Die Reise auf der Suche nach dem, was ein Museum ist, hat uns durch verschiedene Zeitschichten geführt, mit Rück- und Vorblenden. Begonnen haben wir kurz nach 1800 mit einem neuntältesten Museum, das uns mit der Frage losgeschickt hat, was denn dann das älteste gewesen sein könnte. Dabei haben wir, nur etwa ein Jahrzehnt später, eine wichtige Museumsgründung in Berlin kennengelernt, bei der die Sinnhaftigkeit des Wortes 'Museum' kurz, aber heftig umstritten war.
Dabei wurde eingeräumt, das das, was man vorhatte, ein Haus zu bauen, in dem auf Dauer Kunst gezeigt würde, in der Antike keinerlei Entsprechung hatte. Es gab keine Institution, in der man kulturell wichtige Dinge auf unbestimmte Zeit aufbewahrt hat, um sie auszustellen und zu betrachten.
Aber man entschied sich in Berlin dann paradoxerweise, nämlich gegen die eigenen plausiblen Argumente, doch für die Benennung des für die Königlichen Sammlungen bestimmten Hauses mit Museum. Und das das mit Rückgriff auf eine andere, die älteste Bedeutung des Wortes.
Mit dem Festhalten am Wort Museum knüpfte man eine Beziehung zur mythologischen Vorstellung des Museion, des Musenortes, und damit zum dem kollektiven Erinnern gewidmeten Ort der griechischen Antike.
Damit waren wir plötzlich um einige hundert Jahre zurückgebeamt, bis zu den ältesten schriftlichen Berichten über diese mythologische Lokalität und ihr Personal bei Hesiod und Homer.
Dann gings wieder auf der Zeitachse zurück, zu der Verknüpfung des Museion mit der Akademie, das heißt mit jenem Ort, wo Wissenschaft und Künste, unter dem Schutz der Musen gepflegt wurden.
Über das spätantike alexandrinische, wegen seiner riesigen und untergegangenen Bibliothek legendäre Museion, wurde es möglich, eine Brücke zur Neuzeit zu schlagen. Und zwar gerade deswegen, weil über die Funktion dieses Museion kaum etwas bekannt ist. Das machte es so geeignet, moderne Vorstellung in es zu projizieren und gleichzeitig mit dem antiken Modell zu legitimieren.
Dabei wurden, namentlich in der französischen Tradition, zwei Vorstellungen parallel entwickelt, die sich beide auf die spätantike Gründung bezogen, und die man im Französischen auch sprachlich unterschied: das latinisierte französische Wort 'Museum', das die Idee des ungeteilt Wissen und Kunst gewidmeten Ortes meinte, und 'Musée', das den Ort der Sammlung und des Ausstellens bezeichnete.
Wir haben ja gesehen, daß bei der 'Rückkehr' der Musen, im Italien des 16. Jahrhunderts, bereits beide Vorstellungskreise, entwickelt werden: Die antike Vorstellung des von den Musen protegierten Ortes der Wissenschaft und Künste einerseits, und die neuzeitliche der Sammlung (die im Dienst eben dieser Betätigungen betrieben werden kann) andrerseits. Die amerikanische Historikerin Paula Young Lee, die diese Genealogie untersucht hat, ist der Auffassung, daß diese Parallelentwicklung mit der Französischen Revolution beendet wurde.
Tatsächlich gibt es bis dahin und noch in der Revolution eine Reihe von ideellen und architektonischen Phantasien universaler Institutionen, in denen Nutzungen wie Akademie, Museum, Bibliothek, Universität uam. integriert waren. In der Französischen Revolution findet nicht nur keine Realisierung eines solch universalen Instituts statt, im Gegenteil, das Museum selbst wird noch einmal in Sparten, Disziplinen oder wenn man so will Typen geteilt. Innerhalb weniger Jahre entstehen das Kunstmuseum im Louvre, ein Naturhistorisches und ein Technisches Museum und eines, in dem Kunst und Geschichte präsent sind.
Doch für den Louvre gibt es beide Bezeichnungen, Musée du Louvre, und später Musée Napoleon, aber auch, um den nationalen Charakter zu betonen, Museum Française. Das naturhistorische Institut heißt bis heute Museum national d' Historie Naturelle, das zur Förderung von Gewerbe, Industrie und Technologie geschaffene Museum hieß Musée des Arts et des Metiers, und das hochinteressante aber kurzlebige von Alexandre Lenoir gegründete Museum, das vorwiegend Spolien, Bildhauerarbeiten, Denkmäler und Grabmale Frankreichs vereinte (und damit viele vor der Zerstörung bewahrte), hatte den Namen Musée des Monuments Française.
Ich denke, daß die Phantasie einer Institution, die ein vielleicht unwiederbringlich zugrunde gegangenes universales Modell wieder restituieren will, nicht vorbei ist. Die kulturhistorischen Museen des 19. Jahrhunderts, mit ihren vielfältigen Sammlungen, versuchen sie nicht, an einer solchen Idee festzuhalten? Oder ist nicht Le Corbusiers sonderbares Mundaneum, das über einige Skizzen nie hinauskam, nicht ein solcher Versuch?
Wie auch immer, daß die Französische Revolution eine Zäsur für das bildet, was wir unter Museum verstehen, daran kann man schwer zweifeln (obwohl das häufig ignoriert und manchmal auch heftig bestritten wird).
Die älteste bedeutsame museumshistorische Publikation endet denn auch genau an diesem Punkt. In seiner 1908 erschienen Publikation "Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance" gibt Julius Schlosser einen Abriss der Sammlungsgeschichte der Neuzeit, der in einem kurzen letzten Kapitel gerade noch auf die französischen Gründungen verweist.
Er wusste, wie tiefgreifend die Zäsur ist, wie groß der Unterschied zwischen der Funktion und Bedeutung der Sammlungen des 16. bis 18. Jahrhunderts und der Museumsidee der Aufklärung und Revolution.
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