Vergangenen Sonntag habe ich das Volkskundemuseum in Wien besucht, nach langer Pause wieder einmal. Und mit dem Wissen, daß es möglicherweise ein letzter Besuch sein könnte.
Das Volkskundemuseum ist ein von einem Verein getragenes Museum, das in den letzten Jahren deswegen besonders unter Druck geriet. Es war nicht im Genuss der relativen Sicherheit der staatlich finanzierten Bundesmuseen und hatte zusätzlich auch um die Unterstützung der Stadt Wien zu kämpfen.
Das einzige was in letzter Zeit klar war: der Verein konnte aus eigener Kraft das Museum nicht betreiben und die fällige Gebäudesanierung finanzieren.
Der Gang durchs Museum war auch eine Erinnerung, eine Erinnerung an die letzte große Erneuerung der ständigen Ausstellung 1994. Ich erinnere mich noch an das Entsetzten eines Teiles des Vereines. Konzept und Design brachen entschieden mit den alten Gemütlichkeiten. Auf einer Diskussionsveranstaltung anlässlich der Neueröffnung brachte ich meinen Respekt zum Ausdruck, daß der Museumsstab einen derartigen 'museologischen Mentalitätswechsel' geschafft hatte. Noch heute ist das Wiener Museum entschiedener und klarer in seiner Reflexion der eigenen Geschichte und des Faches, als die später entstandenen Dauerausstellungen des Grazer und des Innsbrucker Museums.
Vorgetragen wurde der 'Turn' gegeüber der altenDauerausstellung auf zwei Ebenen: auf der der Betextung, und auf der der Gestaltung. Die Texte nahmen knapp und entschieden eine konstruktivistische Position ein. Nicht nur die zentralen Themen eines Volkskundemuseum haben einen zeitlichen Index, das Museum selbst und seine Bezugswissenschaft unterliegen einem Wandel. Und schließlich würde auch der Besucher, sein Blick und sein Interesse, immer neue Fragen an das Museum richten. Die verschiedenen Schlüsselbegriffe wie Heimat oder Volk wurden hier nicht wie essentielle Botschaften und unhinterfragbare Wahrheiten behandelt, sondern als wandelbare Begriffe für sich wandelnde Vorstellungen.
Anspruchsvoller kann man kaum an seine Klientel herantreten: man mutet dem Museumsgast zu, sich in einem gleitenden System von Relationen zu orientieren und sich stets der Relativität seines Standpunktes und des des Museums gewiss zu sein.
Noch heute muß ich mich über die Texte wundern und amüsieren, die die Hauptlast dieser driftenden und relationalen Verortung des Wissens tragen. Selbst als abgebrühter Akademiker, gleitet mir der Fachjargon nicht reibungslos durch die grauen Zellen. Und die sind mit dem Text weit heftiger beschäftigt, als der Augensinn. Denn visuell wird die zentrale Ambition des Museums kaum unterstützt. Vereinzelte oder thematisch gruppierte Objekte folgen den nicht so überraschenden Konventionen der Volkskunde. Da gibt es zwar Überraschungen und Eye-Catcher, aber kaum ein Narrativ und für Vertiefung des ein oder anderen Themas fehlt es an Platz oder vielleicht auch an Sammlungsobjekten.
Die kleinteilige Raumstruktur erzwingt eine Kleinteiligkeit der Präsentation der Sammlung und so entwickelt sich manch interessante Frage nur auf kleinstem Raum und kurzatmig.
Und das war das zweite Besondere am Museum: Die Gestaltung durch die Architektin Elsa Prochazka. Während wir normalerweise im Museum alles aus unserer Wahrnehmung ausblenden, was nicht Exponat ist, wird uns das hier nicht erlaubt. Ostentativ zeigen ihre Möbel sich selbst und die Museumsobjekte. Das 'Gestell' ist aufwendig, geradezu aufdringlich, aber sorgfältig gestaltet. Die durch die Texte vermittelte reflexive Distanz zu 'Museum' und 'Exponat' wird durch die Zeigemöbel unterstrichen und unterstützt. Selten war ein Museum so sehr als "Schaubühne" erfahrbar. In einem Verständnis vom Museum als performativen Raum, spielt alles 'eine Rolle', das Licht, die hüllende Architektur, die Exponate, die Texte, die Zeigemöbel und natürlich der Besucher selbst. Hier wird das überdeutlich gemacht. Dinge im Museum sind nicht bloß da, sie werden gezeigt, sagen uns die nach Kräften gestikulierenden Eisenstützen und ausladenden Podeste.
Heute, so lange nach der Eröffnung, verstehe ich an diesem Sonntag, wie groß das Dilemma des Museums ein muß. Eine nachholende Verarbeitung neuer, vor allem urbaner Themen war nie möglich und wäre überhaupt nur mit einer neuerlichen kompletten Neukonzeption zu bekommen. Was sich in einschlägiger Forschung theoretisch wie praktisch gewandelt hat, das findet nicht hier statt.
Dezentral gelegen, in einem von Außen schon sehr desolat wirkenden Gebäude, kann sich das Museum nicht gegen die medial gehätschelten Großmuseen des Stadtzentrums behaupten.
Das musste in Sonderausstellungen ausgelagert werden. Die waren, trotz karger Budgets und spartanischer materieller Ausstattung, das Beste, was man - neben den Ausstellungen des Jüdischen Museums - in Wien in den letzten Jahren an (kultur)historischen Ausstellungen zu sehen bekam. Hier wurde immer wieder vorgemacht, daß es beim Ausstellen auf eine präzise Idee ankommt und dann auf eine angemessene, durchdachte Umsetzung, so banal wie offenbar schwierig kann Austtellungmachen sein.
Wolfgang Kos würdigte in einer wunderbaren Rezension 1995 in der Stadtzeitung Falter die Ausstellung "Schönes Österreich" an die ich mich lebhaft erinnere, weil hier mal mit der bis zum Abwinken zerredeten "Identität" fröhlich, ironisch, anschaulich hantiert wurde - eine Labsal im Vergleich mit den bleischweren und verschwitzten Staatsausstellungen zu 'Österreich'. Nation Building wurde in einer Sympomatologie der Alltagskultur witzig, pfiffig und visuell argumentierend dechiffriert.
Lebhaft erinner ich mich "an an/sammlung an/denken" von 2005, wo ein 'Sachenfund', den mehrere Generationen in einem Haus gehörtet hatten, zu einer wunderbar subtil präsentierten Etude über Dinge, ihre Ästhetik, ihren Gebrauch, ihre Erinnerung wurde.
Und noch etwas ist mir bei meinem Sonntagsbesuch aufgefallen: wo in anderen Museumsshops der Nippes regiert - wie die Teddybären mit Klimtdesign im Belvedere (nicht daß ich nicht auch eine Schwäche für so etwas hätte!) -, gibt es davon im Volkskundemuseum wenig. Dafür ein üppg mit Fachliteratur bestücktes Bücherbord, wo man beim Stöbern nicht nur manch altbackenes Bändchen von annodazumal entdecken kann, sondern avancierte Forschung, z.B. zur Ethnopsychoanalyse oder zu kulturwissenschaftlichen Fragen. Hier hält das Museum Schritt mit der Entwicklung des Fachs und weist sich auch als eine 'wissenschaftliche Anstalt' aus. ich betone das, weil die Bundesmuseen de jure als Wissenschaftsanstalten verwaltet werden und Wissenschaftlichkeit immer noch die zentrale Legitimation der Museen ist. Während die anderswo längst unter dem Druck der Ereignishaftigkeit der Museumsarbeit sich bis an den Rand des Verschwindens verdünnt hat - man sehe sich mal das Bookshop der Albertina an -, wird hier offensichtlich auf Grundlagenforschung Wert gelegt.
Es wird nichts nützen. Es gibt die Idee, das Museum durch Zusammenlegung mit dem Völkerkundemuseum zu 'retten'. Dem kann man was abgewinnen, wenn beide Museen einen Paradigmenwechsel zu modernen kulturwissenschaftlichen Fragestellungen hin vollzögen und sich avancierter museologischer Entwicklungen stellten. Ein Konzept soll ausgearbeitet sein, noch nicht wirklich entscheidungsreif, wie man hört. Doch das Budget, das für die Bundesmuseen bereitsteht, scheint nicht auch noch für ein neues Projekt zu reichen. Außerdem müsste die Sinnhaftigkeit der vor Jahren erfolgten Eingliederung des Völkerkundemuseums in das Kunsthistorische Museum überprüft und wohl revidiert werden. Die Sinnhaftigkeit dieser Eingliederung ist nie evaluiert worden und das Völkerkundemuseum wünscht offenbar, wieder selbständig zu werden.
Vor einigen Jahren habe ich für eine Museumszeitschrift ein Essay zur Entwicklung der Wiener Museumslandschaft geschrieben. Mit dem Hinweis auf drei sehr besondere Museen mündete das in einer positiven Bilanz: Museum für Angewandte Kunst, Jüdisches Museum der Stadt Wien und das Volkskundemuseum waren und sind für mich drei Museen, die - in sehr unterschiedlicher Hinsicht - auch im internationalen Vergleich ungewöhnliche und inspirierende 'Modelle' dessen sind, was Museen sein können. Möglicherweise wird es zwei dieser drei Museen bald nur noch dem Namen nach geben.
Donnerstag, 1. April 2010
Mittwoch, 31. März 2010
Ausschreibung 12. Internationale Sommerakademie Museologie
Museumstexturen / Lesarten des Museums
12. Internationale Sommerakademie für Museologie
7. – 14. August 2010
Schloss Retzhof/Leibnitz
Die 12. Sommerakademie, die vom 15. bis 22. August stattfindet, gilt den Museumstexturen / Lesarten des Museums.
Ausgangspunkt und Fokus der 12. Sommerakademie, die von 7. bis 14. August 2010 in Schloss Retzhof bei Leibnitz stattfindet, ist das Museum als Textur.
Das Museum, das der Verständigung über Geschichte, Identität, Werte und Bedeutungen dient und Spurenlese betreibt, fordert selbst verschiedene Lesarten seiner Struktur und Funktion heraus. Es ruft bestimmte Interpretationen hervor, erzwingt sie geradezu oder versucht sie zu verhindern und zu blockieren.
Als Einstieg in die sommerliche Reflexion über das Museum werden wir uns damit beschäftigen, wie man ein Museum / eine Ausstellung ‚liest‘ – im Sinne der Analyse und Kritik. Wir fragen insbesondere nach der Funktion von Texten im Verhältnis zu Bildern und Objekten innerhalb des Narrativ Museum. Über die Auseinandersetzung mit Texten (z.B. Literatur) als Ausstellungsgegenstand werden wir uns der Frage nach dem Museum als Ort der Illustration zuwenden. Illustrieren die Objekte/Bilder die erzählte(n) Geschichte(n) oder geben die Texte vor, was und wie etwas zu sehen ist. In der diesjährigen Sommerakademie werden wir uns zudem mit der Frage beschäftigen, wie eine Geschichte/Erzählung erzeugt, gefunden wird, die dann in der Ausstellung ‚aufgeführt‘‚ inszeniert‘ wird bzw. ob und welche Erzählungen von den Objekt-Raum-Konstallationen ausgehen können.
Schließlich wenden wir uns Texten / Literatur im Museum zu und werden auch literarische Texte über das Museum einbeziehen.
Während über das Museum oft unter organisatorischen Gesichtspunkten gesprochen und nachgedacht wird – inventarisieren, sammeln, konservieren, restaurieren, verleihen, schützen, deponieren – werden wir in der Sommerakademie uns ganz auf die museologische Reflexion konzentrieren. Wie immer werden wir das mit unterschiedlichsten Arbeitsweisen tun, Arbeiten in Gruppen, Ausstellungsanalysen, der Erarbeitung einer Ausstellung, der Recherche auf Exkursionen, dem Vergleich von sachlichen und poetisch/künstlerischen Zugangsweisen zum Museum.
Die Internationale Sommerakademie Museologie ist seit 1999 ein anerkanntes Forum zum Erfahrungsaustausch über das Arbeitsfeld Museum und Ausstellung und will die Reflexion der musealen Praxis anregen, aktuelle museologische Inhalte vermitteln und in einem werkstattartigen Kontext zum Erproben der neu gewonnenen Einsichten ermutigen.
In einer konzentrierten einwöchigen Klausur in der wunderbaren Atmosphäre von Schloss Retzhof gelingt die Verknüpfung des Angenehmen mit dem Nützlichen. Die Diskussion der Museumspraxis auf der Grundlage aktueller museologischer Theorie mit den eingeladenen Referenten/innen und dem begleitenden Team sowie der Teilnehmer/-innen untereinander ermöglicht eine neue Stufe reflektierter Museumspraxis.
Beteiligte
MA Renate Flagmeier, Leitung der Sommerakademie. Leitende Kuratorin Werkbundarchiv - Museum der Dinge Berlin (D)
Dr. Monika Flacke, Sammlungsleiterin Deutsches Historisches Museum Berlin (angefragt)
Dr. Gottfried Fliedl, Leiter Museumsakademie Joanneum, Graz (A)
Dr. Heike Gfrereis, Leiterin Literaturmuseum der Moderne, Marbach (D)
Prof. Ursula Gillmann, Ausstellungsgestaltung Basel (CH), Hochschule Darmstadt
Beat Gugger, freier Ausstellungskurator, Basel (CH)
Dr. Roswitha Muttenthaler, Kuratorin am Technisches Museum Wien und Museologin (A)
Dr. Thomas Thiemeyer, BMBF-Projekt wissen&museum, Marbach/Tübingen (D)
Organisation: Mag. Theresa Zifko, Museumsakademie Joanneum, Graz
Zertifikat: Im Anschluss an die Teilnahme an der Sommerakademie 2010 wird ein Abschlusszertifikat verliehen.
Kosten
Teilnahmegebühr: € 1.170,-
Ermäßigt: € 850, - für Studierende
Inklusivleistungen: 7 Tage Seminar, Schriftliche Unterlagen und sonstige Materialien
Eintritte, Unterkunft und Vollpension in Schloss Retzhof an der Südsteirischen Weinstraße, Exkursion mit Busfahrt und Eintritt
Bewerbungsmodalitäten
Ihre Bewerbung richten Sie bitte mittels beiliegendem Anmeldeformular per E-Mail an sommerakademie@museum-joanneum.at oder per Post an die unten stehende Adresse (Auch Teilnehmer/-innen vorangegangener Sommerakademien sind herzlich willkommen.)
Ende der Bewerbungsfrist
Dienstag, 15.Juni 2010
Veranstaltungsort
Bildungshaus Schloß Retzhof/Leibnitz
Dorfstraße 17
8430 - Leitring / Leibnitz
Kontakt und Anmeldung
Mag. Theresa Zifko
Internationale Sommerakademie Museologie
Museumsakademie Joanneum. Kompetenzzentrum für Museologie und Kunst
Schloss Eggenberg
Eggenberger Allee 90, 8020 Graz
T +43 (0) 316/8017-9805, Fax -9808
sommerakademie@museum-joanneum.at
http://www.museumsakademie-joanneum.at/
Dienstag, 30. März 2010
Stadtmuseen im Umbau? Zu einer Tagung in Graz
Die folgenden Überlegungen sind nicht als Protokoll oder als Bericht gedacht; als Moderator der Veranstaltung war ich viel zu sehr involviert, als daß ich objektivierende Distanz im Nachhinein wahren könnte. ich möchte das auch gar nicht. Meine eigene Neugier wird von einer dichten Diskussion, wie sie diesmal zustandekam, abgelenkt und inspiriert, zerstreut und gesammelt.
Ich spreche hier von dem, was mich interessiert hat, was mir aufgefallen ist und woran ich Lust hatte und habe, weiterzudenken. Ein Protokol müsste allen Wortmeldungen gerecht werden, eine Bericht eine gewisse Vollständigkeit haben. Beides versuche ich erst gar nicht. Ich wünsche mir, daß die Diskussion weitergeht.Der Untertitel der Berliner Tagung „Die Stadt und ihr Gedächtnis“, "Zur Zukunft der Stadtmuseen“ (23./24.April 2009) signalisierte weniger Aufbruch, denn Sorge, wie diese Zukunft aussehen könnte und sollte. Von Krise und Scheideweg war in einem Tagungsbericht zu lesen, wobei die Krisensymptome nicht unbedingt nur für Stadtmuseen zutreffen: Wegbrechen eines bürgerlichen Bildungspublikums, Probleme der Finanzierung aus immer leerer werdenden kommunalen Kassen, Verschärfung der Konkurrenz zu medial gehätschelten Großmuseen.
Was an Krise genau nur der Stadtmuseen auszumachen ist, scheint ein schrumpfendes Selbstbewusstsein zu sein. ‚Klein‘, ‚provinziell‘, unbeachtet', und ‚Endlager schwach strahlende Dinge‘ (Peter Sloterdijk), das kränkt nicht als Außensicht, sondern verstört als Selbsteinschätzung.
Eine Folgeveranstaltung in Graz nahm den Krisendiskurs mit etwas verschärfter Rhetorik noch einmal an. „Im Umbau ratlos?“ war das Kernstück des Titels, unter dem vor allem Leiter und Mitarbeiter von Stadtmuseen vertreten sein sollten, die sich in Neugründung oder Umplanung befinden und Vertreter diverser Wissenschaftsdisziplinen, deren Forschungen die Diskussion verbreitern und unterstützen sollte.
Gastgeber war das Stadtmuseum in Graz in Kooperation mit der Museumsakademie des Universalmuseum Joanneum. Das Grazer Museum ist ein Anschauungsbeispiel für die genannten Symptome. In bescheidenen Räumen und mit bescheidener Sammlung soll hier eine neue Dauerausstellung auf Wunsch der Politik realisiert werden, die aber viel zu knappe Mittel bereitstellt. Und die Konkurrenzsituation ist ohnehin singulär. Das Landesmuseum – seit kurzem ein ‚Universalmuseum‘ -, ein Museumskonzern, neben dem in der Steiermark und erst recht in der Hauptstadt jedes andere Museum buchstäblich klein aussieht, konkurriert thematisch und um ein- und dieselben Besucher, und das mit ungleich mehr Ressourcen. Das Frankfurter Museum hat nicht ein Museum, sondern gleich deren 60 in der Stadt als 'Rivalen'.
Konkurrenz erwächst den Stadtmuseen aber nicht nur aus anderen Museen. Das kulturelle Angebot in den Städten wächst und differenziert sich noch immer und droht historische Museen zu marginalisieren. Das Historische Museum der Stadt Wien hat unter neuer Leitung zuerst mal Name und Image geändert, aber als WienMuseum läuft es, trotz großer Sammlung, attraktiver Bestände und einem beachtlichen Mitarbeiterstab vor allem hinter Kunstmuseen, Kunsthallen und Museen Moderner Kunst hinterher. In den Medien gilt ihm noch immer nicht eine vergleichbare Aufmerksamkeit. Mit dem Auftreten von Konzernen und Privaten, die eigene Ausstellungshäuser betreiben, wurde gerade in Wien die klassische Moderne und die kanonisierte Avantgarde zum Nabel der Aufmerksamkeit.
Daß das auf der Tagung geäußerte Aperçu, daß das Alleinstellungsmerkmal der Mittelstädte ihre Mittelmäßigkeit sei, auf die diese Städte repräsentierenden Museen übergreifen könnte, ängstigt also nicht nur in Graz und Wien.
Die Krise des Stadtmuseums geht aber tiefer und wäre, präzise diagnostiziert, wohl auch ein Hinweis auf eine Lösungsstrategie: was an Wandel bedrohlich erscheint, ist nicht so sehr das, was das Museum ist, sondern was es repräsentiert beziehungsweise zusehends nicht mehr zu repräsentieren imstande ist. Der Wandel der Stadt läuft den Museen gewissermaßen thematisch davon und die Modi der musealen Repräsentation von Stadt und Stadthistorie reichen hinten und vorne nicht mehr. Die Imagepflege der Städte, ihr Branding, ihre komplexe mediale Vermarktung lassen die Bürgerstuben, die Handwerksnostalgie oder die lokalen Alltagsgeschichten der Dauerausstellungen von anno dazumal ziemlich alt aussehen.
Wie aber Stadtmuseen zu neuen Themen kommen, das war eher nicht so klar. "Dass eigentlich alles interessant ist", diese symphatische Position einer Kuratorin, hat auch die bedrohliche Kehrseite, dass dieser Wunsch nach 'totaler Repräsentation' in Erfüllung gehen könnte. Barbara Krugers Motto "Bewahre mich vor dem, was ich wünsche", möchte man der Sehnsucht nach totalisierender Wunscherfüllung entgegenhalten. Museen sind so schon bedroht von einem Erstickungstod an ihren immer weiter wachsenden Sammlungen. Wer aber, auch pro futuro, daran denkt, Kriterien der Entscheidung zu entwickeln, was gesammelt und gezeigt werden soll, kommt in ein, so weit ich sehe, nicht wirklich auflösbares Dilemma. Was künftige Generationen für bedeutsam, sehenswert oder überlieferungswürdig halten werden, wissen wir nicht. Das festlegen zu wollen, hieße auch, die Zukunft so zu präformieren wie eine künftige Generation bindende und belastende Wirtschaftspolitik. Auch das wäre ein "Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit" (Alexander Kluge).
Und ob es denn eine spezifische Themenkompetenz der Stadtmuseen gäbe, das blieb offen. Die wie selbstverständliche Aneignung des Themas "(Im)Migration" zum Beispiel - mit welcher Kompetenz und Legitimität beanspruchen Museen dieses Thema? Sind Museen zu allem geeignet oder immer das geignetste Mittel, um ein Thema zu bearbeiten und zu kommunizieren? Urbanität wurde genannt, naheliegenderweise, aber es wurde bloß Stadtplanung darunter verstanden. Was aber ist "Stadt", was war das einmal, was ist es heute, was wird es künftig sein? Wäre das nicht die 'Urfrage' für Stadtmuseen? In der möglichsten präzisen Beschreibung des Stadtwandels und seiner veränderten (Selbst)Darstellung könnte das Museum Sach- und Darstellungskompetenz zurückgewinnen.
Museen sind visuelle Medien und sie müssen sich daher so oder so im Feld des (öffentlich) Visuellen positionieren. Die Stärken des Museums liegen darin, daß es ein analoges und performatives Medium ist, darin unterscheidet es sich von anderen visuellen Medien. (Roswitha Muttenthaler). Die Kunst des Museums läge darin, Medienkompetenz bereitzustellen und zu vermitteln, sich also aktiv und produktiv auf die Rolle und Funktion von Medien einzulassen, ohne seine spezifischen Möglichkeiten zu vergessen. Können Museen Orte der kritischen Verarbeitung des (immer vielfältiger) werdenden Medienangebotes sein, könnten sie dazu beitragen, die Lesbarkeit und Deutbarkeit der visuellen Umwelt wieder herzustellen?
Dem vielberedeten Wunsch des Publikums, vorgeblich Authentizität erleben zu wollen, müsste ohne den verführerischen Rückfall in den spezifisch musealen Objektfetischismus, Ausstellen als selbstreflexiv auf seine eigene Medialität bezogen und reflektierend entgegengehalten werden.
Dieses Ziel dürfte aber nicht ohne eine zweite Perspektive angestrebt werden. Nämlich neue Formen der Kommunikation und auch der Beteiligung des Publikums zu erproben. Diese Frage wurde auf der Tagung breit diskutiert.
Stadtmuseen haben möglicherweise bessere Chancen auf Kooperationen und Einbeziehungen von bestimmten Gruppen als andere Museen. Die Tagungsdiskussion spannte die Möglichkeiten zwischen punktueller und eher an der Oberfläche ansetzender Partizipation einerseits und autonomer Museumsarbeit durch ‚Externe‘ andrerseits. Es liegt auf der Hand, daß diese Frage polarisiert – zwischen den Befürwortern einer gesellschaftlichen Öffnung einerseits und den auf ihrer Kompetenz beharrenden Kuratoren andrerseits. Schon auf der Berliner Tagung hatte Udo Gößwald davor gewarnt, daß Laien Kuratoren werden könnten. Das führe bloß zu Amateurisierung und damit Entwertung der Museumsarbeit.
Freilich, das Bild, das Museen von ihren Besuchern entwerfen, ist nicht immer ermutigend. Die abstrakte und technizistische Sprachregelung signalisiert Distanz, wenn nicht, wie in der Runde mal bemerkt wurde, Geringschätzung. Wer von 'Nutzerbedürfnissen' spricht, oder von 'bildungsfernen Schichten', sollte umgehend mit der reziproken Frage behelligt werden, wie 'besucherfern' denn das Museum selbst agiert.
Besorgeniserregend ist auch, wie sehr gelegentlich auf dieses Dilemma, ohne groß darüber nachzudenken, mit der scheinbar Besuchern entgegenkommenden Ermäßung jeglicher Bildungsanstrengung reagiert wird. Man möchte verständlicher, unterhaltender, populärer, erlebnisorientierter werden. Dieser Strategie kommen auch jüngere Entwicklungen in der Gestaltung von Museen entgegen: inszenierte, immersive Räume, wo das Erleben wichtiger ist, als die Information und Reflexion. Hier schlägt die Stunde so mancher spezialisierter Büros und einer Spielart der Szenografie, die Museumsverantwortliche mit schickem Design fürs Wohlfühlmuseum bedient. Wie diese Gestaltungen wirklch etwas zur Vermittlung von Inhalten beitragen, das will man gar nicht so genau wissen und die Verantwortung dafür, die genau an der wichtigen Schnittstelle von Museum / Publikum / Öffentlichkeit liegt, wird aus dem Museum "ausgelagert".
In der ambitioniert geführten Diskussion wurde der kleinen Utopie einer gleichsam mundgerechten, kulinarischen Verpackung anspruchsvoller Inhalte entgegengeträumt. Konkret wurde niemand, ermutigende Beispiele blieben aus. Es war aber auch von einer Unterforderung und Unterschätzung des Publikums die Rede und Felicitas Heimann-Jelinek fügte einen - für mich überraschenden aber höchst bedenkenswerten Einwand hinzu: ihr Credo sei, mit einem Publikum zu arbeiten, das von sich aus bereit sei, sich eigenverantwortlich mit Geschichte beschäftigen zu wollen. Das scheint mir eine starke Gegenposition zur Tendenz zu sein, das Publikum nur noch als Konsument von Dienstleistungen zu sehen und bedutet, dem Publikum eine Mitverantwortung am Arbeiten an der Geschichte abzuverlangen.
Das Reagieren auf Interessen und Bedürfnisse von Besuchern ist schon praktisch schwierig genug. Das Frankfurter Stadtmuseum, kann nicht der Tatsache ausweichen, daß der Römerberg, das Quartier in dem das Museum liegt, eine der touristischesten Regionen Europas ist. Und die Gründung eines Stadtmuseum Stuttgart - ohne einschlägige Tradition und von der Politik lanciert, nicht von der Bürgerschaft -, trifft, so zitierte Anja Dauschek zum Amusement der Runde, auf eine geschichtsferne Mentalität von "...konvertierten Kannibalen, die ihre Abstammung verleugnen...". Museumskuratoren in der Rolle von Missionaren, Kolonisatoren oder Ethnologen?
Mein Eindruck ist, daß in der Museumspraxis überall dort Neues entsteht, wo neue Kommunikationsformen gesucht werden. Für das neue Historische Museum in Frankfurt sind Environments und Anreize neuer Beteiligungsformen von Besuchern vorgesehen und lanciert wird dafür das Wort ‚Labor‘ (Jan Gerchow und Susanne Gesser). Das Stapferhaus Lenzburg, auf der Grazer Tagung von Beat Hächler vertreten, macht zum Beispiel Ausstellungen ohne Sammlungen. Das ist möglich mit Leihgaben, aber nicht in erster Linie mit von Institutionen erborgten, sondern von Bewohnern auf Zeit erbetenen. Mit dem ‚Tausch‘ solcher ‚Gaben‘ entsteht ein von herkömmlicher Museumsarbeit grundsätzlich unterschiedener Beziehungsmodus zwischen Institution und Publikum, und Publikum und Exponat, über den weiter nachzudenken sich unbedingt lohnt. Im Publikum wurde auch ein Museum genannt, das auf Dauer nach diesem Prinzip funktioniert, das Stadtmuseum Melbourne.
Trotz vieler einschlägiger empirischer Erhebungen, scheint es noch immer für Museen schwierig zu sein, abzuschätzen, wer das Publikum eigentlich ist und vor allem, was es will. Oder anders gesagt: wie man ein Gespür dafür entwickelt, "was gerade verhandelt wird" - und wer an diesem Verhandeln beteiligt ist.
Möchte man über bloß manipulative Sozialtechnologien hinausgehen (Kundenbindung, Attraktivitätssteigerung, Marketing als Instrument der ‚Optimierung‘ der Besuchszahlen usw.), muß man neue, anerkennende, einladende Strategien entwickeln. Die lebhafte Diskussion zu diesem Punkt und die Beispiele dazu, z.B. von Anja Dauschek vom im Aufbau befindlichen Stadtmuseum Stuttgart, schienen mir noch zaghaft. Vor allem geht mir eine entschiedene Analyse und Anerkennung der Tatsache ab, daß Museen Orte der massiven, sehr diskreten aber darum auch wirkungsvollen sozialen Distinktion bereits sind. Bevor man selbstermutigend Phantasmen des universalen Zugangs pflegt und vollmundig ankündigt, und von Partizipation heilserwartend schwärmt, sollte man erst einmal anerkennen, daß der weitaus größere Teil einer Bevölkerung vom Museum kategorisch ausgeschlossen ist und darüber sprechen, wie man mit der hegemonialen Produktion von kulturellem ‚Wert‘ und ‚Sinn‘ aktuell umgeht. Wer an Strategien und Techniken der Populariserung bastelt, bastelt meist ohne jede Reflexion nur an einer Vertiefung hegemonialer kultureller Konzepte. Die Gedankenlosigkeit, die im Umgang mit diesem besonderen Thema an den Tag gelegt wird, ist erstaunlich.
Daß ein wohlhabendes, zukunftsoptimistisches und selbstbewußtes Bürgertum, das mit Stolz seine Vergangenheit erzählte und sich so in ihrem Status und Erfolg spiegeln konnte, als Träger der Museumsidee zunehmend abhandenkommt, trifft Stadtmuseen besonders, weil ihnen genau diese ihre genuine Trägerschaft - im ideologischen wie materiellen Sinn -, abhanden kommt. Daß sich diese Museen neuen Gruppen öffnen wollen und müssen, wurde auch auf dieser Tagung deutlich und es geht in die Richtung, in die schon in Berlin Wolfgang Kaschuba ermutigt hatte: man muß sich vom Stadtbürgermythos verabschieden und die Stadt als so thematisieren, wie sie nun mal geworden ist: „offen, migrantisch, szenisch, authentisch“. Museen sollen an der „imaginativen Stadtbildung und Identitätsbildung arbeiten“.
Wenige Problem schienen die Tagungsteilnehmer damit zu haben, daß zur Erreichung dieser Ziele neue Strategien der Vermittlung oder der Teilhabe, der Arbeit mit Minderheiten oder – als relativ jungem Thema – mit Migranten den Rahmen des konventionellen Museumsverständnisses sprengen.
Eine gewisse Entgrenzung des Museums ist ohnehin im Gang, in methodischer Hinsicht, institutionell, hinsichtlich des Objektbegriffs, der Arbeitsformen, oder was die Definition seines – architektonischen und sozialen – ‚Ortes‘ betrifft. Der Leiter des Grazer Stadtmuseums, Otto Hochreiter, hat das so formuliert: „An Stadtmuseen können Erfahrungen des Örtlichen als Ressource für zivilgesellschaftliche Prozesse organisiert werden.“
Mir scheint auch die zivilisatorische, vergesellschaftende Funktion des Museums (das es strukturell auszeichnet) denjenigen Aufgaben übergeordnet zu sein, die man normalerweise als ‚essentiell‘ ansieht (Objekte zu sammeln, zu bewahren und zu zeigen). Es geht im Museum nicht – auch wenn das das Museumsbild so vieler verstören mag -, nicht ‚ums Objekt‘, sondern um Beziehungen und Bedeutungen (Angela Janelli). Die Arbeit daran, das Spiel der identitären Beziehungen im individuellen wie im kollektiven Maßstab zuzulassen und zu organisieren, das öffnet der Museumsarbeit ungeahnte und reiche Möglichkeiten. Museen müssten etwas von ihrer institutionellen Körperpanzerung ablegen und anerkennen lernen, daß sich im Ausstellen „Deutungsabsichten von Ausstellenden, Bedeutungen des Ausgestellten und Bedeutungsvermutungen von Besuchern“ kreuzen (Sabine Offe). Hier erst entsteht Reflexionskompetenz und Orientierungswissen, das auch handlungsanleitend und –ermöglichend sein kann.
Ich hätte da wenig Angst vor einer Verschiebung der Bedeutung des Museums. Denn als definitorischer Kern bliebe dem Museum möglicherweise nicht so sehr die Vorstellung vom ‚festen Haus‘ und der Sammlung authentischer Objekte, sondern als einer eines einzigartigen zivilisierenden Rituals, als das das Museum seit etwa 1780 als Projekt der (europäischen) Moderne entstanden ist.
Möglich war dieses Modell des Museums der Moderne im Kontext von Aufklärung und Revolution nur im Medium diskursiver, bürgerlicher Öffentlichkeit. Besitz aller an den kulturellen Gütern und deren Genuss als verbrieftes Recht sind komplementäre Erbschaften dieser Idee des wohlfahrtsstaatlichen Museums.
Mit der Zersetzung bürgerlicher, diskursiver Öffentlichkeit ist nicht nur das Museum gefährdet, es ist auch das Medium gefährdet, in dem allein wir über solche und andere Entwürfe des Museums überhaupt weiter reden können. In dieser Hinsicht scheint es mir besorgniserregend, wie wenig Widerstand, gerade aus den Museen selbst, der Entwertung und Zerstörung diskursiver Öffentlichkeit entgegengesetzt wird. Ökonomisierung, Privatisierung, Gleichgültigkeit der Politik, das Fehlen eines formierten zivilgesellschaftlichen Interesses an Museen und die Unentschlossenheit so vieler Museumsmitarbeiter gegenüber den Herausforderungen, das alles lässt nicht nur um die Voraussetzungen so vieler neuer Ideen fürchten, die in der Tagung geäußert wurden. Um so erfreulicher, daß manches Statement, mancher Bericht aus der Praxis, Optionen auf ein Museum als analytischem und diskursiven gesellschaftlichen Ort erschloß.
Stadtmuseen: Im Umbau ratlos oder wie erzählt man eine Stadt? 25./26.3.2010, Stadtmuseum Graz in Zusammenarbeit mit der Museumsakdemie Joanneum
Exposé und Programm als pdf zum Herunterladen:
Montag, 29. März 2010
Die Dauerausstellung des Jüdischen Museums Wien wird verschwinden
Die designierte Direktorin des Jüdischen Museums der Stadt Wien, die Fernsehjournalistin und -sprecherin Danielle Spera, die überraschend von den Verantwortlichen einem halben Dutzen hervorragender Museumsexperten und -leiter vorgezogen wurde (s. Blog dazu), ließ im Interview in der von ihr mitbegründetn Zeitschrift NU (Nr. 38; 4/2009) keinen Zweifel an der Aufgabe der Dauerausstellung.
Dem "Wunsch der Entscheidungsträger" nach vermehrter touristischer Attraktivität, will die Direktorin gerecht werden: "Ich möchte jüdische Pfade einrichten. Das Museum soll im Ausland bekannt gemacht werden. Migranten und ihre Nachkommen sollen sich einen virtuellen Stadtplan erstellen können, auf Spurensuche gehen. Oder prominente, jüdische Persönlichkeiten sollen virtuell durch die Stadt führen ... Es ist mein Ziel, Menschen, die nach Wien kommen, bei der Spurensuche zu helfen, Dazu werden wir alle vorhandenen Quellen brauchen. Und ich möchte unbedingt Schulprojekte initiieren, damit Schüler Fragen stellen."
"Das Jüdische Museum in Wien ist eine Zumutung. Es stellt die Erwartungen, die Besucher an konventionelle Ausstellungen herantragen, infrage, es verunsichert sie, es fordert sie heraus", hatten Sabine Offe und ich als ersten Satz in unserer Analyse und Würdigung der Dauerausstellung geschrieben. Die Sprödigkeit, der Anspruch, die Herausforderung des Konzepts war schon oft Anlaß des Widerspruchs und der Verstörung. Die Kuratorin der Ausstellung, Felicias Heimann-Jelinek, ließ nie einen Zweifel daran, daß Popularität, Besucherfreundlichkeit, narrative oder mediale Attraktivität, nicht ihr wesentliches Ziel sind. Sie dreht bezüglich der "Besucherfreundlichkeit" die Verantwortlichkeit um: bei einem reflexiven Ausstellungskonzept muß auch der Besucher sich aktiv verhalten, sich einlassen wollen. Denn es wendet sich vor allem an Menschen, die bereit sind, sich verantwortlich der Geschichte zu stellen.
Bei allem Respekt für die Ziele und Vorstellungen von Frau Spera, ihre museologischen Ideen sind dünn und konventionell und fallen weit hinter das Konzept der noch existierenden Dauerausstellung zurück. Selbstverständlich ist es legitim, eine Dauerausstellung zu erneuern. Aber dann muß es ein überzeugendes neues Konzept geben. Nur wenn es besser ist als das alte, ist die Erneuerung vernünftig.
Die Frage ist: wofür wird das zerstört werden?
Die Zitate zur Dauerausstellung aus: Sabine Off, Gottfried Fliedl: Die Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien, in: Wiener Jahrbuch für Jüdische Geschichte, Kultur & Museumswesen, Bd.6, Wien 2004. S. 19 – 26
Abbildung: Eine der 'Erinnerungsspuren' im Erdgeschoss der Dauerausstellung. Nancy Spero.
Das ist mir ein ganz großes Anliegen. Eine permanente Ausstellung gehört alle 12 bis 14 Jahren erneuert, das ist also im Jüdischen Museum Wien schon überfällig. Derzeit gibt es die Hologramme. Das war vor circa 20 Jahren State oft the Art, inzwischen ist es überholt. Da wir nicht viel Platz haben, denke ich an eine Multi-Media-Ausstellung. Die kann man auch schnell erneuern. Das ist für mich ein sehr dringendes Projekt.An Stelle der alten Dauerausstellung denkt sich Frau Spera eine Multimediaausstellung, die könne man schnell erneuern, an Übernahmen von Ausstellungen wie "Koscher & Co." mit Begleitveranstaltungen wie "Kochkurse, Abendessen, Snackboxen mit koscherem Essen an Schulen".
Dem "Wunsch der Entscheidungsträger" nach vermehrter touristischer Attraktivität, will die Direktorin gerecht werden: "Ich möchte jüdische Pfade einrichten. Das Museum soll im Ausland bekannt gemacht werden. Migranten und ihre Nachkommen sollen sich einen virtuellen Stadtplan erstellen können, auf Spurensuche gehen. Oder prominente, jüdische Persönlichkeiten sollen virtuell durch die Stadt führen ... Es ist mein Ziel, Menschen, die nach Wien kommen, bei der Spurensuche zu helfen, Dazu werden wir alle vorhandenen Quellen brauchen. Und ich möchte unbedingt Schulprojekte initiieren, damit Schüler Fragen stellen."
"Das Jüdische Museum in Wien ist eine Zumutung. Es stellt die Erwartungen, die Besucher an konventionelle Ausstellungen herantragen, infrage, es verunsichert sie, es fordert sie heraus", hatten Sabine Offe und ich als ersten Satz in unserer Analyse und Würdigung der Dauerausstellung geschrieben. Die Sprödigkeit, der Anspruch, die Herausforderung des Konzepts war schon oft Anlaß des Widerspruchs und der Verstörung. Die Kuratorin der Ausstellung, Felicias Heimann-Jelinek, ließ nie einen Zweifel daran, daß Popularität, Besucherfreundlichkeit, narrative oder mediale Attraktivität, nicht ihr wesentliches Ziel sind. Sie dreht bezüglich der "Besucherfreundlichkeit" die Verantwortlichkeit um: bei einem reflexiven Ausstellungskonzept muß auch der Besucher sich aktiv verhalten, sich einlassen wollen. Denn es wendet sich vor allem an Menschen, die bereit sind, sich verantwortlich der Geschichte zu stellen.
Bei allem Respekt für die Ziele und Vorstellungen von Frau Spera, ihre museologischen Ideen sind dünn und konventionell und fallen weit hinter das Konzept der noch existierenden Dauerausstellung zurück. Selbstverständlich ist es legitim, eine Dauerausstellung zu erneuern. Aber dann muß es ein überzeugendes neues Konzept geben. Nur wenn es besser ist als das alte, ist die Erneuerung vernünftig.
Die Ausstellung gibt die Gegenstände nicht als Geschichten aus, sondern zeigt sie als gegenwärtige Schatten vergangener Geschichte. Diese Geschichte wird nicht durch Anwesenheit, sondern durch ihr Fehlen und Fehl-am-Platz sein im Museum bezeugt und bedarf immer neuer und gegenwärtiger Erzählungen und Aneignung durch die Besucher. BesucherInnen des Jüdischen Museums in Wien haben nach dem Rundgang durch die Dauerausstellung keinen “Gesamtüberblick“ über Geschichte, Religion, Kultur “der Juden“, wie manche ihn von der Ausstellung eines Museums erwarten zu können meinen – aber sie können erkennen und unterscheiden zwischen dem, was sie im Museum gesehen haben und dem, was wirklich geschehen ist und im Museum keinen Raum finden kann, zwischen dem, was vergangen und dem, was gegenwärtig ist, zwischen dem, was gewusst und dem, was nicht gewusst und vermittelt werden kann. Vermittelt wird ihnen, dass Geschichte und Gedächtnis weder institutionell noch individuell verfügbar sind, dass sie auf ihre Fragen und Nachfragen und die Bereitschaft, sich den Zumutungen des Museums auszusetzen, angewiesen bleiben. Und die Ausstellung verweist sie auf die Möglichkeit, auch solche Fragen zu stellen, die nicht durch Objekte und Informationen als schnelle Antworten zum Schweigen gebracht werden können.Das war das Resumé, das Sabine Offe und ich zur Bedeutung der Ausstellung zogen. Diese Ausstellung war weit über die eines bestimmten Jüdsichen Museums hinaus ein Modell für die museale Repräsentation von Geschichte, eine - meiner Meinung - herausragende, auch im weiten internationalen Vergleich unikale Antwort auf avancierte theoretische Positionen und museologische Herausforderungen.
Die Frage ist: wofür wird das zerstört werden?
Die Zitate zur Dauerausstellung aus: Sabine Off, Gottfried Fliedl: Die Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien, in: Wiener Jahrbuch für Jüdische Geschichte, Kultur & Museumswesen, Bd.6, Wien 2004. S. 19 – 26
Abbildung: Eine der 'Erinnerungsspuren' im Erdgeschoss der Dauerausstellung. Nancy Spero.
Freitag, 26. März 2010
Donnerstag, 25. März 2010
"Wir hoffen auf einen Prinzen". Wer oder was rettet die Museen?
In der heutigen (Online)Ausgabe der Tageszeitung Die Welt wird erneut die Frage nach einer Krise des Museums gestellt. An Indizien, die man wohl unmißerverständlich als Krisensymptome einschätzen muß: Museen werden geschlossen!
Die strukturelle finanzielle Notlage so vieler Kommunen ist seit langem ein Thema und sie wird prekärer. Daß unter diesem Umständen bislang an alles als "Einsparungspotential" gedacht wurde, an Kindergärten, den Nahverkehr, die Gehälter, die Energieversorgung, die Müllabfuhr usw., nur nicht an Museen, ist schon bemerkenswert.
Und die Befürchtungen von Uta Beier gelten auch nicht bereits vollzogenen, sondern drohenden Schließungen. Die droht dem Museum für Naturkunde in Dessau, dem Werkzeugmuseum in Remscheid ebenso und für das Kunstmuseum Mülheim sucht man einen neuen Träger.
Dort wird sichtbar, daß es nicht so sehr die - mögliche Schließung - ist, die bedrohlich ist, sondern die Phantasielosoigkeit der Verantwortlichen im Umgang mit der Situation.
Der Kulturdezernent von Mühlheim hofft auf einen "Prinzen" oder auf einen "reichen Menschen". Daß er mit einer solchen Rettung - Privatisierung, Zerstörung der öffentlichen Trägerschaft - möglicherweise das Museum auch zugrunde richtet, sieht er nicht.
Daß Museen tatsächlich geschlossen werden, kommt noch recht selten vor. Dann gibt es aber kaum Hoffnung auf Wiederbelebung. Uta Beier nennt das Fuhlrott-Museum in Wuppertal, dessen Sammlung auf andere Museen aufgeteilt wurde.
Breiter wirksam und auch nachhaltiger als einzelne Schließungen werden andere Veränderungen wirken. Die rückgängigen Besuchszahlen großer prominenter Museen werden ohne Schlussfolgerung präsentiert, aber sie würden Museen generell in eine verschärfte Legitimationskrise bringen und die Einsparungen beim Personal würden, so ein Museumsfunktionär, den Bachelor als Qualifikation für Leiter von Museen erwartbar machen.
Den Bachelor wohlgemerkt, ergänze ich mir, in einer universitären Disziplin, nicht in museologischer Kompetenz.
Was es nicht zu geben scheint: breite Diskussionen im Anlassfall über die Sinnhaftigkeit der jeweiligen Schließung. Warum sollte so etwas nicht möglich sein? Es könnten ebenso gute und zwingende Gründe für eine Schließung geltend gemacht werden, wie in einem andern Fall für eine Neugründung.
Dann könnte man die Diskussion aus der Ecke herausholen, wo sie derzeit steckt, aus der "Finanznot"-Ecke. Denn die ist kein Naturgesetz, sondern Resultat politischer und ökonomischer Entscheidunge. Und da hat man das Rennen schon verloren, bevor man an den Start geht, wenn man diese Prämisse ungefragt voraussetzt.
Nicht die merkwürdigen "Qualitätskontrollen" sollten über das Schicksal von Museen entscheiden, und auch nicht allen Rentabilitätsberechnungen, sondern eine Diskussion über den gesellschaftlichen Wert und Nutzen eines bestimmten Museums in einem bestimmten Umfeld.
Weder Prinzen noch Reiche werden die Museen retten, sondern diese selbst, wenn sie eine überzeugende Antwort auf die Frage finden, warum es sie geben muß.
Der Museumsboom ist bislang ungebrochen, das Museumswachstumm ist krisenfester als Aktienkurse. Man muß sich nicht übertrieben fürchten, wenn ein Museum auch mal geschlossen wird (und sich niemand für seine Erhaltung einsetzt). Ich mußte nur ein bißchen weiterlesen - und da war es ja schon, das neue Museum des Tages. In Leipzig wurde grade ein Bach-Museum eröffnet. Na also!
Die strukturelle finanzielle Notlage so vieler Kommunen ist seit langem ein Thema und sie wird prekärer. Daß unter diesem Umständen bislang an alles als "Einsparungspotential" gedacht wurde, an Kindergärten, den Nahverkehr, die Gehälter, die Energieversorgung, die Müllabfuhr usw., nur nicht an Museen, ist schon bemerkenswert.
Und die Befürchtungen von Uta Beier gelten auch nicht bereits vollzogenen, sondern drohenden Schließungen. Die droht dem Museum für Naturkunde in Dessau, dem Werkzeugmuseum in Remscheid ebenso und für das Kunstmuseum Mülheim sucht man einen neuen Träger.
Dort wird sichtbar, daß es nicht so sehr die - mögliche Schließung - ist, die bedrohlich ist, sondern die Phantasielosoigkeit der Verantwortlichen im Umgang mit der Situation.
Der Kulturdezernent von Mühlheim hofft auf einen "Prinzen" oder auf einen "reichen Menschen". Daß er mit einer solchen Rettung - Privatisierung, Zerstörung der öffentlichen Trägerschaft - möglicherweise das Museum auch zugrunde richtet, sieht er nicht.
Daß Museen tatsächlich geschlossen werden, kommt noch recht selten vor. Dann gibt es aber kaum Hoffnung auf Wiederbelebung. Uta Beier nennt das Fuhlrott-Museum in Wuppertal, dessen Sammlung auf andere Museen aufgeteilt wurde.
Breiter wirksam und auch nachhaltiger als einzelne Schließungen werden andere Veränderungen wirken. Die rückgängigen Besuchszahlen großer prominenter Museen werden ohne Schlussfolgerung präsentiert, aber sie würden Museen generell in eine verschärfte Legitimationskrise bringen und die Einsparungen beim Personal würden, so ein Museumsfunktionär, den Bachelor als Qualifikation für Leiter von Museen erwartbar machen.
Den Bachelor wohlgemerkt, ergänze ich mir, in einer universitären Disziplin, nicht in museologischer Kompetenz.
Was es nicht zu geben scheint: breite Diskussionen im Anlassfall über die Sinnhaftigkeit der jeweiligen Schließung. Warum sollte so etwas nicht möglich sein? Es könnten ebenso gute und zwingende Gründe für eine Schließung geltend gemacht werden, wie in einem andern Fall für eine Neugründung.
Dann könnte man die Diskussion aus der Ecke herausholen, wo sie derzeit steckt, aus der "Finanznot"-Ecke. Denn die ist kein Naturgesetz, sondern Resultat politischer und ökonomischer Entscheidunge. Und da hat man das Rennen schon verloren, bevor man an den Start geht, wenn man diese Prämisse ungefragt voraussetzt.
Nicht die merkwürdigen "Qualitätskontrollen" sollten über das Schicksal von Museen entscheiden, und auch nicht allen Rentabilitätsberechnungen, sondern eine Diskussion über den gesellschaftlichen Wert und Nutzen eines bestimmten Museums in einem bestimmten Umfeld.
Weder Prinzen noch Reiche werden die Museen retten, sondern diese selbst, wenn sie eine überzeugende Antwort auf die Frage finden, warum es sie geben muß.
Der Museumsboom ist bislang ungebrochen, das Museumswachstumm ist krisenfester als Aktienkurse. Man muß sich nicht übertrieben fürchten, wenn ein Museum auch mal geschlossen wird (und sich niemand für seine Erhaltung einsetzt). Ich mußte nur ein bißchen weiterlesen - und da war es ja schon, das neue Museum des Tages. In Leipzig wurde grade ein Bach-Museum eröffnet. Na also!
Sonntag, 21. März 2010
In eigener Sache: Kommentieren ! Diskutieren !
Auf Probe habe ich den Blog für uneingeschränktes Kommentieren freigeschaltet.Man muß sich zum Beispiel nicht mehr über ein Google-Konto einloggen.
Einfach drauflos!
Mal sehen, was passiert...
Ich finde es schade, daß es unter Museumsleuten / Museologen / an Museen Interessierten so wenig Diskussion gibt.Hier also die Aufforderund, Ermutigung, Einladung: diskutiert!! kommentiert !! kritisiert !!
PS.: Auf Grund der jüngsten Erfahrungen mit Reaktionen, die "Diskussionsbeitrag" mit "Leserbrief an eine Boulevardzeitung" verwechseln, akzeptiere ich keine anonymen Kommentare.
Muséum / Musée (Was ist ein Museum 06)
Die Reise auf der Suche nach dem, was ein Museum ist, hat uns durch verschiedene Zeitschichten geführt, mit Rück- und Vorblenden. Begonnen haben wir kurz nach 1800 mit einem neuntältesten Museum, das uns mit der Frage losgeschickt hat, was denn dann das älteste gewesen sein könnte. Dabei haben wir, nur etwa ein Jahrzehnt später, eine wichtige Museumsgründung in Berlin kennengelernt, bei der die Sinnhaftigkeit des Wortes 'Museum' kurz, aber heftig umstritten war.
Dabei wurde eingeräumt, das das, was man vorhatte, ein Haus zu bauen, in dem auf Dauer Kunst gezeigt würde, in der Antike keinerlei Entsprechung hatte. Es gab keine Institution, in der man kulturell wichtige Dinge auf unbestimmte Zeit aufbewahrt hat, um sie auszustellen und zu betrachten.
Aber man entschied sich in Berlin dann paradoxerweise, nämlich gegen die eigenen plausiblen Argumente, doch für die Benennung des für die Königlichen Sammlungen bestimmten Hauses mit Museum. Und das das mit Rückgriff auf eine andere, die älteste Bedeutung des Wortes.
Mit dem Festhalten am Wort Museum knüpfte man eine Beziehung zur mythologischen Vorstellung des Museion, des Musenortes, und damit zum dem kollektiven Erinnern gewidmeten Ort der griechischen Antike.
Damit waren wir plötzlich um einige hundert Jahre zurückgebeamt, bis zu den ältesten schriftlichen Berichten über diese mythologische Lokalität und ihr Personal bei Hesiod und Homer.
Dann gings wieder auf der Zeitachse zurück, zu der Verknüpfung des Museion mit der Akademie, das heißt mit jenem Ort, wo Wissenschaft und Künste, unter dem Schutz der Musen gepflegt wurden.
Über das spätantike alexandrinische, wegen seiner riesigen und untergegangenen Bibliothek legendäre Museion, wurde es möglich, eine Brücke zur Neuzeit zu schlagen. Und zwar gerade deswegen, weil über die Funktion dieses Museion kaum etwas bekannt ist. Das machte es so geeignet, moderne Vorstellung in es zu projizieren und gleichzeitig mit dem antiken Modell zu legitimieren.
Dabei wurden, namentlich in der französischen Tradition, zwei Vorstellungen parallel entwickelt, die sich beide auf die spätantike Gründung bezogen, und die man im Französischen auch sprachlich unterschied: das latinisierte französische Wort 'Museum', das die Idee des ungeteilt Wissen und Kunst gewidmeten Ortes meinte, und 'Musée', das den Ort der Sammlung und des Ausstellens bezeichnete.
Wir haben ja gesehen, daß bei der 'Rückkehr' der Musen, im Italien des 16. Jahrhunderts, bereits beide Vorstellungskreise, entwickelt werden: Die antike Vorstellung des von den Musen protegierten Ortes der Wissenschaft und Künste einerseits, und die neuzeitliche der Sammlung (die im Dienst eben dieser Betätigungen betrieben werden kann) andrerseits. Die amerikanische Historikerin Paula Young Lee, die diese Genealogie untersucht hat, ist der Auffassung, daß diese Parallelentwicklung mit der Französischen Revolution beendet wurde.
Tatsächlich gibt es bis dahin und noch in der Revolution eine Reihe von ideellen und architektonischen Phantasien universaler Institutionen, in denen Nutzungen wie Akademie, Museum, Bibliothek, Universität uam. integriert waren. In der Französischen Revolution findet nicht nur keine Realisierung eines solch universalen Instituts statt, im Gegenteil, das Museum selbst wird noch einmal in Sparten, Disziplinen oder wenn man so will Typen geteilt. Innerhalb weniger Jahre entstehen das Kunstmuseum im Louvre, ein Naturhistorisches und ein Technisches Museum und eines, in dem Kunst und Geschichte präsent sind.
Doch für den Louvre gibt es beide Bezeichnungen, Musée du Louvre, und später Musée Napoleon, aber auch, um den nationalen Charakter zu betonen, Museum Française. Das naturhistorische Institut heißt bis heute Museum national d' Historie Naturelle, das zur Förderung von Gewerbe, Industrie und Technologie geschaffene Museum hieß Musée des Arts et des Metiers, und das hochinteressante aber kurzlebige von Alexandre Lenoir gegründete Museum, das vorwiegend Spolien, Bildhauerarbeiten, Denkmäler und Grabmale Frankreichs vereinte (und damit viele vor der Zerstörung bewahrte), hatte den Namen Musée des Monuments Française.
Ich denke, daß die Phantasie einer Institution, die ein vielleicht unwiederbringlich zugrunde gegangenes universales Modell wieder restituieren will, nicht vorbei ist. Die kulturhistorischen Museen des 19. Jahrhunderts, mit ihren vielfältigen Sammlungen, versuchen sie nicht, an einer solchen Idee festzuhalten? Oder ist nicht Le Corbusiers sonderbares Mundaneum, das über einige Skizzen nie hinauskam, nicht ein solcher Versuch?
Wie auch immer, daß die Französische Revolution eine Zäsur für das bildet, was wir unter Museum verstehen, daran kann man schwer zweifeln (obwohl das häufig ignoriert und manchmal auch heftig bestritten wird).
Die älteste bedeutsame museumshistorische Publikation endet denn auch genau an diesem Punkt. In seiner 1908 erschienen Publikation "Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance" gibt Julius Schlosser einen Abriss der Sammlungsgeschichte der Neuzeit, der in einem kurzen letzten Kapitel gerade noch auf die französischen Gründungen verweist.
Er wusste, wie tiefgreifend die Zäsur ist, wie groß der Unterschied zwischen der Funktion und Bedeutung der Sammlungen des 16. bis 18. Jahrhunderts und der Museumsidee der Aufklärung und Revolution.
Dabei wurde eingeräumt, das das, was man vorhatte, ein Haus zu bauen, in dem auf Dauer Kunst gezeigt würde, in der Antike keinerlei Entsprechung hatte. Es gab keine Institution, in der man kulturell wichtige Dinge auf unbestimmte Zeit aufbewahrt hat, um sie auszustellen und zu betrachten.
Aber man entschied sich in Berlin dann paradoxerweise, nämlich gegen die eigenen plausiblen Argumente, doch für die Benennung des für die Königlichen Sammlungen bestimmten Hauses mit Museum. Und das das mit Rückgriff auf eine andere, die älteste Bedeutung des Wortes.
Mit dem Festhalten am Wort Museum knüpfte man eine Beziehung zur mythologischen Vorstellung des Museion, des Musenortes, und damit zum dem kollektiven Erinnern gewidmeten Ort der griechischen Antike.
Damit waren wir plötzlich um einige hundert Jahre zurückgebeamt, bis zu den ältesten schriftlichen Berichten über diese mythologische Lokalität und ihr Personal bei Hesiod und Homer.
Dann gings wieder auf der Zeitachse zurück, zu der Verknüpfung des Museion mit der Akademie, das heißt mit jenem Ort, wo Wissenschaft und Künste, unter dem Schutz der Musen gepflegt wurden.
Über das spätantike alexandrinische, wegen seiner riesigen und untergegangenen Bibliothek legendäre Museion, wurde es möglich, eine Brücke zur Neuzeit zu schlagen. Und zwar gerade deswegen, weil über die Funktion dieses Museion kaum etwas bekannt ist. Das machte es so geeignet, moderne Vorstellung in es zu projizieren und gleichzeitig mit dem antiken Modell zu legitimieren.
Dabei wurden, namentlich in der französischen Tradition, zwei Vorstellungen parallel entwickelt, die sich beide auf die spätantike Gründung bezogen, und die man im Französischen auch sprachlich unterschied: das latinisierte französische Wort 'Museum', das die Idee des ungeteilt Wissen und Kunst gewidmeten Ortes meinte, und 'Musée', das den Ort der Sammlung und des Ausstellens bezeichnete.
Wir haben ja gesehen, daß bei der 'Rückkehr' der Musen, im Italien des 16. Jahrhunderts, bereits beide Vorstellungskreise, entwickelt werden: Die antike Vorstellung des von den Musen protegierten Ortes der Wissenschaft und Künste einerseits, und die neuzeitliche der Sammlung (die im Dienst eben dieser Betätigungen betrieben werden kann) andrerseits. Die amerikanische Historikerin Paula Young Lee, die diese Genealogie untersucht hat, ist der Auffassung, daß diese Parallelentwicklung mit der Französischen Revolution beendet wurde.
Tatsächlich gibt es bis dahin und noch in der Revolution eine Reihe von ideellen und architektonischen Phantasien universaler Institutionen, in denen Nutzungen wie Akademie, Museum, Bibliothek, Universität uam. integriert waren. In der Französischen Revolution findet nicht nur keine Realisierung eines solch universalen Instituts statt, im Gegenteil, das Museum selbst wird noch einmal in Sparten, Disziplinen oder wenn man so will Typen geteilt. Innerhalb weniger Jahre entstehen das Kunstmuseum im Louvre, ein Naturhistorisches und ein Technisches Museum und eines, in dem Kunst und Geschichte präsent sind.
Doch für den Louvre gibt es beide Bezeichnungen, Musée du Louvre, und später Musée Napoleon, aber auch, um den nationalen Charakter zu betonen, Museum Française. Das naturhistorische Institut heißt bis heute Museum national d' Historie Naturelle, das zur Förderung von Gewerbe, Industrie und Technologie geschaffene Museum hieß Musée des Arts et des Metiers, und das hochinteressante aber kurzlebige von Alexandre Lenoir gegründete Museum, das vorwiegend Spolien, Bildhauerarbeiten, Denkmäler und Grabmale Frankreichs vereinte (und damit viele vor der Zerstörung bewahrte), hatte den Namen Musée des Monuments Française.
Ich denke, daß die Phantasie einer Institution, die ein vielleicht unwiederbringlich zugrunde gegangenes universales Modell wieder restituieren will, nicht vorbei ist. Die kulturhistorischen Museen des 19. Jahrhunderts, mit ihren vielfältigen Sammlungen, versuchen sie nicht, an einer solchen Idee festzuhalten? Oder ist nicht Le Corbusiers sonderbares Mundaneum, das über einige Skizzen nie hinauskam, nicht ein solcher Versuch?
Wie auch immer, daß die Französische Revolution eine Zäsur für das bildet, was wir unter Museum verstehen, daran kann man schwer zweifeln (obwohl das häufig ignoriert und manchmal auch heftig bestritten wird).
Die älteste bedeutsame museumshistorische Publikation endet denn auch genau an diesem Punkt. In seiner 1908 erschienen Publikation "Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance" gibt Julius Schlosser einen Abriss der Sammlungsgeschichte der Neuzeit, der in einem kurzen letzten Kapitel gerade noch auf die französischen Gründungen verweist.
Er wusste, wie tiefgreifend die Zäsur ist, wie groß der Unterschied zwischen der Funktion und Bedeutung der Sammlungen des 16. bis 18. Jahrhunderts und der Museumsidee der Aufklärung und Revolution.
Freitag, 19. März 2010
Mittwoch, 17. März 2010
Die Erläuterung (Museumsphysiognomien 01)
Eine unscheinbare Zeichnung eines Magnus Pederson überliefert uns eine auf den ersten Blick bescheidene Museumsszene aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Herr in Frack und Zylinder zeigt und erläutert einer Familie ein Museumsobjekt. Im Hintergrund beugen sich zwei Besucher über eine Vitrine.
Dieses Genre der Sammlungsdarstellung hat eine lange Tradition. Schon in allerersten Sammlungsdarstellungen des 16. Jahrhunderts, ist das Zeigen und Erläutern Bestandteil der Darstellung. Der Sammler oder ein, oft wissenschaftlich gebildeter oder sonstwie berechtigter „Stellvertreter", sind lange Zeit die einzigen Vermittler zwischen der Sammlung, den Gegenstände und den Besuchern.
Diese Zeichnung dokumentiert einen, sich in der Darstellung nur subtil niederschlagenden, aber fundamentalen Wandel. Die Kleidung weist den Erläuterer nicht als fürstliche Person oder als einen in seinem privaten Refugium intim eingeschlossenen Sammler aus, der seine Idiosynkrasien auslebt, sondern als eine zur Vermittlung ermächtigte, gleichsam museumsoffiziöse Person in einem offenbar öffentlichen Museum.
In diesem Fall ist es Christian Jürgen Thomsen persönlich, der erste Kurator des Nationalmuseums in Kopenhagen. Und die Besucher, die z. T. unbegleitet und offenbar auch unbeaufsichtigt die Sammlung betrachten dürfen - eine Neuerung des bürgerlichen Museums, das entsprechende Sicherheits- und Betreuungsfragen nach sich zieht -, sind nicht Personen „von Stand", nicht Wissenschafter unter Wissenschaftern, sondern staunende Laien. Ungewöhnlich ist auch das Kind. Es ist die erste Darstellung, die mir bekannt ist, in der ein Kind Adressat einer Erläuterung im Museum ist - Museumspädagogik avant la lettre.
Wie hier das Publikum dargestellt ist, wie es sich ungezwungen den Dingen, teils eigenständig, teils instruiert zuwendet, das verweist auf einen tiefgreifenden Wandel. Seit dem 16. Jahrhundert war der Besuch von Sammlungen eine mehr oder minder (manchmal gar nicht gewährte) restriktiv gehandhabte freiwillige Geste ihres privaten Besitzers. Jetzt ist es ein allgemeines Recht. Das (staatliche) Museum ist öffentlich geworden.
Insofern ist die Illustration von 1845 mehr als nur Dokument einer lokalen oder zufälligen Konstellation - sie visualisiert etwas von der Funktion dessen, was man nun als Museum bezeichnet: eine Bildungsinstitution, die sich idealiter an jedermann, unabhängig von Geschlecht, Alter, Beruf oder Vermögen wendet, um ihm, auf der Grundlage wissenschaftlicher Bearbeitung und musealer Bewahrung und Schaustellung, Wissen zu vermitteln.
Wahrscheinlich wissen die neugierig zuhörenden Besucher nicht, wem sie gegenüberstehen. Christian Jürgensen Thomsen, der Herr mit dem Zylinder, ist nicht nur Leiter des Museums. Er gilt er als erster Altertumswissenschaftler, der eine wissenschaftlich begründete relative Chronologie aufgestellt hat. Er unterschied in seinem 1836 erschienenen „Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde" zwischen steinernen, bronzenen und eisernen Artefakten und hat damit eine zwar inzwischen differenzierte, aber immer noch gültige Periodisierung der Frühgeschichte geschaffen. Somit tritt uns hier das Museum nicht nur als öffentliche, für den Umgang mit den Benutzern verantwortliche Bildungsinstitution entgegen, sondern als ein Ort der Forschung, wo das Sammeln eine Grundlage wissenschaftlicher Entdeckung und Innovation ist.
Dieses Genre der Sammlungsdarstellung hat eine lange Tradition. Schon in allerersten Sammlungsdarstellungen des 16. Jahrhunderts, ist das Zeigen und Erläutern Bestandteil der Darstellung. Der Sammler oder ein, oft wissenschaftlich gebildeter oder sonstwie berechtigter „Stellvertreter", sind lange Zeit die einzigen Vermittler zwischen der Sammlung, den Gegenstände und den Besuchern.
Diese Zeichnung dokumentiert einen, sich in der Darstellung nur subtil niederschlagenden, aber fundamentalen Wandel. Die Kleidung weist den Erläuterer nicht als fürstliche Person oder als einen in seinem privaten Refugium intim eingeschlossenen Sammler aus, der seine Idiosynkrasien auslebt, sondern als eine zur Vermittlung ermächtigte, gleichsam museumsoffiziöse Person in einem offenbar öffentlichen Museum.
In diesem Fall ist es Christian Jürgen Thomsen persönlich, der erste Kurator des Nationalmuseums in Kopenhagen. Und die Besucher, die z. T. unbegleitet und offenbar auch unbeaufsichtigt die Sammlung betrachten dürfen - eine Neuerung des bürgerlichen Museums, das entsprechende Sicherheits- und Betreuungsfragen nach sich zieht -, sind nicht Personen „von Stand", nicht Wissenschafter unter Wissenschaftern, sondern staunende Laien. Ungewöhnlich ist auch das Kind. Es ist die erste Darstellung, die mir bekannt ist, in der ein Kind Adressat einer Erläuterung im Museum ist - Museumspädagogik avant la lettre.
Wie hier das Publikum dargestellt ist, wie es sich ungezwungen den Dingen, teils eigenständig, teils instruiert zuwendet, das verweist auf einen tiefgreifenden Wandel. Seit dem 16. Jahrhundert war der Besuch von Sammlungen eine mehr oder minder (manchmal gar nicht gewährte) restriktiv gehandhabte freiwillige Geste ihres privaten Besitzers. Jetzt ist es ein allgemeines Recht. Das (staatliche) Museum ist öffentlich geworden.
Insofern ist die Illustration von 1845 mehr als nur Dokument einer lokalen oder zufälligen Konstellation - sie visualisiert etwas von der Funktion dessen, was man nun als Museum bezeichnet: eine Bildungsinstitution, die sich idealiter an jedermann, unabhängig von Geschlecht, Alter, Beruf oder Vermögen wendet, um ihm, auf der Grundlage wissenschaftlicher Bearbeitung und musealer Bewahrung und Schaustellung, Wissen zu vermitteln.
Wahrscheinlich wissen die neugierig zuhörenden Besucher nicht, wem sie gegenüberstehen. Christian Jürgensen Thomsen, der Herr mit dem Zylinder, ist nicht nur Leiter des Museums. Er gilt er als erster Altertumswissenschaftler, der eine wissenschaftlich begründete relative Chronologie aufgestellt hat. Er unterschied in seinem 1836 erschienenen „Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde" zwischen steinernen, bronzenen und eisernen Artefakten und hat damit eine zwar inzwischen differenzierte, aber immer noch gültige Periodisierung der Frühgeschichte geschaffen. Somit tritt uns hier das Museum nicht nur als öffentliche, für den Umgang mit den Benutzern verantwortliche Bildungsinstitution entgegen, sondern als ein Ort der Forschung, wo das Sammeln eine Grundlage wissenschaftlicher Entdeckung und Innovation ist.
Dienstag, 16. März 2010
Wir sind nicht unserer Meinung (Texte im Museum 32)
Museum für Angewandte Kunst, Wien. Raum 'Barock, Rokoko, Klassizismus'. Dies ist der Teil des Saaltextes, den der gestaltende Künstler verfasst hat, Donald Judd. (Der zweite Teil ist der deskriptive kunstwissenschaftliche des Kurators Christian Witt-Dörring). Der Text ist in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich: als Distanzierung von der eigenen Arbeit und als Kritik an der von einem Künstler verantworteten Installation als Prinzip der einer Sammlungsausstellung.
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