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Mittwoch, 24. Oktober 2018

Das Haus der Geschichte Österreich als politisches Instrument des Parlaments und Symptom der Dritten Republik

In zwei Beiträgen, die ich im Rahmen von Tagungen zum Haus der Geschichte Österreich zur Diskussion gestellt habe (Vortrag vor der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und in der Akademie der Wissenschaften), war ich äußerst skeptisch gegenüber der engen Verzahnung von Politik und Projekt. Die ungewöhnliche Politisierung veranlasste mich schon seinerzeit, das Haus der Geschichte abzulehnen.

Jetzt kommts aber heftig.

Wie die APA heute berichtet, soll nun das Haus der Geschichte Österreich als Republikmuseum dem Parlament angegliedert werden. Denn "Wenn man Republiksgeschichte vermitteln will, ist das ohne das Parlament nicht möglich", stellte Nationalratspräsident Sobotka "im Einklang mit Minister Blümel fest". Und im Einklang mit der Leiterin Monika Sommer, die sich "wirklich sehr freut" über eine derart "richtungweisende Pressekonferenz".

In welche Richtung wird da gewiesen und wer weist?

In eine sehr österreichische, was zunächst einmal die Organisation anbelangt, denn Minister Blümel verspricht Eigenständigkeit in einem Atemzug mit dem Versprechen, das Museum "ans Parlament anzubinden." Oder so: Wissenschaftlich sei das Museum unabhängig. Sehr schön. Aber warum nur wissenschaftlich? Keiner der Wissenschafter werde parteipolitisch bestellt. Na eh nicht. Das ist ja schon passiert.

Dieser organisatorischen Unabhängigkeit korrespondiert die inhaltliche, die - ganz unabhängig - vom ÖVP-Politiker Sobotka formuliert wird. Als jenes identitätspolitische Konzept, das dem Historiker Botz so abgegangen ist. Jetzt endlich gibt es eins, von Herrn Sobotka: "Sobotka" so berichtet uns die APA,  "denkt in diesem Zusammenhang auch an Wanderausstellungen in den Bundesländern, aber auch über die Staatsgrenzen hinaus. Mit dieser Arbeit beabsichtige man vor allem, die Identität Österreichs in allen Teilen zu stärken. (...) Sobotka unterstrich die Notwendigkeit der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Institution und wies unter anderem auf die unabhängige Tätigkeit etwa des Nationalfonds hin, der ebenfalls an das Parlament angebunden ist."

"Kein Historiker und keine Historikerin wird von einer Partei bestellt", stellte er klar." Wie das die ÖVP versteht und praktiziert, und wie man dort mit willfährigen HistorikerInnen (aller Lager) parteiideologische Ausstellungen macht, kann man beim unsäglichen Museum in St. Pölten sehen. Aber weiter im O-Ton Sobotka: "Der Nationalratspräsident rief in diesem Zusammenhang zu einem nationalen Schulterschluss auf und kündigte an, alle politischen Kräfte von Nationalrat und Bundesrat einzubinden. 'Die Verantwortung, sich der Geschichte der Republik zu stellen, hat in einem großen nationalen Bogen zu erfolgen'". 
Also eine Art von nationaler Einheitsgeschichte? 

Man könnte das alles auch großartig finden: Am zentralen Ort der Demokratie, asm Ort der Austragung von Debatten, Interessen und Konflikten, am Ort der repräsentativ den Willen des Volkes vertetenden und agierenden Gremiums, gibt es einen symmetrischen kulturellen Ort, ein Museum, das genealogisch und strukturell aus den Ideen von Demokratie und Aufklärung hervorgegangen ist und ihnen verpflichtet ist.

Da könnten wir uns ein bürgerschaftliches, partiztipatives Museum vorstellen, an dem der Demos selbst die Erzählung und Deutung seiner Geschichte selbst in die Hand nimmt. Ein Ort der permanenten Selbstauslegung, der immer wieder sich erneuernden Deutung der Vergangenheit und der Entwürfe wünschbarer und lebenswerter Zukünfte.

Stattdessen bekommen wir zwergenhaftes Denken und Handeln, kübelweise Oppurtpnismus und tonnenweise politische Ideologie.Denn das Parlament ist fest in den Händen der Parteien und die Machtverhältnisse zwischen Regierung und Parlament einerseits und Parlament und Wahlvolk nicht so ganz im Sinne der Verfassung.


Und die Direktorin, zwischen den zwei Rechtskonservativen freudig beim Pressekonferenz-Verkünden eingeklemmt, insistiert darauf, wie großartig und diskussionsfreudig das alles werden wird, etwas, was man nun seit Monaten gehört hat, was aber nie eingelöst wurde. Auf der Webseite wird nicht nur nicht diskutiert, es werden dort alle Debatten, die zum Projekt geführt wurden vollkommen ignoriert. Und die Diskussionskultur ist so exzellent, daß im Beirat hat zwei Mitglieder zum Austritt bewogen. 

Dort wurde etwa darüber befunden, daß man den Begriff Austrofaschismus besser nicht verwenden sollte (wiewohl er von Historikern verwendet wird und seine Verwendung begründet wird, etwa bei Emmerich Talos). Stattdessen wurde am Begriff Kanzlerdiktatur herumgebastelt, der wurde aber auch wieder verworfen, weil er sich für Schüler (?) als mißverständlich erwiesen habe. Angeblich soll die Lösung nun in der Begriffswahl Dollfuss-Schuschnigg-Dikatur bestehen. Die versprochene Diskussionsfreudigkeit besteht also darin, Schüler zu befragen, ob sie etwas im Sinne der KuratorInnen verstanden haben, und dann, wenn das nicht der Fall ist, die Diskussion im planenden Gremium zu beenden, statt die Frage im Museum zur Diskussion zu stellen. Es ist ja nicht weniger als die bis heute umstrittenste Phase der österreichischen Zeitgeschichte, an deren Deutung in aller erster Linie die ÖVP als entlastende "Eindeutigung" ein Interesse hat.

Doch das sozialdemokratisch durchwirkte Planungsteam, das das Museum in sozialdemokratischem Auftrag gebastelt hatte, ist jetzt genau dort, wo sich die Herren Ostermeyer und Drozda das Projekt nie vorstellen konnten und sie selbst auch nicht: Im Kraftfeld der politischen Hegemonie einer weit rechts stehenden Regierung. Sie wollten es nicht wahrhaben, aber so schnell kann es gehen. Jetzt haben sie die Höchststrafe und dürfen sich verbiegen bis zum Anschlag, um das Projket - als Budgetposten, nicht mehr -, zu "retten".

Allerdings:So wird es, eine symptomatische Lesart vorausgesetzt, ein wirkliches Republik-III-Museum. 
"Wenn man Republiksgeschichte vermitteln will, ist das ohne das Parlament nicht möglich." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden "Wenn man Republiksgeschichte vermitteln will, ist das ohne das Parlament nicht möglich." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden "Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute so eine richtungsweisende Pressekonferenz abhalten dürfen", sagte HDGÖ-Direktorin Monika Sommer. "Ich freue mich über dieses klare politische Commitment." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden"Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute so eine richtungsweisende Pressekonferenz abhalten dürfen", sagte HDGÖ-Direktorin Monika Sommer. "Ich freue mich über dieses klare politische Commitment." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden
"Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute so eine richtungsweisende Pressekonferenz abhalten dürfen", sagte HDGÖ-Direktorin Monika Sommer. "Ich freue mich über dieses klare politische Commitment." - derstandard.at/2000089997798/Haus-der-Geschichte-soll-Haus-der-Republik-werden

Montag, 27. August 2018

Otto Hochreiter: Konzept für eine Sonderausstellung des Hauses der Geschichte Österreich zum 100-jährigen Republiksjubiläum

Der Leiter des Grazer Stadtmuseums, Otto Hochreiter, hat mich gebeten, sein Konzept für eine Sonderausstellung des Hauses der Geschichte Österreich aus dem Jahr 2016 im Blog zu veröffentlichen. Otto Hochreiter schreibt dazu in Anschluß unter anderen an die Berichterstattung zum Austritt der Beiratsmitglieder des Hauses der Geschichte Österreich,  Eva Blimlinger (Akademie der Bildenden Künste) und Gerhard Baumgartner (DÖW): "Moniert wurde unter anderem das Fehlen einer schlüssigen Darstellung der zentralen Aussagen und inhaltlichen Positionen der Ausstellung ... Als möglichen Beitrag zu dieser Debatte möchte ich hiermit mein (Bewerbungs-)Konzept für eine Sonderausstellung des Hauses der Geschichte Österreich zum 100-jährigen Republiksjubiläum von Dezember 2016 für interessierte Fachkreise und Medien öffentlich machen. Es kann gerne weitergegeben, referiert, zitiert oder vollständig publiziert werden."

In diesem Sinn komme ich der Bitte nach Veröffentlichung gerne nach. Noch wäre Zeit, eine Debatte zu beginnen.
 
Gottfried Fliedl, 27.8.2018


Otto Hochreiter

Konzept für eine Sonderausstellung des
Hauses der Geschichte Österreich
zum 100-jährigen Republiksjubiläum

I   Die neue Burg
II      Die Hauptausstellung im Mezzanin
III    Decouvrierende Aneignung des Piano nobile
IV     Ideen für eine künftige Bespielung


Vorbemerkung

Das HGÖ ist kein „heroisches Museum“, das eine lineare, ruhmreiche National-Geschichte darstellt, sondern ein postheroisches, somit also ein reflexiv ausgerichtetes Museum. Weniger die Setzung von Werten sollte im Vordergrund stehen, sondern vielmehr das Nachdenken über Werte in ihren historischen Bedingtheiten. Auf Grund des „öffentlichrechtlichen“, wissenschaftlichen Charakters des HGÖ sollte es inhaltlich der Wissenschaft und Aufklärung dienen und nicht den Gesetzen der Event-Kultur folgen, die erinnert, was medial gut präsentierbar ist.

Politische Bildung
Zeitgeschichte ist wesentliche Komponente Politischer Bildung, um Lernende zu politischer Mündigkeit respektive Urteilskraft zu befähigen. Politische Bildung ist also ein aufklärerischer und demokratischer Bereich und darf sich nicht auf eine nationalstaatlich verengte Reflexion beschränken. Im Vorfeld der Entstehung des HGÖ ist vielfach die Unmöglichkeit, heute eine nationale Geschichte zu schreiben, behauptet worden. Ein solcher Vorwurf des Nationalistischen wird die hier vorgelegte Konzeption einer Republikjubiläumsausstellung nicht treffen können. Sie ist zwar patriotisch, aber nur bezogen auf die Verfassung der demokratischen Republik Österreich. Ihr Ziel ist es, einem möglichst breiten Publikum ein motivierendes Angebot zu machen sich mit den Prinzipien und Institutionen des Verfassungsstaates zu identifizieren. Man wird diese Ausstellung also verfassungspatriotisch nennen können.

Verfassungspatriotismus
Verfassungspatriotismus garantiert in einem demokratischen Sozialstaat ein unverzichtbares Maß an Solidarität, Konsens und freiwilliger Partizipation. Diese Form des Patriotismus setzt deshalb auf keinen substanziellen Wertkonsens hinsichtlich des guten oder richtigen Lebens oder fördert gar reaktionäre Formen des Patriotismus – wie z. B. „USA/Polen/Ungarn/Österreich zuerst“.

Vielmehr soll es in dieser Ausstellung um die demokratische Republik Österreich als solche gehen und zeigen: In ihrem Schutz durch den Rechtsstaat, durch Gewaltenteilung, durch die politische Partizipationsmöglichkeiten und das Inklusionsprinzip des Wohlfahrtsstaats ist unsere freie Entfaltung überhaupt möglich. Verfassungspatriotismus ist nicht national eingeschränkt, sondern richtet sich nach Dolf Sternberger an den universalen Prinzipien der Freiheit und Gleichheit aus und betrachtet Verfassung als Produkt einer spezifischen Geschichte des eigenen Staates.

Politische Kultur
Verfassung, politische Beteiligung mussten in der Geschichte erkämpft werden. Der liberale Verfassungsstaat in seiner immerwährenden Fragilität musste und muss verteidigt werden. Die bewegte und bewegende


Geschichte der demokratischen Verfasstheit Österreichs in dieser Ausstellung soll zeigen, wie wichtig Rechtsbindung der geteilten Gewalten, wie wichtig der Grundrechtsschutz und die Ausbalancierung dieser Gewalten sind. Die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz und als Rechtsgenossen untereinander bestimmt als eines der zentralen Menschenrechte, Grundrechte, Bürgerrechte maßgeblich die
Republikanische Idee.

Der formelle Rechtsstaatsbegriff wurzelte in dem Glauben an die Unfehlbarkeit von Rousseaus volonté générale. Die Republikjubiläumsausstellung soll jedoch auch bewusst machen, dass die Bindung der Staatstätigkeit an bestimmte Formen und Verfahren noch keine hinreichende Garantie bietet für die Geltung und Durchsetzung des Rechts. Sie soll zeigen, wie entscheidend für das Gelingen von Demokratie die jeweilige politische Kultur ist. Es wäre wohl Auftrag dieser Republikausstellung, zu dieser politischen Kultur positiv beizutragen.

Wien, 8. Dezember 2016

I
DIE NEUE BURG

Die Neue Burg wird derzeit nur eingeschränkt als Museumsgebäude wahrgenommen, obgleich mehrere sehr bedeutende Schausammlungen des KHM dort zu sehen sind:

  • Ephesos Museum
  • Sammlung alter Musikinstrumente
  • Hofjagd- und Rüstkammer
  • Weltmuseum

Ein HGÖ als quasi feindliches Einliegermuseum in diesem Konglomerat von Museen anzusiedeln, wäre wenig erfolgversprechend. Es bietet sich aber im Gegenteil die Gelegenheit, mit dem Ende 2017 eröffnenden Weltmuseum gemeinsam zu den Zugpferden eines derzeit eher beschaulichen Museumsangebots zu werden.

Die Neue Burg mit ihren dann fünf Museen mit jeweils scharfem Eigenprofil soll mit der Eröffnung der ersten Sonderausstellung des HGÖ am 4. Oktober 2018 (Laufzeit bis 26. Oktober 2019) zu einer starken Museumsmarke werden. Gerade das HGÖ sollte ab Ende 2018 nicht nur in guter Nachbarschaft mit den anderen Museen des

KHM agieren, sondern aktiv durch räumliche, inhaltliche und außenkommunikative Verknüpfungen mit allen vier Museen die Attraktivität des Gesamtlabels DIE NEUE BURG erhöhen. Jedenfalls sollte davon abgesehen werden, das Weltmuseum und die Hofjagd- und Rüstkammer ausschließlich über den Eingang im Corps de Logis und umgekehrt das HGÖ, das Ephesos-Museum und die Musikinstrumente-Sammlung nur über den zentralen (ÖNB-)Eingang zugänglich zu machen.

Die unter dem Label DIE NEUE BURG zusammengefassten fünf Museen sollen nach der Eröffnung der Republiksjubiläum-Ausstellung als ebenso attraktives Museumsangebot wie Museumsquartier, KHM und NHM wahrgenommen werden. Es war einer von Sempers Grundgedanken, dass die Seitenflügel seines Kaiserforums „in ihrer architektonischen Gliederung an die Kolonnade der Ost-Fassade des Louvre gemahnen(d)1 sollten. – Ein gemeinsames Ticket für alle Museen der NEUEN BURG sollte jedenfalls angeboten werden.

1 Zit. nach Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur
im 19. Jahrhundert, Wien, 1970, S. 25

II
Die Hauptausstellung im Mezzanin

Am 12. November 1918 wurde die Republik Deutsch-Österreich ausgerufen. Die gesetzliche Grundlage der dann Österreich genannten Republik war letztlich das Bundes-Verfassungsgesetz vom Oktober 1920, welches normierte:

„Artikel 1. Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.

Artikel 2. (1) Österreich ist ein Bundesstaat.“

„Artikel 7. (1) Alle Bundesbürger (heute: Staatsbürger) sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.“

Aus diesen Normen leiten sich bis heute die demokratischen, republikanischen, bundesstaatlichen und rechtsstaatlichen Grundprinzipien der Bundesverfassung ab. Diese sowie die oben in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz zitierten Begriffe bilden als „Wertehimmel der Demokratie“ die Grundidee, die inhaltliche Klammer und den Kern des Vermittlungsinteresses der hier skizzierten Sonderausstellung zum hundertjährigen Republiksjubiläum. Es gilt ja nicht die Dauerausstellung des HGÖ zu konzipieren, sondern eine Sonderausstellung zur 100. Wiederkehr der Gründung der demokratischen Republik Österreich.

Um das Bestehen der Institution „demokratische Republik“ und jene Kräfte, die zu ihrem Entstehen und zu ihrem Erhalt beigetragen haben, entsprechend zu würdigen, wird für den Hauptteil im Mezzanin eine Konzeption vorgeschlagen, die sich an diesen vier essentiellen Sätzen des Bundesverfassungs-Gesetzes orientiert. Neben dem Begriff „Österreich“ werden so die Grundprinzipien der Bundesverfassung sowie der Gleichheitsgrundsatz bezogen auf Geschlecht, Bekenntnis sowie Stand und Klasse zu den Themen der sechs großen Ausstellungssäle. Innerhalb dieser Themensäle kann die diesbezügliche Entwicklung jeweils so weit in die Geschichte Österreichs zurückverfolgt werden, wie es für eine schlüssige Darstellung erforderlich scheint.

Dem Publikum, aber auch den Virtual-Visitors über elektronische und Massenmedien, soll – nicht zuletzt auch durch die Negation der demokratischen Republik in ihrer Unterbrechung 1933 bis 1945 – die Bedeutung einer demokratisch-republikanischen Grundordnung deutlich gemacht werden. Gefeiert werden, im Sinne politischer Bildung, die Institution demokratische Republik und weniger die Zeitläufe seit dem Ende des Ersten Weltkriegs.


A ÖSTERREICH ist eine demokratische REPUBLIK.“
B „Ihr (der Republik) RECHT geht vom VOLK aus.“ „Alle Bundesbürger (heute: Staatsbürger) sind VOR DEM GESETZ GLEICH.“
C „Österreich ist ein BUNDESSTAAT.“
D „Vorrechte des GESCHLECHTs sind ausgeschlossen.“
E „Vorrechte der GEBURT, des STANDes und der KLASSE sind ausgeschlossen.“
F „Vorrechte des BEKENNTNISses sind ausgeschlossen.“






A  ÖSTERREICH ist eine demokratische REPUBLIK.“

Mittelraum
Ausrufung der demokratischen Republik Deutschösterreich durch Provisorische Nationalversammlung am 12. November 1918


Seitenraum links
Was heißt hier „Österreich“?

  • „Monarchia Austriaca“ im Hl. Römischen Reich
  • Österreichisches Kaiserreich ab 1804
  • „Ostmark“ 1938–1945
  • etc. etc. etc.
  •  

Seitenraum rechts
Von der Monarchie zur Republik

  • Leopolds Großherzogtum Toskana
  • Kossuth gründet 1849
  • ungarische Republik
  • Republik Österreich im europäischen Vergleich
  • etc. etc. etc.




B  „Ihr (der Republik) RECHT geht vom VOLK aus.“
„Alle Bundesbürger (heute: Staatsbürger) sind VOR DEM GESETZ GLEICH.“


Decke
Wertehimmel der Demokratie im Gemäldefeld


Mittelraum
Verfassung und Rechtsstaatlichkeit
  • Oktroyierte Verfassung 1849
  • Neoabsolutismus
  • Staatsgrundgesetz mit Grundrechtekatalog
  • Bundesverfassungsgesetz Wiedervereinigung mit Deutschem Reich 1938
  • Damit Entrechtung jüdischer BürgerInnen
  • etc. etc. etc.
  •  

Seitenraum links
Demokratie
  • Jakobinerprozesse unter Franz II.
  • Bundesverfassungsgesetz 1920
  • „Selbstausschaltung“ des Parlaments 1933
  • etc. etc. etc.
  •  

Seitenraum rechts
Gleichheit
  • „Steuerrektifikation“ gegen Adel und Klerus
  • Mai-Revolution 1848
  • Wahlreform Beck: Allgemeines, gleiches, direktes und geheimes (Männer-)Wahlrecht 1906/07
  • etc. etc. etc.





C  „Österreich ist ein BUNDESSTAAT.“


Vor 1918
  • Maria-Theresias Zentralstaat versus Erbländer
  • Föderalistisches Oktoberpatent zurück zu landständischer Verfassung 1860
  • Kuriensystem auf Länderebene
  • etc. etc. etc.

Die Geschichte der Bundesländer im 20. Jahrhundert




D  „Vorrechte des GESCHLECHTs sind ausgeschlossen.“


Vor 1918
  • Kämpferinnen bei der Revolution 1848
  • Wöchnerinnen-Schutz 1885–1888
  • Erster internationaler Frauentag 1911
  • etc. etc. etc.

1. Republik
  • Aufhebung des Vereinsverbotes 1918
  • Aktives und passives Frauenwahlrecht 1918
  • Forderung nach Straffreiheit bei Fristenlösung
  • etc. etc. etc.

Negation
  • Verlust des passiven Wahlrechts
  • Verbot der Frauenorganisationen der Parteien 1933
  • Frauenarbeit Rüstungsindustrie ab 1939
  • etc. etc. etc.

2. Republik
  • Autonome Frauenbewegungen 1970er
  • Sexualstrafrechtsreform 1989
  • Frauenvolksbegehren 1997
  • etc. etc. etc.




E  „Vorrechte der GEBURT, des STANDes und der KLASSE sind ausgeschlossen.“


Vor 1918
  • Ende Leibeigenschaft 1781
  • Kurien- und Zensuswahlrecht
  • Hainfelder Parteitag der Sozialdemokraten 1888/89
  • etc. etc. etc.

1. Republik
  • Adelsaufhebungsgesetz 1919
  • Sozialgesetze 1919/20
  • Weltwirtschaftskrise 1929
  • etc. etc. etc.

Negation
  • „Arisierung“ jüdischer Besitztümer
  • Reichsverordnung über ausländische Arbeitskräfte 1941
  • „Euthanasie“ bei kranken Kindern ab 1939
  • etc. etc. etc.

2. Republik
  • Raab-Olah-Abkommen (Gastarbeiter) 1961
  • Ausländervolksbegehren 1993
  • Debatten und Aktionen zu Bettelverboten
  • etc. etc. etc.



  
F „Vorrechte des BEKENNTNISses sind ausgeschlossen.“


Vor 1918
  • Toleranzpatent Kaiser Josephs II. 1781
  • Kampf der Liberalen gegen Kirche (Ehegerichtsbarkeit, staatliche Schulaufsicht) 1868
  • Antisemit Karl Lueger Wiener Bürgermeister 1897–1910
  • etc. etc. etc.

1. Republik
  • Islamischer Kulturbund
  • Siegfriedkopf“ in der Aula der Universität 1923
  • Gleichspach’sche Studentenordnung 1930
  • etc. etc. etc.

Negation
  • „Feierliche Erklärung“ der Kirchen zum „Anschluss“ 1938
  • Deportationen jüdischer BürgerInnen nach Osten ab 1941
  • etc. etc. etc.

2. Republik
  • Fall Borodajkewycz 1965
  • Erster islamischer Religionsunterricht 1982/83
  • Kunstrückgabegesetz 1998
  • etc. etc. etc.






III
Decouvrierende Aneignung des Piano nobile


Das Stiegenhaus zum ersten Obergeschoss, dem Piano nobile der Neuen Burg, das Stiegenplateau der Jagdgalerie vor der Portalterrasse (alias „Hitler-Balkon“) und diese Portalterrasse selbst eignen sich hervorragend für eine zeitgenössische demokratische, republikanische Aneignung einer Torso gebliebenen Machtarchitektur, deren Innenausbau erst 1920 bis 1926 (!) beendet wurde. Das grandios gescheiterte Semper-Hasenauer’sche Projekt kann ja auch metaphorisch für den Gesamtzustand der späten Habsburger-Monarchie stehen. So wenig diese nostalgisch zu verklären ist, so absurd wäre es, den besonderen Geschichtsort Hofburgareal auf „Hitler am Heldenplatz“ zu reduzieren.

Der decouvrierende Grundgestus aller Interventionen im Piano nobile sollte bewusst niederschwellig, spielerisch-interaktiv sein, quasi eine Erholung nach der staatsbürgerlichen „Belehrung“ im Mezzanin. Vor allem sollte jede dämonisierende Fokussierung auf Hitlers Heldenplatz-Auftritt tunlichst vermieden werden, weil sie bei aller kritischer Distanzierung letztlich die NS-Propaganda ins Heute verlängern könnte.

Statt des aktuell am Plateau stehenden Klavierflügelrahmens könnte es beispielsweise eine „Demokratie-Maschine“ geben, auf der „Hebel umgelegt“ werden können zum autoritären oder diktatorischen Staat.

Die zwei Stiegenhaus-Augen am Rand des Plateaus könnten mit zwei doppelbödigen „Geschichts-Paternostern“ gefüllt werden. In ihnen würden jene Figuren auf- und niederfahren, welche die Oberfläche der Ersten und Zweiten Republik abgeben. Die Leerstellen der nach Kriegsbeschädigungen freigebliebenen Gemäldefelder über den Stiegen am linken, hofburgseitigen Flügel könnten als Gegenstück zum rechtsseitigen Herrscherlob mit einer „Galerie der Demokratie“ gefüllt werden. Statt weiterhin fasziniert vom Heldenplatz aus auf den „Hitler-Balkon“ zu schauen, wird eine Blickumkehrung vorgeschlagen. Im Sinne der erwähnten demokratisch-entspannten Aneignung stehen die BesucherInnen nun auf der Terrasse (die alles nur kein Balkon ist) und nutzen sie als wunderbaren Aussichtspunkt. Der Mehrwert ihres Panoramablicks besteht in heutigen fotografischen Darstellungen der Gebäude, die in Texten auf ihre historische Essenz befragt werden. Die ominöse Terrasse selbst ist Teil dieser kritischen Betrachtung.

Bei der Brüstung könnte diese „Politische Physiognomie“ des Hofburgareals in Form von Fototafeln, welche die politische Geschichte der Gebäude(-teile) fokussieren, angebracht werden. Die Rückseiten der Tafeln „winken“ zugleich den Passanten am Heldenplatz zu als Ankündigung des HGÖ oder des Labels DIE NEUE BURG.




 
Politische Physiognomie

D    Neue Burg („Anschluss“)
I     Winterreitschule (Reichstag)
E    Hofburg/Ballhaus (Autoritärer Ständestaat)

N    Votivkirche (Attentat Franz Joseph)
E    Universität (Antisemitismus, Nationalsozialismus)
U    Parlament (Reichsrat, Februarpatent 1861)
E    Äußeres Burgtor („Heldentor“)

B    Justizpalast (Julirevolte 1927)
U    Kunsthistorisches und Naturhistorisches Museum (Kaiserforum)
R    Hofstallgebäude/Messepalast (Besatzungszeit)
G   Gefechtsturm Stiftskaserne (Zweiter Weltkrieg)



IV
Ideen für eine künftige Bespielung



Die oben skizzierte erste Sonderausstellung des HGÖ läuft vom 4. Oktober 2018 bis 26. Oktober 2019. Die zweite Sonderausstellung des HGÖ in der mit dem Weltmuseumneu positionierten NEUEN BURG könnte dann im März 2020 eröffnet werden und bis November laufen. Bis zur Eröffnungdes eigentlichen Hauses der Geschichte (am Heldenplatz) könnte der Rhythmus von Jahresausstellungen März bis November beibehalten werden.

Als mögliche Themen könnten dem Wissenschaftlichen Beirat des HGÖ vorgeschlagen werden:

LAND DER BERGE, LAND DER STÄDTE.
Das Verhältnis von urbanen und ländlichen Räumen und Menschen bis zur Gegenwart

MEINLMOHR UND SERRAILENTFÜHRUNG.
Eine Kulturgeschichte der Kontakte Österreichs mit dem „Orient“ (mit Ephesos-Museum)

WO DIE GÖTTER ZU HAUSE SIND.
Gelebte und gebaute religiöse Vielfalt in Österreich

DAS NEUTRALE ÖSTERREICH UND SEINE WAFFEN
(mit Hofjagd- und Rüstkammer)

AUGUST LOEHRS „MUSEUM ÖSTERREICHISCHER KULTUR“ REVISITED.


LIEBE LIEBER UNGEWÖHNLICH.
Eine Geschichte der subversiven Geschlechterrollen

EINEM STARKEN HERZEN GLEICH2 Oder:
DER WANGENROTE JÜNGLING3.
Eine Geschichte von Österreich und Europa (mit Musikinstrumente-Sammlung)

DIE KUNST DER ANPASSUNG.
Österreichische KünstlerInnen im Nationalsozialismus zwischen Tradition und Propaganda

JÄGER, SAMMLER, THRONFOLGER.
Franz Ferdinand, der Bauherr der Neuen Burg (mit Weltmuseum)


2 „Heiß umfehdet, wild umstritten, liegst dem Erdteil du inmitten einem starken Herzen gleich. Hast seit frühen Ahnentagen hoher Sendung Last getragen, vielgeprüftes Österreich. Vielgeprüftes Österreich.“ 2. Strophe der Österr. Bundeshymne

3 Grillparzers Lob auf Österreich: „O gutes Land! O Vaterland! Inmitten dem Kind Italien und dem Manne Deutschland, liegst du, der wangenrote Jüngling, da: Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn Und mache gut, was andere verdarben.“



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