Mit Helden und Heldentum nimmt das Museum, das am Ort von Andreas Hofers Wohnstatt, in Sankt Leonhard in Passeier, eingerichtet wurde, auch seinen Auftakt. Allerdings zersplittern die Texte, Sprachen und Sichtweisen das Heldische und wenn dann der kurze Einleitungsfilm zum Museum einsetzt, hat sich das Heldische schon im Säurebad der Relativierung ziemlich aufgeweicht.
Der Film, ohne dessen Konsum man nicht ins Museum kann - an seinem Ende öffnet sich das Museum wie ein Sesam -, erzählt die wichtigsten Stationen Hofers und des ,Freiheitskampfes‘, illustriert in der Zeichentricktechnik von Monthy Python (nur etwas weniger lustig und proffessionell) und fügt der ästhetischen Brechung auch eine hörbare Distanz hinzu. Am Schluß, aus dem Off vor weißer Leinwand kommt denn auch die Frage, was gewesen wäre, wenn Napoleon Hofer begnadigt hätte und er als alter Mann friedlich gestorben wäre? Und dann, als Steigerung, die, ob denn alles anders gekommen wäre, wenn die Tiroler den Aufstand erst gar nicht versucht hätte? Oder wäre heute alles genauso wie es nun mal ist?
Ein Museum, das (s)eine Sinnfrage mal schön auf den Kopf stellt.
Was dann folgt ist eine Erzählung der Ereignisse in ihrer chronologischen Folge, aber immer durchwebt mit der Frage nach den Methoden, Motiven und Medien der Erzählung selbst. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie aus einem Ereignis (sehr lokal, militärisch und politisch unbedeutend, ideologisch rückschrittlich, taub für überfällige Modernisierungen) ein ,nationaler Mythos‘ wird. Wie es zum Umdeutungen, Umerzählungen, Überformungen kommt, zu Monumentalisierung in Form von Museumssammlungen, Denkmälern, Gedächtnisorten.
Das Museum ist ausreichen genau, daß man das Ausmaß der Entstellung der Ereignisse erahnt und ihre Adaption für herrschende politische Großerzählungen. Dabei hält man eine angenehme Blance von Sachlichkeit und Distanz, die nie hämisch oder denunziatorisch wird und die immer mehrere Deutungen offenhält.
Nicht immer gelingt das Brechen der Bilder, die man verwendet (von denen sich manche ins Gedächtnis längst tief eingebildet haben, wie etwa Defreggers Gemälde). Gelegentlich liegt der schöne Witz im Detail, etwa wenn die verständlich erläuterte und aufschlußreiche späte Würdigung durch den Kaiser mit der Menükarte seines Gabelfrühstücks, mit dem das Ereignis begleitet wurde (oder aus dem es vielleicht auch bestand, wer weiß), dokumentiert wird. „Kraftbrühe mit Huhn, Passeyrer Forellen, Hasenbrot, gefüllter Fasan, Steyrischer Kapaun, Meraner Obst, Kleine Bäckerei“ und anderes mehr.
Es gibt nette gestalterische Details, etwa die mehrsprachigen Kurztexte, die man aus einer Box ziehen kann (und die leider nicht vandalensicher sind). Und es gibt, ziemlich bescheiden (aber das dürfte der Quellenlage und der Geschchtsschreibung geschuldet sein, die nicht mehr hergeben), eine gezielte Aufmerksamkeit für Frauenbiografien. In dieser heftigen Männergeschichte voll von geschwungenen Sensen und gegen den Feind gereckter Kruzifixe eine ganz bemerkenswerte Bemühung um ,Gegengeschichten‘.
Das Museum zwickt auch seine Objekte und fragt sie, „bist Du überhaupt echt?“ und zweifelt lautstark an ihnen. Das ist insofern dreist, weil man hier ohne museologische Skrupel ohnehin alle Medien mischt und das Museum stellenweise zum Theater, zum animierten Bilderbogen, zum Hörspiel wird.
Mein Eindruck war, daß diese Fiktionalisierung (gemessen an Museumskonventionen, die aufs ach so authentische Objekt Eide schwören...), seinen (guten) Dienst tut, weil ja die Problematisierung der Erzählweisen als Form der Dekonstruktion der patriotischen Geschichte gar nicht funktionieren könnte, wenn nicht der Besucher ständig einbezogen würde - aufgefordert, sich zwischen den Resten, Quellen und Spuren der Fragwürdigkeit des als Wahheitsgeschichte ausgegeben ständig bewußt zu bleiben.
Der Mythenbildung, dem ,Machen eines Helden‘ wird dann sogar ein eigener umfangreicher Abschnitt gewidmet, auf den die Gegenwart der Relativierung mündet. Ähnlich der Jubiläumsausstellung im Ferdinandeum in Innsbruck glaubt man an eine Kraft der Dekonstruktion der totalen Verkitschung, Vermarktung, Medialisierung. Das geht aber in dem Fall hier wie damals im Landesmuseum nicht auf, weil ja der letzte Dreh am Hofer-Mythos (nur aus Gründen der chronologischen Abfolge, das Museum in Passeier wurde vor dem Ausbau des Bergisel eröffnet?) nicht einbezogen ist.
Mit dem Werbeslogan „Tirols neue Mitte“ wurde ja durch die von einer Langzeitpartei dominierte Landespolitik die Fundierung der Landesidentität auf das Jahr 1809, auf Andreas Hofer und den Schlacht-Ort erneuert. Rundgemälde und Kaiserjägermuseum und Bergiselmuseum das ist ja wie eine Jause mit Banane Split, Speckjause mit sauren Gurkerln, Schwarzwälder-Kirschtorte und Schlutzkrapfen in brauner Butter. In einer Aufwändigkeit und Dichte, wie sie bis dahin nicht denkbar war hat man hier alle Mythen zusammengezogen und fortgeschrieben. Übrigens verdammt humorlos. Und mit einer, nun sagen wir mal, ziemlich obszönen Erneuerung einer Grundlegung gesellschaftlicher Kohärenz in der Idee des heldenhaft-blutig-religiösen Opferganges.
Das ist also so ziemlich das einzige, was ich am Museum in Passeier bekritteln würde. Daß es sich der ,staatspolitischen‘ Permanenz des Mythos nicht stellt, den die Politik durch alle Relativierung, Begradigung, Korrektur durch Forschung und Vermarktung hindurch bis heute aufrechterhält.
Der politische Mythos ist eben nicht tot.
Ein Museum, das sich von seinem Gegenstand distanziert, auch wenn es das auf kluge, symphatische und gewitzte Art macht, läuft Gefahr, seinen Gegenstand endgültig zu historisieren und einer interesselosen Neugier auszuliefern. Sowenig aber der Mythos für die Tiroler Herrschaften erledigt ist, sowenig ist es der Konflikt, der in der ,kleinen patriotischen Erzählung steckt.
In einem Essay in der Tageszeitung Die Presse hat Richard Schuberth im ,Jubiläumsjahr‘ 2009 geschrieben: „Dabei lohnt sich in Zeiten, wo kosovo-albanischen, palästinensischen oder tschetschenischen Insurgenten entweder bedingungsloser Hass, zumeist jedoch haltlose Sympathie entgegenschlägt, die Frage, wer sich da im Tirol des Jahres 1809 warum gegen wen erhob – handelt es sich dabei doch nicht um irgendeine Epoche, sondern um eine Wendezeit, die allgemein als die Geburt der Moderne begriffen wird und bereits die ideologischen Fronten in sich trug, von denen auch heute noch aufeinander geschossen wird.“
Da wäre also etwas zu gewinnen für ein Museum. Wenn es den Mut hätte zur Verallgemeinerung, zur Verknüpfung von Lokalem und Globalen, Früherem und Aktuellem.
Als "Heldenstück" präsentiert: Hofers Hosenträger |
Aber: Hut ab vor der Leichtigkeit und Entspanntheit, mit der hier, an einem eigentlich auch ,heiligen Ort‘, mit ,dem Hofer‘ und seinem Mythos und dem Tiroler Patriotismus umgegangen wird.
Nach der zeitgeschichtlichen Ausstellung im Schloß Tirol, die auch ihre Meriten hat, glaube ich langsam an einen besonderen südtiroler Museumsmut was ausgerechnet die Zeitgeschichte betrifft - und dazu zählt nun mal der Andreas Hofer noch immer. Ich bin mal gespannt auf das Museum, das im ,Siegestor‘ in Bozen geplant und offenbar baulich grade vorbereitet wird.
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