Dienstag, 11. Juni 2013

Selbstverordneter Gedächtnisschwund: Das Haus der Natur in Salzburg

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html 

Durch einen Anruf bin ich an meine frühere Beschäftigung mit der Geschichte des Hauses der Natur in Salzburg erinnert worden. Anlaß damals war die Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Museum im Jahr 1991. In der Begründung wurde würdigend der Gründer des Museums, Eduard Paul Tratz einbezogen, der während der NS-Zeit als "Rassenforscher" höchst aktiv war und der dennoch das Haus bis 1976 leitete.

Da war Tratz 88 Jahre alt und konnte seinem Wunschnachfolger kurz vor seinem Tod noch brieflich seine Freude übermitteln. Dieser, Eberhard Stüber, war Zeit seiner Direktion enthusiastischer Apologet von Tratz, wenngleich er sich in späteren Jahren, als die Kritik lauter wurde und sich auch die Landespolitik mit Tratz und dem Haus der Natur beschäftigte (hier ein Link zum Antrag der Bürgerliste zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Tratz. 2012 war Tratz noch immer Ehrenbürger. Ich denke, er ist es auch heute noch) kaum noch zur NS-Geschichte des Museums äußerte.

Eberhard Stüber, einen Schüler von Tratz und dessen Nachfolger als Museumsdirektor, arbeitete auch als Ausbilder von Lehrern und als Umweltanwalt der Landesregierung.

(Hier Dokumente, die das Biologiezentrum des Hauses der Natur auf seiner Webseite anbietet und die die (Ver)Ehrung durch die Landespolitik und durch Stüber belegen, die Tratz entgegengebracht wurde. Ich vermute, daß das Biologiezentrum diese Dokumente nicht in kritischer Absicht ins Internet gestellt hat. Viele Naturschutzorganisationen halten Tratz hoch in Ehren und vergeben nach ihm benannte Preise. Die Untersuchung der Kontinuität des Naturverständnisses seit den 1920er-Jahren, der NS-Zeit, der Zeit der 50er-Jahre bis hin zur Grünen Bewegung bedürften dringend einer Beleuchtung. Wenn man Texte etwa von Tratz aus den 20er-Jahren liest, vor allem solche, die er in pädagogischer Absicht verfasst hat, kommt man aus dem Staunen über die Affinität zur jüngeren Gegenwart kaum heruas.)

Inzwischen gibt es zeitgeschichtliche Forschungen, die die Tätigkeit Tratz sorgfältig dokumentieren (Robert Hoffmann, Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS. In: Zeitgeschichte, 35 (2008), H. 3, 154-175) und auch museologische Auftragsforschung. Eine Publikation zur Geschichte des Hauses soll angeblich noch in diesem Jahr erscheinen.

Darüber erfährt man aber nach wie vor nichts vom Museum. Die Politik, die betrieben wird, ist die des "Vergessenmachens". Weder Tratz wird auf der Webseite genannt noch wird die einschlägige Geschichte des Hauses referiert. Man findet auch nichts zu einem erhaltenen Kernstück der Tratzschen rassenpolitischen und musealen Betätigung: zu den Tibetdioramen. Nur wenn man den Orientierungsplan des Hauses genau ansieht, entdeckt man die "Tibetschau".

Nur drei kurze Absätze findet man untere der Überschrift "Über uns". Der erste lautet: "Das Naturkundemuseum Haus der Natur besteht seit dem Jahr 1924. Seit seinen Anfängen überrascht es seine BesucherInnen mit einer modernen, lebendigen Museumsdidaktik, die sich mit den Jahren konsequent weiterentwickelt hat." (Webseite des Hauses der Natur, abgerufen 11.Juni 2013)

Inzwischen schreiben wir 2013, ein neuer Direktor, der dem Nachfolger von Tratz, Eberhard Stüber gefolgt ist, ist längst im Amt, einschlägige Forschungen und Debatten sind öffentlich bekannt, aber dennoch, das Museum kann sich immer noch nicht durchringen, sich seiner Geschichte zu stellen.

Hier die Links zu meinen älteren Posts (die übrigens zu den meistgelesenen dieses Blogs überhaupt gehören, vermutlich deswegen, weil sie - noch immer - zu den ganz wenigen leicht zugänglichen Informationen zur NS-Geschichte des Hauses der Natur und zu Eduard Paul Tratz gehören).

"Blutgebundene Abhängigkeit". Das Haus der Natur in Salzburg wird sich wohl weiter nicht um die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte kümmern 
Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes

2 Kommentare:

  1. Norbert WindingJuli 16, 2013

    Das Biologiezentrum, das Sie ansprechen, ist das Biologiezentrum des Oberösterreichischen Landesmuseums in Linz. Es bietet nicht spezifisch den von Ihnen verlinkten Artikel auf seiner Webseite an. Vielmehr arbeitet es an einem Projekt zur digitalen Zurverfügungstellung der gesamten in Österreich erschienenen Naturwissenschaftlichen Literatur. Wir kooperieren mit diesem Projekt und stellten dazu alle verfügbaren Publikationen aus dem Haus der Natur und seiner Vorläuferorganisationen aus den Jahren 1913-2013 zur Verfügung. Über das Portal des Biologiezentrums in Linz sowie mithilfe der gängigen Suchmaschinen sind daher sämtliche Artikel aus all diesen Schriften online verfügbar – und nicht nur der von Ihnen an-gesprochene aus dem Jahr 1978. Wir machen bei diesem Projekt also aus dem Grund mit, dass alle Publikationen für jedermann zugänglich sein sollen.

    Was die Aufarbeitung der Geschichte des HdN betrifft, kann ich Ihnen versichern, dass wir keine Politik des „Vergessenmachens“ betreiben. Als derzeitiger Direktor hab ich es mir zur ernsthaften Aufgabe gemacht, die Rolle von Tratz und des Hauses der Natur in der NS-Zeit umfassend untersuchen zu lassen.

    Was das bisherige Fehlen von Infos zur Geschichte des Hauses der Natur auf unserer Ho-mepage betrifft, kommt dies daher, dass ich ursprünglich nicht bruchstückhafte Informatio-nen hineinstellen und daher die Ergebnisse der Studie abwarten wollte. Das dauert aber nun schon zu lange - Sie haben daher mit ihrer Kritik Recht. Wir haben daher vorab eine kurze Übersicht zur Geschichte bzw. Infos über das laufende Projekt zur Aufarbeitung der Ge-schichte auf die Homepage gestellt (darin bieten wir auch einen Download der Publikation von R. Hoffmann aus dem Jahr 2008 an):

    http://www.hausdernatur.at/zeittafel.html
    http://www.hausdernatur.at/geschichtsprojekt.html

    Norbert Winding, Direktor des Hauses der Natur

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  2. Sehr geehrter Herr Winding! Ich bedanke mich für Ihren Kommentar und freue mich über Ihre konstruktive Reaktion. Ich finde Ihre Mitteilungen namentlich zur Sichtung der Archivalien interessant, weil das erst das Fundament zu Forschungen in jeglicher Richtung möglich machen wird. Ich bin ganz grundsätzlich der Meinung, daß ein möglichst unbefangener Umgang mit der eigenen Geschichte, Museen frei macht für neue Umgangsformen und Debatten auch aber nicht nur zu ihrer Geschichte. Mit freundlichen Grüßen und Anerkennung für Ihre Reaktion, Ihr Gottfried Fliedl

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