickelte, bis sich in den 50er-Jahren auch diese Vorkommen erschöpften, die Preise verfielen und politische Revolten ausbrachen.
Bolivien, das heißt die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, hat von der mehrhundertjährigen Ausbeutung seines Reichtums nie etwas gehabt. Er floß ins Ausland oder in den Familienbesitz buchstäblich einer Hand voll von Tycoons.
Bolivien ist heute das ärmste und instabilste Land (seit der Unabhängigkeit gab es 200 Putsche und Putschversuche) Südamerikas. Und dieser Zustand hat direkt mit der die Politik dominierenden Ausbeutungspolitik zu tun. Die traf und trifft besonders die indigene Bevölkerung, aus der sich jene Arbeiterschaft rekrutierte, die in den Silber- und Zinnminen unter barbarischen Bedingungen und zu unsagbaren Löhnen für zuerst die ausländischen dann die einheimischen 'Investoren' arbeiteten.
Mit der Wahl des ersten indigenen Präsidenten hat sich die Situation erst vor kurzem geändert - wie grundlegend und vor allem wie nachhaltig, wagt niemand vorherzusagen.

Normalerweise interessiert sich niemand für derartige 'Geschichten', wenn sie und wie sie den Hintergrund einer Sammlung und ihrer Geschichte bilden. Im Gegenteil: Sammeln gilt als kulturell wertvolle und hoch angesehene Betätigung, das das Prestige des Sammlers bestimmt. Seine individuelle Befriedigung, seine sublime Gier, wird als erfolgreich sozialisiert angesehen, vor allem dann, wenn die Sammlung - mehr oder minder - öffentlich wird.
Was den privaten Sammler in den Augen der Öffentlichkeit auszeichnet ist die Vermutung oder Behauptung, daß seine Tätigkeit eine Art von Opfer sei, ein Opfer an Zeit, Energie, Leidenschaft und vor allem Geld, der Allgemeinheit dargebracht und zu ihrem Wohl verschwendet.
Im Fall von Ortiz waren dabei große Institutionen in Berlin London behilflich, wo in solchen Fällen weder die Provenienz der Sammlung und schon gar nicht deren politischer und ökonomischer Hintergrund interessiert, sondern allein der Wert und die Aura bedeutender Kulturgüter.
Alles vorgängig, direkt und indirekt Bedingung des Zustandekommens der Sammlung war, gilt als wie gelöscht durch eine, nun sagen wir ebenso großzügige wie leichtfertige Übertragung der individualpsychologischen Sublimationstheorie auf die sozioökonomischen Prozesse. Geld stinkt vor allem dann nicht, wenn es sich in Gold, in altes Gold, verwandelt, das noch dazu Kultur und Kunst ist.

Es fehlt nicht an Aufmerksamkeit gegenüber dem, was da vorgeht; beim Recherchieren zu Ortiz' Sammlung bin ich auf einen Blog gestoßen, wo umfangreiches Material und beträchtliche Rechercheanstrengungen in die Aktualität der globalen Raubkunst-Praktiken investiert wird. In "Looting Matters" wird man auch zur Sammlung Ortiz fündig und zu merkwürdigen Transfers zwischen Sammler, Auktionshäusern und Museen.
Anders als im lange zurückliegenden Interview scheint Ortiz jetzt auch die Notwendigkeit zur Rechtfertigung einzuholen. Und die fällt eindeutig aus. Als ziemlich dreiste Zurückweisung von gesetzlich verankerten Rechten und Pflichten im Namen seiner Humanität.
So klandestin, wie noch im Interview, muß Ortiz nicht mehr sein. Über eine Webseite kann man sich zur Sammlung informieren. Und dort weist er die einschlägige UNESCO-Konvention von 1970 ebenso zurück, wie die der UNIDROIT von 1995, denn "As a humanist and collector, I passionately oppose the Conventions as drafted, believe that their creators are misled by the Utopian idea that every created object has its perfect or natural location and must remain in situ, overlooking the fact that art is cross cultural and, in many aspects, timeless."

Und nun das Interview, das Fred David mit dem Kunstsammler George Ortiz führte. Auszüge. Quelle: Der Standard, 1.3.1996, Album, S.1f.

Sie wurden in Paris geboren, sind Bolivianer, lebten lange in den USA und Großbritannien. Warum sind Sie gerade in Genf hängengeblieben?
Ortiz: Wegen meiner Kunstsammlung. Die französische Regierung stellte den Kunsthandel unter scharfe Kontrollen, man darf keine französischen Kulturgüter aus dem Land nehmen. Ich war also nicht frei, über meine Sammlung zu verfügen. Deswegen ging ich 1964 nach Genf.

Ist der Kunsthandel von der Schweiz aus ungehindert möglich?
Ortiz: Im Moment noch. Aber die Schweiz will sich wie auch Deutschland dem Unesco-Vorschlag zur Einschränkung des Kunst- und Kulturgüterhandel anschließen. Das wird harte Konsequenzen haben.
Es geht vor allem um archäologische Kulturgüter. Insbesondere im letzten Jahrhundert geraubte und in westeuropäischen und amerikanischen Museen stehende Stücke sollen zurückgegeben werden.

Was künftig an Antikem gefunden wird, soll in den einzelnen Ländern bleiben. Ist doch gar nicht schlecht.
Ortiz: Da ist viel Ideologie und Desinformation im Spiel. Der Druck geht von den Enwicklungsländern aus. Es wird nicht berücksichtigt, daß Schutz und Bewahrung solcher Kulturgüter, ebenso die wissenschaftliche Erforschung stark eingeschränkt werden. Zudem haben die meisten dieser Länder keinerlei Möglichkeit, ihre Kulturgegenstände einem größeren Publikum zu zeigen.

Aber der private Kunsthandel floriert doch, die Preise steigen.
Ortiz: Drei Viertel des antiken Materials, das auf den Markt kommt, ist für Wissenschaft und Museen uninteressant. Wenn es kein Material mehr zu verkaufen gibt, gibt es auch keinen Markt. Höchstens im Untergrund.

Ihnen konnte das nur recht sein. Der Wert Ihrer Sammlung steigt damit ins Unermeßliche.
Ortiz: Stimmt, mir persönlich nützt dieses Gesetz. Aber. ich kämpfe aus idealistischen Gründen dagegen. Kulturgegenstände sind nicht nur Handelsware; es sind Botschaften des Humanismus. Sie gehören nicht nur einem Staat, sie sind ein Erbe der Menschheit.

Ihre Sammlung ist nur selten zu sehen, wie im März im Alten Museum in Berlin. Warum verbergen Sie diese Schätze sonst vor der Öffentlichkeit.
Ortiz: Das hat praktische und finanzielle Gründe. Ich habe kein eigenes Museum. Einen Teil gab ich als Leihgabe an Museen. Eigene Ausstellungen zu machen ist unglaublich aufwendig. Der größte Teil meiner Sammlung befindet sich in meinem Haus irgendwo im Großraum Genf.

Den genauen Ort wollen Sie nicht verraten?
Ortiz: Nein, um Gottes willen! Ich will keine ungerufenen Gäste. Das Risiko ist zu groß. Keines meiner Stücke ist versichert. Touch wood! Die Versicherungen sind zwar wie die Teufel hinter mir her. Aber auch als wohlhabender Zeitgenosse kann man das gar nicht mehr bezahlen.

Ihre Kollektion hat einen realen Hintergrund: Ihr Großvater war Simon Patino, der Zinnkönig Boliviens, einer der reichsten Männer seiner Zeit.
Ortiz: Natürlich, ich hatte das Glück, aus einer wirklich sehr reichen Familie zu stammen. Mein Vater war Botschafter in Den Haag und Paris und gehörte einer der angesehensten Aristokratenfamilien Boliviens an, mit großem Grundbesitz. Und der Vater meiner Mutter war Simon Patino, in dessen Zinn- und Silbergruben 5000 Bergleute arbeiteten.

Was blieb vom riesigen Patinoimperium übrig?
Ortiz: Simon Patino war schwer herzkrank. Die Gruben liegen in einer Höhe bis zu 5000 Metern. Er mußte in tiefere Regionen wechseln und Bolivien verlassen. Aber es gibt nichts Schlimmeres als ein dauernd abwesender Patron. Er hatte sich nie in die Politik eingemischt, was ein Fehler war. Seine Direktoren taten es umso mehr und sehr ungeschickt. Sie provozierten eine Revolution. 1952 wurden die Gruben von der Regierung konfisziert, ebenso die Ländereien meines Vaters.

Ihre Familie hatte beträchtlichen Besitz ins Ausland geschafft.
Ortiz: Dummerweise eben nicht. Ein Teil des Zinnprofits steckte in der Banco Mercantile. Im Ausland blieben ein paar Zinnminen-Holdings in Malaysia, der Zinnhandel in London und ein paar andere Dinge. 1976 krachte der Rest des Trusts völlig zusammen. Vom Patino-Glanz blieb nicht viel übrig.

(...) Welchen Wert hat Ihre Sammlung heute?
Ortiz: Ehrlich, ich weiß es nicht. Bis vor drei Jahren wußte ich nicht einmal, wie viele Objekte meine Sammlung umfaßt. Für meine erste Ausstellung 1993 in der Eremitage in St. Petersburg mußte ich dann ein  Inventar machen, ich hab's in ein Schulheft eingetragen und kam auf 1600 Objekte. 300 wählte ich aus, es war eine Tortur, weil ich mich schwer entscheiden konnte, etwas
wegzulassen.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Die nicht gewürdigten Verdienste des Rudolf Leopold

Die Nachrufe auf den Sammler Rudolf Leopold in den österreichischen Zeitungen und in der internationalen Presse halten sich an das Gesetz, über Tote nichts Schlechtes zu sagen. Kritik wird in Watte verpackt, zwischen den Zeilen versteckt. Im übrigen bedient man sich meist der von den Nachrichtenagenturen vorgestanzten Textbausteine. Wirklich Neues oder Überraschendes liest man nirgends.
Zwei 'Verdienste' Rudolf Leopolds habe ich nirgends erwähnt gefunden. Es sind Verdienste, die er nicht absichtsvoll erworben hat, sondern die Effekte seiner Interessen und Handlungen waren.

Da ist zum einen das sogenannte "Museumsquartier". Der dazu seinerzeit ausgeschriebene Wettbewerb brachte ein Siegerprojekt hervor, das allgemein sehr wohlwollend, wenn nicht enthusiastisch begrüßt wurde. Städtebaulich wurde es als offensive und sebstbewußte Auseinandersetzung mit der historischen monumentalen Bebauung der Nachbarschaft gewürdigt, architektonisch als Ensemble kontrastierender Module, die flexibel nutzbare öffentliche Räume definierte, inhaltlich als Aufbruch in eine nicht mehr herkömmlicher Musealität gehorchender Repräsentanz aller modernen Künste und Medien.
Der Widerstand der Kronen-Zeitung, die Mobilisierung von Ressentiments gegen moderne Architektur und moderne Kunst hatte zur Folge, daß es eine langes und unerfreuliches Gezerre um die Bebauung gab und der preisgekrönte Plan mehrfach verändert wurde.
Der definitive Bruch in der Konzeption des Ganzen war nicht die medial sehr stark wahrgenommene Verhinderung der Errichtung des Bibliotheksturmes, sondern die Entscheidung des damals zuständigen Ministers Erhard Busek, die Sammlung Leopold anzukaufen und dem Privatsammler auf Staatskosten ein Museum im Museumsquartier zu errichten. Wer erinnert sich noch an die austro-patriotische Rechtfertigung dieser überraschenden Wende durch Minister Busek? Wer erinnert sich noch an die unsägliche Begutachtung der Sammlung? Wer erinnert sich noch daran, daß der Ankauf erfolgte, ohne daß die Öffentlichkeit erfuhr, woraus diese Sammlung eigentlich bestand? Und vor allem, wer erinnert sich noch daran, daß aus dem großen avantgardistischen Museumsprojekt ein nur noch in Maßen modernes, zaghaftes Pasticcio eher zufällig und nach und nach gefundener und nachgebesserter Funktionen und Inhalte wurde? Es war Erhard Busek, der der Einrichtung einer Stiftung zustimmte und - mit großen Konsequenzen -, die Einsetzung des Sammlers als Direktor des Museums auf Lebenszeit ermöglichte. Ohne diese Regelung, auf deren Fragwürdigkeit als einzige Zeitung bisher - heute - die Neue Zürcher Zeitung hinweist, gäbe es kein Restitutionsproblem Leopold-Museum.

Aber der Satz, "ohne Rudolf Leopold gäbe es kein Restitutionsproblem", hat noch eine zweite Bedeutung. Die Beschlagnahme zweier Gemälde der Sammlung Leopold in New York, brachte eine Lawine ins Rollen. Erst dadurch wurde einer breiten Öffentlichkeit bewusst, daß in Museen (nicht nur in Österreichischen) hunderte, tausende von Objekten als rechtmäßiger Besitz ausgestellt oder deponiert waren (und sind), die im Zuge der 'Arisierung' der NS-Zeit oder durch andere rechtsbrüchige oder sittenwidrige Umstände in Museumsbesitz gelangt waren. Ohne diese Beschlagnahme in New York hätten sich Öffentlichkeit, Medien, Wissenschafter und Politik nicht mit der Tatsache konfrontiert gesehen, daß nach 1945 mit der widerrechtlichen Aneignung von jüdischem Besitz neuerlich jenseits oder am Rande der Legalität umgegangen worden war, die Interessen und Ansprüche der Beraubten missachtet oder negiert wurden und das museale kulturelle Erbe der Museen in nicht unwesentlichen Teilen - etwa Teile der Klimt-Sammlung des Belvedere -, 'Raubkunst' war.
Wenn die beiden in der Ausstellung Egon Schiele. The Leopold Collection Vienna im Museum of Modern Art New York, Wally und Tote Stadt III, nicht 1998 beschlagnahmt worden wären, wäre in Österreich nie eine Raubkunstdebatte entstanden, die weit über diesen einzelnen Fall und weit über die umstrittene Ankaufspolitik von Rudolf Leopold hinaus zur Beschäftigung mit der ganzen und komplexen Geschichte der Kunstpolitik der NS-Zeit, auch über Österreich hinaus, führte. Ohne die durch einen Artikel der New York Times ausgelösten Beschlagnahme, hätte es kein Restitutionsgesetz in Österreich gegeben, keine Provenienzforschung und auch keine dann vorbildliche Restitutionspolitik einzelner Museen.

So viel zu den 'Verdiensten' von Rudolf Leopold.

PS.: Die Medien rühmen besonders ein Verdienst Rudolf Leopolds: daß er die Bedeutung der Kunst Egon Schieles als erster erkannt hat. Das Argument wird oft mit dem Hinweis auf die Wertsteigerung von Schiele-Werken verknüpft. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, daß einige der Schiele-Werke in der Sammlung Leopold im Verdacht stehen unrechtmäßig jüdischen Besitzern geraubt oder abgepresst worden zu sein, Sammler, die offenbar die Werke Schieles lange vor Leopold sehr geschätzt haben.


Die Abbildungen stammen von einer Protestaktion der Israelitischen Kultusgemeinde Wien von 2008