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Sonntag, 20. November 2022

Wohnlichkeit für Sitzriesen (Sitzen im Museum)

Diese Riesenmöbel erlauben es dem Besucher des Musuemscafes des Kunstmusuems St. Gallen die Videos der Künstlerin Pipilotti Rist, die diese "Sitzecke" gestaltet hat, anzusehen

Montag, 22. Februar 2021

Das Mmuseumm in New York (Aus der Serie "Ein Museum")


 

Das Mmuseumm wurde 2012 gegründet. Es nennt sich gelegentlich das kleinste Museum der Welt. Denn es entstand in einem Lastenaufzug in Manhattan, wenige Quadratmeter groß. Seine Besonderheit liegt aber nicht im winzigen Ausmaß, sondern in der Auswahl der Objekte und im Konzept, wie diese Objekte vermitteln sollen.

Nämlich was und wie?

„For such a small space, Mmuseumm packs in quite a bit. New collections on display include objects from knockoffs of American fast-food brands from Iran; a number of Trump products; and group of “Personal Items of Immigration,” found in the desert at the Arizona-Mexico border. Down the block, in a separate but similarly modest space, is a remarkable-looking stand-alone display: a “Future Aleppo” model made of wood, paper, and other objects by a 14-year-old Syrian named Mohammed Qutaish, who plans to be an architect some day.“
Es können aber auch Kleidungsstücke der Großmutter des Museumsgründers Alex Kalman, ausgestellt sein, oder Objects carried by people of color in the US when they were shot and killed by police, oder Verpackungen von Waren, deren Herstellung Sklavenarbeit benötigt. Und dann all die Dinge, die von Sicherheitsbehörden mal für Bomben gehalten wurden, aber zum Glück keine waren: ein ausgestopftes Spielzeugpferdchen, eine Box mit einem elektrischen Nasenhaartrimmer. In all der Unschuld, die sie im Moment der Kontrolle kurzzeitig verloren. Wir lernen: Es ist der Kontext der Zeiten, die den Dingen ihre Bedeutung verleiht.“

„I mean that several of the object-groups speak directly to current events. But I do not mean that they do so in some kind of material-culture equivalent to the opportunistic “hot take” style so popular in the media of the moment. While the hot take merely capitalizes on and ricochets off the news wihthout adding much of use, these (and some other) object collections in the new Mmuseumm season do something like the opposite: They both deepen and complicate the current moment. They certainly don’t tell us what to think. But they absolutely do tell us that thinking is what we should do.“



Und was ist das für ein Museum und wo findet es sich?

„Man muss die winzige Cortlandt Alley, versteckt hinter dem unteren Broadway, erst einmal finden. Dort, wo in den Fernsehserien typischerweise der Schlägertrupp wartet oder die Leiche liegt, ist ein einladendes Licht. Hell scheint es aus einem Lastenfahrstuhl, dessen Türen an den Wochenenden von 12 bis 18 Uhr offen stehen. Dann sitzt auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Studentin auf einem Stuhl und liest – die Museumsaufsicht. Von der gegenüberliegenden Straßenseite hat sie das gesamte Objekt im Blick. Genau genommen ist sie die Mmuseumms-Aufsicht, denn dem Museum ist in seiner offiziellen Schreibweise vorn und hinten jeweils noch ein zusätzliches M angeklebt, wie um den Hallraum des kleinen Wortes zu vergrößern.“

„The difficulty with giant, encyclopedia museums such as the Metropolitan Museum of Art is that it’s hard to get in and out without generalized feelings of inadequacy.
You may have seen the blockbuster exhibition you came for, plus the Impressionist wing and a photography show on route. But in the process you missed Arms and Armor and Arts of Africa, Oceana and the Americas.
This isn’t a problem at Alex Kalman’s Mmuseumm on Cortlandt Alley in Tribeca.
Mr. Kalman, 29, has created a full-fledged natural history museum in a space the size of a walk-in closet.
I know what you’re thinking. How great can a museum be that isn’t much larger than one of the stalls in MOMA’s men’s room? Why should.“

Und die Ausstellungen?

„Alex Kalman selbst sagt, man könne auch seine Ausstellungen durchaus als eine Form von Magazinjournalismus betrachten. »Object Journalism« nennt er es. Die wunderlichen Sammlungen, die er ausstellt, würden ihm von Leuten aus aller Welt nahegebracht, weil sich herumgesprochen hat, dass er in seinem Mmuseumm so etwas ausstellt. Oder das Museum stellt sie selbst her: Die Goldmünzen des Islamischen Staates zum Beispiel. Sehen ganz niedlich aus, eigentlich. Man soll mit seinem Handy die Hotline des Museums anrufen, sagt ein Schild, und dann die Objektnummer eingeben. Eine sonore Erklärstimme erklingt dann und erläutert, dass zu den Dingen, die eine politische Körperschaft ausmachen, eine eigene Währung gehöre. Gleichzeitig erinnert die Stimme daran, dass auch Peep-Shows manchmal spezielle Peep-Show-Münzen hätten, der Club Med seine berühmte Club-Med-Perlen und Youtube seine Clicks. Dass es die IS-Münzen möglicherweise nur hier, in New York, wirklich gibt, anders als all die anderen Ausstellungsstücke, ist eine ironische Volte. Das Museum hat sie anhand der Informationen, die den großspurigen Verlautbarungen des IS zu entnehmen waren, einfach mal gegossen; ob sie in seinem Herrschaftsbereich tatsächlich in Umlauf sind, weiß nur, wer lebensmüde genug ist hinzufahren.“

Noch einmal Kalman: „Kalman described Mmuseumm as showcasing “the contemporary vernacular.” Later, he added: “I think that Mmuseumm in one way is a form of journalism—journalism through actual objects.”



Quellen: Deutsche und englische Wikipedia; Peter Richter, Alles vom Kleinsten, Süddeutsche Zeitung Magazin, 6.10.2016 https://sz-magazin.sueddeutsche.de/kunst/alles-vom-kleinsten-82894
Wall Street Journal 31.5.2015. Rob Walker: Object Journalism at Mmuseumm, Design Observer, 5.5.2015 https://designobserver.com/article.php?id=39289 - Die Webseite des Museums ist leider unergiebig, Informationen gibt es nur hinter einer Bezahlschranke.

Mittwoch, 18. November 2020

Montag, 28. September 2020

Un chambre vide (get together)

 


Marion Baruch. Un chambre vide. Derzeit als eine Art Intervention im Kunstmuseum Luzern (oben) nach einer Aktion in der Pariser Wohnung der Künstlerin (unten) umgesetzt.

Dienstag, 23. August 2016

o. T.




Ben Vautier - Total Art Match-Box. 1965
Matchbox and matches, with offset label, 1 1/2 x 2 1/16 x 1/2"

Freitag, 12. Dezember 2014

Asche zu Asche (Objet trouvé)

Reste von John Baldessaris Werk. Kekse, gebacken aus der Asche aus der Verbrennung seiner bis dahin entstandenen Werke. "Cremation project". 1970.

Sonntag, 11. Mai 2014

Orhan Pamuks Text über das Museum der Unschuld. Ein poetologischer und museologischer Text zu einem einzigartigen Projekt (Das Museum lesen 36)


Im Jahr 2008 erschien in Istanbul der Roman Masumiyet Müzesi, das Museum der Unschuld, von Orhan Pamuk, der 2006 den Nobelpreis erhalten hatte. Eigentlich sollte gleichzeitig mit dem Roman ein gleichnamiges von Pamuk geplantes und parallel zum Buch entwickeltes Museum eröffnen, doch aus praktischen und politischen Gründen - Pamuk wurde zeitweilig verhaftet und von radikalen Gruppen mit dem Tod bedroht -, verzögerte sich die Realisierung erheblich. 2012 war es dann so weit.

Aber was ist das für ein Museum? Mein Reiseführer "Istanbul" stellt es kurz und bündig als Alltagsmuseum vor. Sicher, es gibt hier vieles, was man so landläufig als Alltagsgegenstände bezeichnet und gelegentlich wird einem auch als Tourist, der Istanbul erst grade kennenlernt, einiges von den Bezügen zur Stadt deutlich.
Aber was sollen das für Straßen sein, "die mich an sie erinnern"? Wer spricht da, und vom wem? "Phantome, die ich für Füsun halte". "Die Sommerabschlußparty". "Eine leere Wohnung". "Die erste türkische Fruchtlimonade".
Hat sich da das sogenannte wirkliche Leben eingeschlichen? Aus dem Roman? Aus Pamuks Leben und aus Istanbul? "Wie man ein Drehbuch durch die Zensur bringt" oder "Onkel Tarik". Kann uns das interessieren, können wir das verstehen?
Oder muß man dazu den Roman gelesen haben?

Ich bezweifle, daß das viel hilft (Pamuk verneint die Frage, ob man das Buch als Voraussetzung eines Museumsbesuchs kennen müsse), selbst wenn man das erst gerade getan und ein sehr gutes Gedächtnis hat. Selbst die strikte Durchnummerierung der Vitrinen im Museum nach den Kapiteln wird nicht viel helfen.
Illustriert das Museum das Buch, oder erzählt der Roman jene Geschichte, die hier ausgestellt ist?
So viel sei verraten: Pamuk hat Roman und Museum von Anfang an als ein Projekt verstanden und es folgte das Zusammentragen einer Sammlung keineswegs dem Buch, sondern eher umgekehrt, wenn sich ein ungewöhnlicher, überraschender Fund einstellte, wurde er als Requisite in die Erzählung des Romans integriert.

In der Vitrine mit der Zahl 1 sehen wir, vor einem sich bauschenden Vorhang, "Füsuns Ohrring". Auch von ihm weiß der Autor, der des Romans wie der des Museums, von Kemal, dessen Geliebte Füsun war. Im Dachgeschoß des Museums finden wir das Bett, auf dem liegend, Kemal Pamuk, der auf einem Stuhl neben ihm saß, seine Lebensgeschichte erzählt hat. Dort muß er ihm auch berichtet haben, unter welchen Umständen der Ohrring verloren ging, und warum er sagen konnte, es sei "der glücklichste Augenblick meines Lebens" gewesen.
Noch im Roman, in dessen letzten Kapiteln, hat Kemal nach dem Tod Füsuns, Orhan Pamuk beauftragt, seine Geschichte zu erzählen und die seiner großen Liebe. Er wünschte sich von Pamuk einen Text, der gleichsam jenes Museum, das er, Kemal, einzurichten plante, begleitenden sollte oder gar einen Katalog, wie es im Roman wörtlich heißt (sogar eine Eintrittskarte ist dort schon abgedruckt).
Gibt der Roman also eine wirkliche Geschichte wieder, und ist dann das Museum so etwas wie eine - fiktive oder konkretisierende - Erweiterung, Umspielung, ein Ort der Beweise für die Wirklichkeitshaltigkeit des Buches? Eine Asservatenkammer der Indizien, die die Geschehnisse des Romans beglaubigen?
Nur was sollen wir denn mit dieser individuellen, privaten und intimen Erinnerung? Nimmt uns nicht gerade das jeglichen Zugang zur Geschichte, wenn wir das Museum besuchen? Erst wenn wir im Museum etwas begegnen, das uns – auf Grund geteilter Erfahrung, geteilten Wissens -, das Verstehen ermöglicht, können wir Gegenstände mit Bedeutung belehnen.
Nun, Pamuk spielt mit beidem, mit der Spiegelung von Buch (dem wir als Roman die Fiktion zuordnen würden) und Museum (dem wir Kraft der Konkretheit der Dinge, ihrer physischen Präsenz in unserer Gegenwart, die Wirklichkeit, die Welt der Tatsachen zuordnen würden) und mit der Spiegelung von Fiktion und Realität.
Er spricht von "ausgestellten Rätseln" und "optischen Täuschungen" und von einem "Traum, aus dem man sich nicht befreien kann".

"Der glücklichste Augenblick meines Lebens". Wer vermöchte ihn  festzuhalten - außer in der fragilen, oft entstellenden Erinnerung, die keiner gegenständlichen Stütze bedarf, also im liebenden Eingedenken, in dem eine Berührung der nackten Körper durch den am offenen Fenster wehenden Vorhang oder das Geschrei der fußballspielenden Kinder in Erinnerung bleibt. Aber nicht als Text und nicht als Ding oder Bild. Sondern ausschließlich als lebendiges Erinnern, das mit dem Tod erlischt.
Dieser Traum, aus dem man sich nicht befreien kann, soll aber dennoch nicht zu Ende gehen, aber es ist auch der, aus dem sich nicht nur der Autor, der Held, sondern vielleicht auch der Besucher nicht befreien kann und nicht befreien soll.
"Wenn ein Mensch im Traum" zitiert Pamuk zu Beginn des Romans (und im Museum taucht der Text auch auf) Samuel Taylor Coleridge, "das Paradies durchwandert, und man gäbe ihm eine Blume als Beweis, dass er dort war, und er fände beim Aufwachen diese Blume in seiner Hand - was dann?"
Das ist die dritte Ebene in Pamuks Spiegelkabinett. Wie er mit der Un-Möglichkeit des Erinnernd spielt. Ist er selbst Kemal? Gab es Kemal überhaupt je? Ist nicht alles erfunden? Und woran sollen wir uns eigentlich erinnern? Wer ist hier das Subjekt der Erzählung und wer des Gedächtnisses? Woran können uns Dinge erinnern? An jene Wirklichkeit, in der sie einmal existiert haben oder ohnehin nur an jene Träume, die sie in uns auslösen?
Aber da ist ja Füsuns Ohrring, in der Vitrine, wir sehen ihn mit eigenen Augen, den Ohrring, von dem Füsun im Roman sagt, "er sei ihr wichtig", als Kemal ihn später nicht in seiner Jackentasche findet. Dort hat er ihn verstaut, nachdem er ihn gefunden hat. Aber inzwischen hat er die Jacke gewechselt und kann ihn Füsun nicht zurückgeben.

Während der Planung und der Realisierung des Museums ist Pamuk von Kindern angesprochen worden, ob er ihnen nicht die über den Zaun geschossenen Bälle zurückgeben könne. Konnte er nicht, schreibt Pamuk, weil der Freiraum um das Haus derart vermüllt war, daß man erst bei Baubeginn mit dem Entrümpeln beginnen konnte. Dann fand man siebzehn Bälle.
Ist einer der Bälle derjenige, mit dem die Kinder in der Gasse spielten, als sich Füsun und Kemal in ihrem Zimmer bei offenem Fenster liebten?
Jedenfalls gibt es einen Ball in einer Vitrine des Museums. Und Füsuns Führerschein. Und selbstverständlich die  4213 Stummel, die von Füssens gerauchten Zigaretten übrigblieben. Aber das ist eine andere Geschichte. Die erzähle ich ein anderes mal.
Und im Kleingedruckten, am Ende des Buches, dort, wohin man als Leser vielleicht nie hingelangt, unter Danksagung, erfährt man auch, wer Füsuns Ohrring fürs Museum hergestellt hat...

Um Pamuk besser zu verstehen, seine - soweit ich sehe einzigartige - Idee, einen Roman und ein Museum als komplementäre Teile eines Projektes zu entwickeln, kann man auf ein anderes Buch von ihm zurückreifen (das auch auf Deutsch vorliegt): "Die Unschuld der Dinge. Das Museum der Unschuld in Istanbul". (München 2012). Es gibt einen einleitenden Teil mit ausführlichen Texten Pamuks zum Roman und vor allem zum Museum und einen Teil, in dem in 74 Abschnitten - reich bebildert - die Stationen und Vitrinen des Museums vorgestellt werden. Und das wiederum so, daß die Texte eher Erweiterungen denn Erklärungen sind. Sein poetologischer Zugang ist subtil, leicht, wunderbar zu lesen. Etwa wie die Geschichte der Entdeckung des Hauses, das er als Museum wählte, am Schulweg, den er täglich mit seiner Tochter zurücklegte. So nebenbei kann von Pamuk lernen, wie man ein Museum vorstellt.
Pamuk hat aber auch eine veritable Museologie zur Hand, die er seit dem Roman sichtlich weiterentwickelt hat und die einem zusätzlich hilft, seine Ideen und sein Konzept des Doppelprojektes besser zu verstehen. Dieser Museologie (die einer gesonderten Auseinandersetzung lohnte) liegt das begeisterte Stöbern und Sammeln zugrunde, aber Pamuk ist auch ein begeisterter Museumsbesucher (übrigens wie Kemal, von dem im Roman gesagt wird, daß er nach Füsuns Tod über 4000 Museen bereist habe). Ein Besucher vor allem kleiner Museen und da wiederum solcher Museen, die möglichst die Spuren der Personen, die dort gelebt haben, noch bewahrt haben. Das war ein nicht geringes Vergnügen, zu erfahren, wie sehr Pamuks Museumsvorlieben sich mit meinen decken. Mit wenigen Ausnahmen kannte ich die Orte, die er ausdrücklich als Inspiration für Roman und sein Museum nennt.
Mit diesem „Begleit“-Buch in der Hand, wird man sich dem Spiel der Verweise und dem changieren der Ebenen des Museums viel besser aussetzen können, wird tiefer in die eigentümlich zweideutige Welt des Romans, des Museums und Orhan Pamuks eintauchen können.

Samstag, 4. Januar 2014

Die (Museums)Verhältnisse zum Tanzen gebracht

Daniel Firman, Würsa (à 18 000 km de la terre), éléphant naturalisé, 2008 / © Daniel Firman / Vue de l'exposition au Palais de Fontainebleau