Mittwoch, 8. September 2010

Pinacoteca Nazionale Siena

Der Pinacoteca Nazionale scheint die Commune di Siena nicht viel zuzutrauen. An der Ecke, an der ein Schild zum Dom, Dommuseum und dem Complesso museale St. Maria della Scala weist, fehlt der Hinweis auf das nur hundert Meter geradeaus in der Gasse liegende Museum.
Ich hatte eine vage Erinnerung an einen sehr lange zurückliegenden Besuch, die ich auffrischen, eigentlich revidieren wollte. Ich hatte nur die nicht enden wollende Ansammlung von Heiligenbildern, namentlich Madonnen, in Erinnerung.
Es ist mir nicht gelungen, diesen Eindruck zu revisieren. Im Gegenteil. Es braucht bis in den Saal 15 ehe da ein profanes Bild auftaucht, ein Triumph Davids, ein bescheidenes Werk, das ich dennoch dankbar annahm. Bis dahin: Madonnen. Mit nach links geneigtem Kopf. Mit nach rechts geneigtem Kopf. Mit dem Kind auf dem linken, mit dem Kind auf dem rechten Knie. Nun entwickelt die (senesische) Malerei der Gotik dabei kaum über bestimmte Konventionen hinausgehende Bilderfindungen. Es gibt gute und schlechtere Bilder, Bilder, die man nicht unbedingt in einer 'National'Galerie erwarten würde und einige wenige herausragende, z.B. von Duccio oder den Lorenzetti.
Der Eingangsbereich
Der 'Überwachungsraum'
Man muß sich schon weit im Museum vorwärts bewegt haben, um endlich stilistisch-ikonografische Auflockerung zu bemerken, das Heiligenpersonal wird abwechslungsreicher, ab und zu taucht mal etwas Erzählerisches, oder, im Hintergrund, eine Landschaft.
Kenner der senesischen Malerei werden hier begeistert werden können, als Durchschnittsbesucher (mit kunsthistorischer Bildung) blieb mir das alles ziemlich fern. Da es um eine einzige Mal'schule' geht, die sienesiche - als Überraschungsgast taucht mittendrin eine elisabethanische Königin auf -, begnügt sich das Museum mit einer Chronologie vom Raum 1 im ersten Geschoss bis zum Raum 36 oder 37 oder… im zweiten Geschoss. Die üblichen, knappen Beschriftungen geben, wie so oft in Kunstmuseen, keinerlei Hinweise auf Auftraggeber, Stifter, Künstlerbiografien, Anlässe für Bilder.
Gegen die übrigen musealen Orte der Stadt ist so das Museum chancenlos. Außer mir gab es nur noch zwei Besucher.
Was den Besuch vollends trostlos macht, ist der Zustand des ganzen Hauses. Es ist eines jener Museen, wo man schon beim Betreten das Gefühl hat, es geht um ein Museum, das sich selbst aufgegeben hat. Alles wirkt provisorisch, abgewohnt, verbraucht, schäbig. Es fehlen Bilder und Objekte ohne jeden Hinweis, als ob sich da Werke aus Verzweiflung über ihr tristes Dasein einfach aus dem Staub gemacht hätten, hie und da gibt es Spuren von Erneuerung, aber lange schon liegengelassen, die Beleuchtung ist schlecht, der Zustand vieler Bilder auch.
Die Dame an der Kassa reicht mir das Ticket und weist mich an eine weitere Mitarbeiterin, die neben ihr hinter dem Bord sitzt. Sie verlangt meinen Pass - nur so bekommt man einen Schlüssel für ein Schließfach für das kleine Gepäck. Dort hat man den Einblick in einen leeren Raum, in dem von niemanden beobachtet Monitore stehen. Das Aufsichts-Personal in den Räumen rettet sein Leben, indem es nicht der trostlosen Tätigkeit des Umherflanierens auf immer gleichen Wegen vor immergleichen Bildern nachgeht, sondern heftig Plaudernd in Gruppen zusammensteht oder (die Männer) -sitzt.
Zimmer mit Aussicht, auf Siena immerhin
Das hat den Vorteil, daß man als Besucher frei und unbeobachtet durch die beiden Galeriegeschosse wandeln kann und sich nicht um das Fotografierverbot kümmern muß, das buchstäblich in jedem Raum (!) auf abgenudelten Zetteln erinnert wird. Vor der Garderobe werden, mit mehrfacher Wiederholungen, die diversen Verbote und Regelungen, einschließlich der Paß gegen Schlüssel, angekündigt und man liest die erstaunliche Ankündigung, daß das Personal jederzeit das Gepäck der Besucher durchsuchen darf.
Gegen Ende des Museumspfades wird es dann noch mal interessant, hier finden sich einige interessante und merkwürdige Gemälde von mehr oder minder bekannten Malern des Manierismus, allen voran mehrere herausragende Werke von Demonico Beccafumi. In diesen Räumen vergisst man für einen Moment, daß das Museum um einen herum langsam zu Staub zerfällt - bis sich die Stadt Siena einmal entscheiden wird, ihrer Gemäldesammlung eine gründliche Überholung zu gönnen.

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