In Berlin hat sich eine Plattform gebildet, die ein Moratorium für die Planungen zum Humboldt-Forum fordert, dessen Kern ja eine Art Museum der (Welt)Kulturen werden soll.
Hier die Webseite, die unterstützende Organisationen nennt, aktuelle Infos bringt und einem die Möglichkeit bietet, sich mit seiner Unterschrift am Protest zu beteiligen.
Nicht schlecht sind die dicht gefächerten Argumente, die die Forums-Gegner vortragen (zit. n. der Webseite):
Die Staatlichen Museen Berlins sind nicht die „rechtmäßigen Besitzer ihrer Bestände“.
Der weitaus größte Teil der über 500.000 wertvollen Exponate aus aller
Welt kam im Zusammenhang mit kolonialen Eroberungen nach Berlin. Die
Europäer griffen häufig sogar zu direkter Gewalt, um in den Besitz von
zentralen Objekten der kolonisierten Gesellschaften wie zum Beispiel von
Thronen, Zeptern und Kultgegenständen zu gelangen. Das Schmücken mit
„fremden Federn“ bringt für den Standort Berlin bis heute neben ideellen
Vorteilen auch materielle Gewinne ein. Wir fordern die Offenlegung der
Erwerbsgeschichte aller Exponate und die Befolgung der
unmissverständlichen UN-Beschlüsse zur „Rückführung von Kunstwerken in
Länder, die Opfer von Enteignung wurden“. Über den zukünftigen Verbleib
von Beutekunst und kolonialem Raubgut muss der Dialog mit den Nachfahren
der Schöpfer/-innen und rechtmäßigen Eigentümer/-innen der Exponate
gesucht werden. Dies gilt insbesondere für die entführten Überreste von
Menschen, die sich im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
befinden.
Der von Berlin ausgehende Kolonialismus wird rehabilitiert.
Die Sammlungen aus aller Welt sollen nun ins Schloss der Hohenzollern
zurückkehren, wo schon die ersten überseeischen Schätze Berlins
präsentiert wurden. Nicht anders als damals geht es dabei vor allem um
die Repräsentation von Macht und globaler Bedeutung. Für die Nachfahren
der Kolonisierten im In- und Ausland ist es eine besondere Zumutung,
dass dies in der wiedererrichteten Residenz der
brandenburgisch-preußischen Herrscher geschehen soll. Denn die
Hohenzollern waren hauptverantwortlich für die Versklavung Tausender
Menschen aus Afrika sowie für Völkermorde und Konzentrationslager in
Deutschlands ehemaligen Kolonien. Wir lehnen daher jede Präsentation von
Objekten, die während der Kolonialzeit nach Berlin kamen, im Berliner
Schloss ab.
Die Kulturen der Welt werden als „fremd“ und „anders“ diskriminiert.
Wie schon die Zurschaustellung „exotischer Kuriositäten“ in den
„Wunderkammern“ der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige
soll das Berliner Schloss – Humboldt-Forum der Herausbildung einer
preußisch-deutsch-europäischen Identität dienen. Dieses Anliegen
konterkariert das Ziel eines gleichberechtigten Miteinanders in der
Migrationsgesellschaft und soll auf Kosten Anderer realisiert werden.
Mit Hilfe der oft Jahrhunderte alten Objekte aus aller Welt wird das
vermeintlich „Fremde“ und „Andere“ inszeniert und den umfangreichen
Sammlungen europäischer Kunst auf der Berliner Museumsinsel zur Seite
gestellt. Europa wird dabei als überlegene Norm konstruiert. Wir lehnen
diese herabsetzende Form der Präsentation ab. Die Stiftung Preußischer
Kulturbesitz fordern wir auf, für gleichberechtigte, machtsensible und
Gemeinsamkeiten aufzeigende Selbstdarstellungen durch Fachleute aus den
Ländern des Globalen Südens zu sorgen.
Die „Erforschung außereuropäischer Kulturen“ wird nicht problematisiert.
Die Erkundung der Welt und ihrer Menschen durch europäische „Forscher“
war über Jahrhunderte hinweg ein koloniales Projekt und trägt bis heute
zur Kontrolle und Ausbeutung des Globalen Südens bei. An diesem Projekt
war auch einer der beiden Namensgeber des geplanten Forums, Alexander
von Humboldt, wesentlich beteiligt. Denn an den Ergebnissen seiner
Reisen in Süd- und Mittelamerika waren vor allem das spanische
Königshaus und das auf Völkermord und Sklaverei basierende
Kolonialregime vor Ort interessiert, die ihn nach Kräften unterstützten.
Entsprechend verkörpert Preußens „wahrer Entdecker Amerikas“, der sogar
bestattete Menschen raubte und nach Europa verschiffte, koloniale
Dominanz. Als Namensgeber für ein interkulturelles Zentrum ist Humboldt
nicht geeignet.
Die kulturellen Schätze der Welt bleiben den Privilegierten im Norden vorbehalten.
In seinem Nutzungskonzept lädt der Stiftungspräsident Hermann Parzinger
„Besucher aus Asien oder die Nachfahren indigener indianischer oder
afrikanischer Gesellschaften“ in die Bundeshauptstadt ein. In einer
Zeit, in der tagtäglich Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil ihnen die
Einreise nach Europa verwehrt wird, kann eine solche Einladung wohl nur
als zynisch bezeichnet werden. Aminata Traoré, die ehemalige Kultur-
und Tourismusministerin Malis, brachte es 2006 in Paris auf den Punkt:
„Unsere Werke genießen Bürgerrechte an einem Ort, wo man uns als
Gesamtheit sogar den Aufenthalt untersagt.“ Wir fordern die Stiftung
Preußischer Kulturbesitz auf, den Menschen der Welt Zugang zu Berlins
außereuropäischen Sammlungen zu ermöglichen. Neben der dauerhaften
Rückführungen von Beutekunst sollte dies durch freie Ausleihe und
Kostenübernahme zur Realisierung von internationalen
Ausstellungsprojekten in den Regionen der Welt erfolgen, in denen die
hierher transportierten Kunstwerke und Kulturgüter geschaffen worden
sind.
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