Mit Raubkunst der NS-Zeit umzugehen und mit dem Nachwirken dieses großen Kunstraubes haben inzwischen viele Staaten und Museen gelernt. Vielfach gibt es gesetzliche Regelungen, öffentliche Diskussionen und eine gelebte Praxis der Restitution.
Es mag noch viele ungelöste Fälle geben, umstrittene Objekte oder auch zögernden Umgang, aber insgesamt wird der Kunstraub als Unrecht anerkannt wie auch - noch nicht generell - die moralischen und praktischen Verpflichtungen, die sich daraus ergeben.
Der quantitativ ungleich größere Kunstraub erregt nur in besonderen Fällen öffentliches Interesse, für ihn existieren kaum Regelungen und Vereinbarungen und viele Museen weigern sich, ihn überhaupt als Raub anzuerkennen.
In welchem Ausmaß die gigantische Sammelbewegung, die die Museumssammlungen im 19. Jahrhundert schuf, auf Unrecht und Gewalt beruht, wird verdrängt. Koloniale Beute, die Plünderung Ägyptens, die Ausnutzung der politischen oder ökonomischen Unterlegenheit von Ländern, die Ausnutzung fehlender Regelungen und Gesetze, Kriegsbeuten und Bedienen an einem korrupten Handel, das alles genießen wir in mehr oder weniger berühmten Museen, nicht selten mit einem Gefühl des Stolz ob des kulturellen Besitztums.
Doch man kann vom Kunstraub nicht in der Vergangenheitsform sprechen, er ist auch im 20. Jahrhundert, nicht nur in den beiden Weltkriegen, eine Quelle der Sammeltätigkeit von Museen, auch aktuell bedienen sich Museen noch eindeutiger Quellen, und das im vollen Wissen über das begangene Unrecht.
Einer der spektakulärsten Fälle betrifft eines der weltweit namhaftesten Kunstmuseen der Welt, das J. Paul Getty-Museum im kalifornischen Malibu.
Der Fall begann vor über 15 Jahren, wurde aber durch den Freispruch (wegen Verjährung) der zentralen Figur des Skandals und der nun erfolgten Rückgabe einer antiken Statue an Italien wieder öffentlich diskutiert.
Die Leiterin der Antiken-Abteilung des Getty Museums hatte sich ausgiebig an Ergebnissen von Raubgrabungen und der Hilfe Schweizer und Englischer Kunsthändlern bedient. Letztendlich gerieten aufgrund der Ermittlungen italienischer Behörden nicht nur das Getty-Museum sondern auch das Metropolitan-Museum in den Verdacht illegal erworbene italienische Kunstwerke zu besitzen. Tatsächlich mussten beide Museen über 300 Objekte in beträchtlichem Wert zurückerstatten.
Das Ausmaß der unglaublichen und abenteuerlichen Geschichte läßt sich in einem Artikel (1) nachlesen, der aus Anlaß der Rückgabe einer besonderen Antike verfasst wurde, deren Herausgabe das Getty-Museum besonders lange verweigert hatte: die sogenannte Venus von Morgantina (eine Ausgrabungsstätte in Sizilien). 1988 hatte sie das Museum aus einem illegalen Kunsthandel erworben, wo sie ab 2006 mit der Provenienzbezeichnung "Southern Italy" ausgestellt wurde.
Ein zweiter Fall, der weniger spektakulär ist, zeigt ebenfalls, wie schwer es Museen und Behörden fällt, Kunstraub anzuerkennen und angemessen zu reagieren. Auch er ist ein rezenter Restitutionsfall. Es geht um eine Grabung Deutscher Archäologen, die seit 1906 Reste einer Hethiterhauptstadt ausgruben, unter anderem Reste einer Toranlage mit zwei Sphinxfiguren. Beide kamen 1915 zur Restaurierung nach Berlin. Eine wurde 1925 zurückgeschickt, die andere nie - bis jetzt.
Die Rückgabe an die Türkei wird hochoffiziell als "freiwillige Geste der deutsch-türkischen Freundschaft" und nicht als Restitution betrieben. Deutsche Medien berichten, daß der türkische Restitutionswunsch mit der Drohung des Entzugs der Grabungslizenz verbunden gewesen sein soll und die FAZ spricht gar von "handfester Erpressung". (2)
Die Süddeutsche Zeitung belehrt uns darüber, daß es sich im Fall des Getty-Museum um einen bewußt illegalen Akt gehandelt habe, was aber etwas ganz anderes sei, als ein "Fund", der "seit hundert Jahren oder länger in staatlichen Museen zu sehen" ist. (Hier entfällt dann offenbar die Frage nach Recht oder Unrecht). "Die Rückgabe ans Herkunftsland (ist) nicht zwingend geboten…". Und die Zeitung hält es auch für bedenklich, "dass diesem Archäologie-Nationalismus" (der natürlich nur der der Türken ist) "stattgegeben wird, welcher übrigens seit Atatürk die frühen anatolischen Völker fälschlich zu Vorfahren der Türken erklärt". (3)
(1) Niklas Maak: Ware für die besten Adressen, FAZ 17.5.2011 (hier)
(2) Andreas Kilb: Die Sphinx von Hattuscha kehrt zurück, FAZ 18.5.2011 (hier)
(3) Johan Schloeman: Heimkehr zweier Damen, Süddeutsche Zeitung 16.5.2011 (hier)
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