Donnerstag, 20. Mai 2010

Museumskrise? - Die Hamburger Kunsthalle schließt ihre Galerie der Gegenwart für ein halbes Jahr

Museumskrise? Das war hier schon öfter die Frage. Gibt's eine, oder gibt's keine?! Vielleicht ist das die Krise, daß sich keiner traut, die Frage energisch zu stellen, oder klar zu beantworten? Oder daß sich aus der Nähe die Symptome so mehrdeutig zeigen...
Da hätten wir nun die Hamburger Kunsthalle. Vor einiger Zeit kam sie in die Schlagzeilen, als - wahrscheinlich übereilt - behauptet wurde, die Kunsthalle würde ihre finanzielle Gesundung mit einem Verkauf eines ihrer Gemälde finanzieren.
Und jetzt schließt ein Teil des Museums. Zwar nur auf Zeit und aufgrund eines entdeckten Bauschadens. Sagt die Kulturbehörde.
Dem widerspricht der Direktor des Hauses aus dem Urlaub. Selbstverständlich - eine Teilschließung ist eine Kostenersparnis.

Niklas Maak reibt sich die Augen: wieso wird der Direktor bei einer solchen Entscheidung nicht zugezogen? Oder hat man seinen Urlaub abgewartet, um ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen?
Doch das ist die Nahsicht. Maak schreibt in der heutigen FAZ die Krise des Museums einer langfristigen Entwicklung zu, der Expansion dieses (und, kann man hinzufügen, vieler anderer Museen), die in besseren Zeiten begonnen wurde und die nun nicht mehr so ohne weiteres zu finanzieren sei.

"In den achtziger Jahren, als sich in den Kulturetats der Städte der geballte Wohlstand der alten Bundesrepublik spiegelte, wurden gigantische Neu- und Anbauten finanziert, die mit den geschrumpften Etats nicht mehr haltbar sind, und in einer Krise, in der Politiker allen Ernstes Krippenplätze und Schulausstattungen infrage stellen, wächst der Druck auf Kulturinstitutionen gewaltig."
Da klemmt es dann auch bei den Wechselausstellungen. Attraktive, überregional beachtete, die viele Besucher anziehen, könnten nicht mehr finanziert werden, Private Sammler und Museumsgründer wären inzwischen in einer besseren, 'konkurrenzfähigeren' Position.

Ein Teil der Probleme ist hausgemacht und die Überführung eines statalichen Instituts in eine Stiftung möglicherweise nicht geschickt gemanagt worden. Aber dass nun einfach das staatlich-öffentliche Museum wie ein Auslaufmodell behandelt würde, und auf kompensatorische private Alternativen verwiesen werde, das ist, so Maak, eine bedenkliche Entwicklung: "Gerade angesichts der Refeudalisierung der Kunstwelt ist, im Sinne der guten alten Res publica, ein Ort um so nötiger, an dem eine demokratische Gesellschaft sich ihrer selbst jenseits von Sponsoreninteressen und Privatgeschmack vergewissert und diskutiert."
Der Druck wird größer werden, es zeichnet sich ab, daß im Bildungsbereich, bei Schulen, Universitäten, Einrichtungen für Kinder uvam. mehr und mehr gespart werden wird.  


Der befragte Leiter der Kunsthalle, Hubertus Gaßner, rückt auch die Konkurrenz in den Mittelpunkt und ein zusätzliches Argument - den Zerfall burgerlichen Engagements, dem die Kunsthalle ihre Existenz verdankt. "Früher wollten Sammler ihre Kunst im Museum sehen, jetzt bauen sie sich die Häuser selbst. Die Kunsthalle wurde 1868 als bürgerliche Institution gegründet. Wenn sich jetzt die bürgerliche Gesellschaft auflöst, kann es durchaus sein, dass sich auch die Museen auflösen. Eine gedächtnislose Gesellschaft lässt auch ihre Museen verschwinden. Vielleicht bekommen wir dann wieder den alten Typus der Wunderkammer, die man besuchen darf."

Was auf dem Spiel steht, hat Hubertus Gaßner in einem schon früheren Interview (Hamburger Abendblatt) differenzierter und nachdrücklicher so beschrieben: "Im Wesentlichen sind Museen Gründungen bürgerlicher Nationalstaaten. Wenn man beobachtet, wie der Nationalstaat nach und nach verschwindet und sich das Bürgertum transformiert, dann kann man darüber spekulieren, ob das Museum in seiner ursprünglichen Funktion der Repräsentation bürgerlicher Kultur und Gesellschaft noch auf Dauer Bestand haben wird. Für mich wäre das ein höchst bedauerlicher Fall, ich begrüße das nicht, sondern kämpfe dagegen. Natürlich werden die Häuser und die Sammlungen bestehen bleiben, aber schon jetzt stellen wir ja fest, dass die Besucher nur zu 20 Prozent der Sammlungen wegen kommen und zu 80 Prozent, um sich Wechselausstellungen anzusehen. Wenn Museen sich zu reinen Ausstellungshallen entwickeln, verlieren sie ihren ursprünglichen Charakter."
 
Ich verstehe ihn so: was auf dem Spiel steht, nicht nur bei der Hamburger Kunsthalle, ist nicht in erster Linie eine Frage des Budgets oder der Konkurrenz mit anderen kulturellen und privaten Einrichtungen; es geht darum, ob einer bestimmten Idee des Museums noch Existenzberechtigung zugeschrieben wird oder nicht. Zur Lösung dieser Fragen wird kaum das Klein-Klein der punktuellen tagespolitischen Auseinandersetzungen beitragen, die schnellen und halben Kompromisse, die eine schwierige Situation überbrücken, sondern nur ein grundsätzliche Auseinandersetzung darüber, in welcher Form man das Museum noch wünscht oder auch nicht. Aber wer ist "man"?
Ich denke, "man" das sind alle, die ein interesse an der Existenz und der Arbeit der Museen haben, die Museumsleiter und Kuratoren, dann die Besucher und Nutzer, diejenige bürgerliche Öffentlichkeit an deren Standing nicht nur Hubertus Gaßner zu zweifeln beginnt, und Beamte und Politiker, die sich als Treuhänder eines Auftrags und einer Idee begreifen müssten, und nicht nur als Organe eines etatistischen Zwangsvollzugs.

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