Was?
Am Freitag den 17.1. wurde in einer in Salzburg abgehaltenen Pressekonferenz mitgeteilt, daß die Sammlung der Generali Foundation, eines großen Versicherungskonzerns, von Wien ins Salzburger Museum der Moderne übersiedelt. Die Pressekonferenz wurde von den Initiatoren dieses Transfers abgehalten: den Vertretern des Versicherungskonzerns, der Direktorin des Museums der Moderne, Sabine Breitwieser, die 1988 die Institution der Generali Fundation in deren Auftrag gegründet und eröffnet hatte, dann kurzzeitig am Museum of Modern Art New York als Kuratorin tätig war und 2013 zur Leiterin des Salzburger Museums bestellt worden war, sowie Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) und Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne).
Die Vereinbarung sieht eine Dauerleihgabe von 2100 Werken von 250 Künstlern an das Salzburger Museum der Moderne auf 25 Jahre vor, aus der eine immer wieder modifizierte Dauerausstellung gebildet werden soll, die Bereitstellung von Personal, die Übersiedlung auch des dazu gehörigen Archivs und der Bibliothek sowie ein Ankaufsbudget, in nicht genannter Höhe, "um die Sammlung auch in den kommenden Jahren weiterzuentwickeln." (Die Presse 17.01) Sabine Breitwieser, Gründungsdirektorin der Generali Foundation und bis 2007 für die Sammlung zuständig, leitet seit September 2013 das Museum der Moderne. " Sabine Breitwieser "bringt die einst von ihr gegründete und Wiener Generali Foundation in ihren Einflussbereich zurück. (...) Breitwieser stellte in Abrede, dass sie den Deal schon eingefädelt hatte, als sie 2012 ihren Top-Job als Chefkuratorin im New Yorker Museum of Modern Art zugunsten des Direktorsposten in Salzburg aufgab. Für die gebürtige Welserin ist die Fusion gewiss ein Glücksfall." ("Breitwieser holt Generali-Foundation nach Salzburg" in: Kurier, 17.01)
Warum?
„In Wien", sagte Peter Thirring, Vorsitzender des Vorstands der Generali Holding Vienna AG, "war es gut, aber an diesem prominenten Standort am Mönchsberg spielen wir in einer anderen Liga“. (Die Presse 17.01) Dr. Dietrich Karner, Präsident der Generali Foundation und Vorsitzender des Aufsichtsrates der
Generali Holding Vienna AG und der Generali Versicherung AG sagte: "Wir werden uns weiterhin um diese Sammlung bemühen (...) Die Sammlung war für unser Unternehmen immer ein bedeutender Imageträger. Aber in Wien sind wir an Grenzen gestoßen. In Salzburg wissen wir sie in guten Hände, da gibt es viel mehr Platz, große Teile der Sammlung der Öffentlichkeit häufiger zugänglich zu machen." (Die Presse 17.01) Und derselbe in einer Aussendung der Austria Presseagentur: "Diese Partnerschaft ist auch Garant dafür, dass sowohl die Kunstsponsoring-Aktivitäten der Generali Gruppe Österreich als auch die Vermittlung der internationalen Sammlung der Generali Foundation langfristig sichergestellt sind. Ich freue mich sehr, dass die Generali Foundation mit dem Museum der Moderne Salzburg einen so kompetenten Partner unter der visionären Leitung von Dr. Sabine Breitwieser gefunden hat."
Die Museumsdirektorin Sabine Breitwieser: „Wir können mit einem Schlag Defizite der internationalen Kunst der 1960er-Jahre bis zur Gegenwart ausgleichen.“ (Die Presse 17.01) Und dieselbe: "Man müsse Museumsdirektoren wie Chris Dercon, dem Direktor der Londoner Tate Modern, einen Grund geben, nach Salzburg zu kommen." (Der Standrad, 17.01.)
Der Landeshauptmann von Salzburg, Wilfried Haslauer begründet den Nutzen, den das Land von der Vereinbarung habe so: Kunstwerke der Generali-Sammlung seien bei internationalen Leihgebern sehr gefragt: „Das bedeutet, dass wir im Gegenzug auch häufig Kunstwerke nach Salzburg holen könne, die wir ohne die Generali-Sammlung nur selten bekommen würden.“ (Die Presse 17.01) Sowie: "Mit der wegweisenden wie stringenten Sammlung Generali Foundation
am Museum der Moderne Salzburg wird das Land Salzburg ein noch stärkerer Anziehungspunkt für Kunstfreunde aus aller Welt". (Aussendung der Austria Presseagentur 17.1.)
Dr. Heinrich Schellhorn, Landesrat für Kultur in Salzburg (Die Grünen): "Die hochkarätige und international anerkannte Sammlung Generali Foundation erweitert das Potenzial des Museum der Moderne Salzburg um ein Vielfaches und bringt inhaltlich und qualitativ Neues. Das wird dem Museum, den Besucher_innen und allen Interessierten zugutekommen. Das Museum kann damit auch seinen Vermittlungs- und Bildungsauftrag verstärkt wahrnehmen. Als Landesrat für Kultur freue ich mich riesig über die Aufwertung des Museum der Moderne und bedanke mich bei der Generali Foundation und allen, die dies möglich gemacht haben." (Austria Presseagentur 17.1.)
Die Tageszeitung Die Presse vom Tag der Bekanntmachung der Vereinbarung nennt noch weitere Bewertungen, wie sie in der Pressekonferenz geäußert wurden: "Strategische Weichenstellung für Salzburg", "Meilenstein", "Aufwertung des Kulturlandes Salzburg", "Liebesheirat."
Ein Problem wird mit der Übersiedlung für das Land Salzburg größer. Das Museum der Moderne hat keine Depoträume. Andere Salzburger Museen benötigen ebenfalls dringend Depotflächen. Nun sei mit der Übersiedlung der Bedarf auf das etwa dreifache gestiegen. Deswegen habe man (Wilfried Haslauer) den schon vorbereiteten Plan Einers Depots auf dem Mönchsberg aufgegeben. Man suche eine verkehrsgünstige Immobilie auf der grünen Wiese und nennt Ende 2015 als Ziel des Einzugs der Sammlungen in das Depot. (Die Presse 17.01)
Wie?
Die Generali Foundation hat vor, ihr Haus im vierten Bezirk in Wien noch bis Ende 2015 bespielen. Keine Pläne hat sie, was mit den Räumen in Wien nach der Übersiedlung geschehen soll. Sowohl einige der Medien (nicht alle) und vor allem viele Postings in den diversen Zeitungen nennen den Umgang mit der Leiterin und dem Team der Generali Fundation irritierend und unverständlich, auch schädigend für den Ruf des Generali-Konzerns: "Auf APA-Nachfrage am Wiener Standort zeigte man sich zunächst überrascht und war seither für keinen Kommentar erreichbar." (Die Presse 17.01). Offenbar wurde die Leiterin der Generali Foundation, Sabine Folie, von der Auflösung der von ihr geleiteten Institution zugunsten einer Partnerschaft mit dem Museum der Moderne in Salzburg vom Generali-Vorstand vor der Pressekonferenz nicht informiert. „Das Haus und seine Mitarbeiter inklusive der Direktorin“ seien vor der Salzburger Pressekonferenz „nicht in Kenntnis gesetzt worden“, hieß es am Freitagnachmittag via ORFNews und Presseaussendung. Zu der "für 2015 angesetzten Umsiedlung der Sammlung der Generali Foundation sowie der Bibliotheks- und Archivbestände in das Museum der Moderne, kann die Generali Foundation keine Stellungnahme abgeben, da das Haus und seine Mitarbeiter_innen inklusive der Direktorin, Dr. Sabine Folie, bis heute zum Zeitpunkt der Pressekonferenz in Salzburg nicht über die Entscheidungen des Vorstandes in Kenntnis gesetzt worden sind." APA Aussendung, 17.1. Der Generali-Konzern hat für Montag, den 20.1. eine Information dazu angekündigt. Die Zukunft von Sabine Folie, der derzeitigen Direktorin, wird vom Präsidenten der Foundation als "noch unklar" bezeichnet. „Wir sind dafür bekannt, dass wir mit unseren Mitarbeitern sehr wertschätzend umgehen.“
Pressestimmen
"Gottfried Bechtold, der seine Werke in der Generali Foundation immer gut aufgehoben sah, hat absolut nichts gegen den Ortswechsel. Er traut aber vor allem der neuen MdM-Leiterin viel zu. Wer das Ringen um die Errichtung des Baus verfolgt und immer wieder einmal die attraktiven Ausstellungsräumlichkeiten besucht hat, der kann sich über eine Belebung der Kunsthallenlandschaft nur freuen. Mit dem Kunsthaus Bregenz, dem erwähnten MdM in Salzburg und dem Lentos in Linz wurden Fixpunkte geschaffen. Jetzt sollte nur noch das tolle Kunsthaus Graz etwas deutlicher hervortreten." Christa Dietrich, Vorarlberger Nachrichten, 18.01
"In Salzburg kann die Sammlung der Generali Foundation – für sich und die Stadt als Kunststandort - zum heutigen Zeitpunkt noch wesentlich mehr erreichen. Sie kann einen „luftleeren Raum“ (Sabine Breitwieser, Direktorin MdM) im Museum der Moderne füllen und die Standortvorteile eines bekannten Landesmuseums für sich nutzen. Schließlich sollte das finanzielle Engagement des Generali Konzerns von Anfang an auch der Imagepflege dienen." Ann Katrin Feßler unter dem Titel "Generalis schlauer Umzug" in: Der Standard, 17.1.
"Ein Deal, den man durchaus als Coup bezeichnen kann." Ann Katrin Fessler, Stefanie Ruep, "Kunstsammlung verlässt Wien", in: der Standard 17.01.
"Es ist ein bisschen so, als hätte im nach dem Finanzskandal von Budgetnöten geplagten Salzburg jemand ein Füllhorn ausgeschüttet: Die Generali Foundation überträgt ihre international beachtete Sammlung als Dauerleihgabe an das Salzburger Museum der Moderne". Claudia Lagler, Die Presse 17.01.
Kommentar
Ein Museum ist dann öffentlich, wenn es von der öffentlichen Hand (Staat, Land, Stadtgemeinde) erhalten und verwaltet wird, in einem gesellschaftlichen Interesse an egalitärem Zugang zu Bildung und an einem sozialen und zivilisierenden Raum, an dem die permanente Auseinandersetzung mit den Grundlagen und Grundfragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und Zusammenhalts stattfinden kann. Dazu ist die Öffentlichkeit des Museums zusätzlich noch bestimmt, nämlich als liberale - bürgerlich traut man sich angesichts dieses Vorganges (und anderer in manchem vergleichbarer) gar nicht zu sagen -, also allgemein zugängliche Sphäre des Diskurses, der Argumentation, der Willens- und Erfahrungsbildung. Materiell ist dazu die staatliche Finanzierung und das allgemeine Eigentum an den Sammlungen zwingend. Jede Partikularisierung, d.h. jede Privatheit steht im strikten Widerspruch zu den Aufgaben und zur Struktur des öffentlichen Museums.
Auch wenn man die Einzelheiten des Vertrages nicht beurteilen kann, der ja nicht oder noch nicht veröffentlicht wurde, so lassen einzelne deklarierte Vereinbarungen und die Sprachregelung der Initiatoren keinen Zweifel daran (auch wenn sie das selbst vielleicht nicht so sehen oder nicht sehen wollen), daß es sich um die Privatisierung eines öffentlichen Museums handelt. Nicht de jure, aber de facto.
Die Wendung des Vorstandes "wir spielen in Salzburg in der ersten Liga" drückt, wahrscheinlich unbeabsichtigt, das Selbstbewusstsein des Konzerns aus, die Entscheidungshoheit und Verfügungsgewalt zu haben. Der Konzern mag Mittel bereitstellen, aber diese fließen in eine Sammlung, die ihm gehört, aus der er expressis verbis Image beziehen will, und die u.U. nach der Laufzeit der Vereinbarung wieder an ihn zurückfallen kann, womöglich auch zur Veräußerung. Das ist bei einem öffentlichen Museum undenkbar. Die aus Steuermitteln gespeiste Infrastruktur kommt nun wesentlich dem Konzerninteresse zugute, Ausstellungen, Sammlungserweiterung, bauliche Investitionen wie die Errichtung des Depots, Medienarbeit und Marketing, - von allem dem profitiert der Konzern.
"Ein Deal, den man durchaus als Coup bezeichnen kann," nennt das eine Journalistin. Ja, ein Coup, auch deswegen, weil mit ihm die Leiterin der Foundation kalt abserviert wird, samt ihrem Team, weil die bisherige Arbeit des Museums abgewertet wird, von der Direktorin selbst, die vom "luftleeren Raum am Mönchsberg" spricht, so als hätten dort nicht namhafte Leiter und exzellente Kuratoren gearbeitet an Ausstellungen, von denen ich von eigenen Besuchen nur schöne und eindrucksvolle Erinnerungen mitgenommen habe. Ja, ein Coup also, ein "frech und kühn angelegtes Unternehmen", ein "Handstreich", so wie es der Duden übersetzt. Eine kalte Enteignung der Öffentlichkeit. Mit Unterstützung ihrer wichtigsten Vertreter, Landeshauptmann und Kulturlandesrat. Ein Coup, der in die Zeit passt, der aber deswegen nicht entschuldbarer oder relativierter würde.
Öffentliche Orte sind kostbare Gefäße. Es bedurfte nicht erst des in Ausmaß und Tragweite kaum abschätzbaren NSA-Skandals, um wieder einmal in Erinnerung zu rufen, wie sehr die Demokratie einer lebendigen, vitalen Öffentlichkeit bedarf und wie fragil und gefährdet sie ist. Deswegen muß man gegen jede Zumutung, auch diese, auftreten.
P.S.: Der Post gibt meinen Informationsstand vom Abend des 19.1. wieder.
Ein inzwischen am 20.1. verfasster zweiter Kommentar hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/01/ein-coup-ein-zweiter-kommentar-das.html
Ein dritter Kommentar vom 21.1.: http://museologien.blogspot.co.at/2014/01/ein-coup-eine-gravierende.html