Sonntag, 8. Mai 2011

"Weltbaukasten Museum" - Die 13. Internationale Sommerakademie für Museologie


Vom 13. August bis zum 20. August 2011 findet wieder eine Sommerakademie Museologie statt. Sie wird wieder von Renate Flagmeier geleitet, der leitenden Kuratorin des Berliner Museum der Dinge, die die Sommerakademie seit einigen Jahren ausrichtet. In ihrem Team versammelt sie den Schweizer Kurator Beat Gugger, der zuletzt in Bozen an der Ausstellung über den 'Mann aus dem Eis', "Ötzi 20", mitgearbeitet hat und kürzlich am Grazer Stadtmuseum, "Grazgeflüster", einem Musée sentimental, zu dem dessen 'Erfinder', Daniel Spoerri drei Installationen beigesteuert hat.
Mit im Team ist Angela Janelli, die an der neuen Dauerausstellung des Historischen Museum Frankfurt am Main mitarbeitet sowie Gottfried Fliedl, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Joanneum und Theresa Zifko, Mitarbeiterin der Museumsakademie des Joanmneum, die für die Organisation verantwortlich ist.

Das 'Motto', unter dem die Sommerakademie steht, "Weltbaukasten Museum – in der museologischen Werkstatt", ist ein Programm für eine Recherche, die in zwei komplemäntere Richtungen geht. Einmal wird das Museum selbst als ein Ort aufgefasst, der "welthaltig" ist, wo Erzählungen und Bilder erzeugt werden, in denen 'wir' uns spiegeln, reflektieren, er- und verkennen, wo nicht nur Wissen erzeugt und Informationen weitergegeben werden, sondern über Herkunft und Zukunft verhandelt wird, über die Anderen und das Andere und Fremde, über Fortschritt und Katastrophisches, über kollektive und individelle Identität.
So kann man Museen als 'Baukästen' verstehen, wo man (Besucher wie Kuratoren), Welten erzeugen, befragen, untersuchen, deuten, kommunizieren. Und das unabhängig davon, ob es sich um ein Heimatmuseum handelt, ein Völkerkundemuseum oder z.B. ein Technisches.
Das Bild des Baukastenshat dann aber eine zweite Funktion. Dazu fällt mir sofort mein "Setzkasten" ein, mit dem ich in der Schule aus Buchstaben Wörter wie in einer Ausstellung aufstellen konnte und damit Werkzeuge - ja, der Weltbeschreibung -, bekam. In diesem Sinn kann man die Sommerakademie auch als Baukasten verstehen, mit dem man das Museum gleichsam aus seinen Teilen, wie Buchstaben zu einem Wort und Satz und einer Geschichte, 'zusammensetzen' kann.
Das Museum unterscheidet sich nämlich von anderen kulturellen Institutionen unter anderem dadurch, daß es überkomplex ist, aus unglaublich Vielem 'zusammengesetzt', 'hybrid'. Ein Museum ist ein Gebäude, eine Sammlung, ein Betrieb, ein sozialer Ort, ein Wissensraum und vieles andere mehr, und es ist ein Schauplatz, auf dem alle nur erdenklichen Medien in sehr unterschiedlichen und vielfältigen 'Rollen' auftreten können, die menschheitsgerschichtlich ältesten, Bilder und Schrift, genauso wie die neuesten, 'technischen'.

Das genügt aber noch nicht. Im Museum wirken sehr komplexe Formen der Kommunikation, der Erfahrung, des Wissens, des Aufführens, des Erzählens und Zeigens.
Es ist ein denkbarer Umgang mit und Zugang zu dieser Komplexität, das Museum sozusagen zu 'zerlegen', Bestandteile, Eigenschaften zu isolieren, gesondert zu untersuchen, zu analysieren, zu gewichten, um dann wieder als Museum 'zusammenzusetzen', um es zu verstehen, zu gebrauchen, um mit ihm zu arbeiten oder um es zu genießen...
'Baumaterialien' für den Museumsbastler können Exponat, Wissen, Öffentlichkeit, Raum, Sammlung, Differenz, Erzählung und viele andere mehr sein. So unendlich die Kombinierbarkeit dieser Aspekte im Museum selbst scheint, es hat sich als methodisch sinnvoll erwiesen, sich ein überschau- und handhabbares Set von 'Werkzeugen' zurechzulegen um so diesem - merkwürdigen, überraschenden, komplexen - Etwas zu Leibe zu rücken, das wir Museum nennen.

Die programmatische Beschreibung dieser nun schon 13. Sommerakademie liest sich so: "Die 13. Sommerakademie beschäftigt sich mit dem Museum als eine Art Baukasten, um Weltbilder zu konstruieren und Welterfahrung zu vermitteln, als ein Instrument, um die Welt zu begreifen und von ihr ergriffen zu werden. Zivilisierend und bildend dient das Museum der Verständigung über Geschichte, Identität, über Herkunft und Zukunft, Kultur und Natur, und nimmt damit und in der Art und Weise seiner Vermittlung eine eminente gesellschaftspolitische Rolle ein. Dieses Verständnis verleiht dem Museum und den in ihm Arbeitenden ein großes kreatives Potential, das in der Sommerakademie ausgetestet wird."



Ich werde oft gefragt, was das Besondere der Sommerakademie ist und gelegnetlich bekomme ich ein verblüfftes Feedback, man hätte sich aufgrund von Ausschreibung und Programm nicht vorstellen können, was es dann wirklich war. Ich kann es auch nicht wirklich beschreiben, außer mit abgegriffenen Vokabeln, mit denen man auf die Beteiligung aller hinweisen kann, auf eine offene Lernsituation usw. Wichtig ist, daß es eine 'Klausur' ist, daß die Sommerakademie an einem Ort stattfindet, der sowohl angenehm zum Verweilen ist als konzentrierend, was das Arbeiten betrifft. Wichtig ist, daß man die Bedingungen und Zwänge, die man von seinem Arbeitsfeld kennt, hinter sich lassen kann, daß man sich frei fühlen kann, Dinge zu tun und zu diskutieren, die im Arbeitsalltag unter Zeitdruck oder vaon Tabus belegt, nicht getan und nicht dikustiert werden können. Ich denke, jede Profession hat ihre Riten, ihre Regeln und damit ihre Sicherheiten aber auch ihre blinden Flecke. Es braucht Orte und Zeiten, wo man Regeln außer Kraft setzen darf, wo man riskant denken und probieren soll. Die Sommerakademie hat sich entwickelt, aber diese Aufgabe, eine Zeit und ein Ort der 'besonderen Möglichkeiten' zu sein, hat sie bewahrt. Und die hängen übrigens auch ab von der jeweiligen Gruppe - was es wiederum nicht leicht macht, zu beschreiben, was auf so einer Sommerakademie alles passieren kann.

Wer sich für die Sommerakademie interessiert, wendet sich an die Museumsakademie des Universalmuseum Joanneum, und zwar unter dieser Internetadresse:

http://www.museum-joanneum.at/de/museumsakademie/veranstaltungen-7/13-internationale-sommerakademie-fur-museologie

Dort findet man das Programm und das Anmeldeformular. Wer Fragen hat wird sich an die Museumsakademie selbst wenden wollen:
Museumsakademie Joanneum. Schloss Eggenberg. Eggenberger Allee 90, 8020 Graz
T +43 (0) 316/8017-9805, Fax -9808
sommerakademie@museum-joanneum.at

Eine Anmeldung ist bis 21. Juni 2011 erforderlich.

Wer sich für den Veranstaltungsort interessiert, das Schloß Retzhof, schaut sich am besten mal die Internetseite dieses Bildungshauses an:
http://www.retzhof.at/



Ein Nachbemerkung in eigener Sache: 1999 wurde ich von einem Landtagsabgeordneten eingeladen, in der Steiermark ein museologisches Projekt zu entwickeln. Ich habe eine Sommerakademie vorgeschlagen und mit Freunden, dem ersten Leitungsteam, entwickelt. Sie konnte 1999 in Fohnsdorf stattfinden, getragen von der damals von mir geleiteten AG theoretische und angewandte Museologie des IFF Wien. Nach meinem Ausscheiden aus dem IFF und meiner Übersiedlung nach Graz war bei den Gesprächen mit der Geschäftsführung des Landesmuseum Joanneum klar, daß die Sommerakademie ein zentrales Projekt der Museumsakademie sein würde, zu deren Gründung und Entwicklung man mich eingeladen hatte.
Die Sommerakademie übersiedelte an den Retzhof und nach der 10. Veranstaltung habe ich die Leitung an Renate Flagmeier übergeben, die als mehrfacher Gast die Sommerakademie kannte und schätzte und von der ich sicher war, daß sie die besonderen Qualitäten der Veranstaltung hüten und weiterentwickeln konnte.
Inzwischen habe ich, vor mehr als einem Jahr, die Leitung der Museumsakademie des Joanneum zurückgelegt und bin seit kurzem, auf eigenen Wunsch, auch nicht mehr deren Mitarbeiter. Auf Einladung von Renate Flagmeier bin ich in die Sommerakademie noch - gerne -involviert. 

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