Montag, 20. Dezember 2010

Kratzen am Denkmal (Texte im Museum 167)

Ausstellung über Vermeers "Malerei". Kunsthistorisches Museum Wien 2010

Eine Ausstellungskritik gibt es nicht. Ein Beispiel dafür, warum das schade ist und was es gewinnen gäbe.

Daß es das Genre Ausstellungskritik - fast - nicht und das der Museumskritik gar nicht gibt, bedaure nicht nur ich. Stattdessen begnügen sich Medien mehr und mehr mit unsinnig atemlos knapp nach Eröffnungen und Vernissagen erscheinenden Kurzberichten. Eine Form, die der Theaterberichterstattung abgeschaut ist, wo man ja bis zur Absurdidät vorgedrungen ist, einen sichtlich ergriffenen Kritiker in den Schlussapplaus hinein direkt vom Ort des Geschehens seine Urteilsverkündung ins Mikrophon hecheln zu lassen.

Das ohnehin 'langsame' Medium Museum und Ausstellungen, der Laufzeit selten unter einigen Monaten liegt, böten Gelegenheit zu Sorgfalt und Gründlichkeit, statt 'Aktualität'. Besonders schmerzlich ist aber das Fehlen der Auseinandersetzung mit den spezifischen Ausdrucksmitteln und Erzählweisen, das das Ausstellen auszeichnet. Damit fehlt auch eine begleitende Analyse von Entwicklungen, Moden, Gattungen und Genres weg, wie sie eine gute Filmkritik auszeichnen und Auch eine Beschäftigung mit Produktionsbedingungen, gesellschaftlicher Resonanz, gesellschaftspolitischer Relevanz.
Für Filmkritik gibt es eine derart die Ebenen verschränkende Kritik längst und im glücklichen Fall ist sie immer mehreres zugleich: Orientierung, Explikation von Qualität, in die die Erläuterung der Maßstäbe mit einfließt, und im Idealfall sogar eine eine gattungsgeschichtliche Reflexion eingebettete Reflexion der Beziehung des Werks mit seiner gesellschftlichen 'Umwelt'. (Wobei der Filmkritiker den unbestreitbaren Vorteil hat, daß er die Grundlage seiner Erfahrung, die Aufführung, - heute, angesichts der technischen Möglichkeiten, nahezu beliebig - reproduzieren kann).

So gut wie unentdeckt ist Ausstellungskritik als Ferment der eigenen Ausstellungsproduktion. In einem eben in Lettre International (Nr.91/Winter 2010) erschienen Interview von 1984 erwähnt Francois Truffaut, daß er etwa 3000 Filme gesehen habe, aberhunderte, ehe er seinen ersten Film gesehen habe und an mehreren Beispielen im Laufe des Gesprächs erläutert er die enorme Bedeutung der subtilen Kenntnis vieler Filme und der Methoden vieler Regisseure für die praktische Lösung kniffliger Probleme.

Welches Potential Kritik haben kann, ist mir beim Lesen einer Kritik wieder sehr bewußt geworden, die sich auf eine besondere Art des Dokumentarfilms, des Tierfilms bezog. Georg Seeßlen, einer der namhaften deutschen Filmkritiker, benötigte im Mai dieses Jahres nur ein Drittel einer Seite der Wochenzeitung DIE ZEIT, um eine Edition der Dokumentarfilme von Bernhard und Michael Grizmek zum Anlass eines kleinen Kabinettstücks der Kritik zu machen (12. Mai 2010, Nummer 20, hier online).

Da geht es um die Haltung des Nachkriegs-Tierfilmes, der nach den rassistischen der NS-Zeit eine Ideologie der Behütung und Beheimatung verbreitet. Elf Minuten lang ist ein früher Film, den Seeßlen nennt, "Ein Fabeltier fliegt nach Deutschland (1954) (…), der den Transport eines Okapi aus Afrika und die Ankunft im Frankfurter Zoo schildert. Sehr wichtig ist die immer wieder auftauchende Debatte um den Gefängnischarakter eines Zoos. Die Grzimeks werden nicht müde, wie in Tiere ohne Feind und Furcht (1953), das Glück solcher Beschränkung für die Tiere zu betonen, die nun aller Sorgen und Gefahren ledig und »unter sich« leben dürfen. Sieht man die Grzimek-Filme heute im Zusammenhang (…), ergibt sich beinahe so etwas wie eine große Erzählung für eine Nachkriegsgesellschaft. Egal, ob im Frankfurter Zoo oder in der Serengeti, im heimatlichen Fluss oder im Wildpark: Immer geht es um das Heimat-Schaffen, um die Aufteilung der Welt in chaotisches Durcheinander und wohlgeordnete Paradiese, friedvolles Zusammenleben im Blick des guten Wildhüters."

Dann geht es aber um den Wandel des Tierfilmes, hin zu einem postkolonialen Menschenbild und einem leidenschaftlichen ökologischen Engagement, wobei Seeßlen noch Platz hat, die Vater-Sohn-Beziehung der Grizmeks in die Analyse hineinzunehmen und die verglichen mit heutigen Tierfilmen noch distanzierte und dezente Haltung der Filmer. In der nächsten Generation hat sich nicht nur das verändert, sondern das Genre gespalten. "Tierbilder, so scheint es, dienen nun nicht mehr der Einigung, sondern der Entzweiung, Eisbären-Knuts und Schimpansen-Charlys geistern als fauler Trost durch die Bildermaschinen, wo anderswo gestrandete Wale und von Ölpest gezeichnete Vögel wenig Hoffnung lassen."

Schade, daß es keine auf solchem Niveau und mit vergleichbar substantiellen Fragen operierende Ausstellungskritik gibt.

Etikettierung (Texte im Museum 166)

Aus dem - in dieser Form inzwischen aufgelassenen - Musée des Monuments Paris

Das Altonaer Museum hat eine Idee...

Das Altonaer Museum ist dem Schließungs-Tod grade noch mal von der Schaufel gesprungen. Trotz Neuwahlen droht dem Museum aber immer noch eine Kürzung der Mittel und binnen weniger Monate ein neues Konzept vorlegen zu sollen, ist angesichts der Situation des Museums und der übrigen historischen Museen auch nicht grade einfach. Was man aber hat, neugewonnene Symphatisanten und eine Menge von Leuten, die bereit sind, sich aktiv für das Museum einzusetzen.
Und was fällt dem Museum in dieser Situation als eigener Beitrag ein?
Ein "Solidaritätskalender".
Und der sieht unter anderem so aus (Abbildung).
Wir gratulieren zu dieser von hoher sozialer und museologischer Kompetenz getragenen Entscheidung.

Samstag, 18. Dezember 2010

Arbeiterinnen (Texte im Museum 164)

Museum der Arbeit Hamburg

Was ist ein Museum (Teil 10). Was bisher geschah und: Triumphzug mit Einspruch

Raffael: Kopf einer Muse. Studie zum Fresko "Parnass" in den Stanzen des Vatikan
Ich habe den "Fortsetzungsroman" mit dem Titel "Was ist ein Museum" nun schon lange unterbrochen. Um den Faden wieder aufzunehmen, scheint es mir nur fair, ein "Was bisher geschah" vorzuschalten, ehe ich ein neues Kapitel aufschlage.
Jede Frage was denn ein Museum ist, zieht eine zweite Frage mit sich, nämlich welches denn das erste gewesen sein könnte. In diesem Sinn habe ich mit einer sicheren und einer unsicheren Antwort begonnen. In "Das neuntälteste Museum der Welt" (Teil 1) behauptete ein Museum das neuntälteste zu sein, und damit zu wissen was das älteste und was überhaupt ein Museum sei.
Die Fortsetzung im Teil 2 listete verschiedene Antworten auf diese Frage auf, die durch ihre Verschiedenartigkeit das Problem eher verwirrten und verschärften. Und im dritten Teil, "Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück", wurde über die Unsicherheit, ja den Streit über die Benennung eines Hauses für die königliche Kunstsammlung in Berlin erzählt. Soll das, kann das 'Museum' heißen. Und wenn ja, warum?
Die Entscheidung war folgenreich, denn sie hat dazu beigetragen, daß 'Museum' das gebräuchliche Wort wurde, aber sie war alles andere als sicher untermauert.
Im vierten Teil bin ich einer Spur gefolgt, die die Debatte um das Berliner Museum legt: die der Herkunft des Wortes Museum. Diese Zeitreise bestätigte die Skrupel, die die Gelehrten in Berlin hatten; tatsächlich, so etwas wie ein Haus, in dem auf Dauer Gegenstände ausschließlich zum Zweck des Betrachtens bewahrt und ausgestellt werden, das gab es in der Antike nicht. Museion war der Versammlungsort der Musen, aber die Musen 'sammelten' nicht, sie sangen und tanzten.
Dennoch spinnt sich ein geistesgeschichtlicher Faden vom 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (der ersten schriftlichen Erwähnung der Musen) bis in die Neuzeit herauf. Die Idee einer Art von kollektivem, gesellschaftlichem Gedächtnis (in der Antike: die gattungsgeschichtlichen Erzählungen des Mythos) einerseits und ein medientheoretischer und -kritischer Aspekt andrerseits. Denn in der Geschichte der Musen und ihres Aufenthaltsortes, dem Museion, spiegelt sich der zivilisatorische Bruch von lebendem und technischen Gedächtnis. Was nur mündlich überlieferbar war, wurde durch die Aufzeichnungsmedien Bild und Schrift dauerhaft, 'monumental, tendenziell unzerstörbar.
Die Dialektik von lebendem, aber kurzlebigem und schwankendem Erinnern und dinglicher, festgeschriebener Erinnerung, die das das lebende Gedächtnis bedroht, ist schon Stoff der antiken Philosophie selbst.
Das wird aber auch eine Hypothek für die Idee des Museums der Moderne werden. Die Dinge aufzubewahren und damit - nur vermeintlich - deren - Gedächtnis schon aktualisiert zu haben. An diesem Widerspruch wird sich die Kritik am Museum, namentlich die der künstlerischen Avantgarden, immer und immer wieder entzünden.
Vorerst waren aber das Museion und die Musen selbst vom Vergessen bedroht. Das christliche Mittelalter sah mit sehr raren Ausnahmen keinen Grund die 'heidnischen Götter' am Leben zu halten und erst die Rückwendung zu den antiken Überlieferungen in der mediterranen Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts ließ die Idee des Museion wieder aufleben. Und zwar als Ort der gelehrten Studien, als Ort der Sammlung, als Ort der beides beschützenden Musen, die zu diesem Zweck als Bilder oder Statuen (in Villen oder Parks) heraufgerufen wurden. Dem war der 5. Teil, "Die Wiederkehr der Musen", gewidmet.
Diese Entwicklung führt aber nicht zur privilegierten Verwendung des Wortes 'Museum'. Für die diversen Weisen des Sammelns und Ausstellens seit dem 16. Jahrhundert, gibt es viele Namen, Museum ist darunter (erstmals um 1550), aber einer unter vielen, und einer mit vielerlei Bedeutungen. Der Bedeutungsvielfalt und dem Bedeutungswandel von 'Museum' in der Neuzeit war der 6. Teil gewidmet, der bereist auf eine Entscheidung für den Gebrauch des Wortes vorbereitete. Nämlich der Schaffung mehrerer, für unterschiedliche Wissensbereiche zuständiger Museen in der Französischen Revolution und die Preisgabe einer Idee eines universalen Wissens- und Bildungsortes. Bis dahin waren beide unter dem Begriff Museum transportierten Optionen offen gewesen.
Der Louvre. Als 'Musée Napoleon' auch ein Ort der 'Trophäen', der im militärisch eroberten Ausland erbeuteten Kunstgüter.
Die Französische Revolution (Teil 7 "Museum und Guillotine") ist die für die Entstehung des Museums, wie wir es heute kennen und betreiben entscheidende geschichtliche Epoche. Denn jetzt verbinden sich viele der älteren Strukturmerkmale des Sammelns und Ausstellens mit der Idee der national verfassten Gesellschaft, die im Museum einen Ort schafft, ihre Geschichte und kollektive Identität zu repräsentieren und zu verhandeln. Damit tritt der Staat in die Rolle des treuhänderisch die gesellschaftlichen Interessen vertretenden und durchsetzenden Finanziers und Protektors, der Bildung für jedermann als museales zivilisierendes Ritual ermöglicht. Das aber zu seinem Nutzen, denn der gebildete und aufgeklärte Bürger identifiziert sich als Citoyen mit Staat und Gesellschaft und wirkt an deren Entfaltung und Vervollkommnung mit.
Zugänglichkeit für jedermann ist also kein Ziel des Museums, sondern Bedingung, daß die zivilisierende Aufgabe des Museums wahrgenommen werden kann.
Nach einem 8. Teil zur sofort einsetzenden 'Globalisierung' der Museumsidee und der Vorbildlichkeit des Französischen Modells, das im Schlepptau der französischen Armee in vielen europäischen  Städten angesiedelt wird, habe ich dann im 9. Teil diesen zentralen Punkt der modernen Idee des Museums präzisiert - den Übergang von der Nutzung von Sammlungen und Ausstellungen als Vergünstigung (bis dahin sind mit raren Ausnahmen alle diese Praktiken privater Verfügungsgewalt) zum Museum, zu dessen Nutzung ein verbrieftes Recht besteht. Das transformiert den Sinn der Institution fundamental und macht das Museum, wie seine Architektur, seine städtebauliche Situation und der mediale Diskurs, in den es einbezogen ist, zeigen, zu einem Schlüsselphänomen der Moderne.

Von hier aus könnten wir also den Triumphzug einer Idee beschreiben, so wie es George Bazin in seiner Museumsgeschichte gemacht hat, der vom 19. Jahrhundert als dem Goldenen Zeitalter des Museums spricht. Aber es lohnt sich, auf etwas einzugehen, worüber dieser Triumphzug hinweggerollt ist: die essentielle Kritik die das Museum bereits im Moment seines Entstehens begleitet.

Das ist mein nächstes Thema - demnächst....

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Stiftung (Texte im Museum 162)

Worüber man reden könnte und worüber auch schon mal geredet wurde. Wien Museum neu (4)

Eine Auswahl von Äußerungen und Dokumenten zur Entwicklung des Wien Museum. Als weitere Grundlage einer Diskussion zu seiner künftigen Entwicklung.
Für das aktuelle Konzept konnte ich keinen Link finden.

12.09.2002 Ein Kulturstadtrat wacht auf. Der Standard
http://derstandard.at/1063126

18.09.2002 Matthias Dusini Interview mit langem Vorspann, FALTER
http://www.falter.at/print/F2002_38_2.php

14.07.2007 Bildung braucht auch Verführung. Ausführliches Interview, das Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Julia Urbanek mit Wolfgang Kos für die Wiener Zeitung geführt haben
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4664&Alias=wzo&cob=293213&Page15308=7

6. November 2007 Erweiterung Wien Museum Karlsplatz. Baukünstlerische Machbarkeitsstudie http://www.wienmuseum.at/de/presse.html

13.08.2009 Wien Museum: "Völliger Neubau" denkbar. Die Presse/APA
http://diepresse.com/home/kultur/kunst/501998/WienMuseum_Voelliger-Neubau-denkbar

02.09.2010 Thomas Trenkler: Wolfgang Kos fordert 'fotofähige Architektur'. Der Standard
http://derstandard.at/1250691846606/Neues-Wien-Museum-Wolfgang-Kos-fordert-fotofaehige-Architektur

11.05.2010 Inhaltliches Konzept steht Der Standard/APA
http://derstandard.at/1271376446123/Wien-Museum-Neu-Inhaltliches-Konzept-von-Direktor-Kos-steht

11.05.2010 Martina Stemmer: Neuer Inhalt, aber noch keine Hülle, Der Standard
http://derstandard.at/1271376526705/Wien-Museum-Neuer-Inhalt-aber-noch-keine-Huelle

24.11.2010 Wien Museum, wohin? FALTER
http://kurier.at/nachrichten/wien/2056426.php

09.12.2010 Wien Museum sucht seine Zukunft
http://kurier.at/nachrichten/wien/2056426.php

Leitbild, aktuell
http://www.wienmuseum.at/de/ueber-uns/unser-leitbild.html

Wikipedia zu Wien Museum
http://de.wikipedia.org/wiki/Wien_Museum

Wikipedia zu Wolfgang Kos
http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Kos

Dynamik zwischen den Institutionen. Wien und seine neuen Museen.
www.eiblmayr.at/downloads/Eiblmayr_MuseeninWien_080610.pdf

Mittwoch, 15. Dezember 2010

In Memory of Marcel Broothaers (Texte im Museum 161)

Und abermal bin ich für eine Spende von Annina Zwettler dankbar, wiederum Fotos aus dem Museum of Natural History, London, der "Kathedrale der Schöpfung" (auch der unfrisertest aussehenden...).

Kunst braucht Betrachter (Texte im Museum 160)

Das traurigste, das beste, das schlechteste Museum. Sie haben die Wahl!

Vitus H. Weh ruft zur Erstellung einer Best of - Liste für Museen auf! So ganz kann er sich nicht entscheiden - traurig oder doch wirklich schlecht, oder eben (sehr) gut. Er bittet um Mitarbeit. Hier der Link.
Ich finde schon lange, es sollte ein Gault-Millau für Museen geben, aber einen, wo auch jene Museen genannt werden, die man nicht unbedingt gesehen haben muss, bzw. um die man möglichst ein weiten Bogen macht.
Ich habe hier im Blog schon viele Museen vorgestellt, aber ein Ranking vermieden. Listen wie die von Vitus H. Weh würden eine Qualitätsdebatte fördern....

At Work (Texte im Museum 159)

Selbstvitrinisierung von MuseumsmitarbeiterInnen im Museum of Natural History London. Der Kurator als Exponat. Bitte nicht schrecken! -- Mit ihrer freundlichen Eralubnis als Dauerleihgabe von Annina Zwettlers Facebook entlehnt. -- Zum Vergleichen finde ich einen Text der Inatura Dornbirn empfehlenswert: http://museologien.blogspot.com/2010/01/kassandra-braucht-jetzt-etwas-ruhe.html

Broodthaers weist den Weg (Texte im Museum 158)

Montag, 13. Dezember 2010

Ein neues Wien Museum? Worüber man reden könnte (3)

Unter dem Titel "Wien muß nicht Bilbao werden" holte der FALTER (Nummer 49/10 S.36/37) Meinungen zur Sinnhaftigkeit eines neuen Wien Museum ein. Mein Statement habe ich hier schon gepostet, jetzt fasse ich die übrigen kurz zusammen. Eine Zusammenfassung des der Diskussion vorangehenden Artikels von Matthias Dusini hier im Blog.

Margot Schindler: "Museen gelten heute als Imageträger eines kultivierten Stadtlebens. Ihr Besuch gehört zu einer von vielen möglichen Komponenten eines urbanen Lebensstils. Bewirkt haben diese Wandlung im Besucherverhalten die Öffnung der Museen nach innen und außen, die Diversifikation des Programmangebots und die Professionalisierung des entsprechenden Marketings".
Margit Schindler träumt von der Zusammenlegung des Völker- und Volkskundemuseums, in einem "kraftvollen" Neubau" und möglichst räumlich nahe einem künftigen Wien Museum…

Für Christian Kühn scheint alles schon so weit entschieden, daß er nur noch über den Standort nachdenkt, aber den hat er auch schon: der Morzinplatz soll es sein. Und was ist ein Stadtmuseum? Kühn: "Produktionsstätte von Kultur und Identität."

Für Elke Krasny ist zunächst einmal eines klar: "Die Zukunft der Stadt steht auf dem Spiel."  Rettung kommt vom Stadtmuseum, denn "Städte" müssen "ein differenziertes Verhältnis zu ihrer Vergangenheit entwickeln, um sich in ihrer komplexen Gegenwart zurechtzufinden. Dafür ist ein neuer Typus von Stadtmuseum gefragt, als Forum, als Austragungsort aktueller Debatten."
Das "neu zu denkende" Stadtmuseum müsse ein Frauenmuseum und ein Migartionsmuseum sein, "ein Museum der Geschichten und der Debatten (…) ein Forum in der Gegenwart mit Wirkung für die Zukunft." Optimistisch ist sie nicht: "Doch davon sind wir zurzeit noch weit entfernt."

Wolfgang Maderthaner wünscht sich ein Museum als Ort der "produktiven (Un)Ruhe", denn es bedürfe angesichts eines "kultisch überhöhten Präsentismus, fragmentierter Konsumidentitäten und der Bildungserosion - allesamt Kernbestände des hegemonialen neoliberalen Ideologiearsenals -, angesichts vor allem aber des Versagens und der tendenziellen Selbstauflösung des Politischen (…) dringend eines Orts der Reflexion…".
Maderthaner rückt zwei Überlegungen ins Zentrum: daß Geschichte immer in der Gegenwart erschlossen, erzählt und gedeutet wird und daß dabei immer ein verstörender Rest, meist als Verdrängstes, wiederkehrt. Und daß zweitens Museen politische Orte sind, in denen sich die 'Polis' über "ihre Herkunft und ihr Werden" verständigt.
Um so etwas zu verwirklichen ist seiner Meinung nicht in erster Linie ein Neubau nötig.

Ein neues Wien Museum? Worüber man reden könnte (2)

Wien Museum, mit dem Karlsplatz im Titel
Vor zwei Wochen hat Matthias Dusini im FALTER (Nummer 47/10, S.31f. - den Artikel gibt es online) die Diskussion zur Frage begonnen, ob es einen neuen Museumsbau für das Wien Museum braucht. Angesichts einer offenbar schon 2009 gefällten Entscheidung für einen Neubau, scheint sich ja nur noch die Frage zu stellen "wohin damit"? Und so trägt der Artikel auch den Titel "Wien Museum, wohin?"
Geht es also nur mehr um das "wohin" und nicht mehr um "ob" und "wie", also nicht um die Fragen, ob es einen Neubau überhaupt geben muß und wenn, mit welchem neuen Konzept?

Wir erfahren im Artikel zunächst etwas, warum das alte Museum nicht mehr reicht, und zwar vom Kulturstadtrat, der mitteilt, daß das alte Museum hätte saniert werden müssen und zu klein sei. Also soll es bereits 2011 die Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs geben. Für das - so Matthias Dusini - "kulturpolitische Prestigeprojekt der neuen rot-grünen Stadtregierung". "Ein architektonisches Signal, mit dem Wien sein museales Image korrigieren könnte" soll es werden (Mailath-Pokorny). Deshalb soll das Museum im Zentrum liegen und, so berichtet Dusini, neben Stephansdom und Riesenrad ein weiterer Leuchtturm der Kultur werden. Allerdings habe sich neben dem Schwedenplatz (Morzinplatz) auch der Karlsplatz als idealer Standort herauskristallisiert, sagt wiederum Direktor Kos. Nur: am Karlsplatz steht es ja eh, das Museum. Von den Grünen hört man in dem Artikel nur, daß sie sich als einzige Bedingungen eine umweltfreundliche Architektur wünschen.

Kos wird zitiert: "Es gibt einen breiten Konsens, sicher auch deshalb, weil es sich um kein Luxusmuseum handelt, sondern um ein Gebrauchsmuseum für ganz verschiedene und auch neue Zielgruppen, das Geschichte und Kunst im Konnex mit aktuellen, gesellschaftspolitischen Themen vermitteln will."
Das hört sich auch an, als seien die wesentlichen Entscheidungen schon gefallen.
Mit Kos sind alle zufrieden. Den Neustart des Museum seit dessen Bestellung nennt Dusini "gelungen", und nennt als Argumente das "sorgfältig erneuerte Erscheinungsbild" des "Museumsverbunds"; daß die Ausstellungen nun nicht mehr 'Wiener Uhren vom Mittelalter bis zur Neuzeit' hießen, sondern 'Kampf um die Stadt', und daß zum Beispiel diese Ausstellung ein Beispiel dafür sei, wie "ein Museum den Mainstream geschichtlicher Periodisierung umpflügen kann: Bürgerkrieg statt Biedermeier, Nachkriegsarchitektur statt Jugendstil."

Dann kommt die Frage nach einer zeitgemäßen Museumshaltung: "Was wäre denn der aktuelle Wien-Plot?". Dusini verweist auf das Stadtmuseum Frankfurt der 70er-Jahre mit ihrer Lernort contra Musentempel - Ideologie, das neueste Konzept desselben Hauses mit einem Schwerpunkt auf Partizipation, auf die Migrationsausstellung The Peopling of London im dortigen Stadtmuseum (2003) und schließlich eine Ausstellung der Direktion Kos selbst, "Gastarbeitejteri" (2004) zu 40 Jahren Arbeitsimmigration. Daß Migration ein Thema sein muß, das kommt von vielen Seiten. Daher sollen laut Kos "kulturelle Diversität und Zuwanderung (…) Kernthemen im neuen Museum werden."
Dusini wird ganz bange: "Wie können die Neuwiener - immerhin jeder vierte Einwohner - dazu gebracht werden, sich mit der Selbstdarstellung Wiens zu identifizieren?".
Kulturpolitik (Mailath-Pokorny) und Kos wollen, so Dusini, thematisch so gut wie alles und kommen damit der geplanten Fusion des Völker- und Volkskundemuseums in die Quere, Museen, an deren Zusammenlegung ja gebastelt wird (derzeit mit sehr wenig Aussicht auf Realisierung, jedenfalls nicht in nächster Zeit). Das seinen überdies Museen die den "Prozess der Selbstaufklärung längst hinter sich" (Dusini) haben und die in der Lage sind, die "heutige Gesellschaft in ihrer kulturellen Vielfalt" darzustellen. Das soll ja aber auch das Wien Museum. Mailath-Pokorny etwa möchte die Musikstadt Wien besonders berücksichtigt haben und irgendwie steht plötzlich auch noch die Integration des kommunalen Hauses der Musik im Raum aber auch die Integration des Stadtkinos.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Verzeichnet (Texte im Museum 156)

Österreichisches Museum für Volkskunde (Foto: GF)

Ein neues WienMuseum? Worüber man reden könnte (1). Der FALTER läßt diskutieren.

Dachgleiche des Historischen Museums der Stadt Wien, 1955. Und jetzt ein  neues Museum?
Vorbemerkung: Seit einiger Zeit wird diskutiert, ob das WienMuseum von seinem jetzigen Standort wegziehen und ein neues Haus erhalten soll. Wie es scheint, sind sowohl Wolfgang Kos als auch der Kulturstadtrat für die Errichtung eines Neubaus.
Der FALTER veröffentlicht in seiner heute erschienenen Nummer einige kurze Statements und führt damit jene Diskussion, die Stadtrath Mailath-Pokorny angekündigt hat, wenigstens in Ansätzen.
In meinen 1600 oder 1700 Zeichen, die ich zur Verfügung hatte, frage ich mich vor allem, warum der Direktor des Museums erst jüngst entdeckt hat, daß der existierende Bau für seine Zwecke nicht mehr genügt und warum erst jetzt, wie es aussieht als Legitimation der Forderung nach einem Neubau, ein Konzept vorgelegt wird.
Wegen der verlangten Kürze des Statements ist bloß eine Polemik im Bonsai-Format herausgekommen und ich habe vor, im Blog ausführlicher zum WienMuseum und zu seinem Konzept zu schreiben.

Hier der Text für den FALTER.

Stadtmuseen haben das Problem, daß ihnen die Entwicklung der Städte davonläuft und das Publikum, dem sie einmal verpflichtet waren. Was eigentlich für wen in einem Stadtmuseum dargestellt und vermittelt werden soll, wird immer unklarer. Spürbar wird diese Entwicklung am Veralten, am Marginal-Werden der Stadtmuseen und an der Deklassierung gegenüber der Museums-Konkurrenz, die mit van Gogh und ausgestopftem Streichelschaf punktet.
Wolfgang Kos hat aus dem Dilemma vor allem mit Marketing zu entkommen versucht, mit einer Imagekorrektur, mit der Umbenennung und Abstoßen des ‚historisch’ aus dem Namen des Hauses und jüngst mit der Stilisierung zum Universalmuseum.
Nun soll aber alles anders werden, es soll ein neues Haus geben, eine neue Dauerausstellung, eine neue Haltung. 52 Seiten hat das sogenannte Vision Statement. Alle museologischen Reiz- und Stichwörter aus dem museologischen Proseminar sind aneinandergereiht, ein langer Katalog von Versprechen: antihegemonial soll das Museum werden aber auch touristisch, es soll alle ansprechen aber speziell doch die Schüler, es soll Klischees reflektieren aber das Biedermeier neu entdecken, es soll sensibel gegenüber dem Migrationshintergrund der Wiener sein aber auch ein Ort der Bürgergeschichte, es wird ein kultureller Grundversorger sein, ein Haus der Toleranz, ein Impulsgeber für die Stadtentwicklung, eine Sehenswürdigkeit, ein Modell für die Entwicklung von Museen im internationalen Maßstab, ein Volksbildungsinstitut neuen Zuschnitts, wach gegenüber Zeitfragen, fähig, gesellschaftliche Zusammenhänge und geschichtliche Brüche zu thematisieren, die Sammlung und ihre ‚Schätze’ ins rechte Licht rücken, den spatial turn mitvollziehen, erlebnisorientiert sein, Imagekonstruktionen dekonstruieren, Identitäten verflüssigen - und so weiter. Der zweite Teil stellt knapp die Module einer neuen Dauerausstellung vor. Dort fehlen dann nicht nur die meisten der genannten Ideen, vor allem fehlt hier jeder Hinweis, wie die hochgesteckten Ziele eigentlich umgesetzt werden sollen. Stattdessen paradieren hier alte Bekannte, Türken und Kaffeehaus, Klimt und Naschmarkt, Wien um 1900 und Karl Marx Hof.
Wolfgang Kos ist seit mehr als sieben Jahren Leiter des WienMuseum. Er hatte sieben Jahre Zeit, um zu entdecken, daß er für die Verwirklichung seiner Träume ein neues Haus braucht. Er hatte sehr viel Zeit, einige der Versprechen, die jetzt als Rechtfertigung eines Neubaues publiziert werden, einzulösen. Und er hatte sieben Jahre Zeit für die Ausarbeitung eines Konzepts, das keine eigene Sprache findet und kaum eine originelle Idee enthält.

Berliner Blau (Texte im Museum 155)

Mineralogische Sammlung des Universalmuseum Joanneum (Foto: GF)

1 Jahr

Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Alpenvereinsmuseum in Innsbruck



Dienstag, 30. November 2010

Das Leben unter den Dingen (Texte im Museum 153)

Ausstellung ausgesucht, aufbewahrt, vorgezeigt. Ruhrlandmuseum Essen 1994

Museumspreis(e). In eigener Sache

Am vergangenen Freitag fand die Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Alpenvereinsmuseum (Innsbruck) statt.
Nach dem Tiroler Museumspreis und der Nominierung für den European Museums of the Year Award für die Endrunde war das der dritte Preis, den das Museum erhalten hat.

Hier eine freundliche Erwähnung im artmagazine, hier der Bericht der Kleinen Zeitung, und hier und hier die Informationen des Österreichischen Alpenvereins selbst.

Blätterwald (Texte im Museum 152)

In  der Ausstellung "Die Zukunft der Natur" in Hall in Tirol spiegeln sich hunderte mit Informationen versehene Karteikarten im sogenannten Spiegelzimmer. Auf einem Doppelbett liegend, kann man die in drie Sprachen verfassten Infos lesen. Foto GF

Das Frauenmuseum in Hittisau

1995 gab es in Hittisau (Bregenzer Wald) eine Ausstellung über das Kopftuch. Das Kopftuch war schon damals ein symptomatisches Objekt eines 'Kulturkampfes', aber noch nicht ganz so heftig und verbissen, wie heute.
Ich erinnere mich noch an Foto, ich glaube es war eins von Romy Schneider, das mir blitzartig ein paar Einsichten verschaffte; ich mußte lachen, ja, klar, da trägt sie Kopftuch, 5oer-Jahre - und sofort gingen mir Erinnerungsbilder meiner Schwester und ihrer Freundin durch den Kopf. Klar, die hatten alle Kopftücher.
So simpel, so gewitzt kann Museum sein. Klarerweise gab es da auch jeder Menge an Material, Bilder, Texte, die das Thema sortierten, auffächerten, historisierten. Das Kopftuch als Tracht, als Arbeitskleidung, als Zeichen, als Mode...
Vor kurzem habe ich ein paar Fotos wiederentdeckt, die ich jetzt hervorkrame, einerseits um an diese kluge, einfache Ausstellung zu erinnern und damit an die Möglichkeiten, die Museen haben (und kaum nutzen), sich zu aktuellen Fragen mit ihren speziellen Mitteln zu äußern. Andrerseits um mal ein wenig Werbung zu machen für dieses Museum.
Das war mir beim ersten Besuch sofort sympathisch aus einem ganz und gar nicht museologischen Grund: es ist in einem jener modernen Bauten untergebracht, für die die zeitgenössische Architektur in Vorarlberg berühmt ist. Ein unprätentiöser, selbstbewußt in das Ortsbild eingerückter Würfel aus Holz und Glas.
Das Museum besteht aus einem einzigen, unglaublich angenehm wirkenden Raum und einigen ohne Wände anschließenden kleine Annexe (Sitzecke, Büro, Bibliothek).
Das Museum hat kaum eine eigene Sammlung und 'lebt' von seinen Ausstellungen, die alle aus ihrer buchstäblichen Überschaubarkeit Vorteile ziehen - man läßt sich gerne und gründlich auf etwas ein, was einen nicht schon mit hunderten Objekten von vornherein Bildungsanstrengung drohend entgegenhält.
Und wie kommt das (ein) Frauenmuseum nach Hitttisau? Daran ist sozusagen die Museologie schuld. Elisabeth Stöckler hat nach ihrer Ausbildung und nach Absolvierung einer Museologie-Ausbildung nach einer 'Anwendung' ihrer Kompetenzen und Interessen gesucht - und das Museum gegründet. So kann mans auch machen, statt Arbeit zu suchen, sich eine schaffen, und wenns halt nicht anders geht, indem man ein Museum gründet und Direktorin wird. Inzwischen hat sie die Leitung abgegeben und als ich das letzte Mal in Hittisau war, führte mich bereits Stefanie Pitscheider Soraperra, die neue Leiterin, durch die Ausstellung.
Jedes Mal hat sich das Haus (hier die Internetadresse) als gastlich, offen, entspannt gezeigt und jedesmal habe ich die Ausstellungen interessiert besucht.
Und jedesmal habe ich mich amüsiert über die Nachbarschaft, die das Haus erst ermöglicht (und vielleicht auch politisch annehmbar gemacht) hat. Das Frauenmuseum (im ersten Stock) teilt sich den Bau mit der Ortsfeuerwehr (im Erdgeschoss).
Wem das alles zu 'entlegen' vorkommt, dem sei versichert, daß auch ein so kleiner Ort mit öffentlichen Verkehrsmitteln (mit dem Auto sowieso) sehr gut erreichbar ist und daß der Bregenzerwald nicht nur mehrere interessante kleine Museen hat (das Felder Museum in Schoppernau war hier schon mal Gast...) und bekanntlich eine schöne Landschaft, beachtliche Architektur, grandiosen Käse und wunderbare Hotels und Gasthäuser.
Museen 'verrate' ich, Gasthäuser muß jeder selber finden...

Sonntag, 28. November 2010

Breaking News Hamburg: Statt dem Ende des Museums, Ende der Politik

Die Koalition von CDU und Grünen ist gescheitert, die Grünen steigen aus. Zum Schwinden des Vertrauens und dem Mißmanegement - zwei Begründungen für den Ausstieg - wurde in den letzten Tagen schon die Kulturpolitik inklusive Museumspolitik gezählt. Der sparwütige Finanzsenator ist zurückgetreten und jetzt ist es ganz aus. Soll man daraus den Schluß ziehen, daß 'Bürgerbeteiligung' - in Hamburg eher Bürgerproteste - tatsächlich politisch etwas in Bewegung bringen können? Dieses Match hat jedenfalls die Politik verloren.

Freitag, 26. November 2010

Donnerstag, 25. November 2010

Diverse Österreicher (Texte im Museum 149)

Ausstellung über Linz als 'Hauptstadt des Führers'. Oberösterreichisches Landesmuseum, 2009 (Foto: GF)

Und noch ein Direktorenrücktritt: der des Vorarlberger Landesmuseums

"Der Direktor des Vorarlberger Landesmuseums, Tobias Natter, wird seinen Mitte Mai 2011 auslaufenden Vertrag nicht verlängern und das Haus verlassen. Er werde sich selbstständig machen und in Zukunft private Kunstsammler im In- und Ausland beraten, erklärte der 49-Jährige am Donnerstag in einer Aussendung des Landesmuseums."
So lese ich es vor einigen Stunden in der Online-'Presse' und bin einigermaßen verbüfft. Es ist ein Rücktritt - pardon: Verzicht - ohne Begründung, mitten im Prozess des Entstehens eines - baulich wie inhaltlich - 'neuen' Landesmuseums. Erst vor etwa zwei Monaten war, bei einer Präsentation der Pläne Natters, die Welt scheinbar noch in Ordnung. Auch die strukturellen Konflikte mit einer Art Landesholding der Kulturhäuser schienen, Natters eigenen Bekundungen nach, bereinigt.
Wer tritt zurück, der sagen kann: "Die Neuausrichtung des Landesmuseums sei erfolgreich auf Schiene gebracht worden" und damit auf die Ernte dieses Erfolges verzichtet?
Das macht niemand, der sehr ernste Gründe hat. Doch darüber schweigt sich Natter aus. Er muß wissen, daß er mit diesem Abgang eine sehr schwierige Situation schafft. Wenn tatsächlich alles 'erfolgreich auf Schiene ist', dann ist jeder Nachfolger (oder Nachfolgerin) bloß eine Art Nachlaßverwalter mit wenig Spielraum der Profilierung. Natter auf ORF.at: "…. er habe seine Ziele erreicht, das Konzept sei fertig, die Weichen seien gestellt. Sein Nachfolger müsse sich nur noch der Umsetzung widmen." Wenn der Rücktritt aber am Scheitern des Konzepts läge (auch dafür gibt es Indizien), dann hieße es: zurück an den Start. Und ein Nachfolger hätte bei Null oder Nahe bei Null zu beginnen.

200 Jahre

Mit einer Pressekonferenz der Geschäftsführung wurde das 'Jubiläumsjahr' des Universalmuseum Joanneum gestartet. Bis zur 200. Wiederkehr des Gründungstages im Novemebr 2011 stehen die Veranstaltungen des Museums im Zeichen des Jubiläums.
Bis vor kurzem noch ein Landesmuseum Joanneum, forciert man mit dem Attribut 'universal' die Vielfalt des Museums, das bis auf eine technische und eine historische Sammlung so gut wie alle klassischen Themen des Museums anbieten kann. Parallel zu den vielfältigen Veranstaltungen geht der bislang größte Erneuerungsprozeß des Joanneums weiter, die Sanierung von Gebäuden, die Neugestaltung ganzer Sammlungen und der Neubau einer zentralen Erschließung am ältesten Standort des Museums, zwischen Raubergasse und Neutorgasse.
1811 als von den Ständen verwaltetes, von Erzherzog Johann initiiertes und geleitetes 'Nationalmuseum' gegründet, ist das Museum heute eine GesmbH mit mehreren hundert Mitarbeitern und mehreren Standorten, nicht nur in Graz gelegen.
Das Museum ist, wie es immer wieder gerne selbst versichert, nicht nur eines der größten Museen Österreichs, sondern auch eines der ältesten überhaupt. Vor allem inspiriert von den Wissenschaftsmuseen, die Leopold von Toskana in Florenz gründete, aber auch inspiriert von den Gründungen der Französischen Revolution, gehörte das in seinen Ambitionen ehrgeizige und erstaunliche Projekt zu den frühesten, mit denen die Idee des Museums als Ort kollektiver Identifizierung und öffentlicher Bildung in Europa realisiert wurde.