Meine zweite Gelegenheit, das Phaeno in Wolfsburg zu sehen, war kurz und enttäuschend. In der "Erlebnislandschaft", wie das die Dame an der Kassa nannte, um meinen ICOM-Ausweis für nutzlos zu erklären und mir 12 Euro abzuknöpfen, war ich vor allem generationell deplatziert. Abgesehen von Aufsichtspersonen und Schülergruppen begleitenden Lehrern lag das Höchstalter der Besucher um etwa zwei Drittel unter meinem.
Mich haben interaktive Technik- oder Science Museen nie besonders angezogen. Der Informationswert ist sehr begrenzt, der gesellschaftliche und historische Kontext ist nahezu lückenlos ausgeblendet, der Spaßfaktor für mich nicht wahnsinnig groß und die praktische Bedeutung gering - meinen Fernseher verstehe ich ja doch nicht, und nicht nur den.
Anders als bedeutungsoffene Museumsarrangements bildet die Aneinanderreihung von Experimentierstationen weder einen durch Verknüpfungen generierten oder gar übergreifenden Sinn noch lassen die Erläuterungen Spielraum fürs Entdecken und Erfahren. Meist bestanden die erklärenden Texte aus drei oder vier, jeweils numerierten, Schritten. Der Text weist einen an etwas zu tun, dann zu beobachten, was passiert, um dann zu erklären warum es passiert und um welches physikalische usw. Phänomen es sich handelt. Es fehlen nicht nur Hinweise auf gesellschaftliche Anwendbarkeit oder gar deren positive und negative Effekte, es fehlt interessantwerweise auch die Iformation über immanent-technische Brauchbarkeit und Nützlichkeit. Letztlich bleibt die pure Affirmation von Technik und technischer Machbarkeit.
Als Besucher ist man hier der Pawlowsche Hund, der nach einem Reiz-Reaktions-Schema etwas in Gang setzt, was streng genommen nur im Text stattfindet. Denn Anziehungskraft oder elektrische Energie kann man nun mal nicht "sehen".
So bleibt ein mehr oder minder unterhaltender spielerischer Effekt mit Verblüffüngs- oder Überraschungsqualität. Dem scheint man auch nicht mehr so ganz zu trauen, denn mir schienen gegenüber dem ersten Besuch die rein spielerischen Installationen, wie diverse Kugelbahnen zum selberbauen, wesentlich mehr geworden zu sein.
Das Haus war voll, um 10 Uhr Vormittag, und nach einer Zeit des ziellosen Flanierens, Entdeckens und Beobachtens - nicht nur der Installationen, sondern der Atmospähre im Haus -, machte ich mich in die karge Cafeteria auf. Da gabs keinen Kaffee, technisches Gebrechen an beiden Maschinen. Wie empfohlen, kam ich eine viertel Stunde, dann noch mal eine halbe Stunde später. Vergeblich. Kein Kaffee. Eine Experimentieranordnung?
Vielleicht liegt meine Unlust am Phaeno auch an der Architektur. Die wurde bei Eröffnung hoch gelobt einschließlich der städetbaulichen Funktion als eine Art Tor zur Stadt. Gerade als das nehme ich den schwebenden Betonkörper nicht wahr, denn er steht als solitär und ohne Verbindung zu benachbarter Verbauung auf einem Un-Ort, zwischen Bahngeleisen und zwei Straßenzügen, die man überquert, wenn man in die Fußgängerzone will. Unter dem Bau durchzugehen ist weder nötig noch einladend, vor allem in der Dämmerung oder Nacht. Das Bauwerk stellt einen fließenden, unregelmäßigen, höhlenartigen Raum dar, der sich aus verschieden großen Volumina zusammensetzt und durch farbiges Licht zusätzlich gegliedert wird.
Museumsspezifische Qualitäten (in diesem Fall: das Phano-Erlebnis codierende und formierende) gibt es kaum, dafür viel an manieristischer Selbstverliebtheit im Detail (etwea ein Panoramafenster, bei dem es aber in beiden Blickrichtungen nichts zu sehen gibt). Was sich aufdrängt ist die Atmosphäre aus weitgehend im Dunkeln liegenden Sichtbeton und deren Brutalismus überspielendem Licht. Geht das zu weit, wenn ich vermute, daß es darum geht, eine immersiv-regressive Atmosphäre herzustellen, eine "kindgerechte" Spielhöhle bereitzustellen, in der es nicht um kognitives Lernen oder gar diskursive Erfahrung, sondern um Wohlfühlen und Spass haben geht?
Den Kaffee bekam ich dann in der Fußgängerzone.