Die Kunst der Anpassung. Steirische KünstlerInnen im Nationalsozialismus zwischen Tradition und Propaganda ist eine Ausstellung, die derzeit im Grazer Stadtmuseum zu sehen ist (bis 2.1.2011) und in Kooperation mit der Neuen Galerie des Universalmuseum Joanneum erarbeitet wurde.
Gezeigt werden Gemälde, Grafiken und Plastiken steirischer Künstler, die sich dem NS-Regime mehr oder weniger 'angepasst' bzw. in ihm eine aktive (kultur)politische Rolle gespielt haben.
Was zu sehen ist, ist mit wenigen Ausnahmen kaum von künstlerischem Belang, von Interesse sind sowohl die Funktionen, die Kunstwerke als Bildschmuck, Auftragsarbeiten oder direkt propagandistisch hatten als auch die Biografien, die oft jene 'Wendigkeit' hatten, die erlaubte, vom Avantgardisten zum ideologisch bemühten Heimatmaler zum christlichen Nachkriegskünstler zu werden.
Im Prinzip sind dies keine neue Einsichten, sondern ein bekanntes Muster mit Varianten, die gelegentlich durch besondere lokale Umstände interessant werden. Dabei hilft die Beschriftung, die die Angaben zum Werk von den biografischen trennt und gesondert noch zusätzliche biografische Informationen bietet. Also gleich drei Textsorten, die zumeist ihren Sachverhalt trocken und kanpp auf den Punkt bringen.
In Umrissen wird so ein Netzwerk von Beziehungen von Personen und Institutionen, von Ereignissen und Werken sichtbar, kurzum eine Geschichte einer Unkultur, die sich nicht auf die Daten 38/45 eingrenzen lässt. Dies ins Bewußtsein zu bringen ist wohl das größte Verdienst der Ausstellung.
Machen wir dazu eine kleine Probe, und informieren uns im Internet über einen der ausgestellten Künstler, Hans Mauracher, dem in Graz übrigens ein kleines, vom Universalmuseum Joanneum betreutes Museum gewidmet ist. Der so überdurchschnittlich und bis heute gewürdigte Maler und Bildhauer ist also "anerkannt", wie die aktuelle Webseite der Grazer Secession zu ihrem (Gründungs)Mitglied schreibt. Außerdem erfahren wir dort, wann er sich in Maria Trost niedergelassen hat oder wie lange er gelebt hat, kaum mehr. Zwei Werke werden erwähnt, zwei abgebildet, beide stammen aus der Zeit nach 1950.
Ausführlicher ist die Biografie Maurachers in Wikipedia. Die endet allerdings 1930. Kommentarlos wird ein Zitat von 1930 zur Charakterisierung Maurachers mit "Religiosität, Heimatliebe und Naturnähe" wiedergegeben. Der Kulturserver der Stadt Graz zeigt einige Werke, alle aus den 50er-Jahren, auf der Webseite des das Mauracher-Museum verwaltenden Universalmuseums Joanneum ergab die Suche nach Mauracher keinen Treffer. Auch die einschlägigen Seiten des Landes kennen Mauracher nicht.
Die Angaben zur Biografie Leo Bokh's, von dem ein Porträt in der Ausstellung zu sehen ist, machten mich neugierig. Er schaffte es, ohne Karrierebruch am Landesmuseum zu arbeiten. Zu ihm findet sich im Internet kaum etwas, mit Ausnahme von rezenter Restitutionsforschung - in diesem Fall auch des Joanneum selbst.
Kurzum, die Ausstellung rekonstruiert ein auch 65 Jahre nach Kriegsende erstaunlich lückenhaftes Wissen und arbeitet gegen eine offenbar noch immer wirksame Verdrängung und Verschlampung. Dabei hat sie insofern selbst Grenzen, als sie zwar den Blick auf Institutionen, auf Museen, Künstlervereine, Ausstellungen usw. erweitert, aber dabei oft nicht sehr weit geht - es sei eingeräumt, möglicherweise weil eine Ausstellung kaum fehlende Forschungsarbeit kompensieren kann.
Daß etwa Trachtenpflege an einem Objekt und in einer Vitrine thematisiert wird, ist in dem Kontext nicht selbstverständlich, aber sinnvoll, als Teil der visuellen Strategien, die der NS wie kein politisches Herrschaftssystem zuvor nutzte. Aber das Umfeld, die (pseudo)wissenschaftliche und museale Trachtenpflege mit ihren bekannten Protagonisten und ihrer über 45 weit nachhaltigen Ideolgie, dazu konnte ich nichts finden.
Vieles was man zu sehen bekommt, dreht einem den Magen um. Man sollte nicht zu sensibel sein, wenn man sich den ästhetischen und thematischen Zumutungen mancher Elaborate aussetzt, die wohl nie mehr anders denn als Dokumente einschlägiger Ausstellungen aus den Depots geholt werden. Manches ist schlicht skurill, wie zwei buchstäblich goldige Knaben, die einen Stab mit Leier präsentieren. Die ist aber erst nach 45 angebracht worden, statt der bekannten NS-Embleme. Diese "Symbolträger", wie sie mal hießen, waren nun eine Würdigung "An die Kunst". Autor: Hans Mauracher.
Man trifft auf einige solcher 'Mutanten', die, wie ihre Schöpfer, das Kriegsende in neuem ideologischen Gewand überlebten. "Deutsches Leid" oder auch "Deutsche Heimatvertriebene", 1940 in Bronze gegossen und Hitler als Geburtstagsgeschenk zugedacht, konnte nach 1945 als "Familie" reüssieren.
Symmetrisch dazu wird die Wandlungsfähigkeit mancher Künstler dokumentiert, wie die des Gebrauchsgrafikers, der seine Fähigkeiten bei Kastner & Öhler und dann in der NS-Propaganda anwendete, oder die des Grafikers, der nach 45 KPÖ-Plakate entwarf. Karl Mader, einer der prominenten NS-Künstler, einer mit der 'Auszeichnung' auf der Großen Deutschen Kunstausstellung vertreten gewesen zu sein, trat 1946 der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft bei…
PS.: Der österreichische Museumstag fand heuer in Kärnten statt, in Klagenfurt und in Spittal an der Drau. In Spittal war das Schloß Porcia Tagungsort, in dem auch das Bezirksheimatmuseum untergebracht ist. Dieses Museum hütet einen Bestand von Gemälden von Karl Truppe, einem in der NS-Zeit eifrig tätigen, einschlägig geschätzten und auch von Hitler gemochten Künstler. Bis vor nicht langer Zeit hingen in einer Art Galerie diese Truppe-Bilder wie selbstverständlich als Teil der musealen Präsentation im Museum - nicht als Dokumente zur (Kunst)Geschichte der NS-Zeit, sondern als Würdigung eines 'Heimatmalers' und seiner Werke.
Jetzt wurden diese - übrigens durchwegs ziemlich scheusslichen - Bilder auf die sogenannten Repräsentationsräume aufgeteilt, womit sie eine noch größere Bedeutung erhalten haben, als Teil der (Selbst)Repräsentation der lokalen und gelegentlich auch regionalen politischen und kulturellen Eliten.
Und in diesen Räumen fand der Österreichische Museumstag statt.
Auch aus diesem Grund ist es zu begrüßen, wenn es Museen gibt, die wie das Grazer Stadtmuseum Geistesgegenwart zum Arbeitsprinzip machen wollen und können.
Fotos: GF
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