Kassette mit Erde aus dem Grab von Engelbert Dollfuß
Holz, Erde, Produzent unbekannt Österreich, 1935 Dr. Engelbert Dollfuß-Museum, Texing / Foto: ÖMV |
Die Gemeinde Texingtal (Niederösterreich) will sich 2018 kritisch mit dem Erbe von Engelbert Dollfuß auseinandersetzen. Dollfuß ist in dieser Gemeinde geboren. In seinem Geburtshaus wurde 1998 ein Dollfuß-Museum eingerichtet.
„Wir müssen diese Jubiläumsjahre nutzen," sagt der Bürgermeister, "um uns mit unserer eigenen Geschichte zu beschäftigen“. Dazu ist das Museum da: „Dort wird das Historische gut erarbeitet und kritisch behandelt. Wir müssen die Thematik immer wieder diskutieren und aus den Fehlern der damaligen Zeit lernen.“
Der Manker SP-Stadtrat Anton Hikade, über dessen Zuständigkeit in dieser Angelegenheit man via Niederösterreichische Nachrichten nichts erfährt, meint hingegen: "Die Präsentation ist (...) ein Totenkult des Diktators.“
Allerdings hat Stadtrat Hidake das Museum nie gesehen. „Ich war einmal dort, da war aber geschlossen. (...) Es ist ja kein Museum zur geschichtlichen Weiterbildung. Und wozu sollte ich als Sozialdemokrat eine Kultstätte der ÖVP besuchen?“
Mank, die Heimat des Museumskritikers Zikade, hat kein Dollfuß-Museum dafür einen Dollfuß-Platz. Über eine Umbenennung wird im Gemeinderat diskutiert. Hikade ist für die Umbenennung und für eine Überarbeitung des Museums in der Nachbargemeinde: „In Zeiten, in denen es in Österreich einen gestiegenen Wunsch nach einem starken Mann gibt, wäre es höchst an der Zeit, der Öffentlichkeit auch den Führerstaat unter Dollfuß zu erklären.“
Der Texinger Bürgermeister kontert: "Ich lade alle ein, sich ohne Schaum vor dem Mund ein Bild zu machen. Die Zeit ist darin entsprechend dokumentiert.“ Die Frau Landeshauptmann wurde auch schon eingeschaltet. Was mit dem Museum wird, ist derzeit offen.
"Auf nön.at stimmten (laut NÖN.at, 3.5.2017) 65.7 Prozent gegen die Umbenennung des Dollfuß-Platzes in Mank."
Laut Google-Maps existiert der Platz noch. Als - Achtung! - Doktor-Dollfuß-Platz. Ehre wem Ehre gebührt.
"Chrtliches Gedenken"an den "Heldenkanzler". Dollfuß-Museum Texing |
P.S.: Eine ausführliche Kritik des Museums aus dem Jahr 2016 erschien in der Zeitschrift der Österreichischen Hochschülerschaft "progress" (hier). Zitat: "Für eine geschichtsinteressierte Person gibt es so gut wie nichts her: keine Hintergründe, keine differenzierte Auseinandersetzung. Es herrscht ein Mangel an Informationen sowie kritischer Distanz, der fast schon unterhaltsam ist: Dollfuß kam aus bescheidenen Verhältnissen, sammelte ein wenig Tand an, arbeitete hart und fleißig als Landwirtschaftsminister, wurde IRGENDWIE Kanzler, um dann von Nazis erschossen zu werden. Wer eine Ahnung von österreichischer Zeitgeschichte hat, muss schon eine Vorliebe für plumpe Aussparungen und Euphemismen haben, um dem Museumsbesuch etwas abgewinnen zu können. Wer keine hat, lernt auf Wikipedia wesentlich mehr."
Die Autoren der Museumskritik, Georg List und Michael Gruber weisen auf die finanzielle Förderung des Museums durch das Land Niederösterreich und das Unterrichtsministerium hin und zitieren aus dem Gästebuch: „In Zeiten von Freihandelsabkommen und Massenmigration braucht es wieder einen starken Führer.“
Eine massive Kritik am Museum und am "Dollfuß-Mythos" findet sich im gleichnamigen Buch von Lucile Dreidemy. Dazu (hier) die Renzension von Peter Huemer im "Falter" aus dem Jahr 2015.
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