Freitag, 11. Februar 2011

"Museen als Tankstellen der Realpräsenz". Google 'erobert' jetzt auch die Museen

Ein Weizenfeld von van Gogh, etwas nahsichtig dank GOOGLE
"Museen - Tankstellen der Realpräsenz". Für so eine Wortspende und neue Metapher unter vielen verschlissenen Metaphern mit denen das Museum (un)begriffen bleibt, gehört der Autor mit Aufmerksamkeit belohnt. Auch weil er sich vergnügt einem "Realexperiment" stellt. Er googelt Museen. Genauer gesagt, das Google Art Project. Mit seiner Hilfe kann man durch Museen flanieren und einzelne Kunstwerke ansehen und ihnen so nahe kommen, wie das keine Sicherheitsanlage oder Aufseher je dulden würde. Erst einige Museen, sehr namhafte darunter, sind erfasst, allesamt Kunstmuseen.
Der Autor, Beat Wyss (hier der Link zu seinem Essay in DIE WELT) ist zunächst mal recht angetan.
Aber dann!
"Wo ist das Publikum, das meine Beobachtungen durch Gedränge und Lärm mitbestimmt? Man vermisst jetzt alles, von dem man glaubte, es störe den Kunstgenuss. Meine reale Anwesenheit im Museum liefert das, was kein noch so scharfer Zoom am Bildschirm bietet: jene kribbelnde Furcht, meine Aufmerksamkeit könnte durch eine vorlaute Reisegruppe gestört werden." 
Was Wyss abgeht ist die Performativität des Ausstellungsraumes und -ensembles zu der immer auch der Besucher / Betrachter mit seiner Bewegung im Raum und unter seinesgleichen gehört.
Die Bilder mögen, großformatig und enorm hochauflöslich reproduziert dargestellt sein, aber der Betrachter wird sich immer in der Rolle des Tantalos wiederfinden: "Alles um ihn wich zurück, wenn immer er danach greifen wollte. Tantalos war verdammt, auf ewig nur ansehen zu können, was er begehrte."
Das gilt freilich nicht bloß für gegoogelte Bilder in gegoogelten Museen, das ist in Museen genauso, die uns mit Ihren Ritualen, von denen das Berührungstabu eins der wichtigsten ist,  das Verfügenwollen schon im Ansatz gründlich austreiben.
Diese 'Schranke' ist aber nötig als Spielraum der Reflexion und der Möglichkeit die Unverfügbarkeit als untrennbar mit dem stets scheiternden Versuch der 'Abneignung', des 'Verstehens' verknüpft anerkennen und aushalten zu können.
Hier hätte Wyss tiefer graben müssen, um trennschärfer zwischen der Realpräsenz des Bildes im Museum einerseits und dem virtuellen Bild am Schirm unterscheiden zu können. Er hat schon recht, die technische Möglichkeit, dem Bild 'nahezukommen' ist irreführend. Das gilt auch für eine andere Spielart desselben Begehrens: der Röntgenfotografie, von der manche Kuratoren (die Wiener Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums hat dafür ein besonders Faible) offenbar meinen, daß das Eindringen gewissermaßen in den Körper der Kunst, das Begehren das Wahre, das Wesentliche - endlich - zu sehen, gestillt werden kann.
"Vor unseren Augen" schreibt Wyss, "vergrößert sich die Textur der Gemälde vom einzelnen Pinselstrich, über das Craquelée, zum Malgrund der Leinwand. Ihre Geheimnisse geben die Werke dabei nicht preis." Ja, das ist aber beibeiden 'Bildern', dem musealen wie dem digitalen so. Und es ist notwendig.

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