In einer seiner Geschichten läßt Bohumil Hrabal einen seiner Protagonisten endlos und kreuz und quer durch den schier unermesslichen Wald von Kersko wandern. Die bemitleidenswerte Ruhelosigkeit findet gegen Ende der Geschichte eine Erklärung. Er, erklärt der Wanderer dem Autor, habe es zu Hause nie ausgehalten, und zwar der Dinge wegen, die ihn immer unverzüglich aus dem Haus getrieben hätten.
Gut möglich, daß es sich um Dinge handelte, die Gustav Pazaurek sammelte, um in seinem Museum eine Schreckenskammer der Bösen Dinge einzurichten.
1909 eröffnete der Direktor des Stuttgarter Landesgewerbemuseums, Gustav E. Pazaurek, eine "Abteilung der Geschmacksverirrungen", der eine Theorie und Systematik zugrundelag, die er 1912 unter dem Titel "Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe" veröffentlichte. Dem pädagogischen Impetus auf die Spur setzt sich ein Museum, das als Werkbunbdarchiv immer schon einer pädagogischen Aufgabe verpflichtet war und das als Museum der Dinge über Jahre hinweg, in Ausstellungen und Publikationen, eine hohe und originelle Ding-Kompetenz erarbeitet hat.
Die - nur noch bis 11.1.2010 laufende - Ausstellung ist ein wunderbares Beispiel für die Arbeit des Museums. Sie knüpft an die Tradition des Werkbundes an (wie schon gesagt), recherchiert, historisiert und rekonstruiert - aber das nicht affirmativ, sondern als Rekurs, der neue Fragen und Themen aufzufinden hilft. Denn Pazaureks Schreckenskatalog der Hausgreuel und anderer Geschmacksgemeinheiten ist überholt, von der Entwicklung des Designs ebenso, wie vom veränderten Dinggebrauch und selbstverständlich aufgrund des gegenüber der Jahrhundertwende verschobenen sozialen und ästhetischen Kontextes.
Das Museum der Dinge erweitert die Kategorisierungen, ergänzt aus seiner Sammlung, generiert neue Fragen, regt zur Diskussion an - über Geschmack, Gestaltung, Gebrauch, Zweckmäßigkeit und Schönheit, individuelle wie kollektive Anmutungen an Dinge im Alltag. Pazaureks Ernst wird mit Ironie wohltuend etwas entschärft.
Überdies ermutigt das Museum seine Besucher, seine Community, selbst etwas beizusteuern, Dinge wie Thesen, Beobachtungen wie Geschichten, und das ergibt eine kleine Trabantenausstellung, die ihrerseits die Debatte revidiert, weiterführt, erweitert.
So einfach kann gute, inspirierende Museumsarbeit sein.
Museum der Dinge - Ausstellung Böse Dinge - Nina Gorgus zur Ausstellung Böse Dinge
Dienstag, 29. Dezember 2009
Warum "Museologien"?
Sammlung und Museum waren und sind begleitet von Wissen, das sich nicht bloß auf Gegenstände, Objekte, Exponate, sondern auf das Sammeln und auf das Museum selbst bezieht: Das Sachwissen, das die Praxis anleitet, z.B. das Ordnen, Ausstellen, Konservieren, Kommunizieren und das Reflexionswissen, das z.B. die kulturelle Bedeutungen oder die sozialen Funktionen betrifft.
Für dieses Wissen setzt sich mehr denn je das Wort Museologie durch. Doch die Einzahl ist irreführend. Es gibt nach Methode, Erkenntnisinteresse, Gegenstandsbereich oder Anwendung viele ‚Museologien’.
Mit dem Boom des Museums und der Konjunktur des Museums als Gegenstand vieler Wissenschaftsdisziplinen hat sich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten eine kaum überschaubare Vielfalt der Fragestellungen, Debatten und Schwerpunkte entwickelt.
Mit der Entdeckung der Vielgestaltigkeit des Museums, seiner Hybridität - das Museum als Speicher, als Welt, als Symptom, als Schaustellung, als Wissensort, als Agentur der sozialen Distinktion, als Schule des Befremdens, als Gedächtnis, als.... - musste die Komplexität der Museumsdiskurse zwangsläfig zunehmen.
Das Museum ist zu einem Schlüsselphänomen der Moderne geworden und zum Gegenstand sehr vieler und sehr unterschiedlicher Befragungen, Interessen und Forschungen. Unter einem einzigen Dach ‚Museologie’ lässt sich all das nicht mehr unterbringen.
Mit diesem Blog möchte ich etwas von dieser mich faszinierenden Vielgestaltigkeit des "Museumswissens" spiegeln - und konsequenterweise ist er offen für Beiträge von 'Gästen', die möglicherweise eine weitere Museologie repräsentieren...
Für dieses Wissen setzt sich mehr denn je das Wort Museologie durch. Doch die Einzahl ist irreführend. Es gibt nach Methode, Erkenntnisinteresse, Gegenstandsbereich oder Anwendung viele ‚Museologien’.
Mit dem Boom des Museums und der Konjunktur des Museums als Gegenstand vieler Wissenschaftsdisziplinen hat sich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten eine kaum überschaubare Vielfalt der Fragestellungen, Debatten und Schwerpunkte entwickelt.
Mit der Entdeckung der Vielgestaltigkeit des Museums, seiner Hybridität - das Museum als Speicher, als Welt, als Symptom, als Schaustellung, als Wissensort, als Agentur der sozialen Distinktion, als Schule des Befremdens, als Gedächtnis, als.... - musste die Komplexität der Museumsdiskurse zwangsläfig zunehmen.
Das Museum ist zu einem Schlüsselphänomen der Moderne geworden und zum Gegenstand sehr vieler und sehr unterschiedlicher Befragungen, Interessen und Forschungen. Unter einem einzigen Dach ‚Museologie’ lässt sich all das nicht mehr unterbringen.
Mit diesem Blog möchte ich etwas von dieser mich faszinierenden Vielgestaltigkeit des "Museumswissens" spiegeln - und konsequenterweise ist er offen für Beiträge von 'Gästen', die möglicherweise eine weitere Museologie repräsentieren...
Museo della Civiltà Romana
Das Museo della Civiltà Romana gehört zum Kuriosesten, was ich unter Museen kenne. Das riesige Museum besteht fast ausschließlich aus Repliken, Modellen, Abgüssen und veranschaulicht mit ihrer Hilfe das, was in Museen eher selten zu sehen ist: die zivilisatorische Seite der geschichtlichen Entwicklung. Das Römische Reich war bekanntlich gerade in dieser Hinsicht sehr nachhaltig wirksam. Rechtssprechung, Straßenbau, Verwaltung uvam. bilden bis heute wirkende Grundlagen der europäischen Geschichte. Davon erzählt das Museum.
Wir finden in den weiten Sälen daher kaum etwas zur politischen Geschichte und wenig zu Kunst und Literatur – es sei denn, sie taugen als Zeugnisse für materielle Verhältnisse, Organisation des Handels und einschlägige Bauten, militärische Bauwerke, Häfen, Brücken, Straßen, Bäder, Aquädukte, Hausbau, Tempelbau, Medizin, Pharmazie und so weiter. Ein Highlight ist ein riesiges Modell des antiken Rom, das zwischen 1933 und 1937 hergestellt wurde.
Das Museum steht in einer langen Tradition der Instrumentalisierung des Römischen Reiches für jeweils aktuelle politische Zwecke: 1911 wurde eine archäologische Ausstellung in den Diocletians-Thermen veranstaltet. Der Anlaß war der 50. Jahrestag der Italienischen Einheit. 1929 wurde das aus unter anderem für diese Ausstellung hergestellten Modellen und Repliken geschaffene Museo dell'Impero Romano eröffnet, als ein Archiv und Studienzentrum der Römischen Welt. Daß sich der Italienische Faschismus der Geschichte des Römischen Reiches bemächtigte, ist nicht überraschend. Im zu diesem Zweck umgebauten, aus dem 19. Jahrhundert stammenden Palazzo delle Esposizioni wurde 1937 eine Augustus-Ausstellung, Mostra Augustea della romanità, ausgerichtet.
Für 1942, zur Feier von zwanzig Jahren Faschismus in Italien, sollte endlich ein permanentes Museum die diversen Sammlungen zusammenfassen. Die Errichtung eines Museumsbaues (Architekt: Pietro Aschieri) war im Komplex der Esposizione Universale di Roma (der von Mussolini geplanten Weltausstellung) vorgesehen, stockte wegen des Krieges und wurde nach 1945 mit finanzieller Unterstützung des FIAT-Konzerns fertig gebaut und eingerichtet. 1952 gab es eine Teileröffnung, das gesamte Museum war ab 1955 zugänglich.
Über den historischen, politischen und städtebaulichen Kontext schweigt sich das Museum weitgehend aus. Die heutige Benennung des auf den faschistischen Stadtplan zurückgehenden Bebauung, Quartiere XXXII. Europa, tilgt ebenfalls die Geschichte. Dabei ist das Umfeld, die modernen Nachkriegsbauten und die bis 1942 realisierten Bauten der EUR, interessant, allen voran der Bau, der dann die Zivilisationsgeschichte bis zum Faschismus zeigen sollte, der Palazzo della Civiltà Italiana.
Wir finden in den weiten Sälen daher kaum etwas zur politischen Geschichte und wenig zu Kunst und Literatur – es sei denn, sie taugen als Zeugnisse für materielle Verhältnisse, Organisation des Handels und einschlägige Bauten, militärische Bauwerke, Häfen, Brücken, Straßen, Bäder, Aquädukte, Hausbau, Tempelbau, Medizin, Pharmazie und so weiter. Ein Highlight ist ein riesiges Modell des antiken Rom, das zwischen 1933 und 1937 hergestellt wurde.
Das Museum steht in einer langen Tradition der Instrumentalisierung des Römischen Reiches für jeweils aktuelle politische Zwecke: 1911 wurde eine archäologische Ausstellung in den Diocletians-Thermen veranstaltet. Der Anlaß war der 50. Jahrestag der Italienischen Einheit. 1929 wurde das aus unter anderem für diese Ausstellung hergestellten Modellen und Repliken geschaffene Museo dell'Impero Romano eröffnet, als ein Archiv und Studienzentrum der Römischen Welt. Daß sich der Italienische Faschismus der Geschichte des Römischen Reiches bemächtigte, ist nicht überraschend. Im zu diesem Zweck umgebauten, aus dem 19. Jahrhundert stammenden Palazzo delle Esposizioni wurde 1937 eine Augustus-Ausstellung, Mostra Augustea della romanità, ausgerichtet.
Für 1942, zur Feier von zwanzig Jahren Faschismus in Italien, sollte endlich ein permanentes Museum die diversen Sammlungen zusammenfassen. Die Errichtung eines Museumsbaues (Architekt: Pietro Aschieri) war im Komplex der Esposizione Universale di Roma (der von Mussolini geplanten Weltausstellung) vorgesehen, stockte wegen des Krieges und wurde nach 1945 mit finanzieller Unterstützung des FIAT-Konzerns fertig gebaut und eingerichtet. 1952 gab es eine Teileröffnung, das gesamte Museum war ab 1955 zugänglich.
Über den historischen, politischen und städtebaulichen Kontext schweigt sich das Museum weitgehend aus. Die heutige Benennung des auf den faschistischen Stadtplan zurückgehenden Bebauung, Quartiere XXXII. Europa, tilgt ebenfalls die Geschichte. Dabei ist das Umfeld, die modernen Nachkriegsbauten und die bis 1942 realisierten Bauten der EUR, interessant, allen voran der Bau, der dann die Zivilisationsgeschichte bis zum Faschismus zeigen sollte, der Palazzo della Civiltà Italiana.
Freitag, 18. Dezember 2009
Zeitreise in die Frühgeschichte des Museums
Wer das John Soane Museum in London kennt – eines der exorbitantesten und merkwürdigsten Museen – wird verstehen, warum ich hier auf die vom selben Architekten geplante Dulwich Picture Gallery hinweise.
Die kleine Galerie besticht durch ihre Architektur und ihre kleine aber feine Sammlung von Gemälden des 17. Und 18. Jahrhunderts, u.a. von Rembrandt, Van Dyck, Murillo, Poussin, Watteau, Gainsborough, Rubens, Tiepolo oder Canaletto.
Ursprünglich als in ein größeres bauliches Ensemble eingebettet, entstand durch Aufgabe dieses Plans ein selbständiger Museumsbau, einer der ältesten überhaupt (1817 eröffnet). Der schlicht anmutende Ziegelbau birgt im Inneren ingeniös belichtete Galerieräume und – als eine Merkwürdigkeit, die es aber gelegentlich auch anderswo in Museen gibt – eine Grablege, ein ‚Mausoleum‘. Hier sind die Gründer des Museums, Francis Bourgeois sowie Noël und Margaret Desenfans bestattet.
Das Museum hat nicht nur eine interessante und bahnbrechende Architektur, die bis in die Gegenwart für Museumsarchitekten inspirierend war, es hat auch eine merkwürdige Geschichte. Noël Desenfans and Sir Francis Bourgeois wurden ursprünglich durch König Stanislaus Augustus von Polen mit der Konzeption für eine Königliche Polnische Galerie beauftragt. Durch die Teilung Polens fiel die Sammlung in die Hände der beiden Kunsthändler, die 1811 die Errichtung einer eigenen Galerie ‘for inspection of the public’ beschlossen.
Die kleine Galerie besticht durch ihre Architektur und ihre kleine aber feine Sammlung von Gemälden des 17. Und 18. Jahrhunderts, u.a. von Rembrandt, Van Dyck, Murillo, Poussin, Watteau, Gainsborough, Rubens, Tiepolo oder Canaletto.
Ursprünglich als in ein größeres bauliches Ensemble eingebettet, entstand durch Aufgabe dieses Plans ein selbständiger Museumsbau, einer der ältesten überhaupt (1817 eröffnet). Der schlicht anmutende Ziegelbau birgt im Inneren ingeniös belichtete Galerieräume und – als eine Merkwürdigkeit, die es aber gelegentlich auch anderswo in Museen gibt – eine Grablege, ein ‚Mausoleum‘. Hier sind die Gründer des Museums, Francis Bourgeois sowie Noël und Margaret Desenfans bestattet.
Das Museum hat nicht nur eine interessante und bahnbrechende Architektur, die bis in die Gegenwart für Museumsarchitekten inspirierend war, es hat auch eine merkwürdige Geschichte. Noël Desenfans and Sir Francis Bourgeois wurden ursprünglich durch König Stanislaus Augustus von Polen mit der Konzeption für eine Königliche Polnische Galerie beauftragt. Durch die Teilung Polens fiel die Sammlung in die Hände der beiden Kunsthändler, die 1811 die Errichtung einer eigenen Galerie ‘for inspection of the public’ beschlossen.
Museumskonsum für alle. Eine Zukunft des Museums
Für ihren (für mich vorbildlichen) Blog liest Nina Gorgus heute denselben Text in der Neuen Zürcher Zeitung, der mir heute Morgen auch aufgefallen ist. Ihr gefällt an dem Artikel die von Marktforschung und kostenlosem Zutritt unterstützte Offenheit des Konzepts des Victoria & Albert Museum, zum Beispiel die Öffnung für ganz bestimmte Besucherschichten, die mit maßgeschneiderten Angeboten angesprochen werden: Chinesische Besucher mit dem Event 'Chinesisches Neujahr', junge Leute mit Design-Ausstellungen über Pop-Stars wie Kylie Minogue.
Mir fällt auf, daß der Artikel von Marketing, Event und dem Bemühen spricht, mit der Konsumgesellschaft Schritt zu halten. Die Renovierung ganzer Galerien, architektonische Erweiterungen und Umbauten, die Erweiterung und Erneuerung all jener Bereiche, die dem Wohlgefühl der Besucher dienen - man will jung, chic und innovativ sein - wie Eingangsbereich, Café, Garten, Shop signalisieren Aufbruchstimmung.
Diese Schlagseite bei der Vorstellung des Museums mag ausschließlich dem Artikel geschuldet sein, somit auch das Fehlen fast jeden Hinweises darauf, was sich denn inhaltlich am Museum verändert hat. Daß es solche konzeptuelle Änderungen geben muß, darauf weist Nina Gorgus mit Hinweis auf die Webseite des Museums hin.
Die Überschrift des Berichts in der NZZ lautet Kultur für alle. Museumsmarketing am Beispiel des auf internationales Kunsthandwerk spezialisierten Victoria & Albert Museum in London. Das impliziert eine weitreichende Schlußfolgerungen. Nämlich, daß all die genannten, unter dem Begriff des Marketing fassbaren Maßnahmen ein kulturpolitisches Ziel haben: Die Beteiligung aller an Kultur, an Museumskultur.
Dem widerspricht selbst der Artikel schon. An der Zusammensetzung des Publikums - Mittelklassenpublikum mittleren Alters - hat sich wahrscheinlich nichts geändert, meint der Direktor des V & A.
Kultur für alle war ein politisches Schlagwort des sozialdemokratischen Aufbruchs der 70er-Jahre. In Österreich am Beginn der Kanzlerschaft von Bruno Kreisky fassbar an soziologischen Studien zum 'Kulturverhalten' der Österreicher, denen kaum praktische kulturpolitische Konsequenzen folgten.
In Deutschland am nachhaltigsten wirksam war derselbe Imperativ im Frankfurt des Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann, der 1979 einem Buch den Titel Kultur für alle gab. Dieser Kulturpolitik ist zum Beispiel das bedauerlich kurzlebige (und heute vom Museum selbst schamhaft verschwiegene) Experiment eines Museums zu verdanken, das sich inhaltlich, gestalterisch und didaktisch der Idee stellte, die Grenzen von Hochkultur und kleinbürgerlich-proletarischer Kultur aufzulösen. Ich spreche vom Historischen Museum, dessen Beispiel seither niemand mehr aufgegriffen hat.
Freilich war schon damals abzusehen, wie schnell diese Konjunktur der Kulturpolitik zwei nachhaltige Effekte hatte: Die Öffnung der Kultur für einen Markt, dessen einzige und fragwürdige Egalität in der Konsumierbarkeit der 'Kulturgüter' lag und - die Instrumentalisierung der Kultur für die Politik. (Vgl. auch den Post "Bildungsauftrag").
Unter diesen Bedingungen konfiguriert sich eine strukturelle Funktion von Museen neu: die der Weitergabe kultureller Werte. Wenn man Diskussionen und Maßnahmen einseitig nur auf die Kommunikation solcher Werte legt (wie es Museumsmarketing impliziert) und sich mit abstrakten Leerformeln begnügt (für alle...), dann bleibt die Frage nach den Werten und dem, was zu welchem Zweck vermittelt werden soll selbst ungestellt. Werte und Bedeutungen werden als museale wie gleichsam immerwährend und ewiggültig vorgestellt und es unterbleibt der Prozess der Prüfung, ob das 'Erbe' angenommen oder zurückgewiesen und kann und wie und zu welchem Zweck es bewahrt und ausgestellt werden soll.
Es bleibt in der Folge auch die Geltung der Werte innerhalb einer hegemonialen Kultur- und Museumspolitik vollkommen ausgeklammert. Also die Frage, wer in wessen Namen für wen und mit welchen Absichten eigentlich welche Werte propagiert und als herrschend deklariert. In westlichen Industriegesellschaften, in denen der stärkste gesellschaftliche Zusammenhalt durch den universal-egalitären Konsum garantiert wird, ist eine politisch wichtige Frage, wie zusätzlich stabilisierende kulturelle Werte und Normen aufrecht erhalten werden können. Die Erzeugung und Zirkulation von common objects war immer eine Aufgabe von Museen, aber eingebettet in ein demokratisch-zivilgesellschaftliches Verständnis vom Projekt Museum. Das heißt, daß diese 'Allen', die angesprochen werden sollen, dort eben nicht nur als Konsumenten verstanden wurden, sondern als Produzenten ihrer kulturellen Umwelt als Teil bürgerlicher Öffentlichkeit.
In der Orientierung an Marketing, Dienstleistungen und Kunden geht der im Kern demokratische, diskursive und partizipatorische Imperativ des Museums allmählich verloren und verschwindet auch aus dem museologischen Alltagsdiskurs.
Mit dem Artikel der NZZ traue ich mir keine so weitreichende Schlußfolgerung zu, daß das Neue an der 'Philosophie' des Londoner Museums, ausschließlich in der Entwicklung einer immer raffinierteren Vermarktung liegt. Der Slogan Kultur für alle läßt sich mit Sicherheit nicht auf die britische Museumssituation anwenden. Der Text spiegelt möglicherweise eine Haltung der medialen Wahrnehmung von Museen wieder, die sich leider an der Ökonomisierung der Kultur und ihrem speziellen wording mehr und mehr orientiert.
Aber an der Frage sollte man festhalten und daran das reale Victoria & Albert Museum messen (und andere, die solche Wege wie das Museum als Marke gehen auch). Etwa so: Warum sollen Museen mit der Konsumgesellschaft Schritt halten und was bedeutet das für den Wandel des Museums?
Mir fällt auf, daß der Artikel von Marketing, Event und dem Bemühen spricht, mit der Konsumgesellschaft Schritt zu halten. Die Renovierung ganzer Galerien, architektonische Erweiterungen und Umbauten, die Erweiterung und Erneuerung all jener Bereiche, die dem Wohlgefühl der Besucher dienen - man will jung, chic und innovativ sein - wie Eingangsbereich, Café, Garten, Shop signalisieren Aufbruchstimmung.
Diese Schlagseite bei der Vorstellung des Museums mag ausschließlich dem Artikel geschuldet sein, somit auch das Fehlen fast jeden Hinweises darauf, was sich denn inhaltlich am Museum verändert hat. Daß es solche konzeptuelle Änderungen geben muß, darauf weist Nina Gorgus mit Hinweis auf die Webseite des Museums hin.
Die Überschrift des Berichts in der NZZ lautet Kultur für alle. Museumsmarketing am Beispiel des auf internationales Kunsthandwerk spezialisierten Victoria & Albert Museum in London. Das impliziert eine weitreichende Schlußfolgerungen. Nämlich, daß all die genannten, unter dem Begriff des Marketing fassbaren Maßnahmen ein kulturpolitisches Ziel haben: Die Beteiligung aller an Kultur, an Museumskultur.
Dem widerspricht selbst der Artikel schon. An der Zusammensetzung des Publikums - Mittelklassenpublikum mittleren Alters - hat sich wahrscheinlich nichts geändert, meint der Direktor des V & A.
Kultur für alle war ein politisches Schlagwort des sozialdemokratischen Aufbruchs der 70er-Jahre. In Österreich am Beginn der Kanzlerschaft von Bruno Kreisky fassbar an soziologischen Studien zum 'Kulturverhalten' der Österreicher, denen kaum praktische kulturpolitische Konsequenzen folgten.
In Deutschland am nachhaltigsten wirksam war derselbe Imperativ im Frankfurt des Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann, der 1979 einem Buch den Titel Kultur für alle gab. Dieser Kulturpolitik ist zum Beispiel das bedauerlich kurzlebige (und heute vom Museum selbst schamhaft verschwiegene) Experiment eines Museums zu verdanken, das sich inhaltlich, gestalterisch und didaktisch der Idee stellte, die Grenzen von Hochkultur und kleinbürgerlich-proletarischer Kultur aufzulösen. Ich spreche vom Historischen Museum, dessen Beispiel seither niemand mehr aufgegriffen hat.
Freilich war schon damals abzusehen, wie schnell diese Konjunktur der Kulturpolitik zwei nachhaltige Effekte hatte: Die Öffnung der Kultur für einen Markt, dessen einzige und fragwürdige Egalität in der Konsumierbarkeit der 'Kulturgüter' lag und - die Instrumentalisierung der Kultur für die Politik. (Vgl. auch den Post "Bildungsauftrag").
Unter diesen Bedingungen konfiguriert sich eine strukturelle Funktion von Museen neu: die der Weitergabe kultureller Werte. Wenn man Diskussionen und Maßnahmen einseitig nur auf die Kommunikation solcher Werte legt (wie es Museumsmarketing impliziert) und sich mit abstrakten Leerformeln begnügt (für alle...), dann bleibt die Frage nach den Werten und dem, was zu welchem Zweck vermittelt werden soll selbst ungestellt. Werte und Bedeutungen werden als museale wie gleichsam immerwährend und ewiggültig vorgestellt und es unterbleibt der Prozess der Prüfung, ob das 'Erbe' angenommen oder zurückgewiesen und kann und wie und zu welchem Zweck es bewahrt und ausgestellt werden soll.
Es bleibt in der Folge auch die Geltung der Werte innerhalb einer hegemonialen Kultur- und Museumspolitik vollkommen ausgeklammert. Also die Frage, wer in wessen Namen für wen und mit welchen Absichten eigentlich welche Werte propagiert und als herrschend deklariert. In westlichen Industriegesellschaften, in denen der stärkste gesellschaftliche Zusammenhalt durch den universal-egalitären Konsum garantiert wird, ist eine politisch wichtige Frage, wie zusätzlich stabilisierende kulturelle Werte und Normen aufrecht erhalten werden können. Die Erzeugung und Zirkulation von common objects war immer eine Aufgabe von Museen, aber eingebettet in ein demokratisch-zivilgesellschaftliches Verständnis vom Projekt Museum. Das heißt, daß diese 'Allen', die angesprochen werden sollen, dort eben nicht nur als Konsumenten verstanden wurden, sondern als Produzenten ihrer kulturellen Umwelt als Teil bürgerlicher Öffentlichkeit.
In der Orientierung an Marketing, Dienstleistungen und Kunden geht der im Kern demokratische, diskursive und partizipatorische Imperativ des Museums allmählich verloren und verschwindet auch aus dem museologischen Alltagsdiskurs.
Mit dem Artikel der NZZ traue ich mir keine so weitreichende Schlußfolgerung zu, daß das Neue an der 'Philosophie' des Londoner Museums, ausschließlich in der Entwicklung einer immer raffinierteren Vermarktung liegt. Der Slogan Kultur für alle läßt sich mit Sicherheit nicht auf die britische Museumssituation anwenden. Der Text spiegelt möglicherweise eine Haltung der medialen Wahrnehmung von Museen wieder, die sich leider an der Ökonomisierung der Kultur und ihrem speziellen wording mehr und mehr orientiert.
Aber an der Frage sollte man festhalten und daran das reale Victoria & Albert Museum messen (und andere, die solche Wege wie das Museum als Marke gehen auch). Etwa so: Warum sollen Museen mit der Konsumgesellschaft Schritt halten und was bedeutet das für den Wandel des Museums?
Donnerstag, 17. Dezember 2009
Samstag, 12. Dezember 2009
Ein Tollhaus als Museum
Das Nationaal Museum van de Psychiatrie in Haarlem ist in einem Gebäudekomplex untergebracht, der 1320 nach und nach entstanden ist, und Lepra- und Pestranke sowie ‚Geisteskranke’ aufnahm. Das erst 2005 eröffnete Museum, das kurz Het Dolhuys genannt wird, besticht durch sein Konzept und seine Gestaltung.
Der labyrinthische Gebäudekomplex wurde, ohne große bauliche Eingriffe, geschickt genutzt, um die unterschiedlichen Aspekte von ‚Geisteskrankheit’ zu thematisieren. Ihre Geschichte, ihre Wissenschaft, die Formen der Therapie. Im Zentrum steht die Frage der gesellschaftlichen Definition des ‚Abweichenden’, mithin der – sich permanent wandelnden – Grenzziehung zwischen Normalität und Wahn.
Den Auftakt bildet deshalb eine einfache aber sehr wirkungsvolle Installation, die den Besucher buchstäblich in den (niederländischen) Statistiken diverser Krankheitsbilder spiegelt, und animiert, sich zu fragen, wer denn überhaupt ausgenommen werden kann aus den Zuschreibungen einer (Geistes)krankheit und damit, wo ich mich situiere.
Eine von fünf Personen in den Niederlanden hat ein psychisches Problem. Damit sind wir übrigens nicht verrückter als der Rest der Welt. Fast alle kennen wohl eine Person, die an Depressionen, Burn-out oder Alzheimer leidet, heißt es auf der Webseite des Museums.
Der Kunstgriff des ersten Museumsraumes ist, den Besucher des Museums als fragendes und mit schwankender, unsicherer Identität ausgestattetes Subjekt auf den Museumsrundgang zu schicken. So wird er in den gleich folgenden Räumen, wo ihm aus altem Mobiliar Stimmen von Betroffenen entgegentönen, nicht unbedingt zu einem Voyeur, sondern zu einem sich selbst befragenden Gegenüber. Das gilt auch für den gestalterisch auffallendsten Raum, in dem Figurinen versammelt sind, deren Köpfe durch bestimmte Leiden symbolisierende Objekte ersetzt ist. So wird auf zugleich witzige, anschauliche aber auch Empathie ermöglichende Weise über Formen der Depersonalisierung erzählt.
Die Gestaltung durch shooting stars des niederländischen Ausstellungsdesigns Kossmann-deJong ist ausgesprochen erfrischend, klug mit den Fragestellungen und Themen kooperierend und im Detail sehr originell: Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die reichliche Verwendung alten Mobiliars und die hybriden Kreuzungen unterschiedlichster Sessel, Tische und Lampen, sowie Bricollagen aus antiquierten Möbeln, in die moderenste Technik gepackt wurde. Noch nie habe ich eine so annehmbare und amüsante Verpackung für die leidigen Computer-Monitore gesehen.
Das Museum ist modellhaft in der unangestrengten Verknüpfung von Information und Unterhaltung, Wissenschaft und Visualisierung.
Donnerstag, 10. Dezember 2009
Die Eingeborenen der Bildungselite werden immer weniger
In den Museumsdiskussionen der deutschsprachigen Länder ist ein Thema nahezu verschwunden, das in den 70er-Jahren – recht kurz – theoretisch wie praktisch präsent war: Die sozialen Barrieren des Museums und damit die Frage nach der Hegemonie einer Elitenkultur. Eine französische Untersuchung bringt dazu einige interessante Einsichten, auch für das Museum. Der Soziologe Olivier Donnat hat im Auftrag des französischen Kulturministeriums eine Studie erstellt, die in einem Satz zusammengefasst ergeben hat: Die Bürger interessieren sich immer weniger für Kultur. Daß bildungsbürgerliche Aktivitäten langsam im Schwinden begriffen sind, ist nicht neu, und auch nicht, wenn ich an in Österreich oder Deutschland schon vor Jahrzehnten gemachte Studien denke, daß große Teile der Bevölkerung vom kulturellen Leben und daher auch von der Arbeit der Museen abgeschnitten sind.
Neu in der französischen Studie ist, daß an Kultur Interessierte immer stärker aus einer einzigen und relativ homogenen Gruppe kommen, den gebildeten, gut verdienenden Großstädtern. Auch das scheint nicht ganz so neu, wenn man sich an Pierre Bourdieus Analyse der Rekrutierungsmechanismen der Eingeborenen der Bildungselite erinnert. Neu dagegen ist, daß sich abzeichnet, wie die sozialen Auseinandersetzungen unter diesen Voraussetzungen auch zu einem Kulturkampf werden könnte.
Sascha Lehnartz, der in DIE WELT über die Studie berichtet, nennt Le Pen, die Affäre um die Verhaftung Roman Polanskis und Sarah Palins Wahlkampf als Beispiele der Mobilisierung kultureller Ressentiments. Neu ist auch der klare Befund, daß die Kluft zwischen den sozialen Gruppen immer größer wird. Die Bildungsferne großer Schichten wird immer größer.
Das gilt auch für Museen, die – so die Studie – in Frankreich nahezu zum Monopol der Wohlhabenden geworden sind. Die Besucherzahl großer Kunstmuseen wächst zwar, aber zuungunsten kleinerer Museen und Museen außerhalb von Paris.
Die grundlegendste Schlussfolgerung, Lehnartz zieht ist: Kultur als Medium zur demokratischen Teilhabe für alle (scheint) immer weniger zu funktionieren.
Sascha Lehnartz: Niedergang einer Kulturnation, in: DIE WELT ONLINE, 20. Oktober 2009
Olivier Donnat, Les Pratiques culturelles des Français à l'ère numérique, ed. La Découverte, 284p, 20 Euro
Pierre Bourdieu: Zur Soziologie der symbolischen Formen. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1974 (franz. 1970)
Neu in der französischen Studie ist, daß an Kultur Interessierte immer stärker aus einer einzigen und relativ homogenen Gruppe kommen, den gebildeten, gut verdienenden Großstädtern. Auch das scheint nicht ganz so neu, wenn man sich an Pierre Bourdieus Analyse der Rekrutierungsmechanismen der Eingeborenen der Bildungselite erinnert. Neu dagegen ist, daß sich abzeichnet, wie die sozialen Auseinandersetzungen unter diesen Voraussetzungen auch zu einem Kulturkampf werden könnte.
Sascha Lehnartz, der in DIE WELT über die Studie berichtet, nennt Le Pen, die Affäre um die Verhaftung Roman Polanskis und Sarah Palins Wahlkampf als Beispiele der Mobilisierung kultureller Ressentiments. Neu ist auch der klare Befund, daß die Kluft zwischen den sozialen Gruppen immer größer wird. Die Bildungsferne großer Schichten wird immer größer.
Das gilt auch für Museen, die – so die Studie – in Frankreich nahezu zum Monopol der Wohlhabenden geworden sind. Die Besucherzahl großer Kunstmuseen wächst zwar, aber zuungunsten kleinerer Museen und Museen außerhalb von Paris.
Die grundlegendste Schlussfolgerung, Lehnartz zieht ist: Kultur als Medium zur demokratischen Teilhabe für alle (scheint) immer weniger zu funktionieren.
Sascha Lehnartz: Niedergang einer Kulturnation, in: DIE WELT ONLINE, 20. Oktober 2009
Olivier Donnat, Les Pratiques culturelles des Français à l'ère numérique, ed. La Découverte, 284p, 20 Euro
Pierre Bourdieu: Zur Soziologie der symbolischen Formen. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1974 (franz. 1970)
Dienstag, 8. Dezember 2009
Wann ist Museum? - Das Felder-Museum in Schoppernau
Die über den Begriff Museum wachende Grenzpolizei würde dieses Museum sicher nicht durchgehen lassen. So wenig ‚Museum’ war nie. Ein einziger schmaler Raum, einige wenige unspektakuläre Objekte und zu einer einzigen Flachwaren-Wand zusammengefasste Texte und Illustrationen.
Das soll ein Museum sein? Dieses Felder-Museum in Schoppernau?
Franz Michael Felder war ein sozial und politisch äußerst engagierter Schriftsteller, der Zeit seines kurzen Lebens (er starb mit 29) von Konservativen und Klerikalen massiv angegriffen wurde. Sein Kampf gegen die destruktiven und existenzbedrohenden Tendenzen der Industrialisierung und wirtschaftlichen Konzentration wird bis heute durch einen Verein und ein Archiv (innerhalb des Vorarlberger Landesarchivs) in Erinnerung gehalten.
Die Qualität des kleinen Museums im Geburtsort Felders, Schoppernau (Bregenzerwald; Vorarlberg), liegt in der exzellenten Information.
Ja sicher, das widerspricht allen Regeln: im Stehen muß man an einer meterlangen Wand entlang lesen und lesen... Aber der Text ist vorzüglich und bahnt einem rasch und präzise eine Vorstellung von Biografie, Politik, Lebensweisen und verknüpft das Regionale mit den großen sozialpolitischen Fragen des 19.Jahrhunderts. Das Lesevergnügen und die Informativität werden von einer selten so durchdachten grafischen Gestaltung unterstützt. Die Gliederung der Texte, die Wahl der Schrifttypen, der Umgang mit den illustrativen Bildrepliken läßt einen vergessen, daß man grade dabei ist, sich entlang einer ‚Textwüste’ entlangzuarbeiten, also sich in einem eigentlich ‚unmöglichen’ Museum befindet.
Und dann: das Museum liegt im oberen Stockwerk eines für den Bregenzerwald typischen gleichermaßen traditionsbewußten wie modernen, unprätentiösen Baues mit gemischter Funktion. Zu einer Art Ortszentrum wird das Haus auch durch die kleine kommunale Bibliothek, die ohne jede Barriere an das Museum anschließt.
Als ich das Felder-Museum besuchte, herrschte in der Bibliothek reges Treiben, spielende Kinder und stöbernde Erwachsene kontaminierten den Einraum des Museums mit einer Lebendigkeit, die man viel ‚richtigeren’ Museen oft wünschen würde.
Ja, was ist ein Museum, und wann ist Museum?
Sigmundskron - Ein Museum als Bergwanderung
Nach der Beendigung seiner Karriere als Extrembergsteiger hat sich Reinhold Messner dem Museumsgründen zugewendet. Fünf Museen dürften es derzeit sein, die er gegründet hat, aber er hat noch weitere Pläne.
Das Land Südtirol unterstützt ihn, denn anders wäre es nicht denkbar, daß er das Schloß Sigmundskron (im Süden von Bozen gelegen, nahe der Ortschaft Firmian) – ein besonderer Gedächtnisort Südtirols - in (s)ein Museum umwandeln durfte.
Um es gleich zu sagen: das Museum ist nicht wegen der Sammlung (der privaten Messners) interessant. Dazu ist die Sammlung zu heterogen und zu wenig spektakulär. Und es ist auch nicht wegen des Austellungskonzepts sehenswert. Im Gegenteil. So etwas wie ein Narrativ, eine erkennbare Strukturierung gibt es kaum. Alles kreist um das Bergsteigen, vor allem – Messners Verständnis gemäß -, als spirituelle Grenzerfahrung.
So kommt es zu verblüffenden Nachbarschaften von Gerätschaften und religiösen Fetischen, von modernen Gemälden und Berg-Dioramen, kleinen verrätselten Interventionen und auftrumpfender Selbstdarstellung.
Unterfüttert ist das Ganze mit massenhaft ausgestreuten Zitaten, Merksätzen, Philosophischen Brosamen, die, beliebig platziert im oft unsäglich banal vergeblich Autorität durch die Nennung der Autoren erheischen.
An dieser Sammlung flaniert man mit einer Mischung aus Verwunderung, Befremden, Unverständnis und – manchmal - Neugier vorbei.
Dafür würde sich ein weiter Weg nicht lohnen.
Das Aufsehenerregende ist die Burg selbst, ihre Lage, die einen spektakulären 360-Grad Rundblick erlaubt und vor allem die die Ruine überbauende und sie durchziehende Architektur des Architekten Werner Tscholl.
Die Abstraktheit der Baukörper und das Material – rostiger Stahl – bilden einen scharfen Kontrast zur Ruine. Moderne Treppen, Stege, Plattformen, Gehäuse bilden zusammen mit der alten Architektur einen beinahe geschlossenen Rundgang an. Und dieser ist nichts weniger als eine veritable Bergwanderung, mit ausgesucht schwindelerregnden Tiefblicken, ausgesetzten Wegstellen, überraschenden Durch- und Fernblicken und einem beachtlichen Höhenunterschied, den man zu bewältigen hat, wenn man jedem möglichen Weg folgt. Wer sich in den Genuss des Gehens und den der Sammlung vertieft, der kann schon zwei, drei Stunden wandernd unterwegs sein. Der Genuß dabei liegt im durchqueren höchst unterschiedlicher Räume, Binnenräume des Burgmuseums und Außenräume, die sich immer neuen Blicklenkungen fügen, in raffiniert inszenierten Rahmungen, Durchblicken und kulissenhafter Verschränkung von Innen und Außen.
Ein Museum als Bergwanderung.
Das Land Südtirol unterstützt ihn, denn anders wäre es nicht denkbar, daß er das Schloß Sigmundskron (im Süden von Bozen gelegen, nahe der Ortschaft Firmian) – ein besonderer Gedächtnisort Südtirols - in (s)ein Museum umwandeln durfte.
Um es gleich zu sagen: das Museum ist nicht wegen der Sammlung (der privaten Messners) interessant. Dazu ist die Sammlung zu heterogen und zu wenig spektakulär. Und es ist auch nicht wegen des Austellungskonzepts sehenswert. Im Gegenteil. So etwas wie ein Narrativ, eine erkennbare Strukturierung gibt es kaum. Alles kreist um das Bergsteigen, vor allem – Messners Verständnis gemäß -, als spirituelle Grenzerfahrung.
So kommt es zu verblüffenden Nachbarschaften von Gerätschaften und religiösen Fetischen, von modernen Gemälden und Berg-Dioramen, kleinen verrätselten Interventionen und auftrumpfender Selbstdarstellung.
Unterfüttert ist das Ganze mit massenhaft ausgestreuten Zitaten, Merksätzen, Philosophischen Brosamen, die, beliebig platziert im oft unsäglich banal vergeblich Autorität durch die Nennung der Autoren erheischen.
An dieser Sammlung flaniert man mit einer Mischung aus Verwunderung, Befremden, Unverständnis und – manchmal - Neugier vorbei.
Dafür würde sich ein weiter Weg nicht lohnen.
Das Aufsehenerregende ist die Burg selbst, ihre Lage, die einen spektakulären 360-Grad Rundblick erlaubt und vor allem die die Ruine überbauende und sie durchziehende Architektur des Architekten Werner Tscholl.
Die Abstraktheit der Baukörper und das Material – rostiger Stahl – bilden einen scharfen Kontrast zur Ruine. Moderne Treppen, Stege, Plattformen, Gehäuse bilden zusammen mit der alten Architektur einen beinahe geschlossenen Rundgang an. Und dieser ist nichts weniger als eine veritable Bergwanderung, mit ausgesucht schwindelerregnden Tiefblicken, ausgesetzten Wegstellen, überraschenden Durch- und Fernblicken und einem beachtlichen Höhenunterschied, den man zu bewältigen hat, wenn man jedem möglichen Weg folgt. Wer sich in den Genuss des Gehens und den der Sammlung vertieft, der kann schon zwei, drei Stunden wandernd unterwegs sein. Der Genuß dabei liegt im durchqueren höchst unterschiedlicher Räume, Binnenräume des Burgmuseums und Außenräume, die sich immer neuen Blicklenkungen fügen, in raffiniert inszenierten Rahmungen, Durchblicken und kulissenhafter Verschränkung von Innen und Außen.
Ein Museum als Bergwanderung.
Jüdisches Museum der Stadt Wien - Ein Opfer populistischer Kulturpolitik?
Das Jüdische Museum hat eine neue Leitung. Beworben haben sich unter anderem Hanno Loewy (Korrektur vom 1.3.2011: Wie ich erst jetzt erfahre, bin ich einer "Zeitungsente" aufgesessen. Hanno Loewy hatte sich damals n i c h t beworben. Es tut mir leid, daß man der Berichterstattung der österreichischen Tagespresse so wenig trauen kann.) und Bernhard Purin, beide als Wissenschafter und Museumsleiter hervorragend qualifiziert.
Die Stadt Wien hat sich für eine Nachrichtensprecherin des ORF Fernsehens entschieden. Aus den Zeitungsberichten war nichts über eine Qualifikation für den Job einer Museumsdirektion herauszulesen. Keine Managementerfahrung, keine mit dem Ausstellen, keine einschlägige wissenschaftliche Qualifikation.
Worum es geht, wurde in den ersten Äußerungen auf der Pressekonferenz klar, in der Frau Spera vorgestellt wurde. Es geht um Popularisierung, um mediale Präsenz, um bessere 'Quoten'. Das Museum hat etwa 80.000 Besucher im Jahr und das scheint den Kommunalpolitikern zu wenig zu sein.
Das Museum hat eine der innovativsten Dauerausstellungen, die ich kenne. Es gab hier zahlreiche Ausstellungen, die nicht nur durch die Themenwahl interessant waren, sondern durch ihre Reflexivität. Was theoretisch unter diesem Schlagwort so oft gefordert wird, daß Museen sich der Bedingungen ihrer komplexen Arbeit bewußt werden sollen, ihrer 'Hybridität', um damit praktisch neue Repräsentationsformen zu entwickeln, das galt für viele der Ausstellungen des Jüdischen Museums.
Also warum mißt man Museen immer und immer wieder nur an der Zahl der Besucher und nicht an der - in diesem Fall - überragenden Qualität? Warum kann man nicht ertragen, daß es ein paar Museen gibt, es sind ohnehin so wenige, die intelligente, nachhaltige und innovative Arbeit machen? Warum respektiert man nicht die über viele Jahre hin bewährte kuratorische Professionalität und Erfahrung?
fotos: gottfried fliedl
Die Stadt Wien hat sich für eine Nachrichtensprecherin des ORF Fernsehens entschieden. Aus den Zeitungsberichten war nichts über eine Qualifikation für den Job einer Museumsdirektion herauszulesen. Keine Managementerfahrung, keine mit dem Ausstellen, keine einschlägige wissenschaftliche Qualifikation.
Worum es geht, wurde in den ersten Äußerungen auf der Pressekonferenz klar, in der Frau Spera vorgestellt wurde. Es geht um Popularisierung, um mediale Präsenz, um bessere 'Quoten'. Das Museum hat etwa 80.000 Besucher im Jahr und das scheint den Kommunalpolitikern zu wenig zu sein.
Das Museum hat eine der innovativsten Dauerausstellungen, die ich kenne. Es gab hier zahlreiche Ausstellungen, die nicht nur durch die Themenwahl interessant waren, sondern durch ihre Reflexivität. Was theoretisch unter diesem Schlagwort so oft gefordert wird, daß Museen sich der Bedingungen ihrer komplexen Arbeit bewußt werden sollen, ihrer 'Hybridität', um damit praktisch neue Repräsentationsformen zu entwickeln, das galt für viele der Ausstellungen des Jüdischen Museums.
Also warum mißt man Museen immer und immer wieder nur an der Zahl der Besucher und nicht an der - in diesem Fall - überragenden Qualität? Warum kann man nicht ertragen, daß es ein paar Museen gibt, es sind ohnehin so wenige, die intelligente, nachhaltige und innovative Arbeit machen? Warum respektiert man nicht die über viele Jahre hin bewährte kuratorische Professionalität und Erfahrung?
fotos: gottfried fliedl
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