Die von Elena Messner und Peter Pirker veranstaltete Tagung "Heeresgeschichtliches Museum neu" (20. und 21.Mai 2021, Literaturhaus Wien) spitzte sich gegen Ende auf die Frage zu, in welchem Prozess und von wem denn die Entscheidungen über die künftige Entwicklung des Musuems kommen werden.
Martin Fritz hat in einem sehr klaren Statement die wünschbaren Optionen benannt. Ich habe ihn gebeten, sie mir zur Verfügung zus stellen. Hier also die Schriftfassung seines Statemts auf dem Panel „Ein Leitbildprozess für das HGM?"
Gottfried Fliedl
„Es ist bezeichnend für die Situation, wenn man - wie jetzt gerade - hört, dass im Verteidigungsministerium bereits an Beiratsbesetzungen und Direktionsausschreibungen gearbeitet wird, während wir hier glauben, dass sich gerade erst grundsätzliche Interventions- und Denkräume eröffnet haben. Es ist also schwer, den Raum der Fantasie für einen Neuanfang offen zu halten, wenn er sich vielleicht schon wieder schließt. Doch ich will es versuchen:
1) Nur zur Erinnerung: Es liegt nun mehrere Expert:innenberichte vor, die dem Museum und seinen Verantwortlichen sowohl inhaltliche wie auch organisatorische Unzulänglichkeit attestieren. Die selektive Zitierung der Berichte und der Fokus auf den Teil zu „Republik und Diktatur“ lies dabei in Vergessenheit geraten, wie grundlegend viele der Kritikpunkte zu fast allen Ausstellungsteilen sind. Im Grunde wäre eine vorübergehende Schließung notwendig.
2) Trotzdem ist es zu früh für Direktionsausschreibungen. Interessanter wäre eine Form von Interimsverwaltung oder Gründungskonvent, die/der sich als temporäres Übergangsregime versteht. Nachdem durch die Berichte der Kommission endgültig klar wurde, dass die alten Kräfte abgelöst werden müssen, braucht es ein grundlegend neues Konzept. In einem solchen (Neu)gründungskonvent müsste sich mindestens die Vielfalt und die Expertise der aktuellen Tagung widerspiegeln.
3) Alles andere als eine Integration der Initiative „HGM neu denken“ in diesen Prozess wäre ein Affront, wenn man bedenkt, welchen Dienst diese Gruppe der Republik Österreich durch ihre Aktivität bereits jetzt erwiesen hat.
4) Auf den Einwand, dass es notwendig wäre, „pragmatische“ Lösungen zu suchen, kann geantwortet werden, dass es nur in einem überpragmatischen Umfeld wie dem ministeriellen als „unpragmatisch“ gelten kann, die Forderung nach einer breiteren Diskussions- und Neukonzeptionsphase zu erheben. Für die Einbeziehung von Fach- und Zivilgesellschaft in Veränderungsprozesse gibt es gute Vorbilder. Solche Prozesse brauchen Zeit, Geld und Sachverstand. Viele haben in den letzten Monaten ihren Sachverstand bereits ehrenamtlich eingebracht.
5) Die letzte Chance des HGM wäre es gewesen, wenn es selbst die Kommission beauftragt hätte. Wenn die Initiative „HGM neu denken“ und der Impuls für diese Tagung vom HGM selbst ausgegangen wäre, hätten wir uns heute im HGM getroffen. Nicht zufällig habe ich beim HGM immer die Vorstellung, dass es eine physische Inbesitznahme des Museums durch die Zivilgesellschaft - wie nach einer Machtübernahme - bräuchte: Dann müsste man es auch nicht schließen, denn in jedem Raum könnte ein Vertreter/eine Vertreterin des Übergangsregimes für die Teilhabe des Publikums an den notwendigen Veränderungs- und Lernprozessen sorgen. Ich bleibe beim Schlusssatz meines Textes für den Reader: Die alten Kräfte hatten 103 Jahre dafür Zeit. Sie haben sie nicht genutzt.“
Martin Fritz