Immer wenn ich im Gespräch mit Schweizer Freunden auf die Hallen für Neue Kunst und den Sammler Urs Raussmüller zu sprechen komme, beginnt ein großes Geraune. Wie undurchschaubar doch das sei, was der da treibt und was ihn denn antreibt und wie er diesen Kunstort führt und wohin sich das denn entwickeln wird...
Na ja, Sammler dürfen eben alles, fast, und es muß mich nicht besonders beschäftigen, was dieser oder jener so treibt, außer es geht um ethische oder ideologische oder gar rechtliche Fragwürdigkeiten, wo die Öffentlichkeit ein Informations- und Einspruchsrecht haben kann.
Bei Raussmüller interessiert mich eher nur die restriktive Handhabung der Öffnungszeiten, dieses Sich-Rar-Machen oder der Mangel an brauchbarer und handlicher Information zum Projekt, zu den Werken, zu den Künstlern. Das, diese Diskretion, unterscheidet sich wenig von anderen Sammlern. Noch dazu agiert Raussmüller im Auftrag von Freunden, die selbst anonym bleiben - auch ein Grund fürs Geraune. Petra Kipphoff hat es in DIE ZEIT so beschrieben: "Drei Freunde von Urs Raussmüller, alle erfolgreiche Geschäftsleute, beschlossen, für ihren vierten Freund und dessen seltsame Interessen etwas zu tun. Er wurde beauftragt, mit ihrem Geld, aber ohne ihre Einrede eine Sammlung zeitgenössischer Kunst anzulegen." (14.9.1984 - http://www.zeit.de/1984/38/wenn-zwei-schornsteine-sich-treffen).
Das Spartanische oder besser Lakonische des Ortes hat mich, als ich so um 1999 zum ersten Mal hier war, fasziniert. Eine aufgelassene Fabrik, minimalistisch adaptiert, mit einem Minimum an Aufwand in Betrieb gesetzt, die Konzentration, die alleine schon daraus entsteht, das fand ich bemerkenswert. Über 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche gibt es und eine große Zurückhaltung was Infrastruktur, was Personal betrifft. Je eine Aufsicht pro Stock, eine Person an der Kassa. Ein kleines Regal als "Museumsshops", ein kleines Empfangsmöbel, die Künstlernamen auf den Treppenabsätzen je Stockwerk. Licht, Heizung. Keine Raumtexte oder -tafeln.
Die Räume gehören den Kunstwerken und obwohl einige von ihnen in der Tat monumental sind, sorgt der großzügig genutzte Raum für entspanntes Flanieren, fokussiertes Betrachten und intensive Kontemplation.
Der erste Eindruck, den ich von 1999 her hatte, hat sich jetzt, 2013, erneuert. Zwar ist das eine oder andere Werk neu hinzugekommen, aber die Haltung und die Atmosphäre sind gleich geblieben.
Beuys, Konellis, le Witt, Ryman, Mangold, Merz, Weiner, André und andere besiedeln Räume oder Raumfluchten, in denen der Besucher bis auf knappe biografische Angaben und Labels zu den einzelnen Werken mit sich und den Objekten allein gelassen bleibt.
Sicher, ein Geschmack wird ausgestellt, das Spektrum der künstlerischen Positionen ist schmal, aber es wurde vor allem eine Präsentations- und Wahrnehmungsgelegenheit geschaffen, die sich signifikant von Museen Moderner Kunst unterscheidet. Für Raussmüller sind es Hallen, kein Museum für - neue - Kunst. Ein Privatsammler muß keine enzyklopädischen oder repräsentativen Erwartungen erfüllen, er kann sich ganz auf "seine" Künstler konzentrieren, wobei es so aussieht, als würde sich Urs Raussmüller als ein Co-Künstler sehen, der durch die Bereitstellung der Architektur und das Gespräch mit den Künstlern wirksam wird.
Der Eindruck dieser Arbeiten und, wie gesagt, diese Ortes, waren wiederum tief.
Und wo steht dieses "Kunst-Haus"? Nun, in Schaffhausen (ja, das mit dem Rheinfall...). - Empfehlenswert ist es, sich vor dem Besuch über die aktuellen Öffnungszeiten zu informieren. Leider gibt es nichts, was man einen Katalog oder "Handbuch" nennen könnte, nur einige Publikationen zu einzelnen Künstlern und Ausstellungen.
Webseite "Raussmüller Org.": http://www.raussmueller.org/index1.cfm
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