„Der Akademiker ist fortwährend damit beschäftigt, seine Exstenz zu rechtfertigen, indem er die eigene Persönlichkeit und seine idiosynkratischen Interessen leugnet und sich als neutrales Sprachrohr des Wissens stilisiert. Jede Unterdrückung eigner Emotionen verbucht er als Triumph des Denkens und seiner Rechtschaffenheit. Intuitives, Willkürliches oder bloß ästhetisch Gerechtfertigtes ist in seinen Augen eine Verzerrung und Abweichung vom Wahren. Dieses Wahre ist überliefert aus dem Studium, dessen Inhalte, wenn überhaupt, nur nach dem Prinzip der Falsifikation angreifbar wären. Dieser Typus von Akademiker ist die häufigste Spezies in Museen, die sich der Wissensvermittlung verschrieben haben. Der andere, das heißt hier: der Besucher, ist für den Wissenschaftlerzwangsneurotiker eher ein Hindernis, das er nach Möglichkeit ignoriert oder nach seinem Bilde imaginiert.“
„Der Hysteriker stellt dagegen seine Emotionalität und Intuition in den Vordergrund. Er geht wie selbstverständlich davon aus, dass die anderen an diesen interessiert sind, und er vermeidet rationale Argumentationen, die nicht den Fluchtpunkt seiner Emotionalität aufweisen. (…) Theoretische Referenzen verfolgen primär den Zweck, sich selbst noch interessanter zu machen. Man trifft diese Spezies vor allem in Kunstmuseen, je weniger historisch orientiert sie sind, umso mehr. (…) Er ist jedoch ebenso wenig wie der Zwangsneurotiker an wirklicher Vermittlung und Begegnung interessiert.“ Er will den anderen, den Besucher „lediglich (…) dazu bewegen, sich mit ihm zu beschäftigen. Die Auswahl der zu zeigenden Künstler und die Platzierung der Künstler im Raum ist das Medium, in dem dies geschieht. ‚Was bin ich?‘ - ‚Der, der euch das zeigt‘. (…) „Während der eine Kurator vor allem sich exponieren möchte, will der andere möglichst gar nichts von sich zeigen - außer seine exzeptionelle Teilhabe am Wissen.“
Daniel Tyradellis: Müde Museen. 2014
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