„Graz war immer das letzte Bollwerk eines westlichen Europas gegenüber den türkischen Übergriffen“. Dieser 'Sager' des Bürgermeisters der zweitgrößten Stadt Österreichs von 2005 steht in einer sehr langen Tradition - vor allem katholisch und konservativ-nationaler - antitürkischer Politik, die die zweimalige Belagerung Wiens, vor allem die von 1683, für ihre Zwecke instrumentalisiert hat. In meiner Volksschulklasse hing selbstverständlich ein der Bildtafeln, wie sie damals als Unterrichtsbehelf verwendet wurden, die "Türkenbelagerung" dar und der "Heimatkundeunterricht" führte unsere Klasse vor jene noch sichtbare Bresche in der Stadtmauer, wo die türkischen Belagerer am Eindringen in die Stadt gehindert wurden.
Nur vor dem Hintergrund dieses buchstäblich über Jahrhunderte tradierten Topos der "Türken vor Wien", versteht man den Witz, mit dem dem Ausstellungstitel "Die Türken in Wien" eine blitzartige Verschiebung der Perspektive und eine ironische Brechung der uralten Klischees gelingt.
Hinter dem Titel verbirgt sich aber nicht eine Revision verbogener Geschichtsbilder und zählebiger Vorurteile, sondern die penible Rekonstruktion eines Stücks so gut wie vergessener Geschichte. Wien war eine der Endpunkte der Fluchtbewegung der aus Spanien vertriebenen Juden, der Sepharden. Und Wien war eine der Orte, an dem sie sich als Gemeinde etablieren und integrieren konnten und zugleich Bezugspunkt für die anderen sephardischen Gemeinden des Balkan die eine Brücke für Handel und Kultur zwischen dem Habsburgerreich und dem Osmanischen Reich bildeten.
Was das Museum mit spröden Dokumenten und in wenigen Schauräumen bietet ist mehr als nur eine Dokumentation eines vergessenen Teils der Österreichischen Geschichte. Es ist auch eine Demonstration, was ein Museum auf der Basis wissenschaftlicher Vorarbeit leisten kann. Nämlich buchstäblich das: etwas im Gedächtnis zu behalten, was andernfalls vergessen wäre.
Die Türken in Wien. Jüdisches Museum der Stadt Wien. Bis 31. Oktober
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