Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck |
Freitag, 31. August 2012
Haus der Geschichte. Frankreich. Österreich
Nationale Historische Museen sind Versuche, den politischen Zugriff auf die Vergangenheit zu ermöglichen, in einer großen Meistererzählung, die sich der herrschenden politischen Ideologie fügt. Auch wenn es nur bescheiden "Haus der Geschichte" hieß, das französische Projekt stammte direkt aus dem weit nach rechts ausholenden Wahlkampf Nikolas Sarkozys, in dem ihm Frankreichs nationale Identität sogar ein eigenes Ministerium Wert war.
Trotz massiven Widerstandes vieler und namhafter Historiker hätte das Projekt bei der Wiederwahl Sarkozys wohl eine Chance zur Verwirklichung gehabt - in der nun schon langen Tradition, mit der sich Französische Präsidenten mit Museumsbauten Denkmäler setzen. Als vorbildlich stellte man das Deutsche Historische Museum hin, eine andere patrimoniale politische Gründung, von Helmut Kohl betrieben und durchgesetzt.
Nun ist das Projekt definitiv beerdigt worden. Der neue Präsident verfolgt es nicht weiter. Man wird sich mit einer Vernetzung der ohnehin zahlreich existierenden Museen begnügen.
Das österreichische Projekt eines "Hauses der Geschichte" ist noch nicht offiziell beerdigt. Das geht in Österreich anders. Irgendwo, in einer Schublade, liegt wohl das Konzept, aber derzeit ist kein Politiker in Sicht, der sich hinter diese Idee stellt und der Staat wird derzeit, auch angesichts der klammen Mittel für die Bundesmuseen, kaum Geld für ein so großes Projekt lockermachen.
Unter der Regierung Schüssel, wo konservative Geschichtspolitik via Ausstellungen betrieben wurde, war das noch anders. Auch hier reagierten die Historiker ablehnend. Aber auch da ist Österreich anders. An den 'nationalen' Geschichtsausstellungen beteiligte sie sich sehr wohl und beim Protest hatte man gelegentlich den Eindruck, es ging nicht nur um Ablehnung, sondern darum, die Deutungshoheit in die Hand zu bekommen.
Dabei gilt für Österreich dasselbe wie für Frankreich, nämlich das, was dort im Zentrum der Kritik und der jüngsten Beendigung des Projekts stand: es gibt kein einheitliches Narrativ, in dem sich die Geschichte einer Nation fassen ließe. Und niemand ist interessiert, sich die Konflikte anzutun, die die Konzeption und Errichtung so eines "Hauses" zwangsläufig mit sich brächte.
Trotz massiven Widerstandes vieler und namhafter Historiker hätte das Projekt bei der Wiederwahl Sarkozys wohl eine Chance zur Verwirklichung gehabt - in der nun schon langen Tradition, mit der sich Französische Präsidenten mit Museumsbauten Denkmäler setzen. Als vorbildlich stellte man das Deutsche Historische Museum hin, eine andere patrimoniale politische Gründung, von Helmut Kohl betrieben und durchgesetzt.
Nun ist das Projekt definitiv beerdigt worden. Der neue Präsident verfolgt es nicht weiter. Man wird sich mit einer Vernetzung der ohnehin zahlreich existierenden Museen begnügen.
Das österreichische Projekt eines "Hauses der Geschichte" ist noch nicht offiziell beerdigt. Das geht in Österreich anders. Irgendwo, in einer Schublade, liegt wohl das Konzept, aber derzeit ist kein Politiker in Sicht, der sich hinter diese Idee stellt und der Staat wird derzeit, auch angesichts der klammen Mittel für die Bundesmuseen, kaum Geld für ein so großes Projekt lockermachen.
Unter der Regierung Schüssel, wo konservative Geschichtspolitik via Ausstellungen betrieben wurde, war das noch anders. Auch hier reagierten die Historiker ablehnend. Aber auch da ist Österreich anders. An den 'nationalen' Geschichtsausstellungen beteiligte sie sich sehr wohl und beim Protest hatte man gelegentlich den Eindruck, es ging nicht nur um Ablehnung, sondern darum, die Deutungshoheit in die Hand zu bekommen.
Dabei gilt für Österreich dasselbe wie für Frankreich, nämlich das, was dort im Zentrum der Kritik und der jüngsten Beendigung des Projekts stand: es gibt kein einheitliches Narrativ, in dem sich die Geschichte einer Nation fassen ließe. Und niemand ist interessiert, sich die Konflikte anzutun, die die Konzeption und Errichtung so eines "Hauses" zwangsläufig mit sich brächte.
Donnerstag, 30. August 2012
Ein Museum: Tsunami-Museum. Hilo/Hawai
Pacific Tsunami Museum is a museum in Hilo, Hawaii dedicated to the history of the April 1, 1946 Pacific tsunami and the May 23, 1960 Chilean tsunami which devastated much of the east coast of the Big Island, especially Hilo.
The museum also has a mission to educate people in general about tsunamis, including the 2004 Indian Ocean earthquake and tsunami. It is located at 130 Kamehameha Avenue, Hilo.
Vom Ding zum Exponat (Das Museum lesen)
"Die Abfolge: Ding, Abfallprodukt,
Zeichen mit Symbolcharakter wird von der Mehrheit der Gegenstände durchlaufen,
aus denen sich das kulturelle Erbe zusammensetzt. Aber nur von der Mehrheit,
nicht von allen. In einigen Fällen hat man nämlich am Anfang nicht ein
Artefakt, sondern ein Naturobjekt; das gilt für Fossilien, Wälder, Naturparks,
geschützte Arten von Tieren und Pflanzen usw. Zudem gibt es Artefakte, die
schon immer Zeichen mit Symbolcharakter waren: Gemälde, Zeichnungen, Stiche,
Skulpturen, Münzen, liturgische Gegenstände, gedruckte Bücher oder Manuskripte,
Inschriften, Gebäude, Kleider und, im allgemeinen, alle die Artefakte, die
nicht wegen ihres Gebrauchswertes allein hergestellt wurden, sondern gedacht
waren auch als Augenweide und als Verweis auf Unsichtbares. Im Gegensatz zu den
Dingen, die zu Zeichen mit Symbolcharakter geworden sind, wechseln diese
Objekte im Laufe ihrer Geschichte nicht die Kategorie. Aber Zweck und Bedeutung
auch dieser Objekte ändern sich. Ein Dekorelement oder ein religiöses
Kultobjekt haben, einmal im Museum angelangt, einen besonderen Zweck, der von
ihrem ursprünglichen verschieden ist. Um sich davon zu überzeugen, betrachte
man nur ein Bild. Ein Bild hängt nicht in einem Museum, um die Wände zu
schmücken, im Gegenteil, die Wände wurden errichtet, um das Bild ausstellen zu
können. Und ein religiöses Kultobjekt wird in einem Museum weder zu Gebeten
noch zu Spenden anregen; es ist entweder ein historisches Zeugnis früherer
Gläubigkeit oder ein Kunstwerk, an dem man das Material oder die künstlerische
Ausführung oder beides bewundern kann. Genauso bezeugt ein Adelspalast, einmal
zum historischen Bauwerk geworden, nicht mehr den Platz seines Besitzers in der
Adelshierarchie. Vergleicht man ihn aber mit anderen Palästen derselben Epoche,
so zeigt er, wie die Architektur damals Unterschiede des sozialen Status zum
Ausdruck brachte. Somit weckt er Fragen und Reaktionen, die verschieden sind
von denen, die seine ursprüngliche Funktion hervorrief.
Die Bildung des kulturellen Erbes
besteht also in der Umwandlung von gewissen Abfallprodukten in Zeichen mit
Symbolcharakter (analog dazu die Umwandlung von gewissen Naturobjekten) und in
einer Zweck und Bedeutungsänderung von Zeichen mit Symbolcharakter. Die Auswahl
der für das kulturelle Erbe würdig befundenen Objekte hängt ab von ihrer
Fähigkeit, eine neue Sinnstiftung zuzulassen, die hauptsächlich an ihre
Vorgeschichte, ihre Rarität gebunden ist. Sind sie aber einmal zu Zeichen mit
Symbolcharakter geworden, dann wird ihnen ein spezieller Schutz zuteil, der sie
vor zerstörenden Einflüssen von Mensch und Umwelt schützt."
Krzystof
Pomian
Mittwoch, 29. August 2012
Inner meaning (Das Museum lesen 27)
-->
„Art and museum culture is the secular religion
of capitalism.
It provides a space for inner meaning in an otherwise
spiritually empty world.“
Gregory Sholette
Das "globale Museum"
1
Das wäre eine schöne Frage für Günther Jauchs „Wer wird
Millionär“, eine die die letzte Hürde vor der Million sein müsste: In welchem
der folgenden vier Länder gibt es kein Museum? Ist das A) Tibet B) Monaco C)
Tuvalu D) Eritrea.
Wer glaubt, daß Monaco nur aus Casino, Formel I und
Fürstenpaar besteht, irrt, da gibt es ein Museum, ein berühmtes sogar, das
ozeanografische. Alle europäischen Kleinstaaten, also auch alle europäischen
Staaten haben Museen. (Mit dem Kuriosum des kleinsten Staates, in dem sich eins
der weltweit ältesten, bedeutendsten und größten Museen befindet - der
Vatikan).
Tibet hätte bis vor einigen Jahren wohl gestimmt, in der
traditionellen tibetischen Kultur kann man sich keinen Platz für eine solche
Institution vorstellen. Aber diese Kultur ist dabei, durch die von China seiner
autonomen Region verordneten Modernisierung langsam überlagert und verdrängt zu
werden. Dazu gehört nicht nur der Ausbau des Bildungswesens, der Straßenbau,
die technische Meisterleistung einer Bahnlinie nach Lhasa, sondern auch ein
Museum in der Hauptstadt.
Eritrea? Man könnte wohl auf mehr als nur einen jener
afrikanischen Staaten als ‚museumslos’ verfallen, deren politische und
gesellschaftliche Kohärenz so fragil ist, daß man sich eine so sehr auf
langfristige Pflege und Alimentierung angewiesene Institution wie ein Museum
nicht vorstellen kann. Eritrea ist aber auch falsch.
Richtig ist Tuvalu, der viertkleinste Staat der Erde mit der
drittkleinsten Bevölkerung. Tuvalu ist ein Inselstaat im Stillen Ozean mit
grade mal etwas über 10.000 Einwohnern und erst seit 1978 ein souveräner Staat.
Übrigens einer, der von seiner Umwelt, dem Meer und seinem Ansteigen, als
derart bedroht gilt, daß die Einwohner ernsthaft die kollektive Auswanderung
nach Neuseeland und Australien erwogen haben, und, wie ich grade lese, wiederum
erwägen. Da braucht man nicht unbedingt ein Museum (das es hingegen in allen
anderen Insel-Kleinstaaten in den großen Ozeanen gibt).
2
Ich glaube nicht, daß diese Frage in einem Fernsehquiz fair
wäre. Wer soll so etwas wissen, wer hat sich eine solche Frage je gestellt?
Mich hat der Ehrgeiz, das nachzuprüfen auch erst gepackt,
als meine Unterlagen (Reste, Brösel, Abfall aus diversen Recherchen) sich so
verdichteten, daß ich dachte, es sei einfach, die Verbreitung von Museen
weltweit zu evaluieren. Von den 194 derzeit in der UNO vertretenen Staaten der
Welt (und sehr viel mehr Staaten gibt es nicht und das sind dann meist solche
mit einem fraglichen, umstrittenen Status) können wir ja von so viele auf
Anhieb ausschließen, daß der ‚Rest’ doch leicht zu überprüfen sein müsste.
Dachte ich jedenfalls.
Eine viel zu lange dauernde Grippe, während der man zu
intelligenterer Tätigkeit ohnehin kaum fähig ist, habe ich genutzt, um das
Internet heißlaufen zu lassen. Und da zeigten sich dann beträchtliche
Schwierigkeiten, denn an globalen Daten fehlt es oder sie sind, wie bei
Wikipedia, extrem schlampig und unzuverlässig. Wenn man nicht auf
Museumsverbände stößt wie es sie für Afrika (mit bescheidenen Daten) gibt oder
die Pazifischen Inseln, dann muß man jedem Einzelfall nachgehen.
Das Suchen und Recherchieren war übrigens ganz und gar nicht
uninteressant, weil man auf Museen stößt, die interessante Konzepte verfolgen
oder in ungewöhnlichen politischen oder kulturellen Kontexten existieren, fern
von dem, was wir möglichweise als „europäische Norm“ im Kopf haben.
Die Antwort auf die Frage, „gibt es Staaten, die kein Museum
haben?“ hat mich selbst ziemlich verblüfft. Die Antwort lautet: unter den etwa 194
Staaten (die Zahl schwankt ja durch Separation, Anerkennung, Dekolonisierung,
unterschiedliche Beurteilung der Selbständigkeit usw. laufend) konnte ich außer
Tuvalu nur noch ein einziges weiteres Land identifizieren, das kein Museum hat:
Dschibuti. Also ein afrikanisches Land mit einer langen
Kolonialisierungsgeschichte und einer aktuell politisch und ökonomisch
depressiven Situation. Dabei bin ich mir in diesem Fall nicht mal restlos
sicher, denn ich bin dort auf Spuren eines möglichweise aus der französischen
Kolonialzeit stammenden Museum gestoßen, konnte aber nicht verifizieren, ob es
noch existiert.
Die richtige Antwort auf die Quizfrage lautet also „Tuvalu“
und: möglicherweise gibt es nur ein einziges Land weltweit, in dem es kein
Museum gibt (und wenn Tuvalu tatsächlich, wie seine Bewohner befürchten, vom
Meer verschluckt wird, ja dann...).
3
Ja, und? Was wissen wir jetzt? - Ich denke, es ist nicht
trivial, festzustellen daß eine kulturelle Praxis und Institution sich weltweit
verbreitet und durchgesetzt hat, und das offenbar unabhängig von der
politischen, ideologischen, religiösen und sozialen Verfasstheit und des
jeweiligen staatlichen und gesellschaftlichen Status. Von welcher anderen
(einigermaßen vergleichbaren) Institution (Bibliothek, Konzerthäusern und
Orchestern, Theater, Archiv, Oper usw.) kann man das gleichermaßen sagen?
Dabei sieht es ganz so aus, als würde sich das Museum
unterschiedlichsten Konstellationen anpassen können, ohne seine konzeptuelle
Identität aufgeben zu müssen. Das Museum ist ein Modell, ein Schema, mit einer
Reihe von Eigenschaften und Funktionen, die in ihrem Zusammenspiel seine
gesellschaftliche Rolle ausmachen. Dazu gehört die im allgemeinen Interesse
bewahrte Sammlung, die vermittelt (ausgestellt) wird und daher allgemein
zugänglich sein sollte, um jedermann Wissen, Bildung, Erfahrungen zu
ermöglichen, die aber so etwas wie das bewahrenswerte kulturelle Erbe bildet,
das kollektive Identität stiften soll. Dieser funktionelle Kern läßt sich so
gut wie überall ausmachen.
Ich traue mir das Urteil zu, daß das Museum global
ideologisch und medial ziemlich uniform ist und daß es, von Einzelfällen
abgesehen, keine wirklich alternativen regionalen Museumsentwicklungen gibt.
Sicher, es gibt Staaten, wo Museen eine herausgehobene gesellschaftspolitische
Rolle haben. Wie etwa in Südafrika, wo es eine Reihe von innovativen Museen
gibt, die die konfliktreiche Geschichte und Gegenwart des Landes thematisieren.
Oder Israel, dessen zentrale Museen stark am nation building des jungen Staates
beteiligt waren und sind und die für die Gesellschaft zentrale Erinnerung an
die Shoah aufrechthalten.
Daß Museen weltweit ideologisch und konzeptionell einem
Schema folgen, bedeutet ganz und gar nicht, daß es nicht eine gegen unendlich
gehende Variabilität im Einzelfall gibt, die der Architektur, dem Standort, der
Trägerschaft, dem Thema, der Sammlung, dem Vermittlungskonzept, der Einbindung
in eine spezielle Community und vielem anderem geschuldet sein kann.
So wie „Kopfbedeckungen“ eine geradezu unabschließbare
Variabilität hinsichtlich Form, Ästhetik, Symbolik oder Funktion haben (der Zylinder,
der Stahlhelmelm, das Kopftuch, die Tiara, der Strohhut, die Schirmkappe, die
Pelzmütze, der Turban...), obwohl doch der menschliche Kopf innerhalb einer geringen
Bandbreite ein- und dieselbe ‚Grundlage’ für die Applikation einer ‚Bedeckung’
bietet, so scheint es mir auch bei Museen zu sein.
Das Konzept oder Schema ‚Museum’ kann unter spezifischen
Bedingungen höchst unterschiedlich ausformulierbar sein. Architektonisch-städtebauliche,
ästhetische, gesellschaftspolitische, funktionelle oder symbolische Funktionen
variieren und mischen sich in immer neuen und manchmal sehr überraschender
Weise.
Das macht das Museum - und die Beschäftigung - mit ihm
kurzweilig.
4
Wenn ich die Erfahrungen meiner Beschäftigung mit dem Museum
und der Recherche zum „globalen Museum“ als Maßstab nehme, dann lassen sich
zwei Anforderungen an Museen besonders häufig ausmachen: da ist einmal die
Hoffnung, daß das Museum gesellschaftliche Integrität und Identität, wenn schon
nicht herstellen so wenigstens repräsentieren kann (Nationalmuseen gibt es auch
in den allerkleinsten Staaten und postkoloniale Staaten oder etwa Staaten, die
aus dem Zerfall der Sowjetunion und des kommunistischen Regimes hervorgegangen
sind, schreiben Museen eine besondere Rolle zu).
Und da gibt es zweitens die Hoffnung, daß das „kulturelle
Erbe“ im Museum dauerhaft bewahrt und gepflegt werden kann. Beide Aspekte
gehören zum Kern der europäischen Museumsidee der Aufklärung. Aber ist es nicht
fragwürdig, daß ein einziges Konzept, die Vielfalt der rituellen, memorialen,
ästhetischen und sozialen Praktiken, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt
einmal geleistet haben, zu ersetzen beginnt – überall? (mit Unterstützung von
Organisationen wie ICOM).
Es bleibt ein Unbehagen, oder die Frage, warum das ‚Konzept
Museum’ möglicherweise nicht einfach nur stabil sondern möglicherweise auch so starr
erscheint. Wäre es denn nicht wünschenswert, daß es sich in unterschiedlichen
Situationen neu konfigurieren kann? Ist es nicht problematisch, wenn sich ein
kulturelles Muster buchstäblich weltweit alternativlos durchsetzt?
Alternativlos? Ich bin nicht sicher. Wie wir wissen besitzt
das Museum definitorisch eine beachtliche Randunschärfe. Sehr zum Ärger jener Institutionen
und Interessenvertretung, die innerhalb ihrer Organisationslogik (und weniger
um des Museums willen) eine möglichst einfache Definition benötigen. Denn diese
entscheidet ja über Zugehörigkeit oder Ausgeschlossensein (aus der
Organisation).
Gerade ‚an den Rändern’ findet sich aber das Neue,
Innovative, Zukunftweisende, das möglicherweise nicht nur quantitativ
unterschätzt wird, sondern auch durch das Bemühen um definitorische
‚Sauberkeit’ (ICOM) möglicherweise vorschnell exkludiert bleibt.
5
Die „Idee Museum“ hat sich global durchgesetzt? So
statistisch, wie ich das hier vorführe, verfälscht dieser Satz die Tatsachen.
Die Verteilung der Museen weltweit – die einzige Zahl die ich kenne ist an die
15, 20 Jahre alt und da werden 60.000 Museen genannt -, ordnet sich entlang der
politisch-wirtschaftlich dominierenden Staaten und Großregionen: USA, Europa,
Japan, Australien, in jüngerer Zeit in Ostasien - mit der chinesischen
Museumspolitik von 1000 Museums-Gründungen in 10 Jahren. (Ich kenne keine
brauchbare Studie, die diese Ungleichverteilung abbildet).
Diesen Großregionen sind praktisch alle Museen zuzuordnen,
die als weltweit führend, das kulturelle Erbe repräsentierend und schützend
gelten. Dort befinden sich die Museen, die den Museumsdiskurs bestimmen, die
mit der größten medialen Attraktivität und den höchsten Besuchszahlen.
In jeder Hinsicht ist Afrika das Schlußlicht. Nahezu alle
seine einzelnen Staaten bilden in den einschlägigen Wirtschaftsstatistiken die
lange Schlußkolonne. Die große Ausnahme ist das schon früh industrialisierte
und wirtschaftlich prosperierende Südafrika. Die etwa dreihundert Museen, die
es dort gibt, übertreffen die Zahl der Museen im gesamten restlichen Kontinent.
Mein handgestrickter Versuch, mir ein „Bild“ von der
globalen Situation der Museen zu verschaffen, hat mir viele Überraschungen
beschert und den eurozentrierten Blick, den „wir“ haben, gelegentlich kräftig
abgelenkt.
Ich glaube, daß hier ein weites Feld für Forschung und
Recherche brachliegt, etwa für komparatistische Studien, für nationale
Museumspolitiken, für historische Entwicklungen und vieles andere mehr.
Montag, 27. August 2012
Musealisierung als Ausrottung
(...) So hat man vor kurzem die gesamte Wissenschaft und Technik mobilisiert, um die Mumie von Ramses II zu retten, nachdem man sie einige Jahrzehnte im hintersten Winkel eines Museums hat verfaulen lassen. Bei der Vorstellung, nicht retten zu können, was die symbolische Ordnung während 40 Jahrhunderten zu konservieren wußte ‑ allerdings dem Licht und dem Blick entzogen ‑,wird das Abendland plötzlich von Panik ergriffen. Ramses hat für uns heute keine Bedeutung mehr, nur die Mumie ist von unschätzbarem Wert, denn sie ist der Garant für den Sinn der Akkumulation. Unsere gesamte lineare und akkumulative Kultur bricht zusammen, wenn sich die Vergangenheit nicht für alle sichtbar speichern läßt.
Um diesen Zusammenbruch zu verhindern vertreibt man die Pharaonen aus ihrem Grab und die Mumien aus ihrer Stille. Dafür exhumiert man sie und läßt ihnen militärische Ehren zuteil werden. Sie sind gleichzeitig Beute der Wissenschaft und Beute der Würmer. Nur das absolute Geheimnis sichert ihnen diese tausendjährige Macht ‑ die Herrschaft über die Fäulnis, die zugleich die Herrschaft des totalen Tauschzyklus mit dem Tod ist. Wir können unsere Wissenschaft nur noch in den Dienst der Wiederherstellung von Mumien stellen, d.h. eine sichtbare Ordnung restaurieren.
Demgegenüber war die Einbalsamierung eine mythische Arbeit mit dem Ziel, eine verborgene Dimension zu verewigen. Wir benötigen eine sichtbare Vergangenheit, ein sichtbares Kontinuum, einen sichtbaren Ursprungsmythos, der uns über unser Ende beruhigt. Denn im Grunde haben wir nie daran geglaubt. Warum das historische Schauspiel bei der Ankunft der Mumie am Flughafen? Weil Ramses eine große despotische und militärische Figur war? Ganz sicher. Doch vor allem, weil unsere Kultur davon träumt, hinter dieser verstorbenen Macht, die sie sich einzuverleiben sucht, eine Ordnung zu besitzen, die mit ihr nichts zu tun hätte. Sie träumt davon, weil sie diese Macht als/wie ihre eigene Vergangenheit durch Exhumieren ausgerottet hat.
Wir sind von Ramses fasziniert, wie die Christen der Renaissance von den Indianern Amerikas, jenen (menschlichen?) Wesen, die nie etwas vom Worte Christi gehört haben, fasziniert waren. In den Anfängen der Kolonialisierung gab es einen Augenblick der Bestürzung und des Taumels angesichts der Möglichkeit, selbst dem universellen Gesetz des Evangeliums zu entkommen. Nur eines war möglich: entweder man gab die Nicht‑Universalität dieses GESETZES zu, oder aber man rottete die Indianer aus, um alle Beweise dafür zu vernichten. Im Allgemeinen gab man sich damit zufrieden, die Indianer zu bekehren, oder einfacher noch, sie zu entdecken, was ausreichte, um sie allmählich auszurotten.
So wird es ausreichen, Ramses zu exhumieren, um ihn durch Museifizierung auszurotten. Denn Mumien verfaulen nicht an Würmern: Sie sterben, weil man sie aus der verschlafenen Ordnung des Symbolischen ‑ Herr der Fäulnis und des Todes in die Ordnung der Geschichte, der Wissenschaft und des Museums transhumiert, eine Ordnung, die nichts mehr beherrscht, die lediglich das ihr Vorausgegangene weihevoll der Fäulnis und dem Tode überantwortet und anschließend mit Hilfe der Wissenschaft wieder zum Leben erweckt. Nicht wieder gutzumachende Gewalt gegenüber allen Geheimnissen, Gewalt einer Kultur ohne Geheimnis, Haß einer ganzen Zivilisation auf ihre eigenen Grundlagen.
aus: Jean Baudrillard: Ramses oder die jungfräuliche Wiederuaferstehung
Um diesen Zusammenbruch zu verhindern vertreibt man die Pharaonen aus ihrem Grab und die Mumien aus ihrer Stille. Dafür exhumiert man sie und läßt ihnen militärische Ehren zuteil werden. Sie sind gleichzeitig Beute der Wissenschaft und Beute der Würmer. Nur das absolute Geheimnis sichert ihnen diese tausendjährige Macht ‑ die Herrschaft über die Fäulnis, die zugleich die Herrschaft des totalen Tauschzyklus mit dem Tod ist. Wir können unsere Wissenschaft nur noch in den Dienst der Wiederherstellung von Mumien stellen, d.h. eine sichtbare Ordnung restaurieren.
Demgegenüber war die Einbalsamierung eine mythische Arbeit mit dem Ziel, eine verborgene Dimension zu verewigen. Wir benötigen eine sichtbare Vergangenheit, ein sichtbares Kontinuum, einen sichtbaren Ursprungsmythos, der uns über unser Ende beruhigt. Denn im Grunde haben wir nie daran geglaubt. Warum das historische Schauspiel bei der Ankunft der Mumie am Flughafen? Weil Ramses eine große despotische und militärische Figur war? Ganz sicher. Doch vor allem, weil unsere Kultur davon träumt, hinter dieser verstorbenen Macht, die sie sich einzuverleiben sucht, eine Ordnung zu besitzen, die mit ihr nichts zu tun hätte. Sie träumt davon, weil sie diese Macht als/wie ihre eigene Vergangenheit durch Exhumieren ausgerottet hat.
Wir sind von Ramses fasziniert, wie die Christen der Renaissance von den Indianern Amerikas, jenen (menschlichen?) Wesen, die nie etwas vom Worte Christi gehört haben, fasziniert waren. In den Anfängen der Kolonialisierung gab es einen Augenblick der Bestürzung und des Taumels angesichts der Möglichkeit, selbst dem universellen Gesetz des Evangeliums zu entkommen. Nur eines war möglich: entweder man gab die Nicht‑Universalität dieses GESETZES zu, oder aber man rottete die Indianer aus, um alle Beweise dafür zu vernichten. Im Allgemeinen gab man sich damit zufrieden, die Indianer zu bekehren, oder einfacher noch, sie zu entdecken, was ausreichte, um sie allmählich auszurotten.
So wird es ausreichen, Ramses zu exhumieren, um ihn durch Museifizierung auszurotten. Denn Mumien verfaulen nicht an Würmern: Sie sterben, weil man sie aus der verschlafenen Ordnung des Symbolischen ‑ Herr der Fäulnis und des Todes in die Ordnung der Geschichte, der Wissenschaft und des Museums transhumiert, eine Ordnung, die nichts mehr beherrscht, die lediglich das ihr Vorausgegangene weihevoll der Fäulnis und dem Tode überantwortet und anschließend mit Hilfe der Wissenschaft wieder zum Leben erweckt. Nicht wieder gutzumachende Gewalt gegenüber allen Geheimnissen, Gewalt einer Kultur ohne Geheimnis, Haß einer ganzen Zivilisation auf ihre eigenen Grundlagen.
aus: Jean Baudrillard: Ramses oder die jungfräuliche Wiederuaferstehung
Besuchen Sie Ihr Museum! (Museumsphysiognomien)
Das Universalmuseum Joanneum in Graz wirbt derzeit mit großen Plakaten. "Besuchen Sie Ihr Zeughaus!", "Besuchen Sie Ihr Schloss!", "Besuchen Sie Ihr Palais". Gemeint sind die einzelnen Sammlungsstandorte mit ihren Dauerausttellungen, das Schloss Eggenberg und eben das Museum im Palais.
"Ihr Museum" ist im rechtlichen Sinn korrekt, denn die Sammlungsobjekte sind bei einem öffentlichen Museum wie diesem Landesmuseum Gemeingut, sie gehören jedermann. Das allerdings nur abstrakt. Wer ins Depot ginge, um sich dort für einige Monate ein biedermeierliches Aquarell oder einen Römerkopf zur repräsentativen Ausstattung seiner Wohnung abzuholen, würde auf keine Herausgabebereitschaft stoßen.
Umgekehrt kann aber das Museum auch nichts veräußern, von dem, was es treuhänderisch verwahrt, es sei denn mit höchster politischer Erlaubnis in Ausnahmefällen. Ein bisschen Budgetsanierung mit dem Verkauf eines Objekts, das geht (normalerweise) gar nicht.
Es ist aber nicht anzunehmen, daß die Marketingfachleute oder das Designbüro, die das Plakat entworfen haben, mit dem "Ihr" diesen rechtlichen Besitz an Kulturgütern ansprechen wollen, (der den meisten auch gar nicht bewußt sein dürfte) sondern wohl eher performativ eine Identifikation mit dem Museum als Ganzes herzustellen beabsichtigen. Etwa im Sinn, "das Museum ist für Dich da, es ist Deines, also geh doch (wieder) mal hin".
So etwas kann man aber nicht einfach appelativ herstellen, auch nicht mit einem Rufzeichen am Ende des Satzes. Identifikation mit Museen ist etwas, was langsam aufgebaut und sorgfältig gepflegt werden muß und es natürlich alles andere als gleichgültig, wie und was gezeigt wird.
An Museen in England oder Schottland kann man das Resultat einer solch lange gewachsenen Museumskultur studieren: populäre Museen mit bunten Besuchermassen, die sich wie selbstverständlich durch das Museum bewegen als sei es - eben ihrs.
Nun gut, vielleicht ist ja die Plakatserie ein Teil oder der Beginn einessolchen'Audience Development', also ein Stück Bewirtschaftung öffentlicher Aufmerksamkeit für dieses bestimmte Museum.
Nicht unterschätzen sollte man, daß in dem Appell an die Identifikation schon immer auch der Ausschluß steckt. Denn ein großer Teil der Bevölkerung, die hier angesprochen werden soll, geht nicht etwa deswegen nicht ins Museum, weil sie die Inhalte nicht interessieren oder die Objekte oder die Programme. Sie gehen deswegen nicht hin, weil das Museum als für sie bedeutsamer kultureller Ort schlicht und einfach nicht existiert. Niemand hat das so präzise und empirisch wie theoretisch fundiert beschrieben, wie der französische Soziologe Pierre Bourdieu.
Es gibt einen fundamentalen Ausschluß, der über die Produktion und Verteilung von Wissen und Bildung (schon früh, in Familie und Schule) zustandekommt und dazu führt, daß, wie uns Museumssoziologen versichern, für bis zur Hälfte einer Bevölkerung "das Museum nicht existiert". Es ist nicht "Ihrs".
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Texte im Museum
Freitag, 24. August 2012
Mittwoch, 22. August 2012
Ein Museum: eines am Ender Welt
In der südlichsten Stadt Argentiniens, Ushuaiha, findet man das Museo del Fin del Mundo. Ende der 70er-Jahre wurde es gegründet und bietet einen alten Kaufladen, eine Ausstellung über das Gefängnis von Ushuaia, eine über die
Vögel Feuerlands, sowie eine Bibliothek zum Thema Feuerland. Und für den, der an das Ende der Welt (virtuell) reisen möchte, hat es auch eine Internetadresse. Die allerdings nicht über dieses schaurig-schöne 'Titelbild' hinausführt: |
Dienstag, 21. August 2012
Die Schrecken der österreichischen Museums- und Kulturpolitik
Durch Zufall bin ich auf eine Webseite ohne Impressum mit Artikeln ohne Datierung gestoßen, die allerdings den Vorteil haben, alle um Kulturpolitik und Museumspolitik zu krreisen und ziemlich harsch Kritik zu üben. Die Seite heißt "Texte zur Kulturpolitik" und ist hier zu finden.
"Unlängst." So schreibt Marlene Streeruwitz. "Bei einer Ausstellungseröffnung in einem der großen staatlichen Museen in Wien. Die Direktorin sitzt mit ihrem Team in der Mitte des Saals. Auf Goldstühlchen. Auf Zuruf werden Einzelne in diesen Kreis geholt. Aufgenommen. Alle anderen müssen rundum stehen." Von dieser Beobachtung aus dröselt sie soziale Distinktionen, hegemoniale Strukturen und die Grundierung unserer Kulturpolitik seit der austrofaschistischen Antiaufklärung auf.
Monika Mokres Auseinandersetzung mit dem Museumsquartier läßt schon mit dem Titel keinen Spielraum für das, wie es gemeint ist: "Wo rechtskonservative Kulturpolitik passiert." Sie schreibt "die Geschichte eines spektakulären und in all seinen Phasen abgefeierten kulturpolitischen Scheiterns."
Und da ist dann noch Thomas Trenkler, der die Geschichte der Ausgliederung der Bundesmuseen zusammenfasst, unter dem Titel "Mär der Erfolgsgeschichte". Ein Text, der einem wieder in Erinnerung bringt, was da alles warum und wie falsch angegangen wurde. Und ein Autor, der weit und breit keien Indizien dafür findet, welche Erfolgsgeschichte (die sie für ihre Erfinder ist) das sein soll.
Starke Texte, starke Kritik.
"Unlängst." So schreibt Marlene Streeruwitz. "Bei einer Ausstellungseröffnung in einem der großen staatlichen Museen in Wien. Die Direktorin sitzt mit ihrem Team in der Mitte des Saals. Auf Goldstühlchen. Auf Zuruf werden Einzelne in diesen Kreis geholt. Aufgenommen. Alle anderen müssen rundum stehen." Von dieser Beobachtung aus dröselt sie soziale Distinktionen, hegemoniale Strukturen und die Grundierung unserer Kulturpolitik seit der austrofaschistischen Antiaufklärung auf.
Monika Mokres Auseinandersetzung mit dem Museumsquartier läßt schon mit dem Titel keinen Spielraum für das, wie es gemeint ist: "Wo rechtskonservative Kulturpolitik passiert." Sie schreibt "die Geschichte eines spektakulären und in all seinen Phasen abgefeierten kulturpolitischen Scheiterns."
Und da ist dann noch Thomas Trenkler, der die Geschichte der Ausgliederung der Bundesmuseen zusammenfasst, unter dem Titel "Mär der Erfolgsgeschichte". Ein Text, der einem wieder in Erinnerung bringt, was da alles warum und wie falsch angegangen wurde. Und ein Autor, der weit und breit keien Indizien dafür findet, welche Erfolgsgeschichte (die sie für ihre Erfinder ist) das sein soll.
Starke Texte, starke Kritik.
Samstag, 18. August 2012
Freitag, 17. August 2012
Wie man ein Museum zugrunderichtet. Eine Ergänzung
Via Facebook und Jörn Borchert entdeckt: eine Ergänzung zu meinem Post "Wie man Museem zugrunderichtet". Nämlich "Acht Regeln für den totalen Stillstand in Unternehmen".
Donnerstag, 16. August 2012
Ein Museum. Nationalmuseen in unwirtlicher Gegend
Vor einigen Monaten habe ich zur 'Globalisierung des Museums' recherchiert; ich wollte ein wenig den nahezu unvermeidlichen austro- und eurozentrischen Blick weiten, den man / ich hat / habe. Die selbstgestellte Aufgabe war etwas über Regionen zu erfahren, wohin normalerweise unsere museologischen Kommunikationswege nicht oder kaum hinreichen. Es ging schon auch darum, ein wenig ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich Museen weltweit verteilen und wie sich in unterschiedlichen Regionen gleichsam 'durchgesetzt' haben.
Wie man so etwas macht? Indem man diverse statistische Materialien und Datenbänke nutzt, die es gibt und die man abgleichen kann. Ich habe so zum Beispiel herauszufinden versucht, ob sich das Museum tatsächlich weltweit als kulturelle Praxis / Institution durchgesetzt hat.
Sie hat. Fast.
Es gibt kaum Länder, die keine Museen haben. Und unlängst dachte ich, ich habe die Färöer übersehen!
Dazu muß man sagen, daß für einen österreichischen Mann, der gerne Fußball schaut (oder wie ich, geschaut hat, 'früher mal'...) 'Färöer' ein Katastrophenwort ist. Denn kaum war die kleine Insel den internationelen Fußballverbänden beigetreten, hatten sie auch schon ihr erstes Qualifikationsspiel eines internationalen Bewerbes - gegen Österreich. Und gewannen 1:0. In Schweden, denn auf den Färöern gabs keinen den Anforderungen der Verbände taugliche Fußballplätze.
Wenn man sich über die Faröer informiert, wundert man sich, daß dort überhaupt Fußball gespielt wird, beziehungsweise, daß dort überhaupt wer leben will. Nie mehr als 12 Grad, viel Regen und sehr sehr viele Nebel.
Und diese Insel sollte ich übersehen haben? Nicht ganz, sie ist mir entgangen, weil sie streng genommen kein völlig eigenständiger Staat ist, sondern ein Teil Dänemarks, allerdings mit sehr hoher politischer Autonomie, eine so genannte gleichberechtigte Nation.
So konnte es kommen, daß ich die Färöer 'übersehen' habe, weil sie in den einschlägigen Länderstatistiken (die die Nationalstaaten enthalten) eben nicht auftauchen, sondern als Teil des Königreichs Dänemark angesehen werden.
Der Zweifel, ob man dort Fußball spielen kann, den kann ich mir nach dem 0:1 nicht erlauben, wiewohl er angebracht erscheint, wenn man bei Wikipedia liest, daß auf den Faröern der Elfmeter von drei Spielern ausgeführt werden darf oder gar muß. Einer steht im Tor, einer schießt den Strafstoß, und einer hält für der seinen Kollegen denn Ball am Elferpunkt fest, damit ihn der Wind nicht verweht (gibt es bei Wikipedia Fußballlatein?).
Aber Zweifel, ob es bei dem Wetter Museen sind mir doch gekommen. Was ja unsinnig ist, weil ja Museen oft letzte (touristische) Fluchtorte bei Regen und Kälte sind. Kann eine so kleine, unwirtliche Landschaft ein Museum haben?
Sie kann und hat, und soweit es in Erfahrung zu bringen ist, sogar zwei, ein Kunstmuseum, mit einem Neubau von 1993 und ein Historisches Museum, das Färöer schon gerne zu Ende des 19. Jahrhunderts gehabt hätten, das aber dann erst definitiv 1952 zustandekam und heute das Nationalmuseum ist, ebenfalls in einem Neubau, und zwar von 1996.
Wie man so etwas macht? Indem man diverse statistische Materialien und Datenbänke nutzt, die es gibt und die man abgleichen kann. Ich habe so zum Beispiel herauszufinden versucht, ob sich das Museum tatsächlich weltweit als kulturelle Praxis / Institution durchgesetzt hat.
Sie hat. Fast.
Es gibt kaum Länder, die keine Museen haben. Und unlängst dachte ich, ich habe die Färöer übersehen!
Das nationale Kunstmuseum |
Wenn man sich über die Faröer informiert, wundert man sich, daß dort überhaupt Fußball gespielt wird, beziehungsweise, daß dort überhaupt wer leben will. Nie mehr als 12 Grad, viel Regen und sehr sehr viele Nebel.
Auf den Färöern darf der Museumsdirektor die Briefmarke seines Museums selbst entwerfen |
So konnte es kommen, daß ich die Färöer 'übersehen' habe, weil sie in den einschlägigen Länderstatistiken (die die Nationalstaaten enthalten) eben nicht auftauchen, sondern als Teil des Königreichs Dänemark angesehen werden.
Das Freilichtmuseum, Teil des Nationalen Geschichtsmuseums |
Aber Zweifel, ob es bei dem Wetter Museen sind mir doch gekommen. Was ja unsinnig ist, weil ja Museen oft letzte (touristische) Fluchtorte bei Regen und Kälte sind. Kann eine so kleine, unwirtliche Landschaft ein Museum haben?
Sie kann und hat, und soweit es in Erfahrung zu bringen ist, sogar zwei, ein Kunstmuseum, mit einem Neubau von 1993 und ein Historisches Museum, das Färöer schon gerne zu Ende des 19. Jahrhunderts gehabt hätten, das aber dann erst definitiv 1952 zustandekam und heute das Nationalmuseum ist, ebenfalls in einem Neubau, und zwar von 1996.
Mittwoch, 15. August 2012
Peter Weiss: Initiation (Sommerlektüre. Das Museum lesen 26)
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Peter Weiss | Initiation
Dann aber ging es noch um ein
andres Museum, es trat zutage mit seinem rauchgeschwärzten Klinkergemäuer,
einem Magazin ähnlich am großen Bahnhofsplatz in Bremen, an der Straßenecke
gegenüber vom Hotel Columbus, rückseitig angeschlossen an die Ausladestellen
für Früchte und Gemüse am Güterbahnhof. Zu diesem Museum führte der Weg über
die Weserbrücke und den Domshof, am Rathaus vorbei, durch den Schlüsselkorb und
die Wallanlagen, links stieg der Park zur Baumschule an, mit der Windmühle
überm Stadtgraben, vom Herdentor, neben dem Hillmann Hotel, ging es durch das
Gedränge von Automobilen und Straßenbahnen auf die schon sichtbaren
hinausgepufften Dampfwolken der Lokomotiven zu, und dann traten wir in die
Halle, vor die Pfeilerreihen, die, unterm hohen Glasdach, weit in die Tiefe der
Kontinente führten.
Geschnitzte Pfähle, Masten und
Tempeldächer erhoben sich hinter den zusammengedrängten tropischen Gewächsen in
Kübeln, ich zog meinen Vater, der mich an der Hand hielt, gleich schräg nach rechts,
zu den Pygmäen, die sich vor ihrer niedrigen gerundeten Hütte aufhielten,
reglos die nackte Frau, die linke Hand um das Kind gelegt, das auf ihrer Hüfte
saß und den Fuß auf den Gurt ihres Lendenschurzes stützte, die rechte Hand
angehoben zur Halskette aus Leopardenzähnen, das Gesicht zur Seite gewandt, mit
halbgeschlossnen Augen vor sich hinblickend, in sich versunken, wie auch der
Mann, der auf Spreu kniete und die Arbeit, die er vor den Händen hatte, das
Glätten und Zusammenknüpfen von Blättern, vergaß.
Ein Affe lag neben ihm, er hatte
spielen wollen, war schläfrig geworden, sein Arm war, noch ausgestreckt,
niedergesunken. Sie waren in den Regenwäldern Äquatorialafrikas zuhause, als
Sammler und Jäger zogen sie umher, der Dschungel ließ keine Ansiedlung zu, die
Hütte diente ihnen zu kurzem Unterschlupf, sie besaßen nur wenige Geräte, Pfeil
und Bogen, waren dem Aussterben nah. Zwischen Wurzeln und Gestrüpp hatten sie
ihr kuppelförmiges Nest gebaut, gestützt von gebogenen Zweigen, abgedeckt mit
Blättern, umwickelt mit dünnen Lianen, ein Schneckengehäuse voll tiefer
Dunkelheit. Ringsum erstreckte sich unendlich der Urwald, in dem es
schnatterte, grunzte und schrie. Hier war aus dem Roden der winzigen Lichtung,
dem schnellen Bauen vor einbrechender Nacht, dem Nomadisieren an den
Flußläufen, den Wasserfällen entlang, da die Hütte längst wieder eingegangen
war in die Vegetation, ein einziger Augenblick des Wartens geworden. Nicht
größer als ich, der Sechsjährige, verharrten die Waldbewohner mit angehaltenem
Atem in knisternder Stille und merkten nicht, wenn meine Fingerspitzen ihre
mattglänzende dunkle Haut berührten. Es waren noch Beduinen da, vor ihrem Zelt,
Eingeborene Australiens, mit Speeren und Wurfhölzern, tätowierte Bewohner eines
Pfahlhauses von den Salomoninseln, kunstvoll geflochtne Schildhütten aus Samoa
waren zu sehn, japanische Gärten, Tempel und Kultgegenstände aus Birma, Korea,
Tibet, Schneehütten der Eskimos, Totempfähle der Prärieindianer, eingeätzt in
mein Gedächtnis aber hatte sich vor allem die Familie des Zwergvolks.
Wie hindert man Besucher daran, in zehn Minuten durch eine Ausstellung zu rennen?
Fundsache beim 'Perlentaucher'. 2014 wird die Künstlerin Marina Abramovic in New York ein Institute for the Preservation of Performance Art leiten. Die Künstlerin, die es satt hat, daß "das Publikum in zehn Minuten durch Galerien rennt", hat Maßnahmen vorgesehen, daß sich die BesucherInnen Zeit nehmen:
"'First, you will sign a contract that says you must stay for six hours, regardless if there are events scheduled for the entire time or not,' she began. 'Then you will surrender your Blackberry, your iPhone, your watch, your computer… anything that reminds you of time. Then you will be given a white lab coat, because you have become an experimenter. You will also be given sound-cancelling headphones which you can wear when you like.' But that wasn't all. 'You will have an attendant that will move you from room to room. You will be sitting inside a futuristic wheelchair that I'm creating specifically for the institute with designers and architects. It will be designed to have hot food contained in one arm, cold food inside another, and a place for liquids to drink. You will never have to get out of the chair unless you need to. The attendant will take you where you want. Even if you fall asleep - which people might after a 6- or 24-hour performance - you will dream of the performance because you will have in a sense not left it. This is all designed for long-duration experience.'"
"'First, you will sign a contract that says you must stay for six hours, regardless if there are events scheduled for the entire time or not,' she began. 'Then you will surrender your Blackberry, your iPhone, your watch, your computer… anything that reminds you of time. Then you will be given a white lab coat, because you have become an experimenter. You will also be given sound-cancelling headphones which you can wear when you like.' But that wasn't all. 'You will have an attendant that will move you from room to room. You will be sitting inside a futuristic wheelchair that I'm creating specifically for the institute with designers and architects. It will be designed to have hot food contained in one arm, cold food inside another, and a place for liquids to drink. You will never have to get out of the chair unless you need to. The attendant will take you where you want. Even if you fall asleep - which people might after a 6- or 24-hour performance - you will dream of the performance because you will have in a sense not left it. This is all designed for long-duration experience.'"
Dienstag, 14. August 2012
Textvandalismus an der - oder doch dem? - Ponte Molle
Die Sammlung Texte im Museum hält nun schon beim Beispiel 310. Noch immer tauchen Besipiele auf, die etwas Neues repräsentieren oder eine überraschende Variante von etwas Altbekanntem. Schön langsam wird diese Sammlung ein Kompendium zur Abfassung, Typografie, Anbringungen, Materialität, Informativität, Funktionalität und gelegentlch auch Absurdität von Museumstexten.
Wenn ich mich recht erinnere gibt es in der ganzen Sammlung nur ein einziges Beispiel für ein weitverbreitetes Phänomen, das jedem Museumssbesucher auffallen muß: den Betextungs-Vandalismus. Also jene mit Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift oder was immer an dauerhaft Schreibfähigen zur Hand war, an Texten, vornehmlich Objektbeschriftungen (weil leicht erreichbar) vorgenommenen 'Verbesseruungen'.
Sie können die Rechtschreibung betreffen, typografische Fehler, wie z.B. die bei Computersatz häufigen Trennungsfehler, sachliche Fehler, falsch geschriebene Namen oder Begriffe oder, wahrscheinlich der Hit, falsche (oder vermeintlich falsche) Jahreszahlen.
Soll ich nun aus der Tatsache, daß es in meiner Sammlung dazu keine signifikanten Beispiele gibt, den Schluß ziehen, daß die Qualität der Texte derart verbessert wurde, daß einschlägiger Vandalismus keine Anwendung mehr finden kann?
Was mich aber besonders freut ist, daß diesem in der museologischen Literatur nicht gewürdigtem Phänomen endlch eine Aufmerksamkeit zuteil wurde, die es verdient. Und zwar in einem Blog, in dem ich immer gerne und vergnügt lese, "Der Umblätterer".
Unter dem Pseudonym Marcuccio wurde dort im April diesen Jahres (hier) endlch ein Text zum Textvandalismus veröffentlicht - unter dem Titel "Der oder die Ponte Molle? — Erneute Schlacht an der Milvischen Brücke.
In der Claude Lorraine - Ausstellung des Frankfurter Staedel entdeckt der Autor, daß die Bildbeschriftung "Hirtenlandschaft mit der Ponte Molle" insoweit beschädigt wurde, als das ›der‹ vor »Ponte Molle« mit blauer Kuli-Farbe durchgestrichen und "besserwisserisch" mit einem ›dem‹ getauscht wurde. Also: »Hirtenlandschaft mit dem Ponte Molle«.
Ich würde den sehr vergnüglichen Text ja gerne einfach hier einstellen, aber so viel an Klauen will ich mich grade gegenüber einem Blog nicht trauen, den ich so sehr schätze. Verraten sei nur, daß der Autor seine Beobachtung zum Ausgangspunkt, diverse Täterprofile (Man könnte auch medienverhaltenskundlich argumentieren und das Ganze als Übersprunghandlung eines digital native interpretieren, der Museen bislang nur von Google Art kannte... ) zu entwickeln, macht - etwas, was diesen Text zu einer kleinen Metatheorie zur Textsammlung in diesem Blog macht.
Und nicht vergessen: die Kommentare zu diesem Text auch anzusehen...!
Wenn ich mich recht erinnere gibt es in der ganzen Sammlung nur ein einziges Beispiel für ein weitverbreitetes Phänomen, das jedem Museumssbesucher auffallen muß: den Betextungs-Vandalismus. Also jene mit Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift oder was immer an dauerhaft Schreibfähigen zur Hand war, an Texten, vornehmlich Objektbeschriftungen (weil leicht erreichbar) vorgenommenen 'Verbesseruungen'.
Sie können die Rechtschreibung betreffen, typografische Fehler, wie z.B. die bei Computersatz häufigen Trennungsfehler, sachliche Fehler, falsch geschriebene Namen oder Begriffe oder, wahrscheinlich der Hit, falsche (oder vermeintlich falsche) Jahreszahlen.
Soll ich nun aus der Tatsache, daß es in meiner Sammlung dazu keine signifikanten Beispiele gibt, den Schluß ziehen, daß die Qualität der Texte derart verbessert wurde, daß einschlägiger Vandalismus keine Anwendung mehr finden kann?
Was mich aber besonders freut ist, daß diesem in der museologischen Literatur nicht gewürdigtem Phänomen endlch eine Aufmerksamkeit zuteil wurde, die es verdient. Und zwar in einem Blog, in dem ich immer gerne und vergnügt lese, "Der Umblätterer".
Unter dem Pseudonym Marcuccio wurde dort im April diesen Jahres (hier) endlch ein Text zum Textvandalismus veröffentlicht - unter dem Titel "Der oder die Ponte Molle? — Erneute Schlacht an der Milvischen Brücke.
In der Claude Lorraine - Ausstellung des Frankfurter Staedel entdeckt der Autor, daß die Bildbeschriftung "Hirtenlandschaft mit der Ponte Molle" insoweit beschädigt wurde, als das ›der‹ vor »Ponte Molle« mit blauer Kuli-Farbe durchgestrichen und "besserwisserisch" mit einem ›dem‹ getauscht wurde. Also: »Hirtenlandschaft mit dem Ponte Molle«.
Ich würde den sehr vergnüglichen Text ja gerne einfach hier einstellen, aber so viel an Klauen will ich mich grade gegenüber einem Blog nicht trauen, den ich so sehr schätze. Verraten sei nur, daß der Autor seine Beobachtung zum Ausgangspunkt, diverse Täterprofile (Man könnte auch medienverhaltenskundlich argumentieren und das Ganze als Übersprunghandlung eines digital native interpretieren, der Museen bislang nur von Google Art kannte... ) zu entwickeln, macht - etwas, was diesen Text zu einer kleinen Metatheorie zur Textsammlung in diesem Blog macht.
Und nicht vergessen: die Kommentare zu diesem Text auch anzusehen...!
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