Ein Nachruf auf die Hologramme des JMW
Von Gerald Lamprecht
Das Jüdische Museum der Stadt Wien wird renoviert und im Zuge dessen plant die neue Leitung auch die Neugestaltung der seit Mitte der 1990er Jahre bestehenden Dauerausstellung. Das ist nichts Ungewöhnliches, und das Interesse der Öffentlichkeit ist der neuen Dauerausstellung gewiss, insbesondere wenn es sich um eine so renommierte Institution wie das Wiener Jüdische Museum handelt.
Seinen internationalen Ruf verdankt das Museum vor allem der bisherigen Ausstellung, der sensibel und klug aufgestellten Sammlung Berger sowie den von der renommierten Kuratorin Felicitas Heimann-Jelinek gestalteten Rauminstallationen, den Hologrammen und dem Schaudepot. Es sind diese beiden aufsehenerregenden Installationen, die neben den vielen hervorragenden temporären Ausstellungen der letzten Jahre dem Jüdischen Museum der Stadt Wien zu Weltgeltung verholfen haben.
In der internationalen Literatur über Jüdische Museen - etwa im Buch von Sabine Offe, "Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen. Jüdische Museen in Deutschland und Österreich" - ist die Wiener Ausstellung ein Fixpunkt: Die Hologramme und das Schaudepot sind Pionierarbeiten eines innovativen, reflexiven Zugangs, der mit den Mitteln des Museums die Frage des Ausstellen und Darstellens von Geschichte reflektiert. Und es ist gerade die jüdische Geschichte als eine Geschichte von Verlust, Zerstörung und Vernichtung, die diese Fragen existenziell in die Museologie einbringt.
Position verändert Blick
Das war die Botschaft der Hologramme: Dem Betrachter eröffnete sich abhängig von seiner Position im Raum ein jeweils anderer Blick auf die wechselvolle jüdische Geschichte der Stadt Wien - von den ersten Zeugnissen der jüdischen Bevölkerung im Mittelalter bis zur Shoah.
Hologramme und Schaudepot haben die Besucher in diese reflexive Haltung miteinbezogen, kein passives Konsumieren, ein aktives Hin-Schauen wurde damit angeregt. Keine vorgefertigten, abgeschlossenen, großen Erzählungen wurden präsentiert, sondern die Brüchigkeit der jüdischen Geschichte mit ihren Leerstellen, die nicht zuletzt das Ergebnis der Zerstörung und Vernichtung in der Shoah waren, stand im Zentrum.
Mit diesen beiden Installationen hat sich das Jüdische Museum Wien in die internationale Museumslandschaft eingeschrieben, sein hervorragender Ruf zeigt sich auch in den gefragten Wanderausstellungen - derzeit ist etwa "Typisch!" in München zu sehen, zuvor wurde die Ausstellung in Berlin und Chicago gezeigt.
Mauthausen hat Schautafeln archiviert
Umso bestürzender ist die Zerstörung der Hologramme, die zudem eine besonders im Kontext der jüdischen Geschichte verheerende Symbolik des zerbrochenen, zerschlagenen Glases evoziert. Der offene Brief von 25 MuseumsleiterInnen und WissenschaftlerInnen hat vor allem die mangelnde Sorgfalt im Umgang mit diesen Exponanten und die Ignoranz gegenüber den museologischen Standards der Dokumentation und Archivierung von Dauerausstellungen kritisiert.
In diesem Zusammenhang kann beispielsweise auf die Archivierung der Schautafeln der in den 1970er Jahren eröffneten Ausstellung in der Gedenkstätte Mauthausen verwiesen werden. Auch wenn sie "nur" historischen Wert haben, sind sie erhaltenswert, denn sie können zukünftigen Generationen über die Gedächtniskultur unserer Gesellschaft Auskunft geben.
Tatsächlich nur "technische Probleme"?
Die nun zu beobachtenden Reaktionen seitens des Jüdischen Museums Wien auf Kritik lassen allerdings vermuten, dass nicht nur "technische Probleme" zur Zerstörung der Hologramme führten, sondern die fehlende Wertschätzung für eine Installation, die international als singuläres Beispiel eines neuen, reflexiven Verständnisses von Museum gilt: Die Hologramme werden als "veraltete Technologie" bezeichnet, der Status eines Exponates wird ihnen abgesprochen, sie werden zu "Schautafeln", deren "Ablaufdatum erreicht" sei, degradiert.
Die Situation ist paradox: Während die Kritiker auf den internationalen Ruf des Wiener Jüdischen Museums verweisen, der sich seinen innovativen Ausstellungsprojekten verdankt, stellt das Museum selbst den Wert jener Exponate, die 15 Jahre lang sein Kernstück gebildet haben, in Abrede.
Wirkung nur über Raumerfahrung
Doch unabhängig von der Frage, ob es sich bei den Hologrammen um eine "veraltete Technologie" handle oder nicht, verweist die Argumentation auf einen problematischen Umgang mit Exponaten sowie der Institution Museum im Allgemeinen. Oder wäre es beispielsweise vorstellbar, dass man ein Gemälde des Biedermeier, nur weil befunden wird, es handle sich um eine "veraltete Maltechnik", unwiederbringlich zerstört?
Das Argument, es sei nicht schade um die Hologramme, da sie eine "veraltete Technik" darstellten und man das heute "am Bildschirm mit einer Animation" lösen würde, läuft ins Leere: Denn die Wirkung und das innovative Potential der Hologramme ist nur aus der mit ihnen verbundenen Raumerfahrung erschließbar.
Nun auch noch symbolische Zerstörung?
Nun stellt das Jüdische Museum von 16. bis 20. Februar als Reaktion auf die Kritik ein Beispiel des zweiten Hologramm-Sets unter dem Titel "Die Geschichte einer österreichischen Aufregung" im Museum am Judenplatz aus. Wird es eine Würdigung der Bedeutung der Hologramme sein oder eine denunziatorische Zurschaustellung?
Die Aussage von Danielle Spera ("Standard", 11.2.2011), die Ausstellung soll dazu dienen, dass "die Erinnerung an eine veraltete Technologie erhalten bleibt", lässt aber eher auf letzteres schließen. Und man erhält den Eindruck, dass die Hologramme nach ihrer physischen Zerstörung nun ein zweites Mal, diesmal symbolisch zerstört werden sollen.
Will das Museum - mitten in Umbau und Neugestaltung - durch die Ausstellung somit unter Beweis stellen, dass jene Exponate, denen es seinen Ruf verdankt, "veraltet" seien? Wie auch immer das Urteil der BesucherInnen ausfallen wird, diese Ausstellung lässt Schlüsse auf das Selbstverständnis und die Positionierung des Jüdischen Museums Wien in der internationalen Museumslandschaft zu. Sie kann sich des Interesses einer interessierten Öffentlichkeit - nicht nur in Österreich - gewiss sein.
Gerald Lamprecht ist Leiter des Centrums für Jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz; Forschungsschwerpunkte: Jüdische Regionalgeschichte, Antisemitismus, NS-Herrschaftssystem, Verfolgungsgeschichte der Jüdinnen und Juden, Vermögensentzug.
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