Das Ding das sammelt. Zum Beispiel in diesen Tagen, Katholiken, Gläubige, Pilger, um eine Vitrine, mit einem heiligen Ding unter Glas. Trier 2012 |
An diesem Freitag hat Bischof Stephan Ackermann die 18. Heilig-Rock-Wallfahrt mit einem feierlichen Gottesdienst in Trier eröffnet; bis zum 13. Mai, ist die Reliquie für die Gläubigen zu sehen. Für einen Monat ragt also in Trier das Mittelalter in die Moderne.
Wartende Pilger, kommen zusammen, um etwas Unsichtbares zu sehen. |
„Die Unterhose (von Karl Marx) soll provozierendes Gegenelement zum Heiligen
Rock sein“, sagte Künstler Helmut Schwickerath in Kyllburg (Eifelkreis
Bitburg-Prüm) der dpa. Das orange-braune lange Beinkleid („Longjohn“)
werde hinter Glas auf einem dreiflügeligen spätmittelalterlichen
Altar-Gebilde zu sehen sein. Das Kunstwerk solle in
einem Schaufenster unweit des Museums Karl-Marx-Haus in Trier
ausgestellt werden. Der Philosoph Marx wurde 1818 in Trier geboren, er
starb 1883 in London.
Haushälterin Demuth das gute Stück auf einer Reise von London in ihre saarländische Heimat mitgenommen, um es zu stopfen.Die Hose gelangte in die Hände ihres Schwagers und blieb lange verschollen - bis ein Forscher sie Ende des 20. Jahrhunderts bei dem letzten Überlebenden der Familie auf dem Speicher fand.
Das common object der Erinnerung entsteht in der Wechselbeziehung von institutioneller Erzählweise und der psychischen und physischen Beteiligung der Museumsbesucher. (Sabine Offe)
Der Zustand der Reliquie 'Heiliger Rock' ist heute nur schwer zu bestimmen. Das eigentliche Gewebe ist mit verschiedenen Stoffschichten umgeben worden, da man sich anlässlich von Präsentationen zu Ausbesserungen und Schutzmaßnahmen gezwungen sah. Die Stoffe sind unterschiedlichen Alters und teilweise beschädigt, fragmentiert oder zusammengeklebt. Den Kern bildet ein lückenhafter Faserstoff, über dessen Form und Zusammensetzung Unklarheit besteht. (Wikipedia)
Horst Herrmann: Ich habe mehr als 400 Reliquien beschrieben, keine einzige davon ist authentisch. Das gilt auch für den Heiligen Rock. Wo soll der auch herkommen? Es gibt doch niemanden, der ein Gewand Jesu über Jahrhunderte hinweg verborgen aufbewahrt, damit es dann auf krummen Wegen nach Trier kommt. Sie müssen das zudem in einem historischen Kontext sehen: Die Großbischöfe von Mainz, Köln und Trier mussten sich profilieren. So kamen die Kölner zu den Heiligen drei Königen. Diese wurden dann von den Trierern mit dem Heiligen Rock noch getoppt. Aber mit gesundem Menschenverstand kann man das nicht glauben. Es ist ein großer Betrug. (...) Ich kann das gut verstehen. Allerdings nur, wenn wir von einem Souvenirsyndrom sprechen. Das hat jeder von uns, wenn sie beispielsweise Andenken aus dem Urlaub mitbringen oder Fotos machen. Wenn wir von einer religiösen Nippes-Neigung sprechen, ist das alles in Ordnung. Aber wenn Sie sich Jesus nähern wollen, ist es der falsche Weg. Im Leib Christi, also dem konsekrierten Brot, das sie in der Eucharistie empfangen, kommen Sie ihm und dem Glauben ungleich näher.
Gemeinschaften, vor allem dann, wenn sie unüberschaubare groß sind, eine face-to-face Kommunikation undenkbar ist, schaffen sich imaginäre 'Bilder', 'Objekte', in denen sich die Vorstellung eines allen Gemeinsamen kristallisiert. Cosa nostra. Solche 'Bilder' können sich auf konkrete Dinge beziehen, müssen das aber nicht; sie sind vielmehr in hohem Maße konstruiert. Problematisch wird es, wenn ein solches 'Ding, das sammelt' fehlt, oder abhanden kommt.
Und besonders problematisch ist es, wenn Gemeinschaften strukturell ein solches Objekt eigentlich nicht besitzen dürfen. Das ist in der Demokratie der Fall, wo der Platz der Macht leer bleiben muß, allenfalls auf Zeit ausgefüllt, durch einen 'Platzhalter', zum Beispiel einen (darum immer 'schwachen') Bundespräsidenten. Das Gemeinsame der Demokratie ist allein die vollkommen willkürliche, kontingente Entscheidung, eine Gemeinschaft bilden zu wollen. Ein 'Objekt' dafür kann es dafür auch gar nicht geben. Die Mitte, wo man sich sammelt kann / muss leer bleiben - auch im Museum. (GF)
Der dem gemeinschaftlichen Raum zugleich interne und externe Ort ist das, was im alten Deutsch der Ausdruck 'das Ding' bezeichnete. ... Von diesem Ding kennen wir in unsere zeitgenössischen Erfahrung einige Darstellugsformen: es ist zum Beispiel der große Kreis, der, indem er den extimen Raum im Herzen der Republik abgrenzt, das mutmaßliche Opfer des sogenannten 'unbekannten' Soldaten weiht, d.h. des anonymen, also jenseits jeglicher Identifikation angesiedelten. (Bernard Baas
Die neue Bürgerlichkeit war und ist – gegen den Ruf ihrer vermeintlichen Stabilität – erstaunlich wandlungsfähig. Sie fasziniert als Heimstatt eines neu entdeckten Lifestyles, firmiert unter dem Etikett der „Neuen Mitte“ als vermeintlich stabiles Wählerreservoir und reanimiert konservative Hoffnungen auf ein Rollback des gesellschaftspolitischen Klimas.
Als Anker eines Wertekanons mit Handlungsanweisungen taugt die neue Bürgerlichkeit aber nicht. Und dass nicht einmal deshalb, weil es kaum ein greifbares Milieu gibt, dass dieser Wortprägung beigesellen könnte, worauf vor allem die Medienöffentlichkeit angewiesen ist: Gesichter, die für jene Haltungen stehen, die als Begriff immer abstrakt bleiben müssen. Neue Bürgerlichkeit: Bei diesem Wort denkt niemand an Personen, sondern vor allem an Utensilien von Einstecktuch bis Mahagoni-Tisch. (Osnabrücker Zeitung)
Cosa und Causa. Das Ding sammelt. Es ist aber auch die Ur-Sache der Gemeinschaft. Zum Beispiel der Bergisel.
Haushälterin Demuth das gute Stück auf einer Reise von London in ihre saarländische Heimat mitgenommen, um es zu stopfen.Die Hose gelangte in die Hände ihres Schwagers und blieb lange verschollen - bis ein Forscher sie Ende des 20. Jahrhunderts bei dem letzten Überlebenden der Familie auf dem Speicher fand.
Das common object der Erinnerung entsteht in der Wechselbeziehung von institutioneller Erzählweise und der psychischen und physischen Beteiligung der Museumsbesucher. (Sabine Offe)
Die stoffliche Beschaffenheit, die Herkunft, das Alter, die Überlieferungsgeschichte, all das ist unklar. Aber es ist etwas. |
Der Zustand der Reliquie 'Heiliger Rock' ist heute nur schwer zu bestimmen. Das eigentliche Gewebe ist mit verschiedenen Stoffschichten umgeben worden, da man sich anlässlich von Präsentationen zu Ausbesserungen und Schutzmaßnahmen gezwungen sah. Die Stoffe sind unterschiedlichen Alters und teilweise beschädigt, fragmentiert oder zusammengeklebt. Den Kern bildet ein lückenhafter Faserstoff, über dessen Form und Zusammensetzung Unklarheit besteht. (Wikipedia)
Horst Herrmann: Ich habe mehr als 400 Reliquien beschrieben, keine einzige davon ist authentisch. Das gilt auch für den Heiligen Rock. Wo soll der auch herkommen? Es gibt doch niemanden, der ein Gewand Jesu über Jahrhunderte hinweg verborgen aufbewahrt, damit es dann auf krummen Wegen nach Trier kommt. Sie müssen das zudem in einem historischen Kontext sehen: Die Großbischöfe von Mainz, Köln und Trier mussten sich profilieren. So kamen die Kölner zu den Heiligen drei Königen. Diese wurden dann von den Trierern mit dem Heiligen Rock noch getoppt. Aber mit gesundem Menschenverstand kann man das nicht glauben. Es ist ein großer Betrug. (...) Ich kann das gut verstehen. Allerdings nur, wenn wir von einem Souvenirsyndrom sprechen. Das hat jeder von uns, wenn sie beispielsweise Andenken aus dem Urlaub mitbringen oder Fotos machen. Wenn wir von einer religiösen Nippes-Neigung sprechen, ist das alles in Ordnung. Aber wenn Sie sich Jesus nähern wollen, ist es der falsche Weg. Im Leib Christi, also dem konsekrierten Brot, das sie in der Eucharistie empfangen, kommen Sie ihm und dem Glauben ungleich näher.
Gemeinschaften, vor allem dann, wenn sie unüberschaubare groß sind, eine face-to-face Kommunikation undenkbar ist, schaffen sich imaginäre 'Bilder', 'Objekte', in denen sich die Vorstellung eines allen Gemeinsamen kristallisiert. Cosa nostra. Solche 'Bilder' können sich auf konkrete Dinge beziehen, müssen das aber nicht; sie sind vielmehr in hohem Maße konstruiert. Problematisch wird es, wenn ein solches 'Ding, das sammelt' fehlt, oder abhanden kommt.
Und besonders problematisch ist es, wenn Gemeinschaften strukturell ein solches Objekt eigentlich nicht besitzen dürfen. Das ist in der Demokratie der Fall, wo der Platz der Macht leer bleiben muß, allenfalls auf Zeit ausgefüllt, durch einen 'Platzhalter', zum Beispiel einen (darum immer 'schwachen') Bundespräsidenten. Das Gemeinsame der Demokratie ist allein die vollkommen willkürliche, kontingente Entscheidung, eine Gemeinschaft bilden zu wollen. Ein 'Objekt' dafür kann es dafür auch gar nicht geben. Die Mitte, wo man sich sammelt kann / muss leer bleiben - auch im Museum. (GF)
Der dem gemeinschaftlichen Raum zugleich interne und externe Ort ist das, was im alten Deutsch der Ausdruck 'das Ding' bezeichnete. ... Von diesem Ding kennen wir in unsere zeitgenössischen Erfahrung einige Darstellugsformen: es ist zum Beispiel der große Kreis, der, indem er den extimen Raum im Herzen der Republik abgrenzt, das mutmaßliche Opfer des sogenannten 'unbekannten' Soldaten weiht, d.h. des anonymen, also jenseits jeglicher Identifikation angesiedelten. (Bernard Baas
Die neue Bürgerlichkeit war und ist – gegen den Ruf ihrer vermeintlichen Stabilität – erstaunlich wandlungsfähig. Sie fasziniert als Heimstatt eines neu entdeckten Lifestyles, firmiert unter dem Etikett der „Neuen Mitte“ als vermeintlich stabiles Wählerreservoir und reanimiert konservative Hoffnungen auf ein Rollback des gesellschaftspolitischen Klimas.
Als Anker eines Wertekanons mit Handlungsanweisungen taugt die neue Bürgerlichkeit aber nicht. Und dass nicht einmal deshalb, weil es kaum ein greifbares Milieu gibt, dass dieser Wortprägung beigesellen könnte, worauf vor allem die Medienöffentlichkeit angewiesen ist: Gesichter, die für jene Haltungen stehen, die als Begriff immer abstrakt bleiben müssen. Neue Bürgerlichkeit: Bei diesem Wort denkt niemand an Personen, sondern vor allem an Utensilien von Einstecktuch bis Mahagoni-Tisch. (Osnabrücker Zeitung)
Cosa und Causa. Das Ding sammelt. Es ist aber auch die Ur-Sache der Gemeinschaft. Zum Beispiel der Bergisel.
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