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Mittwoch, 20. Februar 2013

Museen als Blödmaschinen?

Ein bekennender Nudist, der, wie uns der (mit einem Anzug bekleidete) Manager des Leopold-Museums versichert, in einer auf eigenen Wunsch anwesenden Gruppe in die Fernsehkamera sein Bekenntnis aufsagt: "Die Kunst ist ja auch nackt".

Georg Seeßlen und Markus Metz haben in ihrem gleichnamigen Buch "Blödmaschinen" als "Bewusstsein, Wahrnehmung und Kommunikation" so verändernd beschrieben, "dass der Mensch, der in sie gerät (und zum Teil: der sie bedient) weder seinen eigenen sozialen Ort scharf erkennen noch ein gemeinsames Interesse mit anderen suchen kann."

Der Museumsmanager, der immer wieder beteuert, die erste "Nacktführung" in der Ausstellung "Männer" werde auf Wunsch einer Gruppe durchgeführt, außerhalb der Öffnungszeiten, rechtfertigt sich (ungefragt) mit schwurbeligen Sätzen zur Bildungserfahrung im Museum. Desgleichen der Kunstvermittler (im Anzug).

Ein Museum, das, wie das Kunsthistorische, aus Anlaß der Eröffnung einer seiner Abteilung auf Plakaten (immerhin in witziger Form) als Bildungsziel das "Mitreden-Können" anpreist, ein Museum das sich ja nicht mit der dezenten Abwicklung einer ungewöhnlichen Veranstaltung begnügt, sondern für (Medien)Rummel sorgt (die Vertreter der Medien gut gekleidet), was machen die?

Sie betreiben Marketing - das heißt ein Marktförmig-Werden des Museums, für das es aber per definitionem keine Marktfähigkeit geben kann.

Es geht um die Konkurrenz zu anderen Museen, zu anderen kulturellen Einrichtungen, es geht um Konkurrenz um Aufmerksamkeit.

"Die Schau 'Nackte Männer'", berichtet Wien ORF.at auf seiner Webseite, "wird mit Sicherheit als die Erfolgsausstellung in die Geschichte des Museums eingehen. Neben der hohen Besucherzahl wurde auch so viel wie kaum über eine andere Ausstellung berichtet - mehr dazu in „Nackte Männer“ sorgen für Besucherplus. Weit über 1.000 Medienberichte in unzähligen Sprachen wurden gezählt, die Plakate mit den nackten Fußballern bewegten die Gemüter."

Blödmaschinen, so Seeßlen und Metz, sind solche, die jene Art von Dummheit erzeugen, mit der der Weg in eine neoliberale, entpolitisierte, postdemokratische Gesellschaft gepflastert ist. Je blöder die Subjekte in dieser Gesellschaft werden, desto ungehemmter kann sich die Destruktivität des ökonomischen Imperativs gerieren.

Mittwoch, 18. April 2012

Vor und nach der Apokalypse. The Healing Game.

Hat die gegenwärtige Finanzkrise / Demokratiekrise etwas mit dem Museum zu tun. Oder andersrum: Will das Museum mit der gegenwärtigen Finanzkrise / Demokratiekrise zu tun?
Ist das Museum überhaupt ein Medium, in dem über solche Fragen verhandelt werden könnte? Verfehlte das Museum seine 'Bestimmung' (wer bestimmt?), wenn es der Gegenwart zu wenden würde?
Da namentlich die Finanzkrise eine Zukunftskrise ist, weil sie gewaltige Hypotheken für viel künftige Generationen aufbaut, weil es außerdem im Wesen der Schuld / des Schuldenmachens liegt, über die Zukunft zu verfügen, wäre da nicht ein Ansatzpunkt für eine ganz neue Museumsarbeit. Denn auch das Museum ist spezialisiert auf Festlegung von Zukünften. Indem es sammelt, trifft es ständig (Vor)Entscheidungen über künftige Vergangenheiten, über das, woran sich künftige Generationen einmal erinnern sollen. Aber wer sieht das Museum so? Wer würde schon gerne von seinem Museum der Historienbilder, der Ackerbauwerkzeuge, der Zunfttruhen, der Bandkeramiken, der antiken Büsten, der alten Motorräder, der obsoleten Altäre, der profanen Reliwuien usw. Abschied nehmen wollen.

Marcel Broothaers: Ile du Musée


Nun, Pascal Bruckner gibt dem Museum einen Platz in seinen präapokalyptischen Überlegungen. Der französische Philosoph denkt über das gute Leben nach. (Hier sein Essay bei 'Perlentaucher' - in drei Teilen). Seine Gedanken sind eingebettet in eine umfassende Analyse und Kritik der Verfassung Europas. Inmitten der mehr oder minder pessimistischen Aussichten, die er skizziert und inmitten der mehr oder weniger eher tröstenden als stringenten Überlegungen, welche Auswege es gäbe, dann diese Passage:

"In Japan, so sagt uns die Presse, wandte man sich nach dem Tsunami von 2011 und der Tragödie von Fukushima wieder dem Luxus zu, suchte gegen die Grausamkeit der Natur nach Schönheit und Dauer. Nicht die Kargheit sollte man predigen, sondern die Entdeckung neuer Reichtümer und Herrlichkeiten. Angesichts des Zitterns und Bangens neue Quellen der Schönheit und des Geistes erschließen. Die Befreiung von der materiellen Not ist nur eine der Bedingungen der Freiheit, aber sie erschöpft sie nicht. Während die Börsen zusammenbrachen, gingen die Franzosen öfter denn je ins Kino. Die Museen sind voll. Der Literatur und dem Theater geht's nicht so schlecht. Niemals hat man mehr gelesen als in dem Moment, in dem das Buch selbst gefährdet zu sein scheint. Niemals mehr bewundert, applaudiert, geträumt, geschaffen als in diesem Moment der Depression."

In einer Studie, vor Jahren gemacht, sehr weit weg daher von heutigen Arbeitsverhältnissen, wurde die Entdeckung gemacht, daß sich Arbeitslose ganz stark der Körperpflege zuwenden. "Verwöhnungshandlung" nannte so etwas die Studie. Was uns der kluge Mann aus Frankreich anbietet, ist Verwöhnungshandeln im Angesicht der Katastrophe. Auch nicht schlecht, denke ich, das Museum als Healing Game, aber vermutlich gibts im Zunamigebiet kein Kino mehr, kein Museum und keine Badewannen, oder? Und wer ist wir und sie. "In Japan", so sagt uns die Presse, sagt uns Pascal Bruckner. Ein Reiseführer, den meine Reisegruppe in Moskau mithatte, und aus dem wir uns vorlasen, gabs den Satz: "Der Russe studiert am Abend". Der Japaner geht nach dem Tsunami ins Kino. Alle Japaner? Gibt es da nicht auch welche, die nie ins Kino gehen, nie ins Theater, die keine Bücher lesen, die kein Museum betreten? Kurzum jene, von denen ein Landsmann von Pascal Bruckner gesagt hat, daß das, was die "Eingeborenender Bildungselite" als "Kultur" betrachten (ich zitiere Pierre Bourdieu) einfach nicht existiert, nichts, was sie als Wert für sich als existent betrachten, nichts, was sie als ihnen fehlend und daher als Mangel ansehen würden.