Peter Weiss | Initiation
Dann aber ging es noch um ein
andres Museum, es trat zutage mit seinem rauchgeschwärzten Klinkergemäuer,
einem Magazin ähnlich am großen Bahnhofsplatz in Bremen, an der Straßenecke
gegenüber vom Hotel Columbus, rückseitig angeschlossen an die Ausladestellen
für Früchte und Gemüse am Güterbahnhof. Zu diesem Museum führte der Weg über
die Weserbrücke und den Domshof, am Rathaus vorbei, durch den Schlüsselkorb und
die Wallanlagen, links stieg der Park zur Baumschule an, mit der Windmühle
überm Stadtgraben, vom Herdentor, neben dem Hillmann Hotel, ging es durch das
Gedränge von Automobilen und Straßenbahnen auf die schon sichtbaren
hinausgepufften Dampfwolken der Lokomotiven zu, und dann traten wir in die
Halle, vor die Pfeilerreihen, die, unterm hohen Glasdach, weit in die Tiefe der
Kontinente führten.
Geschnitzte Pfähle, Masten und
Tempeldächer erhoben sich hinter den zusammengedrängten tropischen Gewächsen in
Kübeln, ich zog meinen Vater, der mich an der Hand hielt, gleich schräg nach rechts,
zu den Pygmäen, die sich vor ihrer niedrigen gerundeten Hütte aufhielten,
reglos die nackte Frau, die linke Hand um das Kind gelegt, das auf ihrer Hüfte
saß und den Fuß auf den Gurt ihres Lendenschurzes stützte, die rechte Hand
angehoben zur Halskette aus Leopardenzähnen, das Gesicht zur Seite gewandt, mit
halbgeschlossnen Augen vor sich hinblickend, in sich versunken, wie auch der
Mann, der auf Spreu kniete und die Arbeit, die er vor den Händen hatte, das
Glätten und Zusammenknüpfen von Blättern, vergaß.
Ein Affe lag neben ihm, er hatte
spielen wollen, war schläfrig geworden, sein Arm war, noch ausgestreckt,
niedergesunken. Sie waren in den Regenwäldern Äquatorialafrikas zuhause, als
Sammler und Jäger zogen sie umher, der Dschungel ließ keine Ansiedlung zu, die
Hütte diente ihnen zu kurzem Unterschlupf, sie besaßen nur wenige Geräte, Pfeil
und Bogen, waren dem Aussterben nah. Zwischen Wurzeln und Gestrüpp hatten sie
ihr kuppelförmiges Nest gebaut, gestützt von gebogenen Zweigen, abgedeckt mit
Blättern, umwickelt mit dünnen Lianen, ein Schneckengehäuse voll tiefer
Dunkelheit. Ringsum erstreckte sich unendlich der Urwald, in dem es
schnatterte, grunzte und schrie. Hier war aus dem Roden der winzigen Lichtung,
dem schnellen Bauen vor einbrechender Nacht, dem Nomadisieren an den
Flußläufen, den Wasserfällen entlang, da die Hütte längst wieder eingegangen
war in die Vegetation, ein einziger Augenblick des Wartens geworden. Nicht
größer als ich, der Sechsjährige, verharrten die Waldbewohner mit angehaltenem
Atem in knisternder Stille und merkten nicht, wenn meine Fingerspitzen ihre
mattglänzende dunkle Haut berührten. Es waren noch Beduinen da, vor ihrem Zelt,
Eingeborene Australiens, mit Speeren und Wurfhölzern, tätowierte Bewohner eines
Pfahlhauses von den Salomoninseln, kunstvoll geflochtne Schildhütten aus Samoa
waren zu sehn, japanische Gärten, Tempel und Kultgegenstände aus Birma, Korea,
Tibet, Schneehütten der Eskimos, Totempfähle der Prärieindianer, eingeätzt in
mein Gedächtnis aber hatte sich vor allem die Familie des Zwergvolks.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen