Im Dezember hat das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Bührle auf die öffentliche Kritik reagiert. In einer Pressekonferenz, nach der die Heftigkeit der Debatte sich noch steigerte. Denn was dort gesagt wurde, wurde ziemlich einhellig (in den Schweizer Leitmedien) kritisiert. Der Präsidenten der Sammlung Emil Bührle Alexander Jolles äußerte sich dort nämlich so (zitiert aus der Zeitschrift Tacheles vom 17.12.2021):
«Ja, die Schweiz hat Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen, jüdische und andere, wie wir das in Europa heute überall sehen, in Zeiten des Wohlstandes und des Friedens. Aber Verfolgung, jüdische Verfolgung, staatlich orchestrierte Verfolgung gab es in der Schweiz nicht. Juden in der Schweiz in den Kriegsjahren mussten nicht um ihr Leben bangen, sie mussten nicht um ihr Eigentum, um ihr Hab und Gut bangen, es gab hier keine staatliche Verfolgung und daher ist die Situation anders und soll auch in den Einzelfällen berücksichtigt werden. Klar, wenn jemand kein anständiger Marktwert erhalten hat, klar, wenn jemand übers Ohr gehauen wurde oder unfair und unrichtig behandelt worden ist, dann muss man das heute berücksichtigen und muss es werten. Aber es ist nicht so, dass jedes Rechtsgeschäft, das ein jüdischer Emigrant in der Schweiz und in den USA und in anderen nicht besetzten Gebieten getätigt hat, dass jedes dieser Rechtsgeschäfte verdächtig ist und primär einmal als verfolgungsbedingt erzwungen betrachtet werden kann, sondern wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, es gab einen ordentlichen Handel. Millionen von Leuten haben im Krieg gelitten haben ihr Leben verloren, haben ihr Hab und Gut verloren, aber Millionen haben weitergelebt und in einem ordentlichen normalen Handel weitergelebt, in der Schweiz und anderswo. Das muss auch berücksichtigt werden.»
Tacheles war daraufhin Jolles Antisemitismus vor und die Künstlerin Miriam Cahn kündigte an, ihre Werke - immerhin an die vierzig -, aus dem Kunsthaus abzuziehen. Auch sie nimmt das Wort Antisemitismus in den Mund.
Aus der Dokumentation zu Bührle, seiner Biografie, seiner Sammlung. Foto: GF 2021 |
Kaum hatte sich Debatte angesichts der Feiertage abgekühlt, und konnte sich die NZZ mit der (m.M. eher nicht so interessanten Frage) nach der Person Bührles beschäftigen (also eher ausweichen), zündete der Direktor Christoph Becker des Kunsthauses den nächsten Feuerwerkskörper. Er habe sich unter anderem während der Planungen namentlich des Dokumentationsraumes zur Bührle-Sammlung mit Ronald S.Lauder beraten. Also mit dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses. Der ließ umgehend dementieren. So ein Gespräch habe es nicht gegeben. Die Pressestelle des Kunsthauses beharrte weiter auf der Sichtweise des Direktors. Der Tagesanzeiger ließ Becker daraufhin ausrichten, er möge seinen Platz der designierten Nachfolgerin möglichst sofort überlassen.
Die Zeitung fasst die jüngsten Ereignisse als "kommunikatives Desaster" zusammen. Das ist es auch, aber es ist auch ein Beharren auf historisch und ethisch unhaltbaren Positionen. Tacheles resümiert so: "Primär allerdings geht’s darum, wie eine Stadt mit einem belasteten Erbe, mit Nazi-Geschichte im öffentlichen Raum umgeht und sich dieser nicht stellt."