Dienstag, 6. Mai 2014

Was nicht alles eine "Museumsdebatte" ist. Das Beispiel Kunsthaus Graz



Der Grazer Bürgermeister Nagl sagt: das Kunsthaus ist mir zu teuer. Da gehören mehr Leute rein, also muß auch das Programm anders werden, bunter und so. Außerdem will ich es zurück, es soll aus dem Landesmuseum ausgegliedert und an die Stadt übergeben werden.
Daraufhin zieht das Landesmuseum einen Blockadering um sein Kunsthaus, in Form zahlloser in- und ausländischer solidarischer Wortmeldungen. Der Bürgermeister schweigt seither. Und auch die lokale Zeitung, druckt lieber Presseagenturmeldungen ab, als selbst eine Meinung zu haben.
In die überregionalen Zeitungen braucht das alles eine Weile, aber es gibt eigentlich kaum etwas zu debattieren, denn ob der Herr Bürgermeister noch etwas will, weiß man nicht und ob das Museum auf die Situation anders als defensiv reagieren wird, hat sich bis jetzt auch nicht abgezeichnet.
Das alles ist, wie Thomas Trenkler im Standard feststellte, in einer Hinsicht überraschend: warum kommt der Warnschuß erst jetzt und nicht schon viel früher?
Das spektakuläre Ausstellungshaus ist ursprünglich ein Projekt der Stadt gewesen, ließ sich aber in der geplanten Form nicht bauen und zusätzlich zur eingreifenden bautechnischen Änderung wurde eingespart, um das Budget einzuhalten. Dennoch entschloß man sich, die Kosten zwischen Stadt und Land aufzuteilen und den "Friendly Alien" ins landeseigene Museum einzugliedern.
Es war immer klar, daß die spektakuläre Erscheinung der "blauen Blase" mit einer schwierigen Nutzung als Ausstellungsraum erkauft war und die Umplanung hat die Probleme eher verschärft. hinzu kam, daß das Haus ohne Leitung errichtet wurde, das heißt, es gab keinen museumserfahrenen Bauherrn, der möglicherweise noch einiges hätte retten können.
Das Haus wird derzeit mit der doppelten Hypothek einer schwierigen und vergleichsweise teuren Bespielung betrieben, aber es gibt noch eine andre Hypothek. Mit der Eingliederung in das Joanneum hatte das plötzlich zwei "Orte" an denen neuere und moderne Kunst gezeigt wurde, ein struktureller Konflikt, der durch die persönliche Rivalität zwischen Peter Pakesch und Peter Weibel verschärft wurde - bis zum (m.M. völlig gerechtfertigten Rauswurf von Weibel). Hausintern kam noch eine weitere Reibungsfläche hinzu: das im Zusammenhang des Kulturhauptstadt-Jahres eröffnete Kunsthaus erhielt eine personelle Ausstattung, die im Vergleich zu anderen Abteilungen beachtlich war. Daß ein Teil des Personals allen Abteilungen zugutekam verhinderte nicht, daß das von Peter Pakesch, der zugleich ja Intendant war, geleitete Kunsthaus als notorisch privilegiert und relativ zu anderen Abteilungen überfinanziert erschien.
ich habe keine Ahnung, ob aus dem Anstoß von Bgm. Nagl noch irgendeine Debatte werden wird, die sich all diesen Fragen stellt und Auswege sucht.
Inzwischen geistert im Hintergrund Red Bull als Nutzer und Interessent umher. Ob das ein böswillig in die Welt gesetztes Gerücht ist oder nicht, auch das wird sich vielleicht zeigen.

P.S.: "Wenn schon Kapazitäten dann m2 / Personen-Stunden und jetzt dürfen sie ausrechnen dass der Unterschied zwischen 275 m2/Ph und 245 m2/Ph marginal ist, vorausgesetzt dass beide gleiche Öffnungszeiten haben und sehen können sie in beiden genug !" So lautet der Post eines Lesers des Standard-Artikels, in dem von T. Trenkler verschiedene Maßzahlen diverser Ausstellungshäuser gegeneinender aufgerechnet werden. Zeitungs-Artikel wie - ob ironisch gemeint oder nicht - Leserreplik machen deutlich daß wie in letzter Zeit fast ausschließlich in einem neoliberalen Kontext argumentiert wird. Schon Bgm. Nagl gibt dazu den Startschuß, indem er nahelegt, daß mehr Besucher, die seiner Meinung nach städtische Kulturpolitik besser verwalten könnte, mehr Einnahmen bringen. Ihn wird weniger stören, wenn er sät, was er erntet, aber auch dem Kunsthaus und dem Joanneum (und auch anderen Museen) wird auf den Kopf fallen, daß sie sich dem Spiel der großen und größer werdenden Zahl freiwilig anschließen und aussetzen. 2003ff. träumten Pakesch und Co. noch von der Million Besuche(r)...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen