Mittwoch, 27. Januar 2016

Das "Haus der Geschichte Österreich". Ein ideologischer Staatsapparat

Um ein "Haus der Geschichte" in der Neuen Burg zu realisieren, ist eine Änderung des Bundesmuseen-Gesetzes notwendig. Das Begutachtungsverfahren hat zu neuerlicher Kritik an dem Projekt geführt. Diese Kritik nimmt die offizielle Kostenberechnung in den Blick und mit dem vorgeschlagenen Namen der neuen Institution, auch deren ideologisch-politische Funktion.

Die Rektorin der Akademie der Bildenden Künste Eva Blimlinger schätzt, daß das Gesamtprojekt nahezu das Doppelte (bis 2019) der derzeit genannten Kosten beanspruchen würde und überrascht mit dem Hinweis, daß in der vorliegenden "unrichtigen und fehlerhaften" Berechnung die Umsatzsteuer, die Bauzinsen und die Valorisierung der Kosten fehle. (Hier der vollständige Wortlaut der Stellungnahme). Sie kommt auf über 80 Millionen Euro, wer es nachlesen will, findet ursprünglich 16 Millionen genannt.

Dem Rechnungshof erscheint die ministerielle Kostenberechnung ebenfalls nicht geheuer - schlicht nicht "plausibel nachvollziehbar" und er entdeckt, daß z.B. die Kosten für die Umsiedlung und Neugestaltung der Sammlung Alter Musikinstrumente fehlt. (Vgl. etwa die Berichterstattung in der Tageszeitung Die Presse vom 20.1.2016)

Zur Erinnerung: als Minister Ostermayer überraschend die Realisierung des Hauses der Geschichte ankündigte und den Standort Neue Hofburg festlegte, legte er der Öffentlichkeit nahe, daß der Kostenaufwand für das neue Museum durch die "Redimensionierung" all jener Pläne möglich sein würde, die das Völkerkundemuseum, (heute: Weltmuseum) zur Modernisierung vorangetrieben hatte. Damals wurde sofort nicht nur die Beschädigung des Projekts der Weiterentwicklung eines wichtigen Bundesmuseums kritisiert, sondern auch bezweifelt, daß sich diese simple Rechnung - "aus der Einsparung finanzieren wir einen neues Museum" -, aufgehen könne. Also waren nicht nur die gerade genannten 16 Millionen eine Irreführung, auch das Argument, durch die Verkleinerung einer Ausbaustufe eines Museums ließe sich ein anderes, völlig neues finanzieren, war Trickserei.

Jetzt ist definitiv klar, daß das Planspiel und die Finanzierungs'konstruktion' als Täuschungsmanöver gelten müssen. In Summe kann die Errichtung eines Museums, für das umfangreiche bauliche Adaptionen notwendig sind, die Umsiedlung einer bestehenden Schausammlung, eine lange Planungsphase, Kosten für Personal und für Sammlungsobjekte uam., nicht dadurch finanziert werden, daß man einer anderen Sammlung Teile ihrer Expansion wegnimmt.

Die politische Unredlichkeit ist eine Sache. Eine andere ist das Konzept, oder wenn man so will die "Ausrichtung" des Hauses. Trotz des inzwischen vorliegenden "Papiers" des wissenschaftlichen Beirats, trotz der Veranstaltung von Tagungen, trotz mancher öffentlicher Äußerungen von Politikern oder HistorikerInnen, trotz medial-öffentlicher Debatte ist der identistätspolitische "Auftrag" des zukünftigen Museums noch immer unklar.

Thomas Winkelbauer, Historiker und Leiter des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung sowie Initiator einer Tagung zum Haus der Geschichte, kritisiert in seinem Gutachten (hier im Wortlaut) zum Gesetzesentwurf den Namen, den die Institution erhalten soll, nämlich "Haus der Geschichte Österreich". Einwände liegen auf der Hand. Es war nämlich bisher immer von einem Zeitgeschichtemuseum bzw. Republikmuseum die Rede bei dem man allenfalls aus einsichtigen Gründen (offen blieb, in welchem Umfang und mit welchen Darstellungs-Methoden; das Lieblingswort während der Tagung zum Haus der Geschichte lautete dazu "Tiefenbohrungen") auf die Zeit vor 1918 zurückgreifen müsse. Der nun gesetzlich festgeschriebene Titel macht aber das Projekt zu einem historischen Museum 'Gesamt'-Österreichs und das ist nun mal, so Prof. Winkelbauer wörtlich "Etikettenschwindel".

Ich unterstelle, daß die Wahl dieser Namensgebung der von Anfang an angestrebten Formierung einer - selbstredend positiv erzählten - national-identitären Großerzählung geschuldet ist. Vom Haus der Geschichte Österreich als "Stätte der geistig-kulturellen Identität Österreichs" spricht der Gesetzesentwurf (der gesamte Entwurf hier). Österreich soll ein Museum bekommen, dessen Name eine umfassende Repräsentation seiner Geschichte verspricht. Was anderes als ein Nationalmuseum ist so etwas?

Deshalb ist es doppelt interessant, wie das Verfahren aussieht, in  dem dieses Projekt realisiert wird - von der dezisionistischen ministeriellen Entscheidung daß und wo es realisiert wird und wer dem Beirat vorsitzt, der das Konzept verfasst, über diese Auswahl des wiederum Experten auswählenden Beiratsleiters bis zur nun im Gesetzesentwurf festgeschriebenen sehr bürokratischen, verschachtelten und hierarchischen Organisationsform. Anders gesagt, es geht darum, wer denn nun gleichsam durch diese Institution zur und über "Nation" spricht, sprechen darf, wer seine geschichtspolitischen Vorstellung artikulieren darf, wer kulturelle Hegemonie über das historisch fundierte Selbstbild der Gesellschaft ausüben darf und kann.

Was das in bürokratisch-politische Pragmatik gegossen heißt, kann man im Gesetzesentwurf nachlesen. Der ist in diesem Punkt beispiellos. Mehrere ineinander verschachtelte, aber alle top down besetzte und kontrollierte Gremien binden das Museum - nicht nur jetzt, während der Planung, sondern langfristig - an das Bundeskanzleramt. (Nebenbei: welche(r) seriöse  Historiker(in) oder Museumsfachmann oder -frau wird sich unter diesen Umständen um die Leitung bewerben?). Thomas Winkelbauer dazu: "Der im Entwurf vorgesehene Einfluss des Bundeskanzleramtes auf die Zusammensetzung des vorgesehenen sechsköpfigen Wissenschaftlichen Beirates des Hauses der Geschichte und damit indirekt auf die Nominierung des wissenschaftlichen Direktors bzw. der wissenschaftlichen Direktorin des Hauses der Geschichte erscheint übermächtig: Zwei der sechs Mitglieder sollen vom Bundeskanzler bestellt werden, von denen eines zum bzw. zur Vorsitzenden gewählt werden muss. Der qua Amt dem Wissenschaftlichen Beirat angehörende Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs ist bekanntlich der Leiter einer nachgeordneten Dienststelle des Bundeskanzleramtes, sodass die vom Bundeskanzler bestellten Mitglieder im Wissenschaftlichen Beirat aller Voraussicht nach eine dominierende Rolle spielen werden können."

Damit nicht genug sieht die organisatorische Konstruktion ja vor, daß das künftige Museum Teil der Österreichischen Nationalbibliothek sein soll (etwas was in den hier genannten Gutachten und auch anderswo schon kritisiert wurde. Nachdem schon beim Leopold-Museum die fragwürdige Form einer Stiftung gewählt wurde und damit die relative organisatorische Einheitlichkeit der Bundesmuseen durchlöchert wurde, wird nun eine weitere Form etabliert.

Wie denn eine "fachliche Selbständigkeit" der Leitung (wieso nur fachlich?) des Hauses möglich sein soll, wenn doch budgetär oder etwa personell auch die - übergeordnete? - Leiterin der Nationalbibliothek zu entscheiden oder mindestens gewichtig mitzureden hat, das habe ich entweder noch nicht verstanden oder es ist noch immer nicht geklärt.

Ich habe früher schon das Fehlen einer in der Zivilgesellschaft verankerten Debatte um das Haus der Geschichte bemängelt. Ich finde es ziemlich unerträglich, daß die Verantwortlichen, allen voran der wissenschaftliche Beirat und ihr Vorsitzender keinerlei Bemühen erkennen lassen, bereits jetzt, wo es aus vielen Gründen sinnvoll wäre, sich um die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Erfahrungen zu bemühen. Schon jetzt war das Versprechen, daß es irgendwann, sicher aber erst nach Abschluss aller Vorbereitungen, ein "Partizipationswinkerl" geben werde, der blanke Hohn. Was aber der Gesetzesentwurf dazu vorsieht, spottet jeder Beschreibung. Das sogenannte Publikumsforum wird nämlich vom Bundeskanzler ernannt werden (sic!) wobei fünf (von zwanzig) Mitgliedern einstimmig (!) vom wissenschaftlichen Beirat nominiert werden sollen.

Partizipation ist ein museologisches Modewort der letzten Jahre. Aber nicht nur ein Modewort. Was an Partizipation inzwischen theoretisch entwickelt und praktiziert wird, scheint jedoch an allen Verantwortlichen vorbeigerauscht zu sein. Wie auch sonst bei museologischen und inszenatorischen Schlüsselfragen, zeigen sich Konzept, Beirat, Gesetzesentwurf und Debatte erschreckend unbedarft, schweigsam - oder auch einfach nur kopmplett ignorant.





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