Beim zerstreutem Recherchieren über irgendetwas, was ich längst vergessen habe, bin ich, wie das halt beim Googeln so passieren kann, auf einen überraschenden Eintrag auf der Webseite eines Museums in Indien gestoßen: „The ninth oldest regular museum of the world, INDIAN MUSEUM, Kolkata, INDIA is the oldest institution of its kind in Asia Pacific region and repository of the largest museum objects in India.“
Ersten war mir das sympathisch. Wer will in Zeiten, wo selbst der zweite oder dritte Platz, wo auch immer - im Bobfahren, in Deutschland sucht den Superstar, bei den Städten mit der höchsten Lebensqualität, bei den ältesten Menschen der Welt - kaum noch zählt, schon Neunter sein und auch noch sichtlich stolz drauf sein?
Verblüfft hat mich dann aber zweitens die Sicherheit, mit der da ein ganz bestimmter Platz im „Ranking“ behauptet wurde, und zwar der "regulär museums".
Wenn man exakt ein „neuntältestes“ Museum ist, muss man über die geschichtliche Entwicklung des Museums weltweit ebenso sicher Bescheid wissen, wie über die Entwicklung des Sammlungswesens, die Errichtung von Museumsbauten oder die Einrichtung von Trägerschaften. Und wenn man von einem "regular museum" spricht, muss man über sehr haltbare Kriterien verfügen, das Museum (als Idee, als Modell, als Institution), von anderen Institutionen und kulturellen Praktiken unterscheiden zu können.
Vor allem aber man muss wissen was ein Museum überhaupt ist. Das heißt, man muss sich einen Begriff vom Museum gemacht haben.
Man muß sich sicher sein, daß es einen eindeutig definierbaren und verbindlichen Museumsbegriff überhaupt gibt gibt und einen ebenso eindeutig feststellbaren ‚Ursprung’, das heißt ein Museum, das unzweifelhaft ein erstes ist.
Wenn wir alle mal kurz in unseren Köpfen kramen, werden wir rasch auf ein Durcheinander von Assoziationen und Erinnerungen stoßen, aber kaum auf ein museologisches Geburtsdatum. In Lexika und in einschlägigen Publikationen werden wir Angaben finden, die über viele Jahrhunderte hinweg verstreut sind. Da kommt dann das hellenistische Alexandrinische Museum ebenso vor, wie eine privates Museum am Comer-See aus der Mitte des 16., oder das Kapitolinische Museum, das sich auf eine Bild-Stiftung des 15. Jahrhunderts beruft und das British Museum, dessen Gründung 1753 sehr oft genannt wird.
Das British Museum ist auch die Nummer eins auf der Bestenliste aus Kalkutta, denn freundlicherweise ist der Textinformation auch eine Grafik beigegeben, zwar nur etwas größer als eine Briefmarke, die aber immerhin schon Weltkarte sein will.
Die Podestplätze haben diesem Weltatlas im Bonsaiformat nach an zweiter Stelle die kaiserliche Gemäldegalerie im Belvedere in Wien und das Charleston Museum in Philadelphia.
Jetzt könnte ich beckmesserisch sein, und an der Liste rummäkeln. Da ist z.B. das Gründungsdatum des Gewinners falsch. Fehler der Zeitmessung sozusagen, aber macht nichts, es kommen sogar noch sechs Jahre dazu, denn korekt ist für das British Museum 1753. Der erste Platz ist also nicht gefährdet.
Aber darum geht es gar nicht. Die Frage ist, warum wurden diese Museen ausgewählt, warum wurde nichts in Erwägung gezogen, was früher und sonst noch an Institutionen existierte, warum nicht Oxfords Ashmolean Museum oder die Museen, die die Habsburger in Florenz gegründet haben. Warum nicht noch ältere Sammlungen, etwa die bedeutenden Natursammlungen Italiens? Warum keine fürstlichen?
Kurz gesagt, es wäre interessant, was man in Kolkat/Kalkutta unter „Museum“ versteht. (man macht es uns gar nicht leicht. Denn da steht ja noch dazu "regular museum". Gäbe es demnach auch eines, das "irregular" ist??).
Aber darauf gibt die Webseite leider keine Antwort. Das Indian Museum weiß es, sagts aber nicht.
Und ich auch nicht. Demnächst mehr. Ein bisschen Suspense darf beim Bloggen schon sein.
P.S.: Das Gründungsdatum des Indian Museum ist übrigens der 2. Februar 1814. Soviel zur Korrektur eines eventuell eurozentrisch verengten Blicks. Sicher, es gibt viele Gründe das Museum als ‚europäisches Modell’ zu verstehen, aber es wurde so gut wie ‚sofort’ zum ‚Exportschlager’.
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