Sonntag, 30. November 2014

Das "Weltmuseum" scheitert zum zweiten Mal

Minister Ostermeyer ist ein kluger Mann. Er stoppt ein Museumsprojekt, dessen Mehrkosten mittelfristig nicht finanzierbar sind. Kluger Mann. Endlich einmal ein Politiker, dem ein nachhaltig gesichertes Vorhaben wichtiger ist, als seine Eröffnungsrede und das Lächeln in die Kameras.
Minister Ostermeyer ist ein unfähiger Politiker. Er stopp ein Projekt, das seine Vorgängerin im Amt auf den Weg gebracht hat und das längst konzipiert ist und in etwas mehr als zwei Jahren fertiggestellt sein sollte. Er stoppt es, weil er nach Monaten der Vorbereitung draufkommt, daß Teile der Finanzierung nicht im vorliegenden Konzept enthalten sind. Er gefährdet die Neuaufstellung eines Museums, das seit vielen Jahren nur einen Bruchteil seiner Sammlung zeigen kann.

Die Rede ist vom Weltmuseum in Wien.

Ja, man kann es so oder so sehen. Kluger Minister & unfähiger Minister. - "Wir sperren das Völkerkundemuseum nicht zu" sagt er. Es ist aber zu. Seit 3. November. Wegen der anstehenden Umbauarbeiten. Jede Verzögerung, die jetzt eintritt, bedeutet eine Verlängerung der Schließzeit des kompletten Hauses. Das ist für jedes Museum eine unangenehme Situation. Es verliert den Kontakt zu seinem Publikum und tritt in der öffentlichen Aufmerksamkeit nach hinten.

Damit es noch unübersichtlicher wird bringt der Minister zwei andere Projekte ins Spiel, die man "seit langem diskutiert" - den Tiefspeicher für die Nationalbibliothek (für die Ortsunkundigen: sie befindet sich im selben Gebäude wie das Weltmuseum) und das Haus der Republik. Das ist die Idee eines Historischen Museums der Geschichte Österreichs seit etwa 1914, das im Regierungsprogramm enthalten ist.

27,5 Millionen sind für den Umbau des Völkerkundemuseums vorgesehen. Die nicht einbezogenen Mehrkosten für den Betrieb sollen 2,8 Millionen betragen. Pro Jahr. Frage: wie soll sich eine Einsparung ergeben, aus der ein Republikmuseum finanzierbar wäre. Ein Museum, bei dem nichts existiert, keine Räume, kein Personal, keine Sammlung. Und der Tiefspeicher muss gebaut werden. Irgendwann, aber in nicht zu ferner Zeit. Man kann die Bücher künftig ja nicht in den Parkanlagen um die Neue Burg stapeln.

Zwischen den Zeilen wird angedeutet, daß überlegt wird, wie zwischen dem Weltmuseum und dem Haus der Geschichte Verbindungen hergestellt werden könnten. Abgesehen von vereinzelten Aspekten fällt mir dazu nicht viel ein, aber vielleicht bin ich dafür blind. Nur: das hatten wir schon mal. Um das Volkskundemuseum zu retten, sollte es mit dem Völkerkundemuseum, wie es damals noch hieß, zusammengelegt werden. Das erarbeitete Konzept dokumentierte das folgende Scheitern. Beide Institutionen wollten unangetastet nebeneinander bestehen bleiben und gemeinsame Projekte verwirklichen.

Minister Ostermeyer fordert vom "Weltmuseum" eine "Kurskorrektur". Was er damit meint, läßt er offen. Das Wort "Kurskorrektur" ist freilich rein pragmatisch gemeint. "Redimensionierung" lautet der Ausdruck, den die Direktorin des Kunsthistorischen Museums, dem das Weltmuseum unterstellt ist, verwendet. Also Verkleinerung. Trotzdem. Der Baubeginn wird nicht verschoben, die Eröffnung möglichst auch nicht. Wie geht so etwas, ohne neuerlich am Konzept des Weltmuseums nachzubessern? Und: es wird der "Business-Plan" an die "Basisabgeltung" angeglichen. Übersetzung: Man wird - wo? - streichen und kürzen, um mit der seit Jahren bekannten und "gedeckelten" (begrenzten) Finanzierung durch den Staat auszukommen.

"Kurskorrektur", das Wort gefällt mir. Vor allem in Zusammenhang mit dem "Weltmuseum". Denn was dieses Museum (dringendst) nötig hat, sind nicht mehr Ausstellungsfläche und neues Design und eine mehr Aufmerksamkeit weckende Gestaltung der Flächen vor dem Museum, sondern eine inhaltlich-konzeptionelle Kurskorrektur.

Das Völkerkundemuseum, das nun Weltmuseum heißt, hat also einen neuen Namen. Aber die alte Ideologie. In diesem Blog sind mehrere Ausstellung ausführlich kritisiert worden. Das kann man nachlesen, ich kann das hier nicht alles noch einmal aufrollen. Was dem Museum hautsächlich fehlt, ist Selbstkritik, Prüfung seiner Rolle, seiner Aufgabe. Es zeigt sich in vielen, in nahezu allen seinen wichtigen Ausstellungen tief unfähig zur Selbstreflexion, Was andernorts längst an ethnologischen Museen kritisiert wird und an manchen namhaften Häusern auch praktisch umgesetzt wurde, hat in Wien nicht stattgefunden. Eine Aufarbeitung der Geschichte der Völkerkundemuseen, des eigenen Hauses, die Überprüfung des eigen Standortes wie des eigenen Blicks auf "die Anderen".

Steve Engelsman, der Direktor des Hauses, kommt aus den Niederlanden und hat an leitender Position große Erfahrung auch mit Fragen der Neupositionierung der Völkerkundemuseen mitgebracht. Er kommt aus einem Land, das mit seiner kolonialen Vergangenheit in vielen einschlägigen Museen reflexiv, selbstkritisch, um Aufarbeitung und Vermittlung bemüht umgeht. Dieses Bemühen kommt dort aus den Museen selbst und wird von der Kulturpolitik unterstützt. Als ich zuletzt in Amsterdam war, erzählten mir Kuratoren des Tropenmuseums (wie dort das Ethnologische Museum heißt), daß gegenwärtig unter den Museen eine Grundsatzdebatte geführt werde bis hin zur möglichen Auflösung des Typs "Völkerkundemuseum".

Ich habe von Engelsmann manches über die Veränderung des Marketing, den Umbau, gestalterische Maßnahmen um das Museum herum und anderes mehr gehört. So gut wie nichts zu Zielen und zur Veränderung von Zielen und Arbeitsweisen. Die Ausstellungspolitik hat sich nicht geändert. Und es gibt kein Anzeichen dafür, daß sie sich ändern wird.

Und es ist wie immer (wie immer?). Niemand, wirklich niemand, diskutiert darüber. Business-Pläne, ja. Budgetabgeltung, ja. Eröffnungsdatum, ja. Sonst nichts.


Mittwoch, 26. November 2014

Das Imperial War Museum London neu

Den Eindruck einer ambitionierten aber eher fragwürdigen Neugestaltung und - Inszenierung vermittelt ein Bericht von Marion Löhnsdorf in der NZZ zur Neugestaltung des Imperial War Museum in London mit der Schlussfolgerung, das Museum habe sich mit eher mäßigem Erfolg bemüht, Chaos und Schrecken des Krieges zu vermitteln.
Hier der Link: http://www.nzz.ch/feuilleton/kunst_architektur/die-helden-werden-zur-fussnote-1.18431264

Die kunstsinnige Schweiz oder Die Kunst des Erbens

Der Anwalt des verstorbenen Kunsterben Cornelius Gurlitt, Hannes Hartung, ist ziemlich unzufrieden mit der Rolle des Kunsmuseums Bern, das sich von jeglicher historischer Verpflichtung entlasten ließ, bevor es so nett war, das Gurlitt-Erbe anzunehmen. "Wenn man die Berichterstattung in den Schweizer Medien seit Mai aufmerksam betrachtet, wird schnell klar, dass es in der Eidgenossenschaft nur um ein Thema ging: das liebe Geld. Auf keinen Fall wollte man nur einen einzigen Cent in die Aufarbeitung der Erbschaft stecken. Das Geld und nicht etwa die Moral war der wesentliche Diskussionspunkt im politischen und kulturellen Bern bis zur Annahme der Erbschaft."

Nachdem die Geld- und Moralprobleme gelöst sind, freuen sich Museumsdirektor Matthias Frehner und Stiftungsratspräsident Christoph Schäublin aus Bern im Interview mit dem Tages-Anzeiger über die Qualität der Sammlung: "Jetzt dürfen wir es ja sagen. Zu den Glanzstücken zählen eine großformatige, 1847 datierte 'Montagne Sainte-Victoire'-Landschaft von Paul Cézanne und eine 'Waterloo Bridge im Nebel' von Claude Monet von 1903, ferner eine sehr schöne 'Marine' von Manet, ein sehr bedeutendes Werk aus der frühpointillistischen Periode von Paul Signac sowie mehrere Bilder vonCourbet."

Via "Perlentaucher"

Sonntag, 9. November 2014

Das Museum brennt

Ed Ruscha: Das Los Angeles County Museum on Fire. 1965–68, Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn


The Los Angeles County Museum on Fire, 1965–68, Ed Ruscha. Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn, 1972. - See more at: http://blogs.getty.edu/pacificstandardtime/explore-the-era/worksofart/the-los-angeles-county-museum-on-fire/#sthash.fU8xEjkd.dpuf
The Los Angeles County Museum on Fire, 1965–68, Ed Ruscha. Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn, 1972. - See more at: http://blogs.getty.edu/pacificstandardtime/explore-the-era/worksofart/the-los-angeles-county-museum-on-fire/#sthash.fU8xEjkd.dpuf
Das Museum brennt. Wenn man das Bild (oder das Museum) schon mal gesehen hat, kann man sich erinnern, daß es das Los Angeles County Museum ist. Aber vielleicht kommt es darauf gar nicht so an.
Ruscha hat ja kein Katastrophen- oder Historienbild gemalt. Weder wurde das Museum Opfer eines Missgeschicks oder Unfalls, noch hat jemand es in Brand gesetzt.
Er, der Künstler, legt Feuer ans Museum.
Und er ist nicht der erste, der die Idee hatte, aber vielleicht der erste, der sie umsetzte, wenngleich nur ästhetisch. Verbale Angriffe auf das Museum, aggressive Äußerungen bis hin zum Wunsch es anzuzünden gibt es nachweislich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. 1871 wäre aus den Phantasien fast Realität geworden. Eine Brandlegung im Louvre während der Commune wurde verhindert, aber das anschließende Tuilerienschloß brannte tatsächlich ab, so gründlich, daß es abgebrochen werden musste.
Vermutlich galt der Anschalg auf den Louvre gar nicht in erster Linie dem Museum sondern seiner historischen Bedeutung als Herrschaftssitz und seiner Aktualisierung als Residenz des Kaisers.

Warum die Aggression gen das Museum als Institution? Für nicht wenige Künstler waren (und sind) Museen Totenhäuser einer verstaubten Tradition, und was Sammlungen jahrhundertelang für sie waren, Ausbildungs- und Inspirationsstätten, waren sie kaum noch, stattdessen wurden sie verantwortlich gemacht für das Verschwinden der Kunst aus der Lebenspraxis. Nicht nur im Museum wurde sie museal. Und außerdem bildete der Kanon der großen, der bewunderten Kunst eine Last, die schwer abzuschütteln war.

In einer Äußerung zu seinem Bild spricht denn auch Ruscha von der Autorität des Museums als etwas Negativem. Seine Autorität zurückzuweisen, läuft auf eine Zurückweisung der herrschenden Kultur hinaus. Diesen Generalverdacht hegten Künstler immer wieder und forderten seine Abschaffung und Zerstörung, wie die italienischen Futuristen, oder machten es lächerlich wie Chris Burden, der die Frage nach dem Sinn des Museums beantwortete: Should the rain keep off.

Das Los Angeles County Museum ist eines der größten Museen der USA, ein komplexes Museum mit großen Sammlungen vieler, nicht nur der europäischen Kulturen. Schon 1910 ist es entstanden, als Naturmuseum. Auf dem Bild ist der Bau zu sehen, der in den 60er-Jahren entstand, inzwischen ist das Museum wesentlich größer geworden und bildet fast so etwas wie einen Stadtteil. Die Gebäude von damals sind genau wiedergegeben, aus einer Aufsicht, die Ruscha möglicherweise nach einer Fotografie malte (eine zeitgenössische Ansichtsakarte gibt ziemlich genau diesen Blickwinkel und -ausschnitt wieder).
Aber authentisch ist die Ansicht nicht. Nicht nur daß die Gebäude in einer Vereinfachung gemalt sind, die sie wie Modelle ihrer selbst erscheinen läßt, schon damals lagen sie in einem Park und in einem zwar lockeren aber den Gebäuden naherückenden urbanen Umfeld. Nichts davon sieht man hier. Keine Stadt, kein Los Angeles, selbst das was Ruscha uns im Gespräch als sorgfältig getrimmten Rasen versuchsweise wahrzunehmen anbietet, ist ein diffuser in einem unbestimmten Nirgendwo übergehender Farbraum. Das Museum erscheint ganz isoliert, ohne Verortung. Welche Tageszeit ist es? Welche Jahreszeit ist es? Auch das ist unbestimmt. Und etwas fehlt gänzlich: Menschen. Passanten, Besucher. So als ob das Museum schon preisgegeben worden wäre und nun auch noch abbrennt.

Zeitlosigkeit ist etwas, was wir mit Museen assoziieren, aber positiv, wenn auch ambivalent. Das Museum entzieht die Objekte der Zeit, d.h. in materieller Hinsicht ihrem Verbrauch, Verschleiß oder Verfall. Und: das Museum sammelt in einen offenen, unbestimmten Zeithorizont hinein.
Ist das hier gemeint? Ich denke eher nicht. Die Ort- und Zeitlosigkeit hier, im Bild, ist etwas unheimlich, beklemmend. Das Museumsbild vermittel etwas Totes in einem umfassenden Sinn. Ist es also eine Art Allegorie auf das Museum als Mausoleum?

Ed Ruscha hat in einem Interview, in dem er einige Sätze zum Bild fallen läßt, etwas gesagt, was mich auf die Idee gebracht hat, eine zum Befund des Musealen, also Abgestorbenen konträre Lesart zu versuchen. Es raucht heftig aus dem Dach oder Innehof des einen Gebäudes und die Flammen scheinen so mächtig, als wäre Rettung nicht mehr denkbar. Aber seltsamerweise ist das Gebäude noch vollkommen intakt, nicht ruinös, wie es ein anderer, verbreiteter Topos der Museumsadarstellung (von Hubert Robert bis Komar und Melamid) zeigt. Vieleicht gehts nicht (nur) um die Darstellung eines Brandes, sondern eines Feuers. Es ist das einzig Lebendige im Bild, das einzige, was Zeitlichkeit vermittelt. Es wird sich ausbreiten oder ermatten, es wird das Gebäude beschädigen oder vollkommen vernichten...

Ich weiß, es ist weit hergeholt, aber diese eigentümliche Leere und Abgestorbenheit der Architektur gibt es in der revolutionsklassizistischen Architektur (des späten 18.Jahrhunderts, in Frankreich. Ich argumentiere keineswegs, daß dies ein Modell für Ruscha war), und da gelegentlich auch mit gespenstischen (Opfer)Feuern, Brandaltären oder sehr profanen Schloten für Fabriken, freilich nicht rund und hoch, sondern in Form von Pyramiden.

Wie in den Ruinenbildern, wo die Natur über das zivilisatorischen Menschenwerk siegt, aber die Ruine weiter Zeugnis der einstigen Größe und Kultur ablegt, so könnte man das Feuer hier auch als einen Triumph über die aufgestapelte Zeit und versanmmelte Kultur verstehen. Allerdings: triumphal ist das Bild nicht. Ed Ruscha hat zwar nach den Zündhölzern gegriffen, aber es beim Bild belassen, also beim Erstarren, bei dem offen bleiben muß, ob das Museum wirklich zerstörbar ist. Das Bild als Provokation? Sagen wir so: als jedenfalls ambivalente, manchen Museumsliebhaber nervös machende, den pedantischen Museologen irritierende, vielleicht auch ironische Versuchsanordnung.