In einer seiner Geschichten läßt Bohumil Hrabal einen seiner Protagonisten endlos und kreuz und quer durch den schier unermesslichen Wald von Kersko wandern. Die bemitleidenswerte Ruhelosigkeit findet gegen Ende der Geschichte eine Erklärung. Er, erklärt der Wanderer dem Autor, habe es zu Hause nie ausgehalten, und zwar der Dinge wegen, die ihn immer unverzüglich aus dem Haus getrieben hätten.
Gut möglich, daß es sich um Dinge handelte, die Gustav Pazaurek sammelte, um in seinem Museum eine Schreckenskammer der Bösen Dinge einzurichten.
1909 eröffnete der Direktor des Stuttgarter Landesgewerbemuseums, Gustav E. Pazaurek, eine "Abteilung der Geschmacksverirrungen", der eine Theorie und Systematik zugrundelag, die er 1912 unter dem Titel "Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe" veröffentlichte. Dem pädagogischen Impetus auf die Spur setzt sich ein Museum, das als Werkbunbdarchiv immer schon einer pädagogischen Aufgabe verpflichtet war und das als Museum der Dinge über Jahre hinweg, in Ausstellungen und Publikationen, eine hohe und originelle Ding-Kompetenz erarbeitet hat.
Die - nur noch bis 11.1.2010 laufende - Ausstellung ist ein wunderbares Beispiel für die Arbeit des Museums. Sie knüpft an die Tradition des Werkbundes an (wie schon gesagt), recherchiert, historisiert und rekonstruiert - aber das nicht affirmativ, sondern als Rekurs, der neue Fragen und Themen aufzufinden hilft. Denn Pazaureks Schreckenskatalog der Hausgreuel und anderer Geschmacksgemeinheiten ist überholt, von der Entwicklung des Designs ebenso, wie vom veränderten Dinggebrauch und selbstverständlich aufgrund des gegenüber der Jahrhundertwende verschobenen sozialen und ästhetischen Kontextes.
Das Museum der Dinge erweitert die Kategorisierungen, ergänzt aus seiner Sammlung, generiert neue Fragen, regt zur Diskussion an - über Geschmack, Gestaltung, Gebrauch, Zweckmäßigkeit und Schönheit, individuelle wie kollektive Anmutungen an Dinge im Alltag. Pazaureks Ernst wird mit Ironie wohltuend etwas entschärft.
Überdies ermutigt das Museum seine Besucher, seine Community, selbst etwas beizusteuern, Dinge wie Thesen, Beobachtungen wie Geschichten, und das ergibt eine kleine Trabantenausstellung, die ihrerseits die Debatte revidiert, weiterführt, erweitert.
So einfach kann gute, inspirierende Museumsarbeit sein.
Museum der Dinge - Ausstellung Böse Dinge - Nina Gorgus zur Ausstellung Böse Dinge
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