Mittwoch, 1. August 2012

Canova in Possagno

Wieder in der Gipsoteca in  Possagno.
Der wievielte Besuch bei Canova war das jetzt? Aber die "Gypsotheka", wie sie auf der Originalinschrift des Geburtshauses geschrieben wird, ist immer wieder erstaunlich. Und ich zeige das Museum gerne Freunden und Verwandten.




Diesmal lese ich über Canovas Biografie nach.
Er bringt es rasch vom Lehrling diverser Steinmetzen zum Bildhauer in Venedig, auf den man bei einer Ausstellung aufmerksam wird und die erste Förderer anzieht, Personen aus der Nobilität, aus der Diplomatie, der Kirchenhierarchie, nicht nur Italiener. Er lernt zum Beispiel Quatremere de Quincy (den schärfsten Kritiker der jungen Idee des Museums)kennen, und schließt mit ihm eine lebenslange Freundschaft. In Rom ist Winckelmann mit der Sammlung der Villa Albani beschäftigt und die Planungs- und Bauarbeiten am für die päpstliche Antikensammlung Museo Pio Clementino beginnen.

Museale Pietät: Utensilien des Bildhauers mit ihm - Totenmaske - im Vitrinengrab bestattet...


Zu dieser Zeit beginnt der Vatikan Ausgrabungen zu begrenzen und an Lizenzen zu binden und mit Ausfuhrregelungen die Zerstreuung des Kunstbesitzes zu verhindern. Der Verkauf von Teilen der Sammlung der Villa Albani alarmiert und führt zur Einrichtung eines Museums am Kapitol, im Palazzo Nuovo, wo die Antiken für 'ausländische Besucher, Dilettanti und Künstler zugänglich sein sollen.
Modell für ein Napoleon-Denkmal

Canova beginnt und entwickelt seine Karriere aber nicht nur innerhalb der noch vom Klassizismus geprägten Kunstdiskurse der Zeit, sondern steht auch mitten in den politischen Umbrüchen, leidet unter der Eroberung Roms in napoleonischer Zeit und unter der darauffolgenden Plünderung der Kunststätten Roms und Venedigs, die Werke an den Louvre abgeben müssen, profitiert aber gleichzeitig von der Macht und den Aufträgen Napoleons.
Einerseits versucht er, sich aus politisch-ideologischen Auseinandersetzungen herauszuhalten, andrerseits werden Werke wie seine für die Uffizien bestimmte ,Venus Italica‘ zu geradezu subversiv-nationalen Identifikationsobjekten in Zeiten der napoleonischen Besetzung.

Diese Rolle als ,nationaler Heros‘ wird ab 1815 verstärkt und mit der italienischen Oper und der romantischen Dichtung wird Canova zu einem Brennpunkt des nationalen kollektiven Bewußtseins. Und 1815 ist es er, der die Rückführung der nach Paris gebrachten Kunstwerke organisiert.


Zu der Zeit ist er aber schon längst eine Art von Weltstar, der Aufträge aus Wien oder Petersburg bekommt, aber auch einen aus Virginia, wo er gebeten wird, für das dortige Kapitol ein Denkmal George Washingtons zu machen. Diesen anderen Heros, einen einer Republik, stellt er im Augenblick seiner Abdankung dar, wie er zögernd den Stift noch weit entfernt vom Schriftstück hält, und in antiker Kleidung und Pose, einer Muse ähnlich.

Als sich die Bewohner von Possagno, seiner Geburtsstadt, mit der Bitte an ihn wenden, sie bei der Restaurierung der Pfarrkirche zu unterstützen, malt er ein Altargemälde aber dann bietet er an, einen Neubau auf eigene Kosten errichten zu lassen, man darf annehmen, wohl schon mit der Absicht, daß das seine Grabkirche3 werden soll.


Er entwirft die Kirche, die er 'Tempel' nennt selbst und läßt den Bau von Architekten ausführen. Die Kirche wird am Rand der Ortschaft, in den Hügeln, die den Übergang von den Alpen zur Terra ferma bilden, errichten und so am Rande des Dorfes, daß in der Fernsicht der Eindruck entsteht, daß der Bau nicht in eine architektonische Umgebung eingebunden ist, sondern sich scharf und monumental vor dem Natur-Hintergrund abhebt. Eine überbreite Treppe verbindet die Kirche in einer Achse mit seinem Geburtshaus. Der ,Tempel‘-Bau adaptiert drei, auch zeitlich aufeinanderfolgende und drei Kulturen repräsentierende Elemente - die griechische Tempelfassade, das römische Pantheon und die christliche Apsis.

Erst danach wurde nach Plänen von Francesco Lazzari das einschiffige, klassizierende basilikale Museum errichtet, dem Raffaele Sterns Braccio Nuovo im Vatikan als Modell diente.1836 wurde es vollendet und fungiert seither als Refugium der riesigen 1:1-Modelle, der Entwürfe und skulpturalen Skizzen.



1957 wurde Carlo Scarpa eingeladen einen kleinen Annex zu errichten, der eher kleinformatigen Werke einen angemessenen Rahmen bieten sollte. Anders als das nur von oben belichtete ältere Museum öffnet Scarpa seine verschachtelte Raumfolge nach allen Seiten, nach oben, nach außen und in von ihm durchgestaltete Freiräume. Neben dem ungleich umfangreicheren Museum in Verona, dem Hauptwerk Scarpas als Ausstellungs- und Museumsarchitekten, ist das hier eine nicht weniger vertrackte, ingeniöse, detailreiche wunderbare Museumsarchitektur vom Allerfeinsten. 

Siehe auch den älteren Post "Canovas Vermächtnis"


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