Mittwoch, 8. September 2010

Fundsache - "Ghismonda"

Bernardino Mei (Siena 1612 - Rom 1676): Ghismonda (Ausschnitt) Pinacoteca Nazionale Siena



Das ist schon ein etwas bizarres Gemälde. Nach all den moderaten Heiligen, an denen man in der Pinakothek vorbeiflaniert ist, dann diese Frau, die ein Herz in der Hand hält, als wolle sie es wie eine Orange auspressen. Ghismonda?
Hier ihre Geschichte (von Bocaccio verfasst): Eine Geschichte, die von Boccaccio stammte und von Christine de Pizan nacherzählt wurde, handelt von der Liebe zwischen einer Fürstentochter namens Ghismonda und einem Knappen namens Guiscardo. Ghismondas Vater, der Fürst von Salerno, liebte seine Tochter so abgöttisch, daß er sie mit niemandem verheiraten wollte. Als der Herzog von Capua höchstpersönlich um ihre Hand bat, gab der Fürst schließlich nach. Bevor aber die Ehe geschlossen werden konnte, starb der zukünftige Schwiegersohn, und der Fürst hatte seine Tochter wieder für sich ganz allein. Diese aber, sich ihrer Schönheit und ihres jungen Alters bewußt, sehnte sich nach Liebe und einer sexuellen Beziehung. Auf dem Hof ihres Vaters lebte ein Knappe namens Guiscardo, der ihr sehr gefiel. Nachdem sie über diesen Erkundigungen eingezogen hatte, die bestätigten, daß der Knappe "treu, gütig und rechtschaffen" war, bat sie ihn schließlich um seine Liebe. Die beiden trafen sich von nun an heimlich und verbrachten eine glückliche Zeit miteinander, bis - ja, bis Ghismondas Vater aus Versehen hinter diese Beziehung kam. Vor Wut ließ er jenen Guiscardo gefangennehmen und foltern und machte seiner Tochter den Vorwurf, daß sie "den Geringsten seines Hofes" zum Geliebten gewählt und ihren Ruf geschändet hätte. Ghismonda versuchte ihrem Vater zu erklären, daß sie auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut wäre und sich nach körperlicher Liebe sehnen würde. Da er ihr aber die Ehe bisher verwehrt hätte, hätte sie sich selbst nach einem Mann umschauen müssen. Ihren Geliebten Guiscardo träfe keine Schuld, denn sie hätte ihn zu dieser Beziehung überredet und müßte deswegen statt seiner bestraft werden. Der Vater blieb jedoch uneinsichtig, ließ Guiscardo töten und sein Herz in einem goldenen Gefäß zu Ghismonda bringen, um an dieser seinen Zorn und seine Wut auszulassen. Jene indessen küßte das Herz des Geliebten und beging anschließend durch Einnahme eines Giftgetränkes Selbstmord. So rächte sie sich am Vater, der durch die von ihm verordnete Ermordung Guiscardos auch gleichzeitig seine über alles geliebte Tochter verlor.

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