Eine unscheinbare Zeichnung eines Magnus Pederson überliefert uns eine auf den ersten Blick bescheidene Museumsszene aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Herr in Frack und Zylinder zeigt und erläutert einer Familie ein Museumsobjekt. Im Hintergrund beugen sich zwei Besucher über eine Vitrine.
Dieses Genre der Sammlungsdarstellung hat eine lange Tradition. Schon in allerersten Sammlungsdarstellungen des 16. Jahrhunderts, ist das Zeigen und Erläutern Bestandteil der Darstellung. Der Sammler oder ein, oft wissenschaftlich gebildeter oder sonstwie berechtigter „Stellvertreter", sind lange Zeit die einzigen Vermittler zwischen der Sammlung, den Gegenstände und den Besuchern.
Diese Zeichnung dokumentiert einen, sich in der Darstellung nur subtil niederschlagenden, aber fundamentalen Wandel. Die Kleidung weist den Erläuterer nicht als fürstliche Person oder als einen in seinem privaten Refugium intim eingeschlossenen Sammler aus, der seine Idiosynkrasien auslebt, sondern als eine zur Vermittlung ermächtigte, gleichsam museumsoffiziöse Person in einem offenbar öffentlichen Museum.
In diesem Fall ist es Christian Jürgen Thomsen persönlich, der erste Kurator des Nationalmuseums in Kopenhagen. Und die Besucher, die z. T. unbegleitet und offenbar auch unbeaufsichtigt die Sammlung betrachten dürfen - eine Neuerung des bürgerlichen Museums, das entsprechende Sicherheits- und Betreuungsfragen nach sich zieht -, sind nicht Personen „von Stand", nicht Wissenschafter unter Wissenschaftern, sondern staunende Laien. Ungewöhnlich ist auch das Kind. Es ist die erste Darstellung, die mir bekannt ist, in der ein Kind Adressat einer Erläuterung im Museum ist - Museumspädagogik avant la lettre.
Wie hier das Publikum dargestellt ist, wie es sich ungezwungen den Dingen, teils eigenständig, teils instruiert zuwendet, das verweist auf einen tiefgreifenden Wandel. Seit dem 16. Jahrhundert war der Besuch von Sammlungen eine mehr oder minder (manchmal gar nicht gewährte) restriktiv gehandhabte freiwillige Geste ihres privaten Besitzers. Jetzt ist es ein allgemeines Recht. Das (staatliche) Museum ist öffentlich geworden.
Insofern ist die Illustration von 1845 mehr als nur Dokument einer lokalen oder zufälligen Konstellation - sie visualisiert etwas von der Funktion dessen, was man nun als Museum bezeichnet: eine Bildungsinstitution, die sich idealiter an jedermann, unabhängig von Geschlecht, Alter, Beruf oder Vermögen wendet, um ihm, auf der Grundlage wissenschaftlicher Bearbeitung und musealer Bewahrung und Schaustellung, Wissen zu vermitteln.
Wahrscheinlich wissen die neugierig zuhörenden Besucher nicht, wem sie gegenüberstehen. Christian Jürgensen Thomsen, der Herr mit dem Zylinder, ist nicht nur Leiter des Museums. Er gilt er als erster Altertumswissenschaftler, der eine wissenschaftlich begründete relative Chronologie aufgestellt hat. Er unterschied in seinem 1836 erschienenen „Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde" zwischen steinernen, bronzenen und eisernen Artefakten und hat damit eine zwar inzwischen differenzierte, aber immer noch gültige Periodisierung der Frühgeschichte geschaffen. Somit tritt uns hier das Museum nicht nur als öffentliche, für den Umgang mit den Benutzern verantwortliche Bildungsinstitution entgegen, sondern als ein Ort der Forschung, wo das Sammeln eine Grundlage wissenschaftlicher Entdeckung und Innovation ist.
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